f I 22101021666 Die Herausgabe einer Uebersetzung in fremde Sprachen wird vorbehalten. Practisches Handbuch der gerichtlichen Medicin. Nach eigenen Erfahrungen von Johann Ludwig Casper. Non hypotheses condo, non opiniones vendilo; quod vidi, scripsi. Sloerk. Thanatologischer Theil. Mit einem Atlas von neun colorirten Tafeln. Berlin, 1857. Verlag von August Hirschwald. 69 Unter den Linden, Eelic der Schildow - Strnssc. Handbuch der ocrichtlich-medicinischen Leichen - Diagnostik. Nach eigenen Erfahrungen von Johann Lndwig Casper. Non hypothescs condo, non opiniones vendilo; quod vidi, scripsi. S to e rk. Mit einem Atlas von neun colorirten Tafeln. Berlin, 1857. Verlag von August Hirschwald. 69 t'nlcr den Linden, Ecke der Schadow - Strasse. I / Vo rwort ^Nachdem die drei Auflagen des ersten Hundert der „gerichtlichen Leichenöffnungen" und die erste, der Stärke jener drei entsprechende Auflage des zweiten Hundert vollständig vergriffen, sind einerseits neue Auflagen nöthig geworden und andererseits vielfältig und auch Seitens des Verlegers Fortsetzungen dieser Sammlung gewünscht worden. Die Erwägung jedoch, dass der unveränderte Abdruck derselben gar manches jetzt Ueberflüssige und Veraltete bringen müsste, da inzwischen ein neues Straf- gesetzbuch in Preussen in Kraft getreten, die Erwägung ferner, dass eine dritte, vierte, fünfte Centurie noth- wendig vielfältige blosse Wiederholungen der frühern hätten enthalten müssen, führten zu dem Entschluss einer völligen und ganz neuen Umarbeitung der genann- ten beiden Schriften. Dies ist die ursprüngliche und äussere Veranlassung des Erscheinens des vorliegenden Werkes, das hiernach zunächst als eine neue Auflage der beiden Bändchen der „gerichtlichen Leichenöffnungen" . zu betrachten ist. Der ehrende Beifall jedoch, den dieselben so all- seitig gefunden, und der Wunsch, dieser Aufnahme auch bei einer neuen Bearbeitung nach Kräften so vollständig als möglich zu entsprechen, waren die fernere Veran- lassung, endlich den wiederholten, aus den weitesten Kreisen dem Verfasser zugekommenen Aufforderungen zur Herausgabe eines vollständigen Handbuchs der gericht- lichen Medicin nachzukommen, von welchem ich hier- mit die erste Hälfte, den thanatologischen Theil, in der Hoffnung veröffentliche, dass mir noch Lebensjahre und Müsse vergönnt bleiben möchten, um das nun begon- nene Werk durch Abfassung auch des zweiten, biologi- schen Theils, zu welchem gleichfalls die reichsten Mate- rialien aus eigner Erfahrung bereit liegen, zu vervoll- ständigen. Zunächst habe ich mich bestrebt, wie seit mehr als dreissig Jahren in meinen academischen Vorlesungen über die gesammte Lehre, so auch in diesem Buche, das die Eine grosse und schwierigste Hälfte derselben umfasst, dem uralten Fehler in der Bearbeitung der gerichtlichen Medicin, der Emancipation derselben von der allgemeinen Medicin, entgegenzuarbeiten, und sie von allem ungehörigen Beiwerk zu reinigen, das Ueber- lieferung, Mangel an Erfahrung in forensischen Dingen, und eben deshalb Unkenntniss der eigentlichen Stellung des Gerichtsarz'tes dem Richter gegenüber, sowie das Ver- kennen des practischen Zweckes der Lehre in ihr so reichlich angehäuft haben. Es ist allerdings im langen Laufe der Zeiten und mit der fortgeschrittenen Cultur im Allgemeinen in dieser Beziehung schon ungemein viel geschehn. Fragen, wie die bei den alten Schriftstellern: „ob Adam ein Zwitter gewesen?" oder: ..ob ein Weib vom Teufel geschwängert werden könne?« begegnen uns freilich nicht mehr; aber Nachklänge der Sophistereien, an denen die alte Medicina forensis so reich war, rabu- listisch-spitzfindige Wenn's und Aber's wird man selbst in den Schriften der neuern Zeit keinesweges ganz ver- missen. Die richtige Erkenntniss eines einzigen einfachen Satzes, der eben so unbestritten richtig, als unwandelbar festzuhalten ist, führt von selbst zu der nothwendigen Reform in der Bearbeitung der gerichtlichen Medicin. Ich meine den Satz: der gerichtliche Arzt ist — Arzt, nichts mehr, nichts weniger, nichts Andres. Wie der Technologe, der bildende Künstler, jeder Handwerker u.s.w. ihre Wissenschaft, die Erfahrung in ihrer Kunst oder ihrem Gewerbe der Rechtspflege im Interesse des Allgemeinwohls dienstbar machen müssen, wenn sie dazu berufen werden, so und nicht anders der Mediciner. Was würde man aber sagen, wenn man den Malern, für den Fall, dass sie aufgefordert würden, über die Aechtheit oder Unächtheit eines muthmaasslich betrügerisch verkauften, angeblichen Raphael als Sachverständige vor Gericht ihr Gutachten abzugeben, lehren wollte, was juristisch ein „Betrug-, was der „Zweck der Strafe" sei u.dgl.?! Und doch findet man seit lange und noch in den neusten Lehrbüchern für medicinische Sachverständige vor Gericht die gründlichsten Erörterungen über die Begriffe: Rechts- staat, Polizeistaat, Verbrechen, dolus, culpa u. s. w., Gegenstände, die ja ganz und gar ausserhalb des Gebietes der Heilkunde liegen, und den Arzt auch nicht im Ent- ferntesten berühren und in seiner forensischen Wirk- samkeit berühren dürfen. Mit dieser irrigen Verschinel- zung inedicinischer mit rechtswissenschaftlichen Begriffen und Zwecken hängt ein andrer, grosser und folgenreicher Irrthum in der Bearbeitung der gerichtlichen Medicin zusammen. Ich meine die Tendenz derselben, nach apo- dictischen, stringenten Beweisen zu streben, wie sie die ältere Beweistheorie in der Strafrechtswissenschaft und der darauf gegründeten ältern Strafrechtspraxis verlangte, mit welcher sich die gerichtliche Medicin zur Ungebühr identificirt hatte. Aber abgesehn davon, dass selbst die neuere Strafrechtswissenschaft und criminalistische Praxis diese strenge Beweistheorie verlassen haben, abge- sehn davon, dass das neuere Criminalrecht den Satz festhält, dass nirgends bei einer Annahme der Beweis der Unmöglich- keit des Gegentheils geführt zu werden braucht, abgesehn ferner davon, dass an die Stelle jener verlassenen strengen Beweisführung die aus dem Gesammtinhalt der ermittelten Thatsachen geschöpfte Ueberzeugung des Richters (der Ge- schwornen) getreten ist, abgesehn von alle dem, frage ich: in welchen übrigen Zweigen der allgemeinen medi- cinischen Diagnostik, von der die gerichtliche nur einen Theil bildet, denn wohl eine solche zweifelsfreie Gewiss- heit gefordert wird oder gegeben werden kann? Aus diesem Irrthum entsprang die unselige Skepsis in so vielen gerichtlich-medicinischen Dingen, die sich in manchen Fragen fast zur völligen Negation der gericht- lichen Medicin und des gerichtlichen Arztes gesteigert hat. Man denke an die Verhandlungen über die Athem- probe, über Vergiftung, über zweifelhafte fremde Schuld am Tode u. s. w. Während der Arzt1 bei seiner Diagnose am Krankenbette alle Thatsachen sammelt, die nicht nur der Status praesens liefert, sondern auch die anamnesti- schen Momente, Alles, was über den frühern Gesund- heitszustand des Kranken, ja über seine Umstände u. dgl. zu ermitteln, sorgsam in Erwägung zieht, soll derselbe Arzt, als gerichtlicher Sachverständiger bei seiner Diagnosenstellung die Anteacta für Nichts achten, das allerwichtigste Erforderniss seiner seegensreichen Wirk- samkeit, sein judicium, seinen gesunden Menschenver- stand, sein Combinationsvermögen gefangen geben, und sich ausschliesslich nur an den „Beweis" halten, den ihm das Naturobject zur Zeit seiner Untersuchung lieferte? Jeder wirklich erfahrne gerichtsärztliche Practiker wird mir zugeben, dass mit solchen Ansichten in der foren- sischen Geschäftsführung nicht durchzukommen. Aber solche Männer, auf deren Zeugniss ich mich berufe, sind nicht häufig, denn die Gelegenheit Erfahrungen auf dem Gebiete der gerichtlichen Medicin zu sammeln, Selbstbeobachtungen in irgend grösserm Maassstabe an- stellen zu können, ist, der Natur der Sachenach, sehr selten, und so soll es kein Vorwurf sein, wenn ich die Thatsache constatire, §. 8. Casuistik . . . . . ■. . ■ 276 70. Fall. Tödtung durch Dampfwagen 276 71. Fall. Zermalmung einesNeugebornen durch einenBahnzug. 276 72. Fall. Bruch des Zitzenfortsatzes durch Ueberfahren . . . 277 73. Fall. Seltene Schädelsprengungen durch Ueberfahren . . 277 74. Fall. Kopfverletzung durch Ueberfahren 277 75. Fall. Hirnhämorrhagie durch Ueberfahren 278 76. Fall. Hirnhämorrhagie durch Anfahren 278 77. Fall. Berstung des Mittelfleisches durch Ueberfahren . . 278 78. Fall. Berstung der Milz durch Anfahren 279 79. Fall. Bruch von Halswirbeln und Zerreissung der Luft- und Speiseröhre duroh Ueberfahren 279 Seite 81s Fu.ll. Kippen- und Brustwirbclbruch, merkwürdige Herz- ersehütterung durch eine aufgefallene Last .... 280 82. Kall. Vielfache Knochenhrüeho und Leberrisse durch einen Mastbaum 281 83. Kall. Rupturen der Leber, Milz, des Netzes und des Ma- gens durch einen Windebauni 281 84. Kall. Zertrümmerung des Schädels durch die Klappen einer Zugbrücke 282 85. Kall. Seltner Knochenbruch durch Einsturz einer Mauer. 283 86. Ol 87. Fall. Sprengung des Schädels, Gehirnvereiterung durch Schläge eines WindinühlenHügels 283 S8. Fall. Tödtliche Kopfverletzung durch Fall von einerTreppe. 284 89. Kall. Milzruptur durch Fall von einer Treppe 285 90. Fall. Tödtliche Kopfverletzungen durch einen Fall . . . 285 91. Fall. Tödtliche Kopfverletzungen durch einen Fall . . . 286 92. Fall. Schädel- und Wirbelbruch und Ruptur des Rük- kenmarks durch Sturz aus der Höhe 286 93. Fall. Sehädelsprcngungen durch einen Schusterhammer. 286 94. Fall. Schädelzertriimmerung durch Axthiebe 287 §. 9. Eigene oder fremde Schuld? , 288 Zweites Kapitel. Tod durch Er schiessen 290 §. 10. Die Schusswunde 290 § 11. Fortsetzung - 293 §. 12. Versuche au Leichen 297 §. 13. Casuistik • 298 95. Fall. Schusswunde in Lunge und Rückenmark 29S 96. Fall. Schusswunde in die Leber 298 97. Fall. Schuss durch Netz und Dünndarm 299 98. Fall. Tödtliche Kopf-Schusswunde 299 99. Fall. Tödtliche Kopf-Schusswunde 300 100. Fall. Tödtliche Kopf-Schusswunde 301 101. Fall. Tödtliche Kopf-Schusswunde durch Spitzkugel . . 301 102. Fall. Tödtliche Kopf-Schusswunde durch Spitzkugel . . 302 103. Fall. Tödtliche Kopf-Schusswunde durch Spitzkugel . . 302 104. Fall. Schuss in die Vena poplitaea 303 105. Fall. Schuss in Herz und Lunge 303 106. Fall. Schuss in die Vena cava • 303 107. Kall. Schuss in Aortenbogen und Lunge 304 108. Kall. Schuss in Zwerchfell und Lunge 304 109. Fall. Spitzkugcl-SchuRS in Lunge und Hohlvcne 305 110. Fall. Schuss in Herz und Lunge 305 111. Kall. Schusssvunden in Lunge und Sehenkclschlugader . 305 Seite 112. Fall. Mord durch eine Zweiehfells-Schusswunde .... 306 §. 14. Eigene oder fremde Schuld? 307 §. 15. Casuistik 313 113. Fall. Selbstmord durch Schuss in die linke Lunge. . . 313 114. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Schusswunde in Zwerch- fell und Milz 314 115. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. TödtJ. Kopfschusswunde. 315 115a. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Tödtl. Kopfschusswunde. 316 116. Fall. Spitzkugelschuss in Herz und Milz 316 117. Fall. Selbstmord durch Kopfschusswunde ohne Kugel . 317 118. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Schuss in Herz u. Lunge. 318 119. Fall Zweifelhafter Selbstmord. Herz-Schusswunde . . 319 120. Fall. Schuss ohne Kugel in Herz und Lungen'. 320 121. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Erschiessen durch Voll- stopfen des Mundes mit Pulver. Ruptur der Lun- gen) Speiseröhre und Carotis 320 Drittes Kapitel. Tod durch Verbrennung 321 §. 16. Allgemeines und Diagnose 321 §. 17. Versuche au Leichen. Brandblasen nach dem Tode 325 §. 18. Eigene oder fremde Schuld? Selbstverbrennung 330 122. Fall. Verbrennungs-Versuch an einer Leiche 335 §. 19. Casuistik 336 123. Fall. Verbrennung im Schornstein 336 124. Fall. Fünf verkohlte Menschen 336 125. Fall. Mord durch Verbrennen oder Erdrosseln? 336 126. Fall. Tödtliches Verbrühen im Bade 341 127. Fall. Tödtliche Verbrennung 342 128. Fall. Ein gerösteter Mensch 342 129. u. 130. Fall. Verbrennung zweier Kinder 343 131. Fall. Tödtliche Verbrennung durch heisses Metall . . . 344 132. Fall. Verbrennung durch siedenden Kaffee 344 133. Fall. Verbrennung durch Flamme 345 134. Fall. Verbrennung durch Flamme 3-15 Zweiter Abschnitt. Dynamischer Tod 347 §. 20. Allgemeines 347 Erstes Kapitel. Tod durch Verblutung und Erschöpfung 347 §. 21. Entstehungsart und Diagnose 347 §. 22. Casuistik 351 Seite A. Tod durch Verblutung. 135. Fall. Verletzung der Carotis 351 136. Fall. Verletzung der Art. iliaca externa 351 137. Fall. Verletzung der Lunge und des Herzbeutels .... 351 138. Fall. Verletzung des Herzens und Zwerchfells 351 130. Fall. Stichwunde in Zwerchfell, Leber und Magen . . . 353 140. Fall. Verblutung aus der Vena saphaena 353 1-11. Fall. Verblutung bei der Entbindung 354 142. Fall. Kindermord durch Halsschnittwunden 354 B. Tod durch Erschöpfung. 143. Fall. Hiebwunde in dasEllenbogengelenk. Amputation. Tod. 356 144. Fall. Bruch des Unterschenkels. Amputation. Tod . . 356 145. Fall. Stichwunden in Kopf u. Schulter. Gehirneiterung. 358 146. Fall. Kopf-Hiebwunde. Gehirneiterung 359 147. Fall. Kopf-Hiebwunde. Gehirneiterung 359 148. Fall. Lungen-Stichwunde. Vereiterung 360 149. Fall. Ueberfahren. $ Amputation. Gehirnabscess. Tod. 361 § 23. Eigene oder fremde Schuld? 361 §. 24. Casuistik 364 150. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Verletzung der Carotis und Juyularis 364 151. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Verletzung der Jugularen. 364 152. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Verletzung der Carotis und Jugularis 366 153. u. 154. Fall. Mord durch Halsschnittwunden. Verlet- zung der Luftröhre und der Carotis 367 155. u. 156. Fall. Selbstmord durch Halsschnittwunden. Durchschneidung der Luft- und Speiseröhre . . . 368 Zweites Kapitel. Tod durch Erhungern 369 §. 25. Allgemeines. Fall von zehntägigem Hungern ohne Tod . . . 369 §. 26. Fortsetzung. Diagnose 373 §. 27. Casuistik 374 157. Fall. Wirklicher Hungertod 374 158. Fall. Angeblicher Hungertod 376 159. Fall. Angeblicher Hungertod eines Kindes. Ausgrabung der Leiche nach zwölf Tagen 376 160. Fall. Angeblicher Hungertod 377 Drittes Kapitel. Tod durch Vergiftung 378 Gesetzliche Bestimmungen 378 §. 28. Begriff: Gift und Eintheilung der Gifte 380 Seite §. 29. Fortsetzung 382 § 30. Feststellung des Thatbestandes 385 §. 31. Fortsetzung, a) Die Krankheitserscheinungen 387 §. 32. Fortsetzung, b) Der Leichenbefund 390 §. 33. Fortsetzung, c) Der chemische Befund 393 §. 34. Fortsetzung. Specielle Gifte 396 §. 35. Fortsetzung, d) Die jedesmaligen besondern Umstände . . . 408 §. 36. Fortsetzung. Schlusssätze 412 §. 37. Eigene oder fremde Schuld? 414 §. 38. Casuistik « •. . 415 161. u. 162. Fall. Zwei Vergiftungen durch Arsenik 415 163. Fall. Vergiftung durch Arsen 418 164. Fall. Angebliche Arsen - Vergiftung. Kann Arsenik in die Haare Übergehn? 419 165. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure acht Tage vor dem Tode 421 166. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure drei Tage vor dem Tode 421 167. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure zwei Stunden vor dem Tode 422 168. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure Eine Stunde vor dem Tode .... . 425 169. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure 426 170. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure, nicht Strangulation. 427 171. Fall. Geläugneter Selbstmord durch Schwefelsäure . . . 428 172. Fall. Freiwillig erduldeter Mord durch Schwefelsäure . 428 173. u. 174. Fall. Selbstvergiftungen zweier Schwängern durch Schwefelsäure 429 175. Fall. Vergiftung durch Lorbeerkirschwasser 431 176. Fall. Vergiftung durch Blausäure 432 177. Fall. Vergiftung durch Blausäure 433 178. Fall. Vergiftung durch Blausäure und ätherische Oele. Eine wohlriechende Leiche 4o4 179. Fall. Vergiftung durch Phosphor 439 180. Fall. Vergiftung durch Phosphor 442 181. Fall. Vergiftung durch giftige Pilze 443 182. bis 184. Fall. Drei Vergiftungen durch Arsenik u. Brucin. 444 185. bis 188. Fall. Vier Vergiftungen durch Colchicin . . . 449 189. Fall. Vergiftung durch Alcohol 452 190. Fall. Vergiftung durch Alcohol 453 191. Fall. Vergiftung durch Alcohol 453 192. Fall. Ob Vergiftung durch irgend ein Xarcotü tun ? . . . 454 193. Fall. Angebliche Vergiftung durch Leberwurst 4r>7 194. Fall. Angebliche Vergiftung. 458 Seite 195. Fall. Angebliche Vergiftung durch Belladonna 459 19G. Fall. Vermuthete Vergiftung durch Wasserschierling . 459 Viertes Kapitel. Tod durch Erstickung . . l 460 §. 39. Allgeraeines 460 §. 40. Diagnose ...... 462 §. 41. Fortsetzung H * 467 §. 42. Eigene oder fremde Schuld? . . . . 469 §. 43. Casuistik * 471 197. bis 199. Fall. Erstickung durch Einsturz eines Gebäudes. 471 200. Fall. Tod durch Einstürzen einer Decke 472 201. Fall. Erstickung eines Neugebornen durch Torf. Ob Zufall, ob Absicht? 472 202. Fall. Erstickung eines Kindes durch einen Zulp (Lutsch- beutel). Ob Zufall, oder Absicht, oder Fahrlässigkeit? 476 203. bis 214. Fall. Zwölf Fälle von Erstickung von Säug- lingen im Bette 478 215- Fall. Erstickung in Kohlenoxydgas 482 216. Fall. Erstickung über einem Kohlenbecken in Kohlen- oxydgas : 483 217. u. 218. Fall. Erstickung in Kohlenoxydgas 483 21;». u. 220. Fall. Erstickung eines Ehepaars in Kohlenoxydgas. 484 221. Fall. Erstickung in kohlensaurem u. Schwefelwasserstoffgas. 485 222. Fall Erstickung aus innern Ursachen 489 Fünftes Kapitel. Tod durch Erhängen, Erwürgen, Erdrosseln 491 §. 44. Allgemeines 491 §. 45. Diagnose, a) Die allgemeinen äussern Befunde 493 %. 46. Fortsetzung, b) Der örtliche Befund am Halse. Die Strangrinne. 496 §. 47. Fortsetzung. Die -Strangrinne. Versuche an Leichen .... 501 §. 48. Fortsetzung. Der örtliche Befund am Halse. Muskeln. Zun- genbein» Kehlkopf. Halswirbel. Carotiden 507 §. 49. Fortsetzung, c) Die innern Befunde 509 §. 50. Casuistik 511 223. Fall. Selbstmord durch Erhängen. Hirnhyperämie. Theils schwach sugillirte, theils mumificirte Strangmarke. 511 224. Fall. Selbstmord durch Erhängen. Neuroparalytischer Tod. Weiche, schmutzige Strangrinne 511 225. Fall. Selbsterhängung. Apoplexie. Schmutzige, weiche Marke. 512 226. Fall. Selbsterhängung. Erstickung. Mumificirte Marke. 512 227. Fall. Selbsterhängung. Neuroparalyse. Schmutzige, weiche Rinne 513 Seite 228. Fall. Selbsterhängung. Neuroparalyse. Doppelte, halb- mumificirte Marke 513 229. Fall. Selbsterhängung.Lungenapoplexie.MumificirteMarke. 514 230. Fall. Selbsterhängung. Suftocation. Kaum merklicheMarke. 514 231. Fall. Selbsterhängung. Exquisiter Erstickungstod. Mu- milication der Marke 515 232 Fall. Selbsterhängung. Neuroparalyse. Mumificirte, halbseitige Rinne 515 233. Fall. Selbsterhängung. Erstickungstod. Schmutzige, weiche Marke 516 §. 51. Eigene oder fremde Schuld? 517 .§. 52. Casuistik 524 234. Fall. Ob Mord oder Selbstmord durch Erdrosselung ? Erstickungstod 524 235. Fall. Zweifelhafter Selbstmord durch Erhängen. Apo- plectischer Tod. Mumificirte Marke 527 236. Fall. Zweifelhafter Kindermord durch Erdrosselung. Ob nach dem Tode.? 527 237. Fall. Mord durch Erwürgen. Erstickungstod 530 238. Fall. Nothzucht und Mord durch Strangulation. Neu- roparalyse. Schmutzige, weiche Strangrinne . . . 534 239. Fall. Zweifelhafter Selbstmord durch Herzbeutelwuude und Erhängen. Neuroparalyse. Mumification der Marke. 536 240. Fall. Zweifelhafter Selbstmord durch Erhängen. Stand der Leiche auf beiden Füssen. Lungenapoplexie. Mumificirte Rinne 538 241. Fall. Selbstmord durch Erhängen. Stand der Leiche auf beiden Füssen. Mumificirte Marke 539 242. Fall. Zweifelhafter Selbstmord durch Erhängen. Stand der Leiche auf beiden Füssen. Lungen- und Hirnhyperämie 539 243. Fall. Zweifelhafter Selbstmord durch Erwürgung. Tod durch Stick- und Schlagfluss. Gemischte Strang- rinne. Horizontale Lage der Leiche 540 244. Fall. Selbsterdrosselung in liegender Stellung. Lun- genhyperämie. Petechial - Sugillationen bei einer Erwachsenen 544 245. Fall. Mord durch Erdrosselung. Stick- und Schlag- fluss. Horizontale Lage der Leiche. Mumifica- tion der Marke 545 246. Fall. Mord durch Erwürgung. Aufhängen der Leiche. Lungen- und Herz-Apoplexie. Mumificirte Rinne. 546 Seite Sechstes Kapitel. Tn.l durch Ertrinken 550 §. 53. Allgemeines 550 §. 54. Diagnose, a) Die äussern Befunde 554 §. 55. Fortsetzung, b) Die innern Befunde 561 §. 56. Casuistik 570 247. Fall. Neuroparalytischer Ertrinkungstod. Getrunkenes Wasser im Magen 570 248. Fall. Mord des eigenen Kindes durch Ertränken. Hirn- hyperämie 570 249. Fall. Suffocatorischer Ertrinkungstod 572 250. bis 253. Fall. Mord der vier eigenen Kinder durch Ertränken. Neuroparalyse 572 254. Fall. Selbstertränkung. Suffocatorischer Tod 575 255. Fall. Selbstertränkung. Suffocatorischer Tod 575 256. Fall. Selbstertränkung. Suffocatorischer Tod 576 257. Fall. Sichere Diagnose des Ertrinkungstodes trotz völ- liger Verwesung 576 258. Fall. Selbstertränken. Neuroparalytischer Tod 577 259. Fall. Zufälliges Ertrinken. Herzhyperämie 577 260. Fall. War das neugeborne Kind ertrunken? 578 261. Fall. Selbstertränkung. Neuroparalytischer Tod .... 578 262. Fall. Ertrinken in lauwarmem Kamillenthee. Apoplexie. 579 263. Fall. Zufälliges Ertrinken. Neuroparalyse 580 §. 57. Eigene oder fremde Schuld? 580 §. 58. Fortsetzung. Wie lange hat die Leiche im Wasser gelegen? Gang der Verwesung bei Wasserleichen 585 §. 59. Casuistik 590 264. Fall.. Zweifelhafter Selbstmord durch Ertrinken 590 2G5. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Ertrinken. Kopfver- letzungen 591 266. Fall. Mord oder Ertrinken? 592 267. Fall. Erstochen oder ertrunken? 594 268. Fall. Zufälliges oder absichtliches Ertrinken? 595 269. Fall. Zufälliges oder absichtliches Ertrinken? 595 270. Fall. Ertrinken. Eigene oder fremde Schuld? Zusam- mengebundene Unterschenkel der Leiche 271. Fall. Ertrunken, strangulirt oder erschlagen? Ruptur des Gehirns . 596 272. Fall. Ertrinken? Strangulation oder natürlicher Tod?. 598 Seite .Siebentes Kapitel. Tod durch Erfrieren qqq §. 60. Allgemeines 600 §. 61. Diagnose 601 §. 62. Eigene oder fremde Schuld? M3 §. 63. Casuistik 604 273- Fall. Erfrierungstod eines Neugeborne-n -. . . 604 274. Fall. Zweifelhafter Erfrierungstod eines Neugeboruen . 606 275. Fall. Zweifelhafter Erfrierungstod 606 276. Fall. Erfrierungstod eines Neugeboruen 607 Achtes Kapitel. Tod durch Chloroform (Anaestketica) . ■ 608 Gesetzliche Bestimmungen 608 §. 64. Allgemeines 608 §. 65. Versuche an Thieren 610 §. 66. Diagnose 613 §. 67. Fortsetzung. Die chronische Chloroform-Vergiftung 621 §. 68. Aeussere Bedingungen des Chloroformtodes 625 §. 69. Casuistik 629 Vgl. den 280. Fall. Anhang. Tod durch angeblich kunstwidriges Heilverfahren 629 Gesetzliche Bestimmungen 629 §. 70. Allgemeines 631 §. 71. Fortsetzung. Die strafgesetzlichen Bestimmungen 635 1) Anschuldigung gegen einen Arzt wegen verweigerter Hülfe. G41 §. 72. Zurechnung des ärztlichen Heilverfahrens 643 2) Verlust sämmtlicher Fusszehen durch Brand. Anschuldi- gung gegen den behandelnden Wasserarzt 646 §. 73. Fortsetzung 647 §. 74. Casuistik - . . . , . . . . 652 277. Fall. Angebliche fahrlässige Vergiftung durch den Arzt. 652 *278. Fall. Angebliche Tödtung des Neugeboruen bei der Ge- burt durch die Hebamme 654 279. Fall. Tod der Kreissenden angeblich durch Schuld der Hebamme 655 280- Fall. Tödtliches Chloroformiren bei einer Zahnoperation. 655 281. Fall. Tödtlicher Gebärmutterriss bei der Entbindung. Anschuldigung gegen die assistirende Wickelfrau. 659 282. Fall. Verwachsung der Plure/i/a. Anschuldigung gegen die Wickelfrau 661 283. Fall. Todtgeburt. Anschuldigung gegen den Arzt ... 661 Seite 284. Fall. Anscheinende Tödtung durch homöopathische Pfu- scherei 662 285. Fall. Angebliche Tödtung durch Kunstfehler bei der Entbindung 664 Zweite Abtheilung. Bio-Tliaiintolo^ie iler Keuffeborneii 664 Gesetzliche Bestimmungen 664 §. 75. Einleitung 666 Erstes Kapitel. Alter der Frucht • 669 §. 76. Leibesfrucht und ueugebornes Kind 6&9 §. 77. Zeichen der Neugeborenheit 673 286. Fall. Richterliche Frage: ob das Kind ein neugebornes gewesen? Sturz des Kindes bei der Geburt? Er- trinken in Menschenkoth ? 678 §. 78. Unzeitiges, lebensfähiges und reifes Kind 680 §. 79. Fortsetzung. Zeichen des Fruchtalters nach Monaten .... 682 §. 80. Fortsetzung. Zeichen der Reife des Kindes 685 §. 81. Casuistik 698 287. Fall. Richterliche Frage: ob das Kind ein reifes gewesen ? 698 288. Fall. Richterliche Frage: ob das Kind ein überreifes gewesen? 699 Zweites Kapitel. Das Leben des Kindes in und nach der Geburt 701 Gesetzliche Bestimmung 701 §. 82. Leben ohne Athmung 701 §. 83. Athmen vor der Geburt. Vngitus uterüvus 706 §. 84. Die Athemprobe. a) Leberprobe 711 §. 85. Fortsetzung, b) Wölbung der Brust 713 §. 86-. Fortsetzung, c) Stand des Zwerchfells 720 §. 87. Fortsetzung, d) Ausdehnung der Lungen 721 §. 88. Fortsetzung, e) Farbe der Lungen 722 §. 89. Fortsetzung, f) Consistenz des Lungengewebes. Atelectase. Hyperämie. Hepatisation 725 §. 90. Fortsetzung. g) Gewicht der Lungen und des Herzens. Ploucquet's Blutlungenprobe 728 §. 91. Fortsetzung. h) Das Schwimmen der Lungen. Hydrostati- sche Lungeiiprobe 736 §. 92. Fortsetzung, a) Künstliches Luftoinblasen 738 §. 93. Fortsetzung, ß) Emplujsuma pulmonum neonatoritfn 743 §. 94. Fortsetzung, y) Fäulniss der Lungen 750 Seite §. 95. Fortsetzung. Sinken der Lungen nach der Athmung 752 §. 96. Fortsetzung, i) Einschnitte in die Lungensubstanz 753 §. 97. Der Knochenkern in der Oberschenkcl-Epiphyse 755 §. 98. Harnsaure Setlimeute in den B e ] 1 i n i' sehen llöhrchcn. . . . 75G §. 99. Der Nabelschnnrrest. Demarcationsring. Mumifikation. Abfall. 759 §. 100. Obliteration der intrauterinen Circulationswegc 702 §. 101. Harnblasen- und Mastdarinprobe 704 §. 102. Sugillationen 765 §. 103. Schlusssatz über die Beweiskraft der Athemprobe 767 §. 104. Wann die Anstellung der Atbemprobe überflüssig? 768 §. 105. Wie lange lebte das Kind und wie lange ist es todt? .... 771 §. 106. Casuistik 773 289. bis 304. Fall. Athemprobe bei schon sehr vorgeschrit- tener Verwesung 773 305. bis 312. Fall. Theilweises Sinken und Schwimmen der Lungen 773 313. bis 315. Fall. Lufteinblasen in gerichtlichen Fällen . . 781 316. u. 317. Fall. Zur Blasen- und Mastdarmprobe 785 Drittes Kapitel. Speci fische Todesarten der Neugebor uen 786 §. 107. Allgemeines 786 §. 108. Tod des Kindes vor der Geburt. Verletzungen in Utero . . . 787 §. 109. Tod des Kindes in der Geburt. a) Subcutane Blutergüsse. Cephalämatom 792 §. 110. Fortsetzung. b) Kopfverletzungen. Ossificationsdefecte an den Schädelknochen .- . 794 §. 11-1. Casuistik 798 318. Fall. Ossificationsdefect mit Fissur im rechten Schei- telbein •. . . 798 319. Fall. Ossificationsdefecte im linken Scheitelbein .... 79S 320. Fall. Ossificationsdefecte an beiden Scheitelbeinen. Trennung der Nabelschnur dicht am Nabel. Keine Verblutung 799 321. Fall. Ossificationsdefecte in beiden Scheitelbeinen. Zweifelhafter Ertrinkungstod 800 322. Fall. Ossificationsdefecte in beiden Scheitelbeinen mit Fissuren. Athmen im verschlossenen Kasten . . . 801 §. 112. Fortsetzung. c) Compression und Umschlingung der Nabel- schnur. Die Strangulationsmarke 802 §. 113. Fortsetzung, d) Strictur der Gebärmutter 806 §. 114. Tod des Kindes nach der Geburt. a) Sturz des Kopfes auf den Boden 807 §. 115. Fortsetzung. Folgen des Sturzes und deren Diagnose .... SIT. Seite §. 116. Casuistik 818 323. Fall. Verblutungstod, Ertrinkungstod oder Kindesstnrz? «18 324. Fall. Kindessturz , 818 325. Fall. Entbindung in aufrechter Stellung. Kindessturz . 819 326. Fall. Entbindung in aufrechter Stellung. Kindessturz auf der Strasse 820 327. Fall. Präcipitirte Geburt. Kindessturz. Tod der Mutter. 820 328. Fall. Kindessturz oder Kindermord? 821 329. Fall. Aus dem Abtritt gezogene Frucht. Kindessturz . 822 § 117. Fortsetzung, b) Verblutung aus der Nabelschnur 823 §. IIS. Fortsetzung. Diagnose 825 330. Fall. Verletzung der Garotis und des Rückenmarkes des Neugebornen. Zweifelhafte Art der Trennung der Nabelschnur 829 §. 119. Casuistik 830 331. Fall. Hart am Nabel getrennte Nabelschnur. Keine Verblutung 830 332. Fall. Nabelschnur aus dem Nabel ausgerissen. Keine Verblutung 831 333. Fall. Am Nabel abgeschnittene Schnur. Todtgeburt . . 831 334. Fall. Nicht unterbundene Nabelschnur. Keine Ver- blutung 832 §. 120. Schuld oder Nichtschuld der Mutter 832 §. 121. Casuistik 837 335. Fall. Angebliche Selbstentbindung. Annahme eines Kin- dermordes 837 336. Fall. Wasserleiche. Nicht zu ermittelnde Schuld der Mutter 839 337. Fall. Geburt in Excremente 840 338. Fall. Aus dem Abtritt gezognes Kind. Nicht zu ermit- telnde Schuld 840 339. Fall. Aus dem Nachtstuhl gezognes Kind. Oeconomi- sche Veranlassung der Beseitigung? 842 340. Fall. Ein ähnlicher Fall 843 341. Fall. Aus dem Wasser gezognes Kind. Beseitigt aus öconomischen Gründen? 843 342. Fall. Wasserleiche eines Neugebornen mit abgesägtem Schädel. Oeconomische Veranlassung der Besei- tigung 844 343. Fall. Umschlingung der Nabelschnur. Schlagfluss. Selbst- hülfe 844 344. Fall. Aus dem Kamin gezognes Neugebornes. Oecono- mische Veranlassung zur Beseitigung 815 Allgemeiner Theil. richll. Hciiicin. Einleitung. §. 1. Ursprung des Wortes Obduction. Jtilrst seit kaum zweihundert Jahren bedient man sich in der "Wissenschaft und Praxis allgemein des Wortes Ob ductio, wäh- rend die Alten nur die Worte: inspectio, Sectio, dissectio cadaveris kannten. Seit ich die Frage im ersten Hundert meiner „gericht- lichen Leichenöffnungen" *) angeregt, wie so es gekommen, dass man die lateinische Bezeichnung für Umhüllen, Verbergen, Beklei- den, Verdunkeln, Verhängen (obducere) für eine Operation ge- braucht habe, die gerade das Gegentheü: ein Eröffnen, Erhellen zum Zwecke hat? sind mir von ausgezeichneten Philologen mehr- fache Ansichten und Erklärungen zugegangen, von denen ich die vorzüglichsten hier anführe. „Nach Heyse's Fremdwörterbuch (9. Aufl. S. 513) wird obducere schon im Altlateinischen für Aufdecken, Oeffnen ge- braucht. Noniuä Marcellus de compendiosa doctrina per Hieras ad filium Cap. IV. (pag. 246 in der Ausgabe von Ger lach und Roth) erklärt obducere durch aperire, indem er sich auf hucilius XXIX. vo8 interea lumen adferte atque aulaea obducite beruft. *) Dritte Aufl. Berlin, 1853. S. 3. 1* Hiernach würde, falls der Sinn der Stelle des Luciiius richtig ailfgefasst ist, die Bedeutung, welche in der gerichtlichen Me- dicin mit dem Worte obductio verbunden wird, nicht weiter auf- fallend sein." Mein berühmter College an der Universität, Prof. Boeckh, meint dagegen, sich stützend auf eine Stelle desPlautus, dass obducere wahrscheinlich ursprünglich nur für „vorführen, her- beibringen" (des Leichnams) gebraucht worden sei. „Eine Benennung", äussert ein anderer Sprachkenner, „ist entweder vom Hauptumstande genommen, oder von einem Neben- umstande. Wir müssen uns dabei aber wohl zunächst an die gangbarste Bedeutung des Wortes halten, wenn wir dem Ursprung der Benennung auf die Spur kommen wollen. Denn meines Wis- sens sind nicht die seltnen, sondern die gewöhnlichen Bedeutun- gen der lateinischen oder griechischen Wörter zur Bezeichnung neuerer Begriffe genommen worden und werden noch stets ge- nommen. Demnach wäre die Bedeutung offerre, afferre, welche Boeckh annimmt, eben so wenig wahrscheinlich, wie die auch vorgeschlagene aperire, wiewohl nicht geläugnet werden kann, dass ob in der Zusammensetzung ursprünglich den Begriff „entgegen" führt, wie in offerre. Die Stelle des Lucilius aber ist schon wegen des aulaea sehr bedenklich, da es bekanntlich bei den Al- ten hiess: aulaeum mittitur, wo wir sagen: der Vorhang geht auf, und eben so umgekehrt, wo wir sagen: er fällt, heisst es: aulaeum toüitur. Zudem könnte das aperire des Nonius auch verschrieben sein Statt operire. Wir müssen also wohl an die Bedeutung des „Verhüllen" uns halten. Es wäre dann freilich vielleicht gewagt, gerade den Hauptumstand, die Untersuchung des Leichnams, eine „Verhüllung" zu nennen, im Gegensatze zu dem aperire, dem deutlich, kenntlich machen, wogegen der Leichnam durch Obduc- tion, wenn diese Section ist, mehr oder minder unkenntlich ge- macht, oder bildlich gesprochen, verhüllt wird. Aber es giebt noch viel wahrscheinlichere Hülfe. Doch müssen wir uns nun an Nebenumstände wenden, von denen ja so viele Benennungen her- rühren, wie besonders die Euphemismen in sprechendster Weise darthun. Zu diesen rechne ich aber z. B. efferre, zur Ruhe brin- gen, für den eigentlichen Ausdruck Immare, beerdigen, begraben; das Deutsche bestatten für begraben. Wenn wir nun hier für un- sern Fall das Gegentheil setzen, nämlich das producere, proferre, so wird die Sache ganz klar. Vor der gerichtlichen oder ge- richtsärztlichen Besichtigung liegt der Leichnam des Verunglück- ten meist ganz offen da, ist oder wird gleichsam Allen vorgeführt durch die Umstände; producitur. Dies nimmt ein Ende, wenn die Leute des Fachs, Juristen und Mediciner, erscheinen, denen allein dann die Sache angehört. Der Leichnam wird den Blicken ent- zogen, vorläufig, wenn auch nicht mit Vorhängen oder Tüchern, so doch schon durch das erscheinende Personal; er wird nicht weiter producirt, er wird eigends obducirt, nicht mehr vorgeführt, sondern entführt. Nehmen wir dazu, dass die gefundene Leiche gewöhnlich von draussen weggeschafft wird, dass sie aufgehoben und Behufs der vorzunehmenden Untersuchung bis an Ort und Stelle verhüllt, fortgeschafft, sorgfältig weggebracht wird, dass die Leiche im Zimmer gefunden oder von draussen dahin gebracht, dort obducirt, d. i. verschlossen, abgeschlossen, nicht zugänglich ist, — denn obducere heisst auch ziemlich häufig verschliessen, — so ist wohl kein Zweifel mehr vorhanden, weshalb man eine ge- richtliche Untersuchung eines Leichnams eine Obduction, eine Verhüllung, Verdeckung, Bedeckung, Verschliessung, Unzu- gänglichmachung desselben nannte." Endlich habe ich noch folgende dritte philologische Erklä- rung mitzutheilen: „von vorn herein erscheint es wunderbar, dass eine neue Bezeichnung, denn dies ist obductio für Leichenöffnung, in Cours gesetzt und acceptirt worden sein sollte, wenn man die- selbe nicht passend und nicht treffender gefunden hätte, als die vorhandene. Dies ist sie aber in der That, sobald man nur, wie dies bei einem technischen Ausdruck ganz in der Ordnung ist, die erste und eigentlichste Bedeutung des Wortes in's Auge fasst. Wie nämlich obversari, ob oculos versari; ob venire, ob oculos venire u. dgl. m., so bedeutet ohducere, wie auch die Lexica leh- ren, ursprünglich vor Augen führen. Von objicere und obvertere unterscheidet es sich ebenfalls nur nach Maassgabe der verschie- denen Worte jacere und vertere. Während jenes -eine gewisse Plötzlichkeit, dieses eine veränderte Richtung ausdrückt, bedeutet ohducere eine ruhige, besonnene, plan- und ordnungsmässige Vor- führung oder Darlegung des Cadavers, und eben daraus erkläre ich mir, dass es der stehende Ausdruck für die gerichtliche Section geworden ist, obwohl es die Section selbst nur mittelbar oder implicite Dezeichnet. Dass auf solche Weise dem Worte eine, der gewöhnlichen entgegengesetzte Bedeutung vindicirt wird, darf nicht befremden. Lehrt doch jedes Lexicon, dass recludere so- wohl erschliessen, als verschliessen heisst. Beides hat seinen guten Grund, und dergleichen findet sich mehr." Man mag sich nun für eine oder die andere dieser Erklä- rungen entscheiden. Das Wort „Obduetion" hat jedenfalls seit langer Zeit das Bürgerrecht gewonnen, es ist in die amtliche Sprache eingeführt, und wir werden uns desselben überall hier bedienen können. §. 2. Der Leichnam. Gesetzliche Bestimmung. Strafgesetzbuch für die Preuss. Staaten. 185 1. §.186. Wer ohne Vorwissen der Behörde einen Leichnam beerdigt oder bei Seite schafft, wird mit Geldbusse bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefäng- niss bis zu sechs Monaten bestraft. Die Strafe ist Gefängniss bis zu zwei Jahren, wenn eine Mutter den Leichnam ihres unehehchen neugebornen Kindes ohne Vorwissen der Behörde beerdigt oder bei Seite schafft. Vor dem Erscheinen des neuen Strafgesetzbuchs war keine Veranlassung gegeben, die Frage aufzuwerfen: was ist ein Leich- nam? Anders jetzt, wo schon die heimliche Beseitigung jeder, auch der unreifsten Leibesfrucht, mit Strafe bedroht ist. Hier muss sich nothwendig, z. B. wenn eine Mutter einen drei-, vier- §. 2. Der Leichnam. monatlichen Foctus weggeworfen hätte, jene Frage aufdrängen, weil festgestellt werden muss, ob gegen dieselbe ein Untersu- clmnirsvert'ahren einzuleiten? In der That habe ich selbst mehrfach diese sonderbare Frage zu beantworten gehabt und auch ander- weitig ist sie vorgekommen und wird sie noch oft vorkommen. Der Arzt kann hier nicht anders antworten, als: ein (mensch- licher) Leichnam ist ein todtes menschliches Wesen. Es wird auch, nach dem ärztlichen Sprachgebrauch, nicht bestritten werden können, dass jener Foetus ein Leichnam sei, um so we- niger, als man im Streitfall fragen müsste: was er denn sonst sei? Eine andre und für die Rechtspraxis maassgebende Ansicht hat der oberste Gerichtshof in wiederholten Erkenntnissen aus- gesprochen. Davon ausgehend, dass nicht todt sein könne, was nicht gelebt hat und nicht leben konnte, hat das Königl. Ober- Tribunal in einem Fall erkannt: „dass die Erklärung des Wor- tes Leichnam nur aus den practischen Zwecken des Gesetzes und dem gemeinen Sprachgebrauch entnommen werden kann, hiernach aber jedenfalls die Lebensfähigkeit des Kindes er- forderlich ist, um auf den Körper desselben die Bezeichnung eines Leichnams anzuwenden." Und in einem zweiten Falle: „in Betracht, dass eine Leibesfrucht von 4—5 Monaten, welche in diesem Alter zur Welt gebracht wird, und sich lebensunfähig- er weist, wie im vorliegenden Falle festgestellt ist, weder nach kirchlichem Herkommen, noch nach weltlichen Gesetzen als ein Leichnam anzusehen ist, worauf die Vorschriften und Regulative der Beerdigungen Anwendung finden, daher auch die Strafvor- schrift des §. 186. des Strafgesetzb. nicht darauf bezogen wer- den kann." *) Man sieht, dass die Rechtsansicht nicht sowohl an dem Be- griff Leben des Fötus, d. h. dem vegetativ-organischen, das der- selbe ja ohne Zweifel in utero gelebt hatte, festhält, als vielmehr *) S. Goltdammer, Archiv für Preuss. Strafrecht. I. 4. Heft S. 571 und die rechtliche Deduction dieser Ansicht ebendas. 3. Heft S. 396. » daran, ob ein Fortleben der Frucht nach deren Beschaffenheit möglich, ob sie (fort-) lebensfähig gewesen? Erst von diesem Zeitpunkt ab also ist, nach der Entscheidung unsers obersten Gerichtshofes, der todte Mensch als menschlicher „Leichnam" zu erachten. Es ist dies ein wichtiger Punkt, auf den bei der Frage von der Athemprobe unten zurückzukommen sein wird. Erster Abschnitt. Zweck der Obduction. §. 3. Allgemeines. Jede ärztliche Untersuchung eines menschlichen Leichnams kann einen dreifachen Zweck haben: 1) die Lebensfähigkeit und das Gelebthaben eines Neugebornen, wo beide zweifelhaft, fest- zustellen; 2) die noch unbekannte Zeit, zu welcher der Tod er- folgt war, zu ermitteln; 3) die unbekannte Todesursache fest- zustellen. Einzeln betrachtet ist dieser letztere Zweck der ge- wöhnlichste und häufigste; der erstere bietet sich sehr häufig dar*), während die Aufgabe, die Zeit des Todes aus der Lei- chenschau zu ermitteln, sich, wenn auch nicht s o häufig, doch oft genug, dem Gerichtsarzte darbietet. Dagegen kommen auch Fälle vor, wo zwei dieser oder alle drei Fragen in Betreff Einer Leiche zu beantworten sind. Wir haben sie einzeln zu betrachten. *) In Berlin (und ähnlich wohl in allen grossen Städten) bilden die Obductionsfälle an Neugebornen den vierten Theil aller gerichtlichen Sec- tionsfälle. Erstes Kapitel. Lebensfähigkeit. §. 4. Definition. Gesetzliche Bestimmungen. Allg. Landrecht Thl. II. Tit. 2. §. 2. Gegen die gesetzliche Ver- muthung (dass Kinder, die während einer Ehe gezeugt und geboren wor- den, von dem Manne erzeugt sind) soll der Mann nur alsdann gehört werden, wenn er überzeugend nachweisen kann, dass er der Frau in dem Zwischenraum vom 302 ten bis zum 210 ten Tage vor der Geburt des Kindes nicht ehelich beigewohnt habe. (Rheinisches) Bürgerliches Gesetzbuch (Code civil) Art. 312. Der Ehemann kann das Kind verläugnen, wenn er beweist, dass er während der zwischen dem 300ten bis ISOsten Tage vor der Geburt des Kindes verlaufenen Zeit sich im Zustande der physischen Unmöglichkeit befunden habe, seiner Frau ehelich beizuwohnen. Gesetz vom 2 4. April 185 4. §. 15. AlsJCrzeuger eines unehe- lichen Kindes ist derjenige anzusehen, welcher mit der Mutter innerhalb des Zeitraumes vom 285sten bis 210 ten Tage vor der Entbindung den Beischlaf vollzogen hat. Allg. Landrecht Thl. I. Tit. 1. §. 17. Geburten ohne menschliche Form und Bildung haben auf Familien - und bürgerliche Rechte keinen Anspruch. §. 18. Insofern dergleichen Missgeburten leben, müssen sie ernährt und so viel als möglich erhalten werden. Lebensfähig ist ein Neugebornes, wenn es nach seinem Alter und nach der Bildung seiner Organe die Mög- lichkeit hat fortzuleben, d. h. dje wahrscheinliche Lebens- dauer des Menschen zu erreichen. Beide Bedingungen müssen gegeben sein. Eine wohlgebildete Frucht von 5 Monaten kann nicht fortleben im ohigen Sinne, aber eben so wenig eine Frucht von 10 Monaten, die mit einer Ektopie der Brustorgane, einer Verschliessung des Mastdarms u. dergl. geboren worden. *) *) Ein kurzes Scheinleben von-Mimiten oder Stunden ist hier absichtlich ausgeschlossen. §. 4. Lebensfähigkeit. Dag-eo-en erscheint es bedenklich, mit französischen Schrift- stellern noch solche Krankheiten als dritte Bedingung- der Lebens- unfähigkeit aufzustellen, die das Neugeborne mit zur "Welt bringt, und die meist tödtlich sind. Denn hierbei wird immer nach dem Tode des Kindes dem Streite der Partheien (und ihrer Aerzte) ein ungebührlich weites Feld der Controverse darüber eröffnet werden: ob nicht bei einer andern Behandlung des Kindes das- selbe hätte am Leben erhalten werden können. Das Strafgesetzbuch kennt keine lebensunfähige neugeborne Kinder, denn das Wort Lebensfähigkeit kommt in dem Gesetz - bnche nicht vor. Hieraus würde folgen, dass der Gerichtsarzt sich ferner bei den Obduetionen gar nicht mehr um die Kriterien der Lebensfähigkeit zu kümmern habe. Aber einerseits ist gezeigt worden (§. 2.), wie es unter Umständen, nach der authentischen Interpretation der betreffenden Gesetzesstelle, allerdings für den richterlichen Zweck wichtig werden kann, die Lebensfähigkeit zu ermitteln und festzustellen, und andrerseits enthalten die civilrecht- lichen Gesetze, wie oben angeführt, Bestimmungen über die Le- bensfähigkeit, die möglicherweise im Verlaufe der Untersuchung in Frage kommen können, auch wenn es zur Zeit der Obduction nicht den Anschein haben sollte. Es werden deshalb nach wie vor die Kriterien der Lebensfähigkeit bei der gerichtlichen Un- tersuchung von Leichen Neugeborner beachtet werden müssen. In dieser Beziehung kommt allerdings namentlich das Alter der Frucht in Betracht. Angeborne Bildungsfehler solchen Grades, dass dadurch allein das Fortleben als unmöglich anzunehmen, kommen äusserst selten vor, und sind dann auch so sinnenfällig, dass ein Zweifel über ihre Bedeutsamkeit nicht wohl wird auf- kommen können. Was nun aber das Alter betrifft, so ist der uralte ärztliche Streit über den Alterstermin der Lebensfähig- keit durch die Gesetzgebung kategorisch entschieden *), so dass *) Das röhlische Recht mit »einen 182 Tagen (nach Hipp berate s) ist hier vorangeschritten. Wie weise die Gesetzgeber handelten, indem 'sie Erörterungen darüber nur noch oinen wissenschaftlichen, keinen practischen Werth mehr für den Geriuhtsarzt haben, der nur zu ermitteln hat, ob die Frucht den gesetzlichen termimus a quo der Lebensfähigkeit erreicht hatte. Der vom rheinischen Gesetzbuch aufgestellte Termin von 180 Tagen (sechs Kalendermonaten) ist, wenn er auch die Autorität der Hippocratischen Schriften für sich hat, keinenfalls ein so naturgemässer, als der landrechtliche von 210 Tagen (dreissig Schwangerschaftswochen, sieben Kalen- dermonaten), welche Epoche durch das Verschwinden der Pupil- lar - Membran und durch den descensus testiculorum bezeichnet wird, und für welche jedenfalls die allgemeine Erfahrung spricht. Die Aufgabe des (preussischen) Gerichtsarztes ist also, zu er- mitteln und anzugeben: ob die Frucht ein Alter von 180 resp. von 210 Tagen erreicht gehabt?*) §. 5. Missgeburt. In den oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen ist auch von Missgeburten die Rede, und hiernach kann die Frage zur Beantwortung vorgelegt werden: ob eine gewisse Frucht eine Missgeburt sei? Die Definition dieses Begriffs aber muss ganz absehen von den Ansichten der pathologischen Anatomie, sondern sich, wie alle ähnlichen in der gerichtlichen Medicin, anschliessen an die gesetzlichen und richterlichen Zwecke und durch feste Bestimmungen die individuelle ärztliche Ansicht beschränkten, wird Jeder anerkennen, der den Wust von Fabeln und Ammenmährchen in diesem Gebiete kennt, wie er sich in den alten und neuen gerichtlich-medici- nischen Sammlungen und Lehrbüchern findet. Ich erinnere an den viel genannten Fall des 79 Jahre alt gewordenen Fortunato Liceti, den Ein Schriftstel- ler mit fünftehalb, ein Anderer mit fünf, ein Dritter mit sechs Monaten ge- boren werden lässt, der, bei der Geburt nur so lang wie eine Hand, in einem Ofen, wie die Hühnereier der Egypter, conservirt und gleichsam ausgebrütet worden sein soll!! *) lieber Lebensfähigkeit vergl. Spec. Theil §. 78. und über die Bestim- mung des Alters der Frucht §. 79. Bedürfnisse. Hiernach ist eine Missgeburt eine Frucht mit so regelwidrig gebildeten Organen, dass dadurch ihr Fortleben unmöglich gemacht wird. Mag immerhin die- selbe sonach eine ganz normale „menschliche Form und Bildung« haben (Landrecht, s. oben), so würde sie, mit einer totalen Ver- schliessung des Mastdarms geboren, als Missgeburt zu erklären sein. Mögen andrerseits pathologische Anatomen eine blosse Ueberzahl von Fingern oder Zehen zu den Missgeburten rech- nen, so würde es wohl Niemandem einfallen, einem solchen, wenn übrigens wohlgebildeten Kinde „Familien- oder bürgerliche Rechte" absprechen zu wollen. Es würde auch nach unserer Definition ein solches Kind als eine „Missgeburt« nicht erklärt werden können. Wenn hiernach der Begriff Missgeburt mit dem Begriff Le- bensfähigkeit fast zusammenfällt, so schliessen wir uns hierbei auch in andrer Beziehung der Gesetzgebung an. Das Strafgesetz- buch nämlich kennt, wie keine lebensunfähigen Früchte, so auch keine Missgeburten. Eine todte Missgeburt in unserm obigen Sinne würde demnach, nach der gesetzlichen Interpretation (§. 2.), so wenig vom Richter ein „Leichnam" genannt werden, als eine, aus andern Gründen lebensunfähige Frucht. Es ist aber auch nicht abzusehen, warum hierin ein Unterschied gemacht werden sollte. Folgende beide Fälle von Missgeburten haben, der Um- stände wegen, Veranlassung zu gerichtlichen Obductionen ge- geben. Der erste kam noch unter der Herrschaft des alten Strafgesetzbuchs vor. Der letzte war doppelt lehrreich. Einmal weil er eine äusserst seltene angeborne Missbildung zeigte, so- dann weil er ein auffallendes Beispiel dafür darbot, wie trotz der anscheinend normalsten „menschlichen Form und Bildung" ein Neugebornes eine Missgeburt im oben erläuterten Sinne sein kann. 1. Fall. Gehirnlose Missgeburt. Die weibliche Missgeburt war ein Anencephalus. Das kleine Gehirn hing in den Gehirnhäuten, bei fehlendem Hinterhauptbein, wie ein bluti- ger, puteneigrosser Klumpen, in welchem aber Gehirnmasse nachweisbar war, am Hinterkopfe herab. Ein Theil Gehirnbrei lag in einer abnor- men Höhle, die von den erweiterten beiden ersten Halswirbeln gebildet war. Der unförmliche Kopf stak tief in den Schultern, und die äussern Bedeckungen des Kinns waren mit denen der Brust verwachsen, so dass ein eigentlicher Hals fehlte. Ausserdem fand sich spina bifida des gan- zen Wirbelkanals bis zum Kreuzbein, und seröser Erguss in der Brust- höhle. 2. Fall. Angeborner Zwerchfellsbruch. Eine sehr wohlgebildete, vollkommen ausgetragene männliche Frucht hatte notorisch vier Stunden gelebt und sollte angeblich durch Vernach- lässigung der Hebamme an Verblutung gestorben sein. In der That war die Wäsche der Leiche sehr stark mit Blut befleckt, der ganze Körper wachsbleich, die Lippen blass. Auffallend war sogleich bei der Eröff- nung der Brusthöhle der ganz ungewöhnlich tiefe Stand des Zwerchfells, das zwischen der achten und neunten Rippe stand. Es ergab sich nun, dass die ganze rechte Hälfte desselben defect war. In ihrer Mitte be- fand sich eine dreieckige Oeflnung, die von weisslichen, fast knorpelarti- gen Rändern eingefasst war, und in welcher sich ein Theil des rechten, in der Brusthöhle liegenden Leberlappens fest eingeschnürt fand. Mit ihm waren Dickdarmschlingen in die Brusthöhle eingetreten, die sie ganz und gar ausfüllten. *) Sie waren leer, während die unterhalb in der Bauchhöhle liegenden Dickdärme strotzend mit Kindspech angefüllt wa- ren. Hinter diesen Bauchorganen in der Brusthöhle lag die rechte Lunge, hellbräunlich und fest, nicht grösser als eine grosse Bohne, ein Beweis, wie früh im Uterus schon der Vorfall erfolgt sein musste. Die Leber, Milz und aufsteigende Hohlader enthielten noch massig viel Blut, so dass eine eigentliche Verblutung nicht angenommen werden konnte. Das Herz war auffallend flach und breit, und blutleer, aber vollkommen normal in seinem Innern. Die angeschuldigte Hebamme sagte aus: dass *) Wenn schon angeborne Zwerchfellsbrüche sehr selten sind, so gehö- ren rechtseitige vollends zu den grösstcn Seltenheiten. das Kind bei seiner Geburt ganz blau gewesen 1 sei und ausgesehen habe, „als wäre es aus Indigo gezogen." Natürlich nahmen wir in unserm Gutachten an, dass die Frucht nicht lebensfähig gewesen, und nicht an Verblutung, sondern an dem Bildungsfehler gestorben sei. Sehr interessant waren noch in diesem eigentümlichen Falle die Ergebnisse der Athemprobe. Die Beschaffenheit der rechten Lunge habe ich bereits geschildert. Die linke war braun und hellröthlich marmorirt. Beide Lungen mit dem Herzen wogen nur zwei Loth, ohne dasselbe nur drei Drachmen und einen Scrupel. Mit dem Herzen schwammen beide Lungen, von demselben getrennt schwamm die linke vollkommen, wäh- rend die rechte, bis auf zwei schwimmende Stückchen, untersank. Wie zu erwarten ergab auch die linke, nicht aber die rechte Lunge bei Ein- schnitten blutigen Schaum und hörbares Knistern. *) Zweites Kapitel. Zeit des Todes. Priorität. Gesetzliche Bestimmung. A. L. R. Thl. I. Tit. 1. §. 3 9. Wenn zwei oder mehrere Menschen ihr Leben in einem gemeinsamen Unglück oder sonst dergestalt zu gleicher Zeit verloren haben, dass nicht ausgemittelt werden kann, welcher von ihnen zuerst verstorben, so soll angenommen werden, dass keiner von ihnen den Andern überlebt habe. §. 6. Allgemeines. Gewöhnlich wird die Frage von der Zeit, in welcher rnuth- maasslich der Tod erfolgt war, gar nicht von den Schriftstellern bei Gelegenheit der Zwecke der gerichtlichen Obduction berührt. Andre erwähnen derselben nur bei der Frage von der Priorität des Todes. Es ist dies eine grosse Lücke, wie jedem erfahrnen Gerichtsarzte bekannt sein wird. Denn es kommt in der That *) Einen ganz ähnlichen Fall von linkseitigem angebornem Zwerch- fellsbruch von Mecklenburg s. in meiner Vierteljahrsschrift VII. S. 160. recht häufig vor, dass der Untersuchungsrichter im Obductions- termin zu wissen verlangt: wann muthinaasslich der Verstorbene seinen Tod gefunden? weil ihm die Beantwortung dieser Frage namentlich bei Mordthaten, bei lange vermisst gewesenen und dann todt aufgefundenen Menschen, und bei neugebornen Kin- dern von grösster Wichtigkeit werden kann. Eine alte Frau war durch Raubmord getödtet worden. Die Spur der Thäter war bei der Obduction, wie so häufig, noch ganz unklar. Ge- wiss war, dass man die Frau am Sonnabend gegen Abend noch gesund gesehen, und dass man sie am Montag früh ermordet gefunden hatte. Der Verdacht lenkte sich zunächst auf mehrere Menschen, von denen man wusste, dass sie theils Abends, theils des Morgens früh mit der sonst einsam lebenden Frau zu ver- kehren pflegten, und es war erheblich zu ermitteln, ob dieselbe noch am späten Abend des Sonnabend, oder Sonntag früh, oder Sonntag Abend ermordet worden, mit andern Worten: zu wel- cher Zeit der Tod muthinaasslich erfolgt war ? In einem andern, gleichfalls unten mitzutheilenden Falle eines Raubmordes war es gleichfalls .von Wichtigkeit, zu ermitteln, ob derselbe am Sonnabend oder am Sonntag oder am Montag früh, an wel- chem Tage man die Leiche aufgefunden hatte, verübt worden war. Denn der Verdacht der Thäterschaft lenkte sich zunächst auf den Hausknecht des Ermordeten, der am Morgen des Sonn- tags verschwunden war, und der nicht füglich als Mörder prä- sumirt werden konnte, wenn denatus erst am Montag gestorben war. Unsre Bestimmung der Zeit des Todes ward durch die bald darauf erfolgten offnen Geständnisse des Mörders, eben jenes Hausknechts, vollkommen bestätigt. Wieder in zwei an- dern Raubmordfällen hatte ich nicht nur den Tag, sondern so- gar die Stunde zu bestimmen, in welcher der Tod erfolgt sein mochte! In einem fernem Falle war ein junger Mann unter den auffallendsten Umständen eines Nachts plötzlich verschwunden. Nachdem die abenteuerlichsten Gerüchte über seine Todesart verbreitet gewesen waren, wurde eine Leiche, die nach allen Um- ständen als die des jungen Mannes anerkannt werden musste, drei Monate nach seinem Verschwinden aus dem Wasser gezo- gen. Die Beantwortung der Frage: wie lange diese Leiche im Wasser gelegen habe? war ein erhebliches Moment zur Fest- stelluno- der noch zweifelhaften Identität, wie die Frage na- mentlich bei Wasserleichen recht häufig vorgelegt wird. Das- selbe ist, wie gesagt, der Fall bei Leichen neugeborner Kinder, zumal wenn die Obduction eine gewaltsame Tödtung feststellt, und der vom Gerichtsarzt zu constatirende Niederkunftstermin, d. h. wieder die Bestimmung der Zeit, in welcher der Tod er- folgte, auf die Spur der zu verfolgenden Mutter führen kann. Wenn diese Frage, wie man aus diesen Beispielen sieht, die ich vielfach vermehren könnte, sehr häufig aufgeworfen wird, so kommt dagegen die Todeszeitfrage in Betreff der Prio- rität zwischen mehrern gleichzeitig todt Gefundenen in der Wirklichkeit gewiss ganz ungemein selten vor. Mir selbst ist sie noch niemals zur Beantwortung vorgelegt worden, und die oesammte Literatur zählt nur vereinzelte Fälle auf. Der subjectiven und willkürlichen Begutachtung ist hier das freiste Feld geöffnet, denn selten dürfte sich ein sicherer Boden für dieselbe finden. Man nimmt gewöhnlich an, dass hier (nach dem Vorgange des römischen Rechts) die verschiedene Indivi- dualität, namentlich das verschiedene Alter und die Constitution, dann aber auch noch die resp. Todesarten, die verschiedene Lage, in der man die Verstorbenen fand, und die verschiede- nen Zeichen weniger oder mehr vorgeschrittener Verwesung maassgebend für das Urtheil seien. Alle diese Umstände sind schwankend und lassen kein irgend sicheres Urtheil zu, und deshalb wäre, wenn überhaupt irgend ein allgemeiner Lehrsatz über die Frage von der Priorität des Todes aufgestellt werden könnte, nur der zulässig: dass es gar kein allgemein gültiges Moment für die Beurtheilung giebt, und dass vielmehr jeder vorkommende Einzelfall nach seinen besondern Umständen be- sonders aufgefasst und beurtheilt werden muss. Drei Menschen, Casper, gcrichll. Medicin. 9 setzen wir, seien in einem Aufstande getödtet worden. Der Eine A. durch einen Säbelhieb in den Kopf, B. durch einen Bajonettstich in das Herz und C. durch einen Schuss, der eine Jugularvene gestreift und zerrissen hatte. Hier würde man wohl nicht anstehen können zu urtheilen, dass B. der zuerst Verstorbene gewesen, dass C. seine Verblutung noch etwas länger, ehe er ihr unterlag, ertragen, und dass A. länger als die beiden Andern dem tödtlichen Einfluss seiner Kopfverletzung wi- derstanden habe. Aber wer wollte entscheiden, welcher von zwei oder mehrern, gleichzeitig in's Wasser gekommenen Men- schen zuerst, welcher zuletzt darin seinen Tod gefunden habe? Beim Niederbrennen eines Hauses verbrannte eine ganze un- glückliche Schneiderfamilie aus Vater, Mutter und drei Kindern bestehend. Alle fünf waren theils geröstet, theils ganz verkohlt. Wir wurden nicht nach der Priorität des Todes zwischen die- sen fünf Personen gefragt, hätten aber natürlich die Antwort auf eine solche Frage schuldig bleiben müssen. Am allermeisten Werth hat jedenfalls unter den obigen Criterien die Vergleichung der Fortschritte des Verwesungs- prozesses bei den verschiedenen Leichen, und da dies überhaupt das maassgebende Moment bei der allgemeinen Frage ist: zu welcher Zeit ein Mensch verstorben ? so ist es wichtig, dasselbe näher zu erwägen. §. 7. Zeichen des Todes. Mit dem Augenblick des Erlöschens des Lebens beginnt der Organismus sich in's Gleichgewicht mit der Aussenwelt zu setzen. Er ist todt. Bald unterliegt er den äussern Einflüs- sen. Er verwest. Man hat sich, in der zur Tradition gewor- denen Besorgniss, den wirklichen Tod nicht mit dem Schoin- tode zu verwechseln, immer wieder und wieder bemüht, neue „sichere" Zeichendes Todes zu entdecken; ich nenne unter den neuern Bemühungen nur Frank's Angabe von der Leiehtlös- lichkeit der Conjunctiva von der Cornea, Nasse's Thanatome- ter u. s. w. Dergleichen sind wissenschaftliche Curiosa. Die allbekannten Zeichen des Todes reichen ganz vollkommen für die Diagnose aus, und die gerichtliche Medicin könnte sich glücklich schätzen, wenn sie auf alle Fragen eine so apodictisch sichere Antwort zu geben hätte. Der Zeitfolge nach äussert sich der Zwischenzustand zwischen Leben und Verwesung, denn einen solchen anzunehmen ist nothwendig für den gerichtlichen Zweck der Zeitbestimmung: wann ein Mensch verstorben? wie folgt: 1) Die Respiration und Circulation hat aufgehört. Die Auscultation ergiebt nirgends auch nur den geringsten Rhythmus, auch nur das geringste Geräusch. 2) Schon unmittelbar nach dem Tode erlischt der Glanz des Auges. Wer hätte je einem eben Verstorbenen die Augen- lider geöffnet, und nicht diesen eigenthümlichen, nicht zu be- schreibenden leblosen, faden, stieren Blick gesehen? Natürlich wirkt der Lichtreiz eben so wenig auf die Pupille, als 3) überhaupt irgend ein Reiz irgendwo noch Reaction ver- anlasst, wobei ich die Experimente mit der Electricität, als nicht hierher gehörig, nicht weiter erwähne. Von unsern eig- nen merkwürdigen Versuchen an Leichnamen wird noch unten die Rede sein. 4) Der ganze Körper erbleicht. Menschen mit beson- ders lebhafter Gesichtsfarbe behalten indess oft eine höhere Fär- bung des Gesichtes noch Tage lang nach dem Tode. Rothe oder livide Ränder um Fussgeschwüre u. dgl. werden gleich- falls nicht leichenweiss. Eben so wenig verschwinden rothe oder schwarze oder blaue Tätowirungen an der Leiche, wenn sie nicht schon im Leben verschwunden waren. Ferner wird auch niemale eine beim Tode vorhanden gewesene icterische Färbung an der Leiche eine weisse, und endlich behalten Su- gillationen in allen Fällen die Farbe, die sie beim Tode hatten, "blauroth, grüngelb u. s. w. 5) Die th i c r i s c h e W ä r m e, die der Mensch im Augcn- 2 * blicke des Todes besass, erhält sich noch eine Zeit lang nach demselben, da die Hautgewebe schlechte Wärmeleiter sind. Ein besonders schlechter Leiter scheint das Fett zu sein, denn sehr fette Leichen bleiben caeteris paribus länger warm, als sehr ma- o-ere. Im Allgemeinen haben aber auch noch andre Umstände auf das allmälige Erkalten Einfluss; namentlich die Temperatur des Mediums, in welchem sich die Leiche befindet, und die Todesart, an welcher der Mensch starb. In ersterer Beziehung ist es bekannt, wie schnell Leichen im Wasser erkalten, das ja selbst im heissesten Sommer kälter ist, als die Luft, wenn auch Merzdorf ein unhaltbares, viel zu schwankendes, Criterium aufstellte, indem er die „grössere Kälte« der Wasserleichen als Zeichen des Todes durch Ertrinken angab. In Abtrittsgru- ben, Düngerhaufen u. dgl. bleiben Leichen verhältnismässig lange warm aus nahe liegenden Gründen. Dasselbe gilt von Menschen, die nach dem Tode mit Betten bedeckt blieben. Was den Einfluss der Todesart betrifft, so sollen vom Blitz Er- schlagene verhältnissmässig länger nach dem Tode warm blei- ben, was ich ganz dahin stelle, da mir nicht eine einzige eigene Erfahrung darüber zu Gebote steht; gewiss aber ist, dass unter o-leichen Umständen Menschen, die auf irgend eine Weise den Erstickungstod starben, nicht unerheblich langsamer erkalten, als Andre Bei einer erdrosselten, alten, ungemein fetten Frau fanden wir einige dreissig Stunden nach dem Tode die Leiche äusserlich zwar kalt, aber innerlich in Brust- und Bauchhohle war ein, allen Umstehenden fühlbarer Wärmegrad wahrnehmbar. - Als allgemeiner Erfahrungssatz gilt für die grosse Mehrzahl der Leichen: dass sie nach acht bis zwölf Stunden vollständig erkaltet sind. " 6) Gleichfalls unmittelbar mit und nach dem Tode tritt die allgemeine Erschlaffung aller Muskeln ein, das früheste Symptom, welches das Erlöschen des turejor vüalis beweist, dem bald einige andere nachfolgen. Ein Leichnam, der nur allein die bis hierher (1 — 6) geschilderten Zeichen ergiebt, kann als der eines Menschen erachtet werden, der längstens vor zehn bis zwölf Stunden verstorben ist. 7) Einen werthvollen Beweis des erloschenen Lebensturgor liefert das Weich- oder Nachgiebigwerden des Augapfels. Sehr deutlich ist dasselbe bei jeder Leiche nach 12—18 Stun- den, zuweilen auch schon früher zu fühlen. Wenn der leben- dige Augapfel durch die Spannung seiner Flüssigkeiten unter allen möglichen Umständen, z. B. auch bei eben Sterbenden, bei Cholerakranken u. s. w. dem Fingerdruck einen Widerstand entgegensetzt, und sich elastisch anfühlt, so hat nach jener Zeit nach dem Tode dieser Widerstand aufgehört. Der Bulbus fühlt sich durch seine Decke nachgiebig an, und je weiter nach dem Tode, desto butterartiger wird er, bis er in einem frühen Fäul- nissstadium platzt und ausfliesst. 8) Eben dieselbe Ursache, Erlöschen des Turgor, bewirkt allmälig nach dem Tode die bekannte Abplattung des Mus- kelfleisches an den Theilen, mit welchen die Leiche aufliegt, nicht allein also an Hinterbacken und Waden, sondern auch an den Seitenflächen der Ober- und Unterextremitäten, an den Backen, an der Vorderfläche der Oberschenkel u. s. w., je nach der Lage, die der Sterbende hatte, und nach dem Tode behielt. 9) Hypostasen, die Resultate der physischen Senkung des Blutes in die Capillaren nach dem todten physikalischen Gesetze der Schwere. Eben deshalb finden sie sich an den ab- schüssigen Theilen der Leiche vorzugsweise, gewöhnlich daher an der ganzen hintern (untern) Fläche, Rücken, Nates, Waden, aber auch sehr häufig, je älter die Leiche als solche, desto mehr, im Gesicht, an den Ohren, an den Seitenflächen der Brust, wie an denen der Extremitäten, weil, nach Engel's sehr richtiger Erklärung, auch an diesen Stellen ein Oben und ein Unten anzunehmen. Es beginnen sich diese Hypostasen an der Leiche nach zehn bis fünfzehn Stunden auszubilden, und sie Steigern sich an Ausdehnung und Umfang bis zur eintretenden Fäulniss. Sie sind wieder für sich allein ein ausreichend be- weisendes Zeichen des wirklichen Todes. Man muss äussere und innere Hypostasen unterscheiden. §. 8. Fortsetzung. Aeussere Hypostasen. a) Aeussere Hypostasen, Untcrhaut-Zellgewebs-Hypo- stasen, Todtenflecke. Sie sind ein bedeutungsvolles Leichen- symptom, weil Ungeübte sie leicht mit Sugillationen, folglich mit Spuren einer Gewalttätigkeit, die den Lebenden getroffen hatte, verwechseln können, und oft genug verwechseln. Sie sind aber von diesen sehr leicht zu unterscheiden und zwar durch Einschnitte. Ein noch so dreister und tiefer Scalpell- schnitt in einen Todtenfleck wird niemals ergossenes flüssiges oder geronnenes Blut in der Tiefe wahrnehmen lassen, höch- stens einzelne kleine Blutpünktchen von zerschnittenen kleinen Hautvenen, während bei der kleinsten Sugillation der Bluterguss sichtbar wird, wenn man die sugillirte Stelle einschneidet. (S. die Abbildung von eingeschnittenen Todtenflecken Taf. n. Fig. 2.) Da dies ein unfehlbares diagnostisches Merkmal ist, und es kein anderes giebt, um Todtenflecke von Sugillationen zu unterscheiden, die sich in der That täuschend ähnlich sehen können, so versäume der Gerichtsarzt in der Praxis niemals, den Zweifel auf jene einfache Weise zu lösen, und Einschnitte zu machen. Superarbitrirende Medicinal-Personen und Behör- den sind vollkommen in ihrem Rechte, wenn sie im entgegen- gesetzten Falle die Angaben der Obducenten mit allen ihren Folgerungen bestreiten. Wie ungemein wichtig dies sein kann, dafür kann nicht leicht ein lehrreicherer Fall angeführt werden, als der berühmte des Mörders Schall.*) Die Obducenh n hatten angegeben, dass sich an den Ober- und Unterextremitä- ten des Ermordeten „Sugillationen« vorgefunden hätten, „als wenn der Ermordete von Jemand festgehalten worden wäre", *) S. meine Vierteljahrsschrift n. 8. w. I. S. 292. und der Vertlieidiger des äusserst gewandt läugnenden Ange- schuldigten hatte auf diesen Befund den ganzen Bau seiner Ver- teidigung hauptsächlich begründet, indem er behauptete, dass Mehrere, nicht der Angeschuldigte allein, sich beim Morde be- teiligt haben müssten. Die Obducenten aber hatten verges- sen, die angeblichen Sugillationen durch Einschnitte zu prüfen, und ich musste deshalb, aus obigen Gründen, als superarbitri- render Sachverständiger vom Schwurgericht-requirirt, die Ge- wissheit der Annahme der Obducenten in Abrede stellen, und dem Zweifel Raum lassen, dass die „sugillirten" Stellen blosse Todtenflecke gewesen. Diese Behauptung hat sich später, als im Augenblicke der Hinrichtung der Mörder endlich ein ganz offenes Geständniss ablegte, vollständig bestätigt. Denn es hatte hiernach beim Morde gar kein Kampf Statt gefunden, des- sen etwaniges Ergebniss eine Sugillation hätte werden können, noch war irgend ein Zweiter dabei thätig gewesen, vielmehr hatte Schall allein seinen Feind durch einen raschen Schuss in den Kopf getödtet. Die Farbe der Todtenflecke schwankt nur wenig zwischen krebsroth, kupferroth und bläulichroth. Nie sind sie begreif- licherweise, wie oft Sugillationsflecke, auch nur im Geringsten über der Haut erhaben. Ihre Form ist sehr unbestimmt, bald streifig, bald rund, bald länglich, bald eckigt und rundlich u. s. w. Anfangs stehen sie ziemlich einzeln an der Leiche in der Grösse einer Wallnuss, eines Apfels, eines Hand-, eines Speise- tellers, bis sie allmälig zusammenfliessen und nun ganze Theile der Leiche, den halben, den ganzen Rücken u. s. w. bedecken. Alter, Geschlecht, Constitution haben auf ihre Ausbildung kei- nen Einfluss. Sie entstehen auch nach allen Todesarten ohne Ausnahme, also auch nach dem Verblutungstode. Wenn De- vergie*) das Gegentheil behauptet, und für seine Ansicht Eine Beobachtung anführt, so muss ich, nach zahlreichen Erfahrun- •) Medec. legale. Paris 1836. I. S. 81. gen, bei meiner Behauptung stehen bleiben, die man gewiss vorkommenden Falls bestätigt linden wird.*) Devergie's Einer Fall ist übrigens deshalb nicht stichhaltig, weil man nicht erführt, in welcher Zeit nach dem Tode des Menschen (der sich mit dem Rasirmesser die Halsgefässe zerschnitten hatte), die Section gemacht Avorden, und ob dies nicht in der Zeit vor der Ausbildung dieser Hypostasen überhaupt geschehen sei. Es wäre auch a priori nicht abzusehen, warum dieselben sich nicht auch nach dem Verblutungstode ausbilden sollten, da dieser ja bei weitem nicht alles Blut aus dem Körper entfernt, und es unzweifelhaft ist, wie ich noch weiter anführen werde, dass sich bei Verbluteten sogar innere Hypostasen ausbilden. Engel behauptet, dass man den Todtenfleck an der Leiche verschwinden machen könne, wenn man Einschnitte in abschüs- sig liegende Todtenflecke macht und die Leiche liegen lässt. Obgleich ein Erfolg für die gerichtlich-medicinische Behandlung irgend eines Falles von diesem Experiment nicht zu erwarten, so habe ich dasselbe doch mehrfach an Leichen gemacht, aber die Todtenflecke wohl etwas kleiner und blässer werden, aber niemals völlig verschwinden gesehen. §. 9. Fortsetzung. Innere Hypostasen. b) Innere Hypostasen. Sie kommen vorzugsweise in folgenden Organen vor: 1) Im Gehirn äussern sie sich in einer, bei allgemeiner vorhandener Blutfülle in der Schädelhöhle sichtlich noch stärker hervortretenden, bei Anämie dieser Höhle *) Vgl. unter andern in der unten folgenden Casuistik vorkommenden Fällen den 65. und 118. Fall. In einem andern, hier nicht aufgenommenen Falle eines vermntheten Mordes, der sich aber durch die Obduction als Tod durch eine Hämorrhagie aus den Magengefiissen ergab, war die Leiche so blutleer, dass z. B. die Lungenarterie und die V. Cava ganz leer gefunden wurden. Nichtsdestoweniger fanden wir (am zweiten Tage nach dem Tode) den ganzen Rücken sogar ungewöhnlich stark mit kupferbraunrothen Tod- tenflecken in Einer ununterbrochenen Fläche bedeckt. dennoch noch immer sehr sichtbaren Anfüllung der Pia mater- Vcnen an der hintern Hälfte der Halbkugeln, wenn der Kopf, wie gewöhnlich, mit dem Hinterhaupt aufliegt. Gerade auch diese Gehirnhypostasen fehlen nicht nach dem Verblutungstode, wie viele unten mitzutheilenden Fälle erweisen werden, und es ist wichtig, diese Erfahrung festzuhalten, damit nicht im con- crcten Falle Meinungsverschiedenheiten über den Tod durch Verblutung aus dem Grunde entstehen, weil dieser Tod viel- leicht gerade wegen der noch vorhandenen Blutmenge in jenem Theil der Gehirnvenen, auch wohl in den hintern Sinus, ange- zweifelt wird. Ob, wenn die Hypostase sich nicht bald nach dem Tode ausbildete, sie sich noch später, durch andre Lage- rung des Leichnams, ausbilden kann, erscheint zweifelhaft. Wenigstens blieb ein Versuch, den ich mit einem weiblichen Leichnam nach einer Schwefelsäure-Vergiftung machte, welchen ich erst sechs Tage nach dem Tode vierundzwanzig Stunden lang mit ganz herunterhängendem Kopfe lagern Hess, resultat- los. Wichtig aber ist es, diese ganz alltägliche Erscheinung der Gehirnhypostase nicht mit Gehirnhyperämie (Apoplexie) zu verwechseln, was sehr verführerisch ist und Ungeübten deshalb sehr häutig begegnet, die auf diese Weise irrig einen Tod durch „Blutschlagfluss" annehmen, der gar nicht vorliegt. (Vergl. Spec. Theil §. 53.) I$e sehr treue Abbildung einer solchen Hypostase Taf. I. Fig. 1. versinnlicht das hier Gesagte. 2) Die allerconstanteste innere Hypostase ist die der Lun- gen. Orfila datirt ihr Entstehen von 24 bis 36 Stunden nach dem Tode; sie entsteht aber schon weit früher, und zur Zeit der sämmtlichen übrigen Blutsenkungen. Die gesammte hintere Fläche beider Lungen, etwa ein Viertel des ganzen Pa- renchyms, findet sich in allen (auf dem Rücken liegen gebliebe- nen) Leichen weit dunkler gefärbt, als der übrige Theil, und bei Einschnitten zeigt sich, auch in anämischen Lungen, hier eine sichtliche Blutanfüllung. Sie ist so auffallend, dass sie den Ungeübten sehr leicht täuschen und zu irrigen Diagnosen über die Todesart, z. B. Lungenapoplexie, Pneumonie u. dergl. veranlassen kann. Dies kann namentlich geschehen, wenn das Blut überhaupt sehr dunkel, und mehr oder weniger Lungen- oedem vorhanden ist, wo man dann um so mehr geneigt sein kann, irgend einen pathologischen Zustand anzunehmen, wäh- rend doch nur allein ein Todesproduct, eine Leichenerscheinung vorliegt. §. 10. Fortsetzung. Gerinnung des Blutes nach dem Tode. 3) Das Herz ist den Hypostasen nicht unterworfen. Da- gegen zeigt das Herz mehr als irgend ein andres Organ oder Blutgefäss in dem Vorkommen der sogenannten Herzpolypen, die jeder Arzt kennt, der auch nur einige wenige Leichenöff- nungen in seiner Privatpraxis gemacht hat, eine Erscheinung, die eine wichtige Bedeutung für die forensische Leichendiagno- stik hat, und die wir am zweckmässigsten an dieser Stelle er- wägen. Bekanntlich sind diese „Herzpolypen" nichts als Blut- fibrine, entweder reine und weissliche, oder durch Cruor ge- färbte, blutrothe, also geronnenes Blut. Dass diese Ge- rinnung im Herzen sich vor dem Tode bilde, ist nicht anzu- nehmen; bei langer Agonie mag sie sich vielleicht zuweilen schon auf dieser Grenzscheide zwischen Leben und Tod aus- bilden; gewiss aber bildet sie sich in den allermeisten Fällen erst nach dem Tode, und beim allmäligen Erkalten des Leich- nams. Wenn «man also schon hieraus ersieht, dass das Blut noch nach dem Tode gerinnen kann, d. h. mit andern Worten, dass todtes Blut gerinnen kann, so ist nicht zu begreifen, wie man behaupten kann: dass Blutgerinnung in der Leiche an und in verletzten Theilen mit Sicherheit darauf zurückschliessen lasse: dass die Verletzung im Leben beigebracht worden, „da nach dem Tode das Blut nicht mehr gerinnen könne!" Es ist dies einer der vielen irrigen Sätze, die durch die Bearbeitung der gerichtlichen Medicin durch blosse Theoretiker Geltung er- halten haben. So führt z.B. Henke*) das „Geronnensein des ergossenen Blutes in Sugillationen" als Merkmal dafür an, dass die Gewalt, die die Sugülation veranlasst hatte, „im Leben« erfolgt sei, und bei der Autorität, die Henke so lange genoss, ist es nicht zu verwundern, wenn selbst Medicinal - Behörden, wie mir sehr wohl bekannt, noch immer in ihren Gutachten den Satz festhalten, dass in der Leiche aufgefundene Blutgerinnung Entstehen derselben im Leben erweise! Aber schon ältere ana- tomische und forensische Practiker haben mit Recht das Ge- gentheil behauptet, und wer viel Leichen untersucht hat, kann nicht einen Augenblick zweifelhaft sein. Sehr richtig sagt En- gel**): „ich glaube nicht, dass es irgend eine Krankheit oder Todesart giebt, bei welcher das Blut in der Leiche nicht ge- rinnt. Es mag immerhin sein, dass das Blut in einem concre- ten Fall nicht geronnen ist, aber es wird immer von derselben Krankheit oder Todesart Fälle geben, in denen es gerinnt." Bock***) bestimmt sogar eine Zeit (von etwa vier Stunden) nach dem Tode, von wo ab diese Gerinnung erst anfange. Man sollte denken, dass Thatsachen, die Jeder täglich beobachtet, das Gerinnen des todten Aderlassblutes, das Gerinnen der Blutstropfen, die von der Leiche abfliessen u. dgl., schon längst und allgemein jenen folgenreichen Irrthum hätten beseitigen müssen! Aber die Gerinnung des Blutes nach dem Tode inuss eigenthümlichen Gesetzen folgen, die wir nicht kennen. Gewiss ist nämlich nicht nur, wie viele unten folgende Fälle beweisen werden, dass nach Todesarten, bei denen ein Flüssigbleiben des Blutes characteristisch ist, wie nach den verschiedenen Arten des Erstickungstodes, doch gar nicht selten Fälle vorkommen, in de- nen man das Blut mehr oder weniger geronnen findet, sondern auch, was vollends unerklärlich scheint, dass in manchen Organen *) Handbuch §. 570. **) Darstellung der Leichenerscheinungen u. s. w. Wien 1854. S. 176. **) Gerichtliche Sectionen u. s. w. 4. Aufl. Leipzig 1852. S. 19. und Gefässen vorzugsweise vor andern die Gerinnung vor sich geht, nicht nur im Herzen, namentlich im rechten Ventrikel, sondern auch z. B. in der untern Hohlader, der Leber u. s. w. (Vgl. 258. Fall.) — Die Thesis ist also unrichtig, und alle ihre Folgerungen irrig: dass geronnenes Blut in der Umge- gend oder Tiefe einer Verletzung lebendige Reaction beweise, weil nach dem Tode keine Blutgerinnung mehr zu Stande komme. Als gegenbeweisende Thatsachen folgende denkwürdige Fälle. 3. Fall. Ruptur des Herzens. Blutgerinnung. Eine neunundfunfzigj ährige Frau war übergefahren worden und so- gleich todt geblieben. Die Leiche war wachsbleich, und liess des- halb sogleich auf eine innere Verblutung schliessen, obgleich äusserlich am Körper keine Spur einer Verletzung wahrnehmbar war. Als -wir die Todtenflecke am Rücken durch Einschnitte prüften, zeigten sich in der Tiefe sehr bedeutende Blutextravasate, die den halben Rücken einnah- men und sich über die Nates hin erstreckten. Das ergossene Blut war theils flüssig, theils coagulirt. Brüche an Wirbelsäule oder Becken- knochen waren nicht vorhanden. Die Todesursache war vielmehr ein Riss des Herzens. Das rechte Atrium war mit scharfzackigen Rändern vom Ventrikel abgerissen, mit welchem es nur noch durch einen schma- len Substanz streifen zusammenhing. Die Herzsubstanz selbst war weder mürbe, noch atrophisch, vielmehr ganz gesund. Der Herzbeutel Mar strotzend angefüllt mit einem Blute, das theils flüssig, theils geron- nen war, d. h. in der Blutflüssigkeit schwammen Coagula. Das Gehirn war, bis auf die Hypostase in dem hintern Theil der Venen, blutleer, die Lungen mässig, die Leber aber noch ziemlich stark mit Blut gefüllt. 4. Fall. Schusswunde in den linken Herz Ventrikel. Blutgerinnung. Ein dreissigjähriger Arbeiter hatte sich in die Brust geschossen. Die Kugel war hart über der fünften linken Rippe eingedrungen und hatte die ganze Spitze des linken Herzventrikels zerrissen. "Der ganze linke Pleurasack war mit Blut über und über angefüllt, und in ganzen Töpfen schöpften wir aus der Blutflüssigkeit dicke Gerinnsel hervor. Dass in diesen Füllen, wo der Tod so urplötzlich erfolgte, das Blut nur erst nach dem Tode geronnen sein konnte, wird doch wohl Niemand bezweifeln könneu. Eben so beweisend ist der folgende directe Versuch. « 5. Fall. Kopfverletzungen nach dem Tode mit Blutgerinnung. Wir haben vielfache, noch immer fortgesetzte Versuche an Leichen betreffend Kopfverletzungen gemacht. (Vgl. §. 6. Spec. Thl.) Wir be- dienen uns dazu des gewöhnlichen festen, hölzernen Schlägels, der zum Aufstemmen des Schädels und der Wirbelsäule gebraucht wird. Mit wiederholten kräftigen Schlägen mit diesem Werkzeug wurde der ganz unversehrte Kopf eines Ertrunkenen drei Tage nach dessen Tode be- handelt, und die Leiche am folgenden Tage (nach dreissig Stunden) un- tersucht. Die hier interessirende Stelle aus dem Protokolle aber lautet wörtlich: „7) auf der obern Spitze des rechten Ohres zeigt sich eine % Zoll lange, mit zackigen, zerrissenen, nicht blutigen Rändern versehene Wunde. 8) In der Mitte des rechten Scheitelbeines befindet sich eine, 1 Zoll lange, gequetschte Wunde mit stumpfen, zerrissenen Rändern, in deren Tiefe man etwas flüssiges Blut sieht. Eine ähnliche, eben so lange und äusserlich eben so beschaffene ist auf dem Hinterhauptbein sichtbar. Der ganze Grund dieser Wunde auf dem Pericranium ist in grösserer Ausdehnung mit blutiger, liniendicker Sülze (Coagillum) bedeckt." Also Blutgerinnung, die unzweifelhaft sogar noch drei Tage nach dem Tode sich ausgebildet hatte. Im Uebrigen war auch bei diesem Er- trunkenen das Blut im ganzen Körper von besonders flüssiger Beschaf- fenheit. G. Fall. Blutgerinnung am vierten Tage nach dem Tode. Ganz ähnlich verhielt sich der Fall bei einem in Kohlengas Erstick- ten, den wir an einem sehr kalten Januarstage vier Tage nach dem Tode obducirten. Die Leiche hatte bis zur Section in der kalten Leichenschau- Anstalt gelegen. Beim Oeffnen der Brust floss zufällig, als der Kehlkopf mit der Luftröhre exenterirt wurde, Blut heraus und über den Hals und die linke Schulter. Auf der noch sehr kalten Leiche erstarrte dies sehr flüssige Blut während des weitern Obductionsverfahrens, und zwar ziem- lich schnell, so dass es als wirkliches Coagulum mit dem Scalpellstiel abgestreift werden konnte. Hierher gehören auch die folgenden Fälle. 7. Fall. Geronnenes Blut bei einem todtgebornen Kinde. Das aufgefundene männliche Kind war am Kopf schon schwarzgrau, am übrigen Körper grün von Verwesung. Die Lungen waren aber noch sehr frisch. Sie wogen mit deta Herzen 4£ und ohne Herz nur 3 Loth. Die Lungen waren ferner hellbraun und füllten die Brust wenig aus. Die genau angestellte Athemprobe ergab, dass das Kind todtgeboren worden war. Nichtsdestoweniger war die Nabelschnur von geronnenem Blute strotzend angefüllt, ein abermaliger Beweis dafür, wie wenig Werth auf das Criterium der Sugillationen für die Athemprobe zu legen ist. 8. Fall. Ein ähnlicher Fall. Die äussern Merkmale am Leichnam einer neugebornen Frucht er- gaben , dass dieselbe noch nicht dreissig Wochen alt geworden, denn Nägel und Ohrknorpel waren noch* weich, die Länge betrug nur 16 Zoll, das Gewicht nur Z\ Pfund u. s. w. Die Anstellung der Athemprobe wäre nicht nöthig gewesen, wenn das Gericht sie nicht ausdrücklich ge- fordert hatte. Sie ergab aber mit Bestimmtheit, dass das Kind weder in, noch nach der Geburt geathmet hatte, da kein einziges Criterium da- für sprach. Auf dem Hinterhaupt aber fand sich unter dem Pericrcutiiim ein zwei Thaler grosses Extravasat von geronnenem Blute. Das ganze Gehirn war sehr blutreich, seine einzelnen Theile aber waren wegen fau- liger Erweichung nicht mehr genauer zu untersuchen. 9. Fall. Ein ähnlicher Fall. Ein weibliches, noch mit der Placenta zusammenhängendes Kind im achten Monate war auf einem Kirclihofe todt gefunden worden. Lungen und Herz wogen nur drei Loth drei Quentchen, die Lungen allein nur drittehalb Loth. Sie sanken vollständig und in allen ihren Theilen un- ter, und ergaben bei Einschnitten weder ein Zischen noch blutigen Schaum. Unzweifelhaft hatte hier kein Leben (Athmung) weder in, noch nach der Geburt Statt gefunden. Indess fand sich mitten auf der Stirn ein viergroschengrosser, kreisrunder, rothbrauner, weich zu schneidender Fleck, und unter demselben im subcutanen Zellgewebe eine ächte Sugil- lation von geronnenem Blute.*) ♦) Die Casuistik in den §§. 33. u. 41. Allg. Thl. und §§. 8. u. 15. Spec Thl. wird zahlreiche anderweitige Beweise für Blutgerinnung nach dem Tode geben. §. IL Portsetzung. Innere Hypostasen. 4) Unter den Bauchorganen kommen Hypostasen vorzugs- weise an den Därmen, und 5) an den Nieren vor. An den Därmen namentlich an den Darmportionen, die im Becken liegen, wo sie sehr gewöhn- lich sind. Die bläulichrothe Färbung, die die untenliegenden Flächen der Darmschlingen zeigen, können täuschen und wie- der für pathologisches Product halten lassen, was nur ein Lei- chensymptom ist. Die Diagnose ergiebt sich aber leicht, wenn man das Convolut der Darmparthieen hervorzieht, wo man als- bald die fleckigen Stellen und die Unterbrechungen in der Färbung wahrnehmen wird, während z. B. die Entzündung den von ihr befallenen Darmtheil in einer nicht unterbrochenen Bahn geröthet erscheinen lässt. Was die Nieren betrifft, so findet man die Hypostase namentlich (bei der auf dem Rücken liegen gebliebenen Leiche) an der hintern Hälfte, und kann sie hiernach leicht von einer allgemeinen Blutfülle dieser Organe unterscheiden. §. 12. Fortsetzung. Leichenstarre. 10) Das letzte Zeichen der frühsten Zeit des Todes und das jedenfalls den ersten Stadien der Verwesung vorangeht, ist die Leichenstarre, die allgemein bekannte Verkürzung und Verdickung gewisser Muskeln, vorzugsweise der Flexoren und Adductoren an den Extremitäten mit Einschluss der Finger, und an den Adductoren des Unterkiefers, wodurch sie sich hart und fest anfühlen lassen, und der Körper, wenigstens oft, nach Devergie's recht bezeichnender Bemerkung, etwas Athleti- sches bekommt. Die Todtenstarre tritt in ziemlich breiten Zeiträumen nach dem Tode ein; im Allgemeinen zwischen zwölf und zwanzig Stunden und sie kann, weit länger als gewöhnlich angenommen wird, nämlich von einem bis zu sieben Tagen ver- harren. Mit ihrem Verschwinden wird der Leichnam wieder biegsam, wie er vor ihrem Eintritt war. Ihr inneres Wesen ist uns ganz unbekannt, und wir kennen nur einigermaassen die Bedingungen, unter denen sie leichter oder schwerer entsteht. Feststehend scheint, dass sie 'nach narcotischen Vergiftungen entweder gar nicht, oder nur von sehr kurzeri Dauer eintritt, so dass sie in der Zeit, in welcher der Gerichtsarzt dergleichen Leichen zur Beobachtung erhält, nach diesen Todesarten nie gefunden wird. Ob, wie behauptet wird, dasselbe nach dem Tode durch Blitzschlag beobachtet wird, ist mir aus eigner Er- fahrung nicht bekannt. Bei unreifen Früchten kommt niemals Todtenstarre vor. Irrig ist die oft ausgespro- chene Behauptung, dass die Leichenstarre nach allen Arten des Erstickungstodes gar nicht, oder erst spät oder nur kurz vor- übergehend eintrete. Wir haben in dieser Beziehung, wie die Casuistik im unten folgenden speciellen Theile zeigt, bei Er- stickten aller Art gar keinen Unterschied gegen andere Todte wahrgenommen. Ob die Leichenstarre nach dem Tode an Krämpfen und an acuten Krankheiten früh und kurz, nach plötzlichem Tode Gesunder und nach dem Erfrierungstode spät und dann länger dauernd eintritt u. s. w., sind schriftstelleri- sche Meinungen, die um so mehr noch der Bestätigung bedür- fen, als man darin die grössten Widersprüche bei den Autoren findet. Niedere Lufttemperatur und Alcoholisirung begünstigen eine längere Dauer der Todtenstarre. In einem Falle, in wel- chem der Tod plötzlich durch Hirnhämorrhagie im Rausche erfolgt war, habe ich die Leichenstarre noch am vierten Tage gesehen (vgl. 189. Fall); in einem zweiten, in welchem sich der Betrunkene erhängt hatte, noch am siebenten Tage, in einem dritten bei einem Erschossenen im Winter noch am sechsten Tage, in einem vierten Falle war, bei einem jungen Kellner, der, ganz gesund, Nachts von einer Herz-Apoplexie getroffen und am Morgen todt im Bette gefunden war (im December), sogar noch am achten Tage der Rigor an den Unter-Extremi- täten wahrnehmbar u. s. w. Dass sie bei keinem Verstorbenen §§. 12. 13. Leichenstarre. Der Verwesuugsprocees. ganz ausbleibt (höchstens mit Ausnahme der Narcotisirten und unreifen Leibesfrüchte), scheint gewiss, und beachtungswerth ist die allgemeine Volksmeinung, die auf Tausenden unbefange- ner Beobachtungen gegründet ist, und wonach die Leichen möglichst rasch gewaschen und bekleidet werden, bevor sie erstarren. Mit dem Steifgefrorensein der Leiche kann die Tod- tenstarre nicht verwechselt werden. Die gefrorne Leiche ist von Kopf zu Fuss starr wie ein Brett, während beim rigor mortis die Extremitäten immer noch, namentlich in den Ellenbogen- und Kniegelenken, einigermaassen gebogen werden können. Ein Leichnam, der nur allein die bis hierher (1 — 10) geschilderten Zeichen ergiebt, kann als der eines Menschen erachtet werden, der längstens vor zwei bis drei Tagen verstorben ist. §. 13. Der Verwesungsprocess. Zur Bestimmung der Zeit des Todes ist natürlich auch eine Kenntniss und richtige Würdigung der Stadien des Ver- wesungsprocesses unentbehrlich. Aber hier erst häufen sich die Schwierigkeiten. Wenn es einerseits nicht leicht, die Verände- rungen, die der Leichnam nach und nach eingeht, und die die Farbe und Consistenz der Organe betreffen, in blossen Worten für den Ungeübten ausreichend zu schildern, so ist andrerseits bekannt, eine wie grosse Anzahl von Einflüssen auf den Zer- setzungsprocess einwirken, und wie dadurch so vielfache Modi- ficationen in dessen Beschleunigung oder Verlangsamung erzeugt werden, dass nur mit grösster Vorsicht irgend eine Regel hier aufgestellt werden kann. Deshalb ist es kaum eine Uebertrei- lumg, wenn Orfila äussert, „es übersteige die menschlichen Kräfte", wenn man bei verwesten Leichen eine Todeszeit - Be- stimmung vom Arzte fordere; wenn man aber erfahren hat, wie Devergie bei scinenTUntergebenen, den Leichenwärtern in der Pariser Morgue, und wie ich es von den meinigen in der hiesigen Anstalt ganz eben so oft sehe, wie ganz ungebildete Ca »per, gorichtl. Mcdicin. 3 Menschen durch blosse Routine dahin gelangen, sich in diesem Gebiete einen im Allgemeinen ganz richtigen Blick zu erwer- ben, so muss es möglich sein, mit wissenschaftlichen Mitteln noch sicherer zum Ziele zu gelangen. Nur müssen dieselben möglichst nach festen Kategorieen geordnet, die ganze Angele- genheit möglichst vereinfacht werden, damit nicht in dem Chaos der tausendfachen Mannigfaltigkeiten — denn streng genommen sieht, unter im Allgemeinen ganz gleichen Umständen, nicht Ein verwester Leichnam ganz wie der andre aus! — das All- gemeine, die Regel verschwinde. Von diesem Vorwurf sind die wenigen neuem Schriftstel- ler, die etwas Eigenes geliefert haben, Orfila, Lesueur, Güntz und Devergie *) nicht freizusprechen. Wer sich selbst mit diesen widerwärtigen und mühsamen Untersuchungen be- schäftigt hat, wird den Werth und die Treue der Einzel-Beob- achtungen dieser Männer nach ihrem ganzen Werth zu schätzen wissen. Aber sie verlieren sich theilweise in zu viele und zu kleinliche Details, und lassen es theilweise zu sehr an einer ge- wissen Subsumption der Erscheinungen unter allgemeinere Ka- tegorieen fehlen, als dass ihren Mittheilungen ein wirklicher practischer Werth für den Gerichtsarzt zugeschrieben werden könnte. Diesen practischen Werth überall hier vorzugsweise berücksichtigend, und auch hier möglichst nur Selbstbeobachte- tes gebend, will ich versuchen, die Schwierigkeiten zu beseiti- gen, so weit sie in dieser Angelegenheit zu beseitigen sind. §. 14. Innere Bedingungen der Verwesung. Die Bedingungen, welche den Zersetzungsprocess so man- nigfach modificiren, ihn hier beschleunigen, dort verlangsamen) so dass die Leiche A. nach 24—36 Stunden genau so erschei- *) Orfila und Lesueur, Handbuch zum Gebrauch bei gerichtlichen Ausgrabungen. Aus d. Franz. von Güntz. 2 Bde. Leipzig 1832 — 1835. Güntz, der Leichnam des Neugebornen, Leipzig 1827. (Mit reicher älterer Literatur.) Devergie a. a. O. I. S. 88—253. ncn kann, wie die Leiche B. nach drei bis vier Wochen, sind entweder im Individuum gegeben, oder ausserhalb desselben, wobei sich von selbst versteht, dass Fäulniss an sich nur durch den Zutritt äusserer Einflüsse möglich ist und entsteht. Frisches Fleisch hermetisch verschlossen verwest nicht. Individuell modificiren die Fortschritte der Verwesung: 1) das Alter. Ich gebe zu, was alle Schriftsteller behaup- ten, dass Neugeborne caet. par. schneller verwesen, als andre Leichen. Zu erwägen bleibt indess hierbei doch, was nirgends hervorgehoben worden, dass die Leichname von Neugebornen, an denen der gerichtliche Arzt seine Beobachtungen macht, fast ohne alle Ausnahme, wie es in der Natur der Sache liegt, solche sind, bei denen noch ein andrer Einfluss sich geltend macht, als gewöhnlich bei den Leichen aus spätem Lebensaltern. Sie sind gleich nach der Geburt nackt, oder höchstens mit einigen Lappen oder Lumpen umwickelt, ausgesetzt, in's Was- ser, in den Dünger, in den Abtritt geworfen, und so aufgefun- den, während nackte Leichen aus spätem Jahren fast ausschliess- lich nur bei Ertrunkenen vorkommen. Der Einfluss der Beklei- dung der Leiche aber auf das Verzögern des Fäulnissprocesses ist ein sehr wesentlicher. (Vgl. §. 15.) — Hochbejahrte Men- schen unterliegen den Fortschritten desselben allerdings lang- samer, allein hier ist ohne Zweifel wieder die Constitution mit- wirkend (s. No. 3.). 2) Dass das Geschlecht als solches einen Unterschied bedinge, kann ich nicht behaupten. Die „mehr lymphatische Constitution" des Weibes ist hier wohl nur mehr aus der Theo- rie herangezogen worden. Leichname von Weibern aber, die in oder gleich nach der Entbindung starben, habe ich c. p. im- mer sehr rasch in Verwesung gehen gesehen, gleichviel, wel- ches die Todesursache gewesen war. 3) Von entschiedenem Einfluss ist die Leibesbeschaf- fenheit. Fette, schwainniigte, lymphatische Körper verwesen c. ft weit rascher, als magere, trockene, weil der Reichthum an 3* Flüssigkeiten den Zcrsetzungsprocess sehr begünstigt. Dies ist auch wohl der Grund, warum greise Leichen, die gewöhnlich die letztere Beschaffenheit zeigen, im Allgemeinen sich länger halten. 4) Die Todesart modificirt sehr wesentlich den Verlauf des Verwesungsprocesses. Nach plötzlichem Tode Gesunder tritt er c. p.. später ein, als nach dem Tode an erschöpfenden, mit Säfteentmischung verbundenen Krankheiten, Typhus, Was- sersucht nach organischen Fehlern, Tuberculose, putriden Fie- bern u. dgl. — Körper, die erheblich verstümmelt oder verletzt sind, wie Menschen, die durch vielfache Misshandlungen, durch mehrfache Hiebwunden, durch mechanische Gewalt auf Eisen- bahnen u. s. w. getödtet sind, faulen sehr schnell. Eine Aus- nahme findet hier nur Statt bei Solchen, die verschüttet durch einstürzende Mauern u. dgl. von Steinen, Gebälk, Schutt, Sand bedeckt todt liegen bleiben, so dass die Luft weniger direct zu den Leichen dringen kann. In Rauch, Kohlenoxyd- und Schwefel- Wasserstoffgas Erstickte verwesen c. p. rasch; ob dies auch bei durch andre nichtathembare Gasarten Erstickten der Fall, dafür fehlen mir eigne Erfahrungen. Gewiss aber ist, dass auch nach narcotischen Giften eine verhältnissmässig sehr beschleunigte Verwesung eintritt. Nach andern Giften findet dies weit weni- ger Statt, namentlich auch keinesweges nach den, erst in der neuern Zeit in der Praxis vorkommenden Phosphorvergiftungen. Nach Blutvergiftungen durch Alcohol, d. h. in solchen Fällen, wo Trunkenbolde im Rausche apoplectisch sterben, habe ich mehrfach eine unverhältnissmässig lange Frische der Leichen beobachtet, in deren Höhlen deutlich der Alcoholgeruch wahr- nehmbar zu sein pflegte. (Vgl. 189—191. Fall.) Hier ist die ganze Leiche gleichsam in Spiritus gesetzt. Bemerkenswerth endlich ist, dass nach den (uns so häufig vorkommenden) Ver- giftungen durch Schwefelsäure der Verwesungsprocess entschie- den verzögert wird, wahrscheinlich, weil die Säure in der Leiche die Ammoniakbildung verhindert, oder das durch die Vcrwe- sung sich bildende Ammoniak immer wieder neutralisirt. Es ist gar nichts Seltnes, Leichen von durch Schwefelsäure Ver- gifteten noch frisch, und selbst nach Eröffnung der Höhlen noch geruchlos zu finden in einer Zeit nach dem Tode, in welcher unter andern Umständen dies gewiss nicht vorgekommen wäre. Nach Arsenikvergiftungen tritt der Verwesungsprocess nach ge- wohnten Gesetzen ein; aber bekanntlich tritt im Verlauf ein Stillstand ein, und es wird der Mumificationsprocess eingeleitet, auf welchen wir noch zurückkommen. (§. 34. spec. Thl.) Es ist jedoch festzuhalten, dass alle diese Momente zwar eine Gültigkeit im Allgemeinen haben, dass jedoch noch indi- viduelle Bedingungen, die den Verwesungsprocess beschleunigen oder verzögern, vorhanden sein müssen, die bis jetzt noch un- bekannt sind. Sehr beweisend hierfür und lehrreich war fol- gende Beobachtung. Ich habe am 20. März 1848 vierzehn Männer, fast Alle in ganz gleichem Lebensalter von 24 — 30 Jahren, in ganz gleichen frühern Lebensverhältnissen (arbei- tende Proletarier) neben einander in demselben Locale unse- rer Leichenschau-Anstalt untersucht, welche auf den Barricaden am 18. März einen und denselben Tod durch Schusswunden, notorisch zu einer und der selb en Zeit gestorben waren. Hier lagen also gewiss dieselben Bedingungen für die Vergleichung vor. Ich kann aber versichern, dass nicht bei Einem die Zei- chen der Verwesung so gestaltet waren, wie bei dem Andern. Sehr beachtenswerth waren in einem andern Falle die Leichen zweier Ehegatten ziemlich gleichen Alters, bejahrter Leute von 56 — 60 Jahren, die Nachts durch Kohlenoxydgas erstickt wa- ren. Die Leichen waren bis zum Augenblicke unserer Unter- suchung denselben Bedingungen ausgesetzt gewesen. Nichts- destoweniger war (am vierten Tage nach dem Tode, im No- vember) die Leiche des Mannes am Bauche und Rücken ganz grün, die Luftröhre verwesungs - braunroth u. s. w., während die der, sogar ungemein fetten Frau äusserlich wie innerlich die vollkommenste Frische zeigte. Dass die etwanige verschiedene Zeit des Eintritts des Todes hier nicht maassgebend gewesen sein konnte, leuchtet ein, da der Unterschied doch jedenfalls kaum einige Stunden betragen haben konnte. §. 15. Aeussere Bedingungen der Verwesung, a) Luft Weit entschiedener als die innern wirken die äussern Be- dingungen beschleunigend oder verzögernd auf den Verwesungs- process, wenigstens ist der Einfluss der Letztern mehr bekannt. Es sind diese Momente: atmosphärische Luft, Feuchtigkeit und Wärme. Wenn man Licht und Electricität noch dahin gerech- net hat, so ist zu erwägen, dass beide Agentien schon in dem der Luft mitwirkend gedacht werden müssen, und dass andrer- seits deren Einwirkung in dieser Beziehung noch zu hypothe- tisch ist. 1) Atmosphärische Luft. Alles, was ihren Zutritt zu der todten thierischen (wie vegetabilischen) Substanz begünstigt oder hemmt, befördert oder verzögert den Verwesungsprocess. Deshalb faulen Leichname, die im Freien liegen (oder hängen) bleiben, c. p. weit rascher, als Beerdigte und selbst als Was- serleichen; rascher verwesen gar nicht oder leicht bekleidete, als solche Todte, die bekleidet, und namentlich mit anliegenden und mit weniger permeablen Stoffen bekleidet sind. Es ist etwas ganz Gewöhnliches, bei Männern, die bekleidet aus dem Wasser gezogen werden, die mit Stiefeln bekleideten Unter- schenkel noch frisch zu finden, während die Epidermis am übri- gen Körper schon blasenartig erhoben oder abgelöst ist. Ein sehr verwachsener Schneider hatte sich erhängt. Der Leichnam zeigte schon sehr deutliche Verwesung. Aber der ganze Brust- kasten stach auffallend vom übrigen Körper ab, aus keinem an- dern Grunde, als weil Denatus denselben mit einem fest anlie- genden Panzer von straffem Drillich umgürtet trug, der an der, der Skoliose entgegengesetzten Seite ausgepolstert war, ver- muthlich, um den Buckel zu verbergen! — Den Zutritt der Luft kann aber auch das Erdreich, je nach seinen verschiede- ,u n Mischungsverhältnissen, hemmen oder befördern. Je nach- dem dasselbe mehr ein lockeres, poröses, wie Sand, oder ein festes und derbes, wie Lehm ist, je nachdem verwest die darin eingegrabene Leiche im Allgemeinen zwar wohl leichter oder weniger leicht: jedoch tritt hier ein anderes Moment ausglei- chend oder ändernd entgegen, die Feuchtigkeit nämlich, auf de- ren Antheil bei der Frage vom Erdreich grösseres Gewicht zu legen ist. Sandiger oder kalkiger Boden z. B. ist gleichzeitig trockner, Lehm- oder Torfboden mehr feuchter Boden. — Aus demselben Grunde des leichtern oder erschwertem Luftzutritts verwesen Leichen, die, wie so oft die von Neugebornen, nur oberflächlich verscharrt wurden, rascher, als tief in die Erde eingegrabene. Aus demselben Grunde endlich ist die Hülle, die den Leichnam in der Erde umgiebt, ein wichtiges Erwägungs- moment, wofür Orfila (a. a. O.) zahlreiche Beläge giebt. Es ist allgemein bekannt, in wie kurzer Zeit die gewöhnlichen Fichtenholzsärge zerfallen, und ihre Einwohner mit ihnen, und wie ungemein lange sich die vormaligen Grossen der Erde in ihren Särgen von festem Holz, von Zink, von Stein, oder gar in der Einschachtelung von solchen dreien Särgen verhältniss- mässig unversehrt erhalten. Umgekehrt gehen ganz nackt in der Erde Begrabene sehr schnell in Verwesung. §. 16. Fortsetzung, b) Feuchtigkeit. 2) Ohne Wasser und Wasserdunst kommt gar kein Ver- moderungsprocess zu Stande. Aber das eigene Wasser des Leichnams bietet dazu schon das ausreichende Material. Es verdunstet allmälig, sprengt mit der Zeit die Bedeckungen, na- mentlich die des Unterleibes, aber auch die der Brusthöhle, zu- letzt sogar die Schädelknochen und der Leichnam macerirt in seinen eignen Flüssigkeiten. Schon vor dieser Epoche zeigten sich Maden und Larven an seiner Oberfläche, die man zuerst in den faltigen Stellen des Körpers zu finden pflegt, den Augen- lidern, den Ohren, der Schaamspalte, den Leistengegenden, bis sie sich zu Myriaden vermehren, und für sich allein den gan- zen Zerstörungsprocess der Weichgebilde vollenden. Je mehr aber ausser der eignen auch noch Feuchtigkeit von aussen zu dem Leichnam gelangen kann und gelangt, desto rascher schreitet die Verwesung vor, und umgekehrt. Ohne Zweifel ist dies der Grund, warum wirkliche Wasserleichen so rasch und jedenfalls viel schneller faulen, als Leichen in der Erde. Eben diese Ur- sache, zumal unter Mitwirkung der dritten Bedingung, der Wärme, begünstigt die ungemein rasche Zersetzung der Lei- chen, die in Düngerhaufen oder Abtrittsgruben lagen (vergl. 16. Fall), wogegen möglichste Trockenheit dem Verwesungs- process begegnet, den Leichnam ausdörrt, und die Mumification begünstigt. §. 17. Fortsetzung, c) Wärme. 3) Für sich allein bewirkt ein hoher Wärmegrad, indem er den Wassergehalt des Leichnams verflüchtigt, gleichfalls, und noch weit energischer als die blosse Abwesenheit äusserer Feuchtigkeit, das gerade Entgegengesetzte des Fäulnissproces- ses, das Ausdörren, wenn nicht gar das Rösten und Verkohlen, wie wir dies beim Verbrennen sehen. Desto begünstigender aber wirkt Wärme, in vollkommen gleichmässiger Wirkung mit den Graden der Temperatur, wenn sie sich mit den beiden er- sten Bedingungen, Luft und Feuchtigkeit, verbindet. Allbekannt ist, wie viel rascher Leichen im Sommer als im Winter faulen. Körper, die heute noch im Sommer bei -j- 16 bis 20° R. wohl erhalten sind, können sehr oft, was ich durc h fortgesetzte Be- obachtungen unzählige Male wahrgenommen, schon am folgen- den Tage fast, und nach weitern 24 Stunden ganz sectionsun- fähig werden, während unter übrigens gleichen Umständen, z. B. an demselben Aufbewahrungsort, dies bei — 5, 6, 8° R. im Winter noch in zehn bis zwölf Tagen keinesweges der Fall ist. Ungemein auffallend äussert sich der Temperatur - Unter- schied auch in Betreff des Wassers. Friert der Leichnam im Wasser (oder in nassem Erdreich) ein, so erhält er sich ganz Irisch auf lange Zeit, und dass das Wort Jahrtausende hier keine Hyperbel ist, zeigen die freilich zum Theil verseiften Reste von Weichgebilden eines in Sibirien ausgegrabenen Mam- muth, die ich selbst im Museum der Universität zu Moskau gesehen habe. Im Winter kann bei einer Wassertemperatur von -f- 2 bis 6° R. eine zehn bis zwölf Tage nach dem Tode herausgezogene Leiche noch so wohlerhalten sein, dass sich darin noch die Zeichen des Erstickungstodes nachweisen lassen, was im Sommer bei -f- 18 bis 20° R. Wassertemperatur oft schon nicht mehr möglich ist, wenn die Leiche nur fünf bis sieben Tage im Wasser gelegen hatte. Dabei kommt noch ein andrer Umstand in Betracht. Bekanntlich ist die Temperatur des Wassers unter der Oberfläche eine geringere, als auf derselben und in der obersten Wasserschicht, weil die wärmende Kraft der Sonne nur diese trifft. Die Fortschritte des Verwesungs- processes sind demnach auch rascher oder langsamer vorschrei- tend, je nachdem die Leiche an der Oberfläche des Wassers oder in der Tiefe z. B. durch angebundene schwere Steine, oder eingeklemmt in Pfählen u. dgl. stecken blieb. Auf alle diese Umstände ist zu achten — und der Gerichtsarzt wird sie leicht ermitteln können, auch wenn er, wie gewöhnlich, beim Aufheben der Leiche nicht gegenwärtig war, — wenn es sich darum han- delt, nach dem Grade der Verwesung die ungefähre Zeit des Todes zu bestimmen. Hierzu kommt aber noch Folgendes. Leichen, die aus dem Wasser gezogen der Luft ausgesetzt wer- den, schreiten nunmehr auffallend rasch in der Verwesung vor. Ein Tag zeigt hier grössere Fortschritte, als drei, vier Taue längerer Aufenthalt im Wasser bewirkt haben würden. Ob der Wechsel des Mediums oder welche andre Umstände hier influi- ren, lasse ich dahin gestellt. Wie im Wasser ferner, und aus demselben (Inuide, so bedingt auch der höhere oder niederer« Temperaturgrad der Erde einen Unterschied. Oberflächlich verscharrte Leichen verwesen, auch aus diesem (wie aus dem §. 15. angegebenen) Grunde c. jj. leichter, als tief in die Erde Verscharrte. §. 18. Vergleichung der Verwesungserscheinungen nach den Medien. Es ist für den Practiker verwirrend, wenn man, wie es die oben genannten Hauptbearbeiter dieser Materie, Orfila, De- vergie und Güntz gethan, das Bild der Verwesung in ihren Stadien gesondert zeichnet, je nach den verschiedenen Medien, und es ist dies auch überflüssig, da der Hergang und-Verlauf der Fäulniss in allen Fällen vom ersten Augenblick bis zum letzten ein und derselbe ist, nur modificirt in der Beschleuni- gung, nicht nur nach den Medien, sondern nach allen dreien (§§. 15—17.) aufgezählten Bedingungen. Es erscheint demnach zweckmässiger, nur einen ganz allgemeinen Maassstab in Betreff aller dreier Medien, Luft, Wasser und Erde, festzuhalten, wo- nach man dann im concreten Falle mit demselben alle übrigen, oben genannten mitwirkenden Momente in Erwägung ziehen kann, und danach hier abrechnen, dort zurechnen wird. Wie schwer es nun auch sein mag, einen solchen allgemeinen Maass- stab als Anhalt für die Beurtheilung zu geben, so glaube ich doch, wenn ich meine Erfahrung zu Rathe ziehe, mich nicht von der Wahrheit sehr zu entfernen, wenn ich folgenden Satz aufstille: bei ziemlich gleichen Durchschnitts-Tempe- raturen entspricht in Betreff des Verwesungsgrades eine Woche (Monat) Aufenthalt der Leiche in freier Luft zweien Wochen (Monaten) Aufenthalt dersel- ben in Wasser und acht' Wochen (Monaten) Lage- rung auf gewöhnliche Weise in der Erde. Es werden also caet. j)ai\ drei Leichen ungefähr dasselbe Verwesungssta- dium zeigen, von denen A. einen Monat z. B. auf dem Felde liegen geblieben war, B. vor zwei Monaten ertrunken und C. vor acht Monaten gestorben und in einem gewöhnlichen Sarge beerdigt worden war. Bei der Schätzung nach diesem Maass- stabe und gehöriger Kritik der Umstände des Einzelfalles wird man vor erheblichen Irrthüinern gesichert sein. §. 19. Zeitfolge der Verwesungserscheinungen. Aeusserlich. Die grosse Mehrzahl aller Leichen, die auf den gericht- lichen Sectionstisch kommen, sind solche, die bisher in der Luft gelegen hatten, und diese nehmen wir als Typen, um danach • den Fortgang des Verwesungsprocesses zu schildern. 1) Das chronologisch erste Zeichen ist bekanntlich die Fär- bung der Bauchdecken ins Grünliche (die Ausnahme von der Regel bei Ertrunkenen wird unten [§. 58. spec. Thl.] betrach- tet werden), womit zugleich der eigentliche Verwesungsgeruch entsteht. Je nach der höhern oder niedern Temperatur und nach der Verschiedenheit der individuellen Bedingungen (§. 14.) entsteht diese Verfärbung in 24 — 72 Stunden nach dem Tode. 2) In derselben Zeit werden die Augäpfel weich, nachgie- big für den Druck mit dem Finger. 3) Nach 3 — 5 Tagen, immer vom Tode an gerechnet, hat sich die grüne Färbung mehr saturirt und über den ganzen Un- terleib mit Einschluss der äussern Geschlechtstheile verbreitet, wo sie aber in beiden Geschlechtern gleich eine mehr braun- grüne, schmutzige Beschaffenheit annimmt. Bei sehr vielen Leichen, namentlich bei allen, bei denen Erstickung concurrirt, drängen blutig-schaumige Flüssigkeiten aus Nase und Mund mit mehr oder weniger grossen Luftblasen hervor. Gleichzeitig beginnen, mit grosser topischer Unregelmässigkeit, sich grüne kleine oder grössere Flecke an andern Stellen, namentlich am Rücken, an den Unterextremitäten, am Halse, an den Seiten- flächen der Brust auszubilden. 4) Nach acht bis zwölf Tagen etwa hat sich die Verfär- bung, mit der der Geruch immer ganz gleichen Schritt geht, mehr und mehr, durch Zusammenfliessen der einzelnen Inseln, über den ganzen Körper verbreitet und ist dunkler geworden. An einzelnen Stellen, namentlich im Gesicht und am ganzen Halse bis zur Brust, wird sie schon jetzt röthlichgrün, weil das in's Zellgewebe ausgeschwitzte, zersetzte Blut durchschimmert. Die Fäulnissgase haben sich zu entwickeln begonnen und blasen den Unterleib hoch auf. Sie sind, aber nicht in allen Fällen, brennbare Gase, Schwefel- und Phosphor-Wasserstoffgas. Man kann ein ziemlich lange brennendes Flämmchen unterhalten, wenn man in solchen Fällen einen kleinen Einstich durch die ge- schwollenen Bauchdecken macht und eine angezündete Kerze davor hält. Die Hornhaut ist concav eingesunken, die Farbe der Augen aber noch erkennbar, während nicht in allen Fällen das Offensein der Pupillen bei unreifen Leibesfrüchten mehr fest- zustellen ist. Der Sphincter emi steht offen. An einzelnen Stellen, besonders gern an den Extremitäten und auf Hals und Brust, sieht man schmutzig-rothe Hautvenenstränge sich durch die noch heller gebliebenen Hautstellen hindurchschlängeln. Die Nägel sitzen noch fest. 5) Vierzehn bis zwanzig Tage nach dem Tode zeigt sich Verwesungsfarbe am ganzen Körper gleichförmig froschgrün und blutrothbraun verbreitet. Die Oberhaut ist stellenweise in wall- nussgrossen Blasen erhoben, an andern Stellen in Handtellergrösse und in noch weiterm Umfange ganz abgelöst. Zahllose Maden be- decken den Körper und suchen namentlich die faltigen Stellen und natürlichen Höhlen auf. Die Gasentwicklung hat so zugenommen, dass nicht nur die Bauchdecken wie eine grosse Kugel gewölbt erscheinen, die Brust deutlich künstlich gewölbt ist, sondern dass auch das ganze Zellgewebe wie aufgeblasen scheint. Da- durch gewinnt der ganze Körper ein gigantisches Ansehn. Aus eben diesem Grunde sind jetzt auch die Gesichtszüge nicht mehr erkennbar, und das Recognosciren der Leiche, auch von Seiten genauer Bekannten, findet Schwierigkeiten, denn indem die Au- genlider, die Lippen, die Nase, die Backen stark aufgeschwollen erscheinen, muss natürlich die Physiognomie eine ganz andere geworden sein, als sie früher war. Dazu kommt, dass die Farbe der Augen jetzt nicht mehr erkennbar ist, denn der Augapfel, in welchem eine Iris und Pupille nicht mehr sichtbar, zeigt bei allen derartigen Leichen ohne Eine Ausnahme eine gleichförmige sehmutzigrothe Färbung in der ganzen Continuität der Sclerotica. Bei Männern ist jetzt der Perm unförmlich und colossal aufge- schwollen und der Hodensack, der an der allgemeinen Verfär- bung Theil nimmt, kann die Grösse eines Kindkopfes erreichen. Die Nägel sind mit ihren Wurzeln abgelöst und liegen locker und leicht abziehbar an den Gliedern. Die Kopfschwarte löst sich leicht ab. Das Eintreten dieses höhern Verwesungsgrades ist ülnigens sehr merklich durch die Lufttemperatur bedingt, und man kann, wenn man Witterungs-Extreme in's Auge fasst, -f- 16 bis 20 Gr. R. im Sommer einer Wintertemperatur von 0 bis -j- 8 Gr. insofern vergleichen, als jene schon in 8 bis 10 Tagen bewirkt, was in dieser erst in 20 bis 30 Tagen zu Stande kommt. In diesem Stadium der Fäulniss wimmelt der Leichnam schon von Maden, und nichts Ungewöhnliches ist es, wenn derselbe frei in der Luft, oder wenn er im Wasser gele- gen hatte, zu sehen, dass er auch andern Thieren bereits zur Nahrung gedient hat. Es sind dies Land- und Wasserratten (diese vorzugsweise), Hunde, Katzen, Raubvögel, Füchse und Wölfe. Unsre Flussfische fressen Leichname nicht an. Man findet die Spuren dieser Gefrässigkeit an Brust und Bauch, die oft dadurch geöffnet sind, oder an den Extremitäten, an denen oft ganze Stellen wie bis auf die Knochen abpräparirt erschei- nen. Die derartig entstandenen Oeffnungen der Höhlen und überhaupt die Verletzungen von Wcichgcbilden wird man bei einiger Aufmerksamkeit nicht mit traumatischen Einwir- kungen verwechseln können. Man kann bei einer wie hier geschilderten Beschaffenheit des Leichnams nun wohl mit einiger Sicherheit erklären, dass der Mensch, je nach den verschiedenen Temperaturen und Medien, mindestens so lange todt sei, als oben angegeben, aber nicht, dass er längstens vor eben dieser Zeit gestorben, denn dieses so eben angegebene Stadium der Verwesung erhält sich im Allgemeinen, worin es sich von den frühern unterscheidet, sehr lange, viele Wochen, ja einige Mo- nate, und gelit nun ganz allmälig in das folgende Stadium über. Grünfaule, aufgeblähte und exeoriirte Körper von einem und von drei bis etwa fünf Monaten nach dem Tode verflossener Zeit (cäet. par.) sind nicht mit eini- ger Sicherheit von einander zu unterscheiden. 6) Nach vier bis sechs Monaten, bei Leichen die in war- men und nassen Medien lagen schon früher, tritt das Stadium der putriden Colliquation ein. Die Bedeckungen der Höhlen sind durch die fortwährende Gasentwicklung gesprengt und Brust- und Bauchhöhle liegen offen. Selbst die Schädelnähte haben dem Drucke weichen müssen; die Schädelknochen sind in den Suturen geplatzt und das Gehirn ist ausgeflossen. Eben so sind auch die Augenhöhlen leer. Alle Weichtheile sind in breiigter Auflösung begriffen, oder theilweise, und später je mehr und mehr, bereits aufgelöst, aufgezehrt und verschwunden; ganze Knochen, namentlich die des Schädels und der Extremi- täten, liegen nackt da. Extremitäten-Knochen zeigen sich auch häufig jetzt schon, wegen Zerstörung der Pascien und Bänder, aus den Gelenken gelöst. Keine Spur einer Physiognomie ist mehr erkennbar. Ob weibliche Brüste vorhanden waren, ist gleichfalls nicht mehr zu bestimmen, und da auch die äussern Geschlechtstheile jetzt ganz verschwunden sind, so kann man nach dem äussern Habitus nur dann noch das fragliche Ge- schlecht des Verstorbenen bestimmen, wenn die Schaamhaare oder der Wuchs derselben noch sichtbar sind, was nicht selten der Fall. Eine scharfe Begränzung derselben auf dem Schaam- berg bezeichnet nämlich bekanntlich das weibliche, eine Fort- setzung derselben bis zum Nabel das männliche Geschlecht. Die Möglichkeit, an einem solchen, ganz unkenntlich geworde- nen Körper noch das Geschlecht zu bestimmen, kann überdies auch selbst in diesem Stadium noch durch die Untersuchung: ob ein Uterus vorhanden? gegeben sein. (S. 15. u. 16. Fall.)*) *) Ueber den eigentümlichen Verlauf der Verwesung bei Ertrunkenen vgl. unten: Specieller Theil 6. Kapitel. Erstickungstod. §. 58. §. 20. Fortsetzung. Verseifung. Wenn fortwährend auf den verwesenden Leichnam Wasser einwirkt, sei es, dass er im Wasser selbst, oder auch nur in einem sehr feuchten Erdreich läge, dann, aber auch nur dann, und im Allgemeinen desto leichter, je fetter der Körper war, weshalb Kinderleichen leichter verseifen, als die Leichen Er- wachsener, schreitet die colliquative Verwesung nicht weiter vor. Unter weitern, mit Ausnahme der beiden eben angegebe- nen, unbekannten Bedingungen tritt dann bei manchen, keines- weges bei allen Leichen ein Verseifungsprocess ein, indem sich die Fettsäure mit dem Ammoniak verbindet, und es bildet sich das Leichenfett, Fettwachs, Adipocire*) Wann dieser Sapo- nificationsprocess sich zu bilden beginnt, ist schwer auch nur allgemein zu bestimmen. Dass die Todtengräber auf dem Kirch- hofe des Irmocem in Paris, wo man zuerst Erfahrungen im Grossen über das Leichenfett zu machen Gelegenheit hatte (Fourcroy), weit vom Ziele abirrten, wenn sie einen Zeit- raum von dreissig Jahren annahmen, ist zweifellos. Es bildet sich, wenn es sich bildet, sehr viel früher. Devergie**) meint, es erfordere Ein Jahr, um den ganzen Leichnam eines Ertrunkenen, und ungefähr drei Jahre, um einen, in der Erde liegenden Leichnam zu saponificiren. Ich habe indess unter meinen selbstbeobachteten Fällen von Verseifung den Fall eines neugebornen Kindes anzuführen, das erst dreizehn Monate in einem Garten, der sehr feuchten Boden hatte, in grober Pack- leinewand eingehüllt, vergraben gewesen, und das bereits etwa zu einem Drittheil des ganzen Körpers saponificirt war. (S. den 15. Fall.) In weniger als einem halben Jahre im Was- ser und Einem Jahre in nasser Erde dürfte wohl Adipocire- *) Ueher die Theorie der Fettwachsbildung verweise ich auf Orfila a. a. O. I. S. 328. Bildung in grösserm Umfange nicht zu Stande kommen. In grösserm Umfange, denn Anfange zu ihrer Entwicklung findet man auch schon früher. Gebildet ist es auch für den Ungeübte- sten nicht zu verkennen. Es ist ein homogenes, rein oder schwach gelblich-weisses, fettiges, in den Fingern dehnbares, weich zu schneidendes, an der Flamme schmelzbares Gebilde, von einem keinesweges sehr widerlichen, sondern von dumpfig- käseähnlichem Geruch. Das Muskelgewebe mit seinen Sehnen und Sehnenscheiden wird am frühsten ergriffen. Es giebt aber kein äusseres und kein inneres Organ, das nicht der Fettwachs- bildung unterläge. Alle davon befallenen Theile werden zu un- förmlichen Klumpen, in denen die ursprüngliche Bildung nicht mehr zu erkennen ist. Nach den Versuchen von Güntz*) hat das gebildete Fettwachs einer Leiche mehr Volum, als alles Fett, was der Körper besass. Es ist dieser Umstand bei der Bestimmung des Gewichtes der Leiche eines Neugebornen, zur Feststellung seines Alters, sehr zu beachten, um so mehr, als die Erdleichen dieser Beschaffenheit ohnedies durch das ankle- bende Erdreich u. s. w., das gar nicht ganz davon zu entfer- nen ist, schwerer werden. Ich habe niemals einen ganzen Leich- nam vollständig verseift gesehen, und kann deshalb die gleichlautende Behauptung Devergie's nur bestätigen. Als Beweis für die hier aufgestellten Sätze und als merk- würdiger Belag dafür, wie sehr früh ausnahmsweise sich die Verseifimg zu bilden beginnen könne, folge hier der 10. Fall. Bestimmung des Alters einer in Fettwachs übergegangenen Frucht. Die unverehelichte L. hatte heimlich geboren und das Kind besei- tigt. Sie räumte ein, schon früher einmal, und dann auch jetzt, d. h. vor etwa drei Wochen, ein Kind geboren zu haben, was jedoch nicht älter, als drei bis vier Monate gewesen sei. Ich hatte die Wahrheit die- ser Aussage durch Exploration der L. festzustellen. Die Brüste zeigten noch Tropfen einer fetten Milch. Die bekannte runzlich-fleckigte Beschaf- fenheit der Bauchhaut konnte für die vorliegende Frage nichts beweisen. Von Lochien fand sich noch eine schwache Andeutung, aber der Mutter- mund, welcher Einrisse hatte, war noch jetzt von der Grösse eines Sil- bergroschens geöffnet. Nach diesem Befunde musste ich urtheilen, dass die L. allerdings vor einigen Wochen geboren habe, dass aber aus der fetten Beschaffenheit der Milch und aus der noch jetzt nicht völlig er- folgten Schliessung des OS uteri mit höchster Wahrscheinlichkeit zu fol- gern sei, dass das geborne Kind mehr als nur vier Monate alt gewesen sein müsse. Kurze Zeit darauf wurde das Kind in der feuchten Keller- erde verscharrt gefunden, in welcher es in einer Kattunschürze einge- wickelt gelegen hatte, und uns zur Obduction übergeben. Es war bereits sehr verwest und an den Extremitäten, namentlich am rechten Vorderarm und Oberschenkel, hatte die Fettwachsbildung begonnen. Alle Höhlen waren offen, die auseinandergefallenen Schädelknochen lagen neben der Leiche, das Gehirn war ausgeflossen. Aber nach der Beschaffenheit der wohl erhaltenen linken Ober- und Unter-Extremität, welche letztere acht Zoll lang und noch sehr fett und geründet war, nach dem Gewichte der Frucht, das trotz der Verwesung, dafür aber mit der anklebenden Erde, noch sieben Pfund betrug, nach der Länge endlich, die, so weit sie noch festzustellen war, annähernd noch neunzehn Zoll betrug, musste ich ur- theilen, dass die Frucht gewiss über vier Monate alt, und dass sie höchst wahrscheinlich sogar reif, oder wenigstens der Reife nahe gewe- sen sei. So wurde durch den Leichenbefund auch unser Urtheil aber die Untersuchung der Mutter bestätigt. §. 21. Fortsetzung. Mumification, Insofern man bloss die Erhaltung des Leichnams durch unbestimmte Zeit im Auge hatte, war es nicht unangemessen, wie Einige thun *), eine fette und eine trockne Mumisirung an- zunehmen. Aber die „fetteMumisirung" oder Verseifung ist sowohl chemisch, wie für die sinnliche Wahrnehmung, ein so durchaus eigentümlicher Process und so verschieden von der eigentlichen Mumification, dass beide Umwandlungen ganz zu trennen sind. *) Siebenhaar, encycl. Handbuch der ger. Arznk. Leipzig, 1838. I. S. 474. C asper, gcrichtl. Hedicin. A Bekanntlich nennt man Mumification jene merkwürdige Austrock- nnng des Leichnams, wobei derselbe alle seine Weichtheile. da- her auch im Allgemeinen seine Form, ja sogar seine, wenn auch entstellten Gesichtszüge behält, und eine rostbraune Farbe an- nimmt. Dass eine solche Verwandlung der Leiche künstlich durch Einspritzungen von Arsenik, durch allerhand verschiedene Einbalsamirungs - Methoden u. s. w. erzeugt werden kann, hat für unsre Zwecke kein Interesse. Aber auch die natürliche Mumification interessirt die gerichtliche Medicin nur wenig. Denn ihre Bedingungen, und mit ihnen der Zeitpunkt, wann sie im günstigen Falle eintritt, sind so gut wie unbekannt. Sie entsteht eben so gut in Leichen, die, in Gewölben beigesetzt, beständig einem austrocknenden Winde ausgesetzt sind, wie man an einer Leiche sehen kann, die seit etwa sechszig Jahren in Charlottenburg bei Berlin in einem offenen, nur mit einem eisernen Gitter verschlossenen Gewölbe beigesetzt, und vollstän- dig mumificirt und wohl erhalten ist, als sie andrerseits in mög- lichst von der Luft abgeschlossenen, in Bleisärgen u. dgl. beer- digten Leichen vorgekommen ist. Dass Leichen in heissem, austrocknendem Sande leicht mumificiren, scheint nicht zu be- zweifeln, und die Erzählungen von ganzen, in den arabischen Sandwüsten verschütteten Caravanen, die man in späten Zeiten als Mumien wiedergefunden, sind nicht unglaubwürdig. Am wenigsten ist etwas Gewisseres darüber bekannt, wann unter begünstigenden Umständen der natürliche Mumificationsprocess sich auszubilden beginnt; wir wissen bloss, dass, einmal ausge- bildet, die Mumie sich Jahrtausende lang erhalten kann. Es würde demnach erforderlichen Falls kaum mit einiger Wahr- scheinlichkeit zu bestimmen sein, wie lange ein mumificirt ge- fundener Körper schon verstorben sein könne, denn mit der ganz allgemeinen, wohl haltbaren Erklärung, dass allerminde- stens der Tod schon vor Jahr und Tag erfolgt sein müsse, wird dem Untersuchungsrichter wohl nur in den seil (Misten Fäl- len gedient sein. — Für den gerichtlichen Sectionstisch haben nur eine wirklich practische Bedeutung: die. Mumificirung der Nabelschnur bei Neugebornen und die Mumification der Leichen nach Arsenikvergiftungen, und auf diese beide wird unten zu- rückzukommen sein. (Vergl. §§. 34. und 99. spec. Thl.) §. 22. Zeitfolge der Verwesungserscheinungen. Innerlich. Nie und unter keinen Bedingungen unterliegen die innern Organe in gleichmässiger Einwirkung dem Verwesungsprocesse. Ihre so sehr verschiedene histologische Structur, ihr verschie- dener Gehalt an Blut und andern Flüssigkeiten, ihre oberfläch- lichere oder tiefere Lage, die ihrerseits wieder eine geringere oder stärkere Imbibition mit Flüssigkeiten nach dem Gesetze der Schwere bedingt, und endlich die Möglichkeit des Zutritts der atmosphärischen Luft zu ihnen, die bald erleichterter, bald erschwerter ist, bedingen vielmehr die bemerkenswerthesten Verschiedenheiten. Es giebt Weichgebilde, die eine zwanzig- bis dreissigfach so lange Zeit bedürfen, um vollständig zu ver- wesen, als andre, und die Chronologie der Fäulniss der einzel- nen innern Organe ist deshalb eine eben so sichere und eher noch eine mehr Sicherheit gewährende Unterlage für das Ur- theil betreffend die Bestimmung der Zeit des Todes, als die Berücksichtigung der Stadien der Verwesung der Körperober- fläche. Nach meinen langen Beobachtungen an Leichen aus allen Stadien, und unabhängig von dem, was Andre behaupten, die aus dieser Frage gleichfalls ein Studium gemacht haben (Bichat, Orfila, Devergie, Güntz, Hebreard), glaube ich Folgendes als zuverlässig geben zu können. 1) Das am frühsten durch die Verwesung alterirte innere Organ ist die Luftröhre mit Einschluss des Kehlkopfes. Bei noch ganz frischen oder bei solchen Leichen, bei denen sich äusserlich am Unterleibe nur erst einzelne grüne Flecke zu zei- gen beginnen, die noch inselartig getrennt von einander stehen, zeigt sich die Schleimhaut der Trachea in ihrem ganzen Verlauf bis in die Bronchien noch todtcnbleich, vorausgesetzt, dass der 4.* Tod nicht durch Erstickung oder Laryngitis erfolgt war. Sobald aber die Verwesung nur irgend weiter vorgeschritten ist, und meist schon bei solchen Leichen, die im Uebrigen äusserlich noch frisch erscheinen, bei denen aber schon der ganze Unter- leib eine zusammenhängende grüne Oberfläche darbietet, also im Allgemeinen im Sommer nach drei bis fünf, im Winter nach sechs bis acht Tagen, findet man, während noch kein anderes Organ irgend sichtbar von der Verwesung ergriffen und in sei- ner natürlichen Beschaffenheit verändert ist, bereits die Schleim- haut der Luftröhre verfärbt, nämlich gleichmässig schmutzig kirschroth oder braunroth, ohne dass selbst die Loupe in die- ser Verfärbung Gefässinjectionen, die eben nicht vorhanden sind, erkennen kann. Ob Hypostase hier wirksam sei, oder der unmittelbare Zutritt der atmosphärischen Luft, mag dahin- gestellt bleiben. Der Ungeübte möge nicht für Capillarinjection und Resultat des Erstickungs- oder Ertrinkungstodes halten, was einfaches und früh eintretendes Leichenphänomen ist. Eine Vergleichung der Abbildungen Taf. VIT. Fig. 19. und Taf. VDX Fig. 23-, von denen erstere die verwesende Luftröhre nach na- türlichem Tode, letztere die Luftröhre eines Erhängten darstellt, möge die Diagnose erleichtern. Die verschiedenen Lebensalter, Constitutionen und Todesarten bedingen hier durchaus keinen Unterschied. Im weitern Verlauf der Verwesung wird die Luftröhrenschleimhaut olivengrün, die Knorpel des Kanals tren- nen sich von einander, worüber indess Monate vergehen, bis sie zuletzt im allgemeinen Auflösungsprocess verschwinden. *) *) Ich habe zu viele Hunderte von Leichen auf diesen Umstand hin sorgfältig untersucht, und niemals eine einzige Ausnahme gefunden, um nicht die Behauptung aufstellen zu dürfen, dass man geeigneten Falls aus diesem frühen Verwesen der Luftröhre auch noch andre Schlüsse, als den über die Zeit des Todes, ziehen dürfe. Dies geschah in einem Falle, der der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen zum Superarbi- trum vorlag. Die Obducenten eines Falles von sehr zweifelhafter Erstik- kung hatten übersehen, die innere Fläche der Luftröhre, so wie deren etwa- nigen Inhalt, zu untersuchen. Die Deputation konnte deshalb die Annahme 2) Das Gehirn der Neugebornen und der Kinder bis etwa gegen das erste Lebensjahr hin folgt zunächst in der frü- hen Verwesung. Wahrscheinlich begünstigt die natürliche, noch so weiche Beschaffenheit des Organs bei kleinen Kindern diese frühe Zerstörung, an welcher gewiss auch der Umstand Theil hat, dass die atmosphärische Luft durch die nur mit sehnigt- häutigen Gebilden bedeckten Fontanellen leichtern Zutritt ge- winnt. Hieraus erklärt es sich, warum dieses Gehirn entschie- den früher fault, als das der Erwachsenen, das weit derber und fester und durch eine ungetrennte Knochenhülle gegen die Ein- wirkung der Luft geschützt ist. Gewiss ist, dass bei noch völ- liger Integrität aller Höhlenorgane, wenn nur äusserlich schon Verwesungsfarbe sichtbar ist, das Gehirn bei kleinen Kindern jenes Alters schon zerstört gefunden wird. Es füllt dann die Schädelhöhle nicht mehr aus, und ist in einen mehr oder we- niger flüssigen, rosenröthlichen Brei verwandelt, welcher beim Entfernen der Schädelknochen sofort ausfliesst, und gar keine Untersuchung der einzelnen Gehirntheile mehr gestattet, ein Umstand, der bei Feststellung zweifelhafter Todesarten der Neu- gebornen sehr störend einwirken kann. des Erstickungstodes Seitens der Gerichtsärzte nicht für gerechtfertigt erklä- ren, und machte ihre Gründe im Superarbitrium geltend. In Folge desselben fand sich die Staatsanwaltschaft veranlasst, eine nachträgliche Erklärung der Obducenten, namentlich über den genannten Punkt, einzufordern. Die- selben gaben nunmehr, nachdem jetzt bereits eine lange Zeit seit der Ob- duction verflossen war, aus dem Gedächtniss zu Protokoll: dass Luftröhre und Kehlkopf leer, und deren Schleimhaut blass gefunden worden seien. Nun aber ergab das Obductions-Protokoll, dass die Leiche zur Zeit der Sec- tion bereits in hohem Grade verwest gewesen war, und wir mussten im nachträglich eingeforderten Obergutachten, auf Grund der hier mitgetheilten Erfahrungen, mit Bestimmtheit erklären, dass hier ein Gedächtniss-Irrthum der Obducenten obwalten müsse, indem niemals bei schon sehr verwesten Leichen die Luftröhre noch unangegriffen von der Fäulniss gefunden würde, vielmehr dies Organ dasjenige sei, das grade am frühsten die Wirkungen derselben zeige. Der Fall blieb sonach unentschieden und zeigt, dass die hier angeregte Frage keine massige, sondern eine Frage von entschieden practischer Wichtigkeit ist. 3) Es giebt kein Organ in den Leichen, das in so man- nigfach verschiedenen Formen angetroffen würde, als der Ma- gen. Der Form nach bald kleiner, bald grösser, bald von Gas ausgedehnt, bald zusammengefallen, bald mit Speiseresten der verschiedensten Art halb oder ganz angefüllt, bald leer, ist nicht Ein Magen ganz dem andern gleich. Hierzu kommt, dass Färbestoffe den Magen sehr leicht imbibiren, so dass seine Schleimhaut die verschiedensten Färbungen zeigt, eine gelbliche von Gallenstoffen, eine blutige, eine schwärzliche von Arzneien, von dunkeln Obstsäften u. dgl., eine röthliche von rothem Wein u. s. w., wobei wir die Veränderungen durch Krankhei- ten, Catarrh, Entzündung, ätzende Gifte, wie den Leichenpro- cess der gallertartigen Erweichung ganz bei Seite lassen. — Der Magen verwest sehr früh. Die ersten Spuren der Fäulniss zeigen sich schon nach vier bis sechs Tagen in inselartigen, schmutzig verwaschen rothen, nicht umschriebenen, ganz unre- gelmässigen, kleinern oder grössern, ja bis zu Handteller gros- sen Flecken im Fundus, in welchem man gewöhnlich einzelne blaurothe Venenstränge sieht, die die röthlichen Flecke durch- ziehen. Alle diese Erscheinungen zeigen sich zuerst an der hintern Wand, wo sie durch Hypostase mit bedingt werden, bald aber dann auch an der vordem. (S. die Abbildungen Taf. IV. Fig. 9. u. 10, die einen solchen Magen naturgetreu darstellen, und dadurch eine Andeutung des allgemeinen Bildes dieser Verfärbung geben.) Sehr wichtig ist es, bei zweifelhaf- ten Vergiftungen diese Alteration zu kennen und zu beachten, um sich dadurch nicht zu einem voreiligen Urthcil verleiten zu lassen. Die als Blutstasen, wohl gar als „Entzündungsspuren" (!) von nicht wenigen Schriftstellern geschilderten Flecke, welche man als Zeichen des Erstickungstodes beim Erhängen und Er- trinken aufgestellt hat, sind durchaus nichts Anderes, als diese hier geschilderten Merkmale der so früh beginnenden Verwe- sung. Je mehr sie nun vorschrcitet, desto mehr verfärbt sich der Magen vom Schmutzigrothen bis zur grauschwarzen Fär- bung, und in demselben Maasse unterliegen seine Häute dem Erweichungsprocess, der aber gleichmässig in den säinmtlichen H inten vorschreitet. Nicht in einem einzigen Falle habe ich eine Ablösung (Excoriation) der Schleim- von der Muskelhaut, wie sie als Wirkung ätzender Gifte vorkommt, nicht zu ver- wechseln mit der bloss emphysematischen Auflockerung der mucosa, als blosses Fäulnissproduct gesehn. *) 4) Auf den Magen folgen die Därme in der Zeitfolge der Verwesung, und für den übrigen Theil des Darmkanals gilt alles in Betreff des Magens Angeführte. **) Die, Jedem, der auch nur einige pathologische Leichenöffnungen gemacht hat, bekannte Färbung durch Gallenfärbestoffe, die durch Exosmose an den der Gallenblase nahe liegenden Darmparthieen entsteht, kann nicht täuschen. Desto leichter aber die hypostatische Färbung der Darmschlingen, die sich schon früh einstellt, und besonders sichtbar wird, wenn man die im kleinen Becken lie- genden hervorzieht. (Vgl. §. 11.) Im Verfolg der Verwesung *) Ich führe dies ausdrücklich an aus Veranlassung eines, bei der wis- senschaftlichen Deputation zum Superurb itri um vorgekommenen wichtigen Falles, in welchem mit Unrecht die zweifelhafte Arsenikvergiftung bestrit- ten, und die Ablösung der Magenschleimhaut in der Leiche als Fäulniss- product angesprochen worden war. **) Ich erinnere mich keines Falles, in welchem wir (unverletzte) Darm- parthieen früher von der "Verwesung ergriffen gefunden hätten, als den Magen, und kann auch hierfür einen wichtigen Fall als Belag dazu mitthei- len, wie practisch wichtig^ und unentbehrlich die Kenntniss der Zeitfolge der Verwesungserscheinungen für den Gerichtsarzt ist. In einem, im westlichen Theile der Monarchie vorgekommenen Falle von zweifelhafter Vergiftung durch Vi/ium Colchic. hatten die Obducenten „Entzündung und Brand des Magens" angenommen, und ausdrücklich „die dunkle Rothe und Zerreiss- lichkeit der Magenhäute" nicht auf Rechnung des sonst unzweifelhaft be- standenen Fäulnissgrades der Leiche geschrieben, „weil der übrige Theil des Darmkanals noch nicht von der Fäulniss ergriffen war." Dieser an- genommene „Brand" veranlasste eine Verschleppung der Sache durch alle drei gesetzliche technische Instanzen, und die irrige Annahme der Obducen- ten musste in einem Superarbitrium der wissenschaftlichen Deputation berich- tigt werden. werden die Därme dunkelbraun, sie platzen, ergiessen ihren In- halt, sie werden schmierig, und verwandeln sich endlich in einen unförmlichen dunkeln Brei. Orfila will bei ausgegrabe- nen Leichen noch einzelne Reste von Darmröhren gefunden ha- ben, wo keine Spur von Brustorganen mehr vorhanden war. Ich vermuthe hier eine Täuschung, die bei der Untersuchung der Organe von spät ausgegrabenen Leichen sehr leicht mög- lich ist. 5) In der Mehrzahl der Fälle pflegt sich die Milz länger zu erhalten, als Magen und Darmkanal, wenn gleich sie in ein- zelnen Fällen auch schon früher der Verwesung unterliegt, was wohl von ihrer mehr oder weniger gesunden Beschaffenheit ab- hängen mag. Gewiss ist, dass sie in die Reihe der Organe gehört, die schon früher angegriffen werden. Sie wird dann weich und je weiter, desto mehr musartig, lässt sich leicht zer- drücken, und wenn sie noch weiter zersetzt ist, so wird sie stahlblau-grün und so weich, dass man sie mit dem Messerstiel abschaben kann. 6) Etwas länger als die bisher genannten Organe wider- stehen Netze und Gekröse. Sie können sich sogar meh- rere Wochen nach dem Tode noch wohl erhalten zeigen, wenn sie sehr mager- sind, und verwesen dagegen, wenn fettreich, schon früh. Sie werden dann graulich-grün und trocken. Zu Irrthümern und Verwechselungen werden diese Organe nicht leicht Veranlassung geben können. 7) In den gewöhnlichen Fällen findet man die Leber noch einige Wochen nach dem Tode derb und fest. Bei Neugebor- nen indess wird sie früher von der Verwesung ergriffen, als bei Erwachsenen. Dieselbe beginnt auf der convexen Fläche, und zeigt sich hier in einer schillernd grünen Farbe, welche später das ganze (Organ einnimmt, bis es endlich kohlschwarz wird. In demselben Maasse verringert sich, wie in allen Organen na- türlich, ihr Blutgehalt durch Verdunstung, und das Parenchym wird mehr und mehr breiartig. Das feste Gewebe der Gallen- blase dagegen erhält sich lange erkennbar, nur fällt die Blase, wenn sie nicht Gallenconcremente enthält, da die Galle theils ausschwitzt, theils verdunstet, in sich zusammen. 8) Erst jetzt folgt in der Reihe der verwesenden Organe das Gehirn der Erwachsenen. Wie das Gehirn schon gleich nach dem Tode zusammensinkt, so geschieht dies mehr und mehr, je mehr die Verwesung darin vorschreitet. Ihre ersten Spuren zeigen sich auffallend genug nicht an der Oberfläche, sondern an der Basis des grossen Gehirns in einer hellgrünen Färbunsr, die sich dann von unten nach oben fortsetzt und sich mehr und mehr über das ganze Gehirn verbreitet. Sie schrei- tet deutlich wahrnehmbar von der Rinden- in die Marksubstanz fort. Nach zwei bfiS drei Wochen (in mittlerer Lufttemperatur) erweicht sich das Gehirn, es dauert' indess Monate, ehe das Gehirn der Erwachsenen sich in jenen röthlichen Brei verwan- delt, in welchen das neugeborne Gehirn so früh übergeht (S. 53). Viel früher indess fault, wegen des erleichterten Luft- zutritts, das verwundete Gehirn, wie dies mit allen verwunde- ten Organen der Fall ist, ein Umstand, der bei penetrirenden Kopfverletzungen die Gründlichkeit der Untersuchung trü- ben kann. Die bisher aufgezählten Organe bilden die erste Reihe, die der früh verwesenden. In die zweite, zu den spät faulenden, gehört zunächst 9) das Herz. Wenn schon Magen, Därme, Leber u. s. w. Wochen lang nach dem Tode sichtlich in Verwesung vorge- schritten, findet man diesen straffen und derben Hohlmuskel noch frisch und in allen seinen Theilen erkennbar, wenn gleich flach und zusammengefallen, und dann meist blutleer, oder nur wenige Reste eines schmierigen Blutes enthaltend. Allmälig erweicht sich dann das Herz, namentlich zuerst die Trabekeln, dann aber auch die Wände; es wird weich, grünlich, zuletzt graugrün und endlich schwarz. Die geringe Menge liquor pe- ricardii ist bei irgend vorgeschrittener Fäulniss des Herzens verdunstet, und der Herzbeutel ganz trocken. Es vergehen aber einige. Monate nach dem Tode, bis das Herz diese hohen Ver- wesungsgrade zeigt. 10) Ungefähr in derselben Zeit mit dem Herzen, zuweilen schon früher, beginnen die Lungen die Wirkung des Zer- setzungsprocesses zu zeigen. In Leichen, die äusserlich bereits die höhern Fäulnissgrade zeigen, wie gesättigt grüne Farbe, Ablösung der Epidermis u. s. w., findet man sehr häufig die Lungen noch ganz wohl und so erhalten, dass ihre Structur, wenn auch nicht mehr ihr Blutgehalt, noch sehr gut erkennbar ist. Diese unbestreitbar-e Thatsache bildet einen wichtigen Ein- wand zur Beseitigung der Einwürfe der Theoretiker (Henke's und aller seiner Nachfolger), in Betreff der Beweiskraft des hy- drostatischen Theils der Athemprobe. Denn wenn Lungen eines Neugebornen, dessen Leiche noch frisch ist, oder selbst auch schon die ersten Spuren der Verwesung, wie grünliche Bauch- decken, zeigt, sich auf der Wasserfläche schwimmend erhalten, so kann wohl vom Schreibtisch her, aber nicht nach den Erfah- rungen am Secirtisch, angenommen werden, dass sie möglicher- weise schwimmen, weil sich Fäulnissgase in ihnen entwickelt und sie specifisch leichter als Wasser gemacht haben, denn nie- mals faulen Lungen so früh, und die Fälle, wo sie überhaupt verhältnissmässig zu andern und früh faulenden Organen schon kurze Zeit nach dem Tode zu verwesen beginnen, gehören we- nigstens zu den allerseltensten Ausnahmen. Dazu kommt vom Standpunkt der Praxis, dass die Fäulniss in den Lungen gar nicht zu verkennen ist. Ihre ersten Spuren zeigen sich in hirse- korn- bis bohnengrossen Blasen, die durch Gasansammlung un- ter der Pleura entstehen, und wirklich so deutlich erkennbaff sind, dass schon darin ein ganz einfaches diagnostisches Zei- chen der Fäulniss gegeben, und auch in dieser Beziehung ein Schwimmen der Lungen wegen Fäulniss unschwer als solches zu erkennen ist. Diese Blasen stehen Anfangs einzeln und an den verschiedensten Theilen der Lunge. Später bilden sich mehr und mehr, so dass man dann ganze Lappen, namentlich und vorzugsweise die untere Fläche beider Lungen dicht mit denselben besetzt findet. Die Farbe der Lungen zeigt sich Anfangs, trotz der Ent- wicklung dieser Bläschen, noch gar nicht verändert. Im wei- tern Lauf des Verwesungsprocesses wird sie dunkler, flaschen- grün, dann wirklich schwarz, und mit diesen höhern Färbungen hält die Zerstörung des Parenchyms gleichen Schritt. Die Lun- gen werden weich, sinken, wegen Verdunstung ihres flüssigen Inhaltes zusammen, und werden endlich ganz zerstört. Die hier so eben in Bezug genommenen Ausnahmefälle von frühem Verwesen der Lungen, die einzigen in einer äusserst zahl- reichen Menge von Beobachtungen an Kinderleichen, die ich ge- sehen, waren folgende: II., VI., 13. und 14. Fall. Frühes Eintreten der Verwesung in den Lungen. Ein reifes, weibliches Neugebornes, das gelebt hatte, wie sich später unzweifelhaft ergab, war im Wasser todt gefunden worden. Die Todes- ursache war Hyperämie in der Kopfhöhle. Der Körper hatte zwar schon grüne Flecke auf der Bauchhaut, war aber im Uebrigen noch recht frisch und ohne Fäulnissgeruch. Nichtsdestoweniger fanden wir schon kleine Luftblasen auf der Oberfläche beider Lungen. Trotz derselben waren aber sämmtliche Zeichen der Athemprobe so ausgeprägt, so überein- stimmend und beweisend, dass wir keinen Anstand nehmen konnten, das stattgehabte Leben des Kindes nach der Geburt als gewiss anzuneh- men, das sich, wie gesagt, später auch vollkommen bestätigte. In einem zweiten Falle, bei einem Kinde, das reif geboren, und — höchst wahrscheinlich durch Umschlingung der Nabelschnur — apoplec- tisch gestorben Avar, fanden sich in der noch frischen Leiche, namentlich auf der Oberfläche der linken Lunge, zahlreiche Luftbläschen, worunter sogar Eine von der Grösse einer kleinen weissen Bohne *). In einem dritten Falle war es wirklich überraschend, bei einem ganz ausgetragenen, so frischem Kinde, dessen Leiche (im April bei -f~ 9 bis 10° R.) nur Todtenflecke auf dem Rücken, aber noch nicht die geringste *) Vgl. über die Fäulnis» der Lungen: spec. Tbl. §. 94. Verfärbung der Bauchdecken zeigte, Fiiuinissbläschen an den, übrigens ganz frischen Lungen zu finden, Eines von Erbsengrosse an der Basis der linken, und 0 — 9 hirsekorngrosse an der Basis der rechten Lunge. Das Kind hatte übrigens unzweifelhaft gelebt, und war an öchlagfluss sehr bald nach der Geburt verstorben. Ein vierter Fall betraf einen ain 27. April auf der Strasse gefunde- nen Leichnam eines neugebornen reifen Knaben (bei 8 —10° R.), dessen Bauchdecken zwar allerdings schon grün verfärbt, dessen Lungen jedoch, wie bei nur erst anfangender Verwesung zu erwarten, noch ganz frisch waren. Sie waren schon rosenroth, bläulich marmorirt, füllten die Höhle ganz aus, knisterten stark und ergaben bei Einschneiden Zischen und blutigen Schaum. An beiden Lungen aber waren die Basis und theil- weise auch die untern Lappen schon mit vielen hirsekorngrossen, höchst deutlichen Fäulnissbläschen besetzt, die, wie immer, perleuartig die Pleura erhoben hatten. 11) Später als Lungen und Herz werden die harten, festen Nieren von der Fäulniss ergriffen, die man niemals, so wenig als Eines der hier als spät faulend bezeichneten Organe, in einer frischen, oder nur halbverwesten Leiche putrid ergriffen finden wird. Später verfärben sie sich zuerst chocoladenbraun, dann erweichen sie sich, während man noch ihre granulöse Textur recht gut erkennen kann, und erst sehr spät nach dem Tode findet man sie schmierig, leicht zerreissbar und schwarzgrün von Farbe. Noch länger als die Nieren hält sich 12) die Harnblase, die, sie mag leer oder halb oder ganz gefüllt sein, erst zu faulen beginnt, wenn alle bisher genannten Organe in Verwesung vorgeschritten sind. 13) Die Speiseröhre hält in Beziehung auf Vorschreiten in der Verwesung keinesweges gleichen Schritt mit dem übri- gen Theil des Darmkanals. Sie hat vielmehr eine grosse Wi- derstandskraft, und man findet sie noch nach Monaten ziemlich straff und nur schmutzig graugrün gefärbt, wenn Magen und Därme schon kein Gegenstand genauerer Untersuchung mehr sind. 14) Von dem Pancreas gilt der Satz, dass man eine schon ganz und gar verweste Leiche vor sich haben inuss, um auch dies Organ bereits vom Fäulnissprocess ergriffen zu sehen. Es wird durch denselben und bleibt auch lange nur schmutzig röth- lich gefärbt, bis es endlich der allgemeinen Zerstörung unter- liegt. 15) Zu den sehr spät faulenden Theilen gehört das Zwerch- fell. Es bekommt zwar schon in den ersten Wochen nachdem Tode grüne Flecke, aber man kann noch in vier bis sechs Mo- nate alten Leichen deutlich seine Muskulär- und aponeurotischen Gebilde von einander unterscheiden. 16) Kleinere Blutgefässe, die in faulenden Organen ver- laufen, entziehen sich der Beobachtung. Die grössern Stämme aber, namentlich die Arterienstämme, werden von allen Weich- gebilden mit am allerspätesten zerstört. In einem Falle bei Devergie*) war die Aorta bei einer, nach vierzehn Monaten ausgegrabenen Leiche noch ganz und vollkommen erkennbar. . 17) Die allergrösseste Widerstandsfähigkeit unter allen Weichtheilen endlich rnuss ich (gegen Orfila) dem Uterus vindiciren. Man findet ihn noch ganz in seiner Lage, ziemlich frisch und derb, schmutzig röthlich gefärbt, und so erhalten, dass man ihn aufschneiden und sein Inneres untersuchen kann, wenn kein einziges aller übrigen Organe mehr Untersuchungs- Gegenstand ist. Wie wichtig diese Erfahrungstatsache werden kann zur Feststellung einer zur Zeit des längst verflossenen To- destages zweifelhaft gewesenen Schwangerschaft, beweist der hier folgende, sehr denkwürdige Fall. Auch neugeborne weibliche Früchte, also das Lebensalter, machen hier keinen Unterschied. Gerade solche Leichen kommen uns häufig in den höchsten Ver- wesungsstadien vor, was in der Natur der Sache liegt, da in einer grossen Stadt fortwährend todtgeborne, oder bald nach der Geburt verstorbene, uneheliche neugeborne Kinder, theils um die Geburt zu verheimlichen, theils um die Beerdiirunos- kosten zu ersparen, heimlich beseitigt, in Abtritte, Cloaken, Rinn- *) a. a. 0. I. S. 133. steine geworfen, oder in Kellern, Gärten u. s. w. begraben, und dann oft erst nach sehr langer Zeit aufgefunden werden. Im- mer aber finden wir auch hier, bei allgemeinster, vollständigster Verwesung, die Gebärmutter noch sichtlich erhalten. Sehr ent- scheidende Beweise für diese so sehr lange Erhaltung der Ge- bärmutter lieferten folgende Fälle: 15. Fall. Fettwachsbildung. Erkennbarer Uterus. Aus feuchter Gartenerde war eine menschliche Frucht im März aus- gegraben worden. Sie war ganz schwarz und die ganze Körperoberfläche mit Stroh und Pflanzentheilen verfilzt. Der Kopf war abgelöst und nur einige Schädelknochen lagen neben dem Rumpfe im Obductionstermine mit vor. Dass das Geschlecht äusserlich nicht mehr erkennbar war, braucht nicht angeführt zu werden. Der Rumpf war achtzehn Zoll lang und wog 4£ Pfund. Die Rumpf- und Extremitäten-Muskeln waren in Fettwachs übergegangen. Die Organe der Brust- und Bauchhöhle waren kohlschwarz und gar nicht mehr erkennbar, mit Ausnahme der leeren Harnblase, die noch deutlich zu sehen war. Ganz wohlerhalten aber zeigte sich an ihrer Stelle die schmutzig rothe Gebärmutter. "Wir konn- ten hiernach wenigstens urtheilen, dass die Frucht weiblichen Geschlech- tes gewesen, dass sie höchst wahrscheinlich reif geboren worden sei und wahrscheinlich schon über ein Jahr in der Erde gelegen habe, was sich durch die spätere Untersuchung vollkommen bestätigte. (S. auch den 26. Fall. Vergl. §. 20.) 16. Ml Ertrinken im Abtritt. Lange Erhaltung des Uterus. Ein junges Dienstmädchen, das angeblich sehr hübsch gewesen sein sollte, was Veranlassung zu dem später zu nennenden Gerächte gegeben haben mochte, war im März 1841 von einer Brustentzündung befallen worden, und sollte nach dem Krankenhause geschafft werden. Lebhaft sträubte sie sich dagegen und äusserte, dass sie sich lieber mit dem Ham- mer todtschlagen lassen wolle. Am Abend desselben Tages — am 21. März — war sie plötzlich verschwunden. Alle Nachforschungen nacli ihr blieben vergeblich, und ein auftauchendes Gerücht, dass sie von einem ihr nahe stehenden verheiratheten Manne im Hause geschwängert, und wohl von diesem beseitigt worden, konnte natürlich weiter nicht festge- stellt werden. Im December desselben Jahres, also nach fast neun Monaten, wurde die Abtrittsgrube im Hause gereinigt. Ganz unerwartet fanden die Ar- beiter bei dieser Gelegenheit im Kothe einen ganz und gar verwesten Körper, der für einen menschlichen Leichnam gehalten werden musste. Es lag die Ver- muthung nahe, dals derselbe der des im Frühling in diesem Hause ver- schwundenen Mädchens sei, und so fand sich das Gericht veranlasst, die ge- richtliche Untersuchung di^es er Leiche zu verfügen. Einen höhern Grad von Verwesun«; werde ich wohl nie wieder zu beobachten bekommen. Selbst die sehr abgehärteten Leichenwärter empfanden hier, vielleicht zum erstenmale, Ekel, wozu der unbeschreibliche Gestank allein, abgesehen vom Anblick, schon Veranlassung bot. Der Schädel, der Unterkiefer, zum grössten Theil auch die Unterextremitäten waren durch Maceration von den Weichtheilen vollkommen entblösst, die Gelenkverbindungen zum Theil gelöst, und was von Weichtheilen noch vorhanden war, waren stin- kende, unkennbare schwarze Fetzen. Von einer eigentlichen Obduction musste natürlich Abstand genommen werden. Zur Beantwortung der vom Richter aufgeworfenen Frage aber: ob es wohl möglich sei, noch zu er- mitteln, ob denüla zur Zeit ihres Todes schwanger gewesen? die ich von vorn herein nach meinen frühern Erfahrungen bejahen zu können hoffte, wurde die Bauchhöhle geöffnet. Ihre bedeckenden Muskeln zeigten sich nun in Leichenfett verwandelt. Sämmtliche Därme waren in eine schwarze, schmierige Masse verwandelt, die die einzelnen Darmtheile nicht mehr erkennen Hess. Ganz in dieselbe Masse waren Leber, Milz und Nieren verwandelt. Als wir zum Uterus gelangten, fanden wir denselben hell- roth gefärbt, hart und fest zu fühlen und zuschneiden, von jungfräulicher Grösse, an Form noch ganz erkennbar, ja normal, und seine Höhle jung- fräulich und leer. Wenn also über Leben und Tod dieser Person nicht ein, auch nur wahrscheinliches Urtheil abgegeben werden konnte, so konn- ten wir doch mit Gewissheit das Gutachten abgeben: dass denata im Augenblicke ihres Todes nicht schwanger gewesen sein könne, womit jenes, bei der Auffindung der Leiche mit grosser Lebendigkeit wieder aufgetauchte Gerücht in Nichts zerfiel, und der angezweifelte gute Ruf des angeblichen Schwängerers und muthmaasslichen Mörders, eines bis dahin ganz unbescholtenen Mannes, wieder hergestellt war. (Der gewiss bemerkensAverthe Fall giebt einen neuen Beweis dafür, wie in geriehtlich- medicinischen Dingen auch scheinbar geringfügige Punkte von den folgen- reichsten Wirkungen werden können. Ohne Kenntniss der Thatsache von der so äusserst spät uud erst nach der aller übrigen Organe eintretenden Verwesung der Gebärmutter, würde jeder Gerichtsarzt zu entschuldigen gewesen sein, wenn er in Betreff jener richterlichen Frage auch nur den Versuch der Eröffnung der Bauchhöhle eines solchen Restes einer Leiche abgelehnt und seine Incompetenz erklärt hätte.) 17. Fall. Leichenreste eines Neugebornen. Noch erhaltener Uterus. Der Fall war mehrfach sehr interessant. Am 7. Juli 18** hatten wir in Charlottenburg ein weibliches neugebornes Kind, das aus der Spree gezogen worden war, zu obduciren, das sehr lange im Wasser ge- legen haben musste. Vom Kopfe waren nur noch die, neben der Leiche auf dem Tische liegenden Scheitelbeine vorhanden. Die Wirbelsäule, der linke Unterschenkel, sämmtliche rechten Rippen uud beide Hände waren durch Wasserthiere (Ratten) skelettirt, die auch die rechte Lunge ganz ausgefressen hatten. Die Länge des Rumpfes betrug 15 Zoll, das Ge- wicht nur 1 Pfd. 26 Loth. Die Bauchdecken waren schwarzfaul, der nur anderthalb Zoll lange Nabelschnurrest war mumificirt; ein Beweis, dass eine eiumal pergamentartig eingeschrumpfte Nabelschnur selbst durch lan- ges Liegen im Wasser sich nicht wieder ganz aufweicht. — Alle Einge- weide des Bauches waren in einen unkenntlich grauen Brei verwandelt, mit Ausnahme des hellröthlichen Uterus, der fast das einzige, in seiner Textur noch ganz kenntliche Organ war. Drittes Kapitel. Feststellung der Todesursache. §. 23. Allgemeines. Es kommen sehr häufig Fälle vor, in denen auch die sorg- samste Leichenuntersuchung keine solche materielle Veränderung ergiebt, dass darin eine Beziehung zum Tode des Menschen ge- funden werden könnte. Solche Fälle ereignen sich z. B. nach heftigen Misshandlungen, die eine allgemeine Krankheit veran- lassten, welche erst nach Wochen oder Monaten mit dem Tode endigte, nach welcher Zeit die Spuren der Misshandlung an der Körperoberfläche gänzlich verschwunden sind. Sie kommen dem Gerichtsarzte vor in andern Fällen, in denen gerüchtsweise ein Mensch gewaltsam verstorben seih sollte, weil man ihn unter ungewöhnlichen Umständen hatte erkranken und sterben sehen, und in denen dann doch die Section wieder keinen thatsächlichen Beweis einer unnatürlichen Todesart lieferte. Fälle der Art kön- nen, wie ich sehr häufig wahrgenommen, den Ungeübten sehr in Verlegenheit setzen. Nichts Abnormes an der Oberfläche des Körpers, nichts in der Schädelhöhle, nichts in der Brust, nichts in der Unterleibshöhle! Woran ist Donatus gestorben? Wie soll das Gutachten abgegeben werden? „Dass nicht mit Sicher- heit zu bestimmen, auf welche Weise N. N. seinen Tod gefun- den habe?" Gewiss ist der Ausspruch an sich ganz unanfecht- bar richtig, aber es liegt auf der Hand, dass derselbe dem Rich- ter in keiner Weise genügen kann, der ja eben als Nichtsach- verständiger den ärztlichen Experten fordert, damit er ihn auf- kläre. Wer soll ihm bestimmen, wie der Tod erfolgt, wenn der Sachverständige sich für incompetent erklärt? Aber jener Aus- spruch zeigt ein gänzliches Verkennen des richterlichen Zweckes jeder gerichtsärztlichen Leichenschau. Dem Richter > (Staatsanwalt), der der Spur eines angeblich oder wirklich ver- übten Verbrechens nachgeht, und die Wahrheit darüber ermit- teln will, liegt wenig oder gar nichts daran, die physiologisch- pathologischen Vorgänge und Ursachen des Todes zu erfahren, und z. B. zu wissen: ob ein Nervenfieber, oder Marasmus u. dgl. denselben herbeigeführt habe, was oft aus der Leiche allein ge- wiss nicht zu ermitteln sein wird. Der Richter hat vielmehr nur ein Interesse daran, dass festgestellt werde: ob der Tod auf natürliche Weise durch Krankheit (gleichviel welche!), oder auf naturwidrige und straffällige Weise durch Schuld eines Dritten gewaltsam erfolgt war. Im erstem Ealle lässt er natürlich die Sache auf sich beruhen, und reponirt die Akten, im letztern verfolgt er die Angelegenheit. Deshalb ist es einleuchtend, wie ein richtiges Verständniss des vorliegenden Zweckes in diesen, hier besprochenen Fällen den Gerichtsarzt veranlassen wird, . einen andern, als den obigen, nämlich den Ausspruch zu geben: Casper, gerichll. Mcdicin. £ „dass Donatus auf natürliche Weise durch Krankheit seinen Tod gefunden, und dass die Obduction keine Ergebnisse geliefert habe, die einen gewaltsamen Tod anzunehmen berechtigten". In den meisten Fällen ist die Gerichtsbehörde, vorausgesetzt natür- lich, dass der Ausspruch genügend motivirt worden, hiermit vollständig befriedigt. In andern Fällen kommt es nun aber ferner vor, dass der Richter, dem die Vorverhandlungen bekannt sind, in Beziehung auf die als Todesursache angenommene „in- nere Krankheit« noch nähere Aufschlüsse, und namentlich dar- über wünschte, ob diese „innere, tödtliche Krankheit« wohl mit den und den frühern Misshandlungen u. s. w. in Zusammenhang gestanden habe, und diese deshalb die entfernte Ursache des Todes gewesen seien? Wenn dann die Gerichtsärzte ihrerseits erfahren, was vor und ausser ihrer Leichenschau in der Sache verhandelt und ermittelt worden, dann wird es ihnen auch nicht schwer werden, jenen Zusammenhang mit der „innern Krank- heit" zu ergründen. Wir werden unten mehrere Fälle dieser Art mitzutheilen haben. Eine Ausnahme von der Regel, wonach wir die Bezeich- nung „innere Krankheit" für vollkommen genügend erachten, bilden diejenigen, glücklicherweise nicht häufigen Fälle, wo ärzt- liche Kunstfehler angeblich den Tod veranlasst oder beschleunigt haben sollen. Hier ist natürlich die genauste Feststellung der Diagnose und des Entwickelungs - Stadii der tödtlichen Krank- heit aus dem Leichenbefunde erforderlich, was keiner weitern Ausführung bedarf. In diesen Fällen allein ist auch nur eine eingehende Schilderung der pathologischen Befunde, z. B. der Art und Beschaffenheit der Tuberkel und Cavernen, der Leber-, der Nieren-Degeneration, einer vorgefundenen Geschwulst, des Grades einer Entzündung, der Gangrän u. s. w. im Obductions- protocolle erforderlich, in allen andern gerichtlichen Obductions- fällen ist sie dagegen überflüssig aus den oben angegebenen Gründen. Denn die genauere Schilderung rein pathologischer Befunde, die mit der Frage von der gewaltsamen Todesart in «rar keiner Beziehuno: stehen, z. B. die minutiöse Schilderung eines Ovarialhydrops bei einer Frau, die erdrosselt worden war, einer Bright'sehen Nierendegeneration bei einem durch den Kopf Geschossenen u. s. w., verlängert nur den Obductionster- min für die anwesende Gerichtsdeputation ohne Zweck, macht das Obductionsprotocoll unnütz weitläuftig und ist als gar nicht hier zur Sache gehörig zu betrachten, denn die Section ist und soll sein eine gerichtliche, keine klinische. Diese Ansicht hält auch die wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen in allen ihren Superrevisionen der in der Monarchie vorkommen- den Obductionsverhandlungen fortwährend fest, und sie macht eben so häufig Ausstellungen, wenn die Physiker sich ohne vor- liegende Gründe in diagnostisch-pathologisch-anatomische Schil- derungen vertiefen, als sie dieselben schützt, wenn sie im ge- genteiligen Falle etwa von den Medicinal-Collegien getadelt wurden. §. 24. Gewaltsame Todesarten. Die im vorigen Paragraphen betrachteten Fälle bilden indess in der Summe der zur gerichtsärztlichen Cognition kommenden Leichen die Minderzahl, während die überwiegende Menge die auf gewaltsame Weise erfolgten Tödtungen betrifft. Gewaltsa- mer Tod aber kann auf sechsfach verschiedene Weise erfolgen, eine Eintheilung, die sich für den practischen Zweck am meisten empfiehlt. 1) Der mechanische Tod. Er entstellt schnell, meist urplötzlich, wenn das „Räderwerk" des Organismus ganz oder zum grössten Theil, oder auch nur in dessen edelsten Theilen, durch mechanische Gewalt zerstört wird. Dies geschieht z. B. durch Einstürzen von Gebäuden, Mauern, Balken, Schiffsmasten, durch Zerschmetterung durch Windmühlenflügel, Rä'der von Ma- schinen u. s. w., ferner durch Rösten und Braten des Körpers, durch Ueberfahren mit Wagen und Eisenbahnzügen und durch Eindrücken Neugeborner in Kisten u. dergl. Auch die Mehr« 5* zahl aller Schusswunden, solcher nämlich, durch welche Gehirn, Herz, Lunge, Rückenmark zerschmettert werden, gehört hierher. Diesem mechanischen Tode stehen eigentlich alle andern Todesarten gegenüber, insofern man sie in dieser Beziehung dann als dynamischer Tod bezeichnen kann. Man wird aber zweckmässig die dynamischen Todesarten noch weiter eintheilen, und erhält dann naturgemäss folgende weitere Todesarten. 2) Neuroparalytischer Tod. Er ist der reine Gegen- satz des mechanischen Todes und zeigt sich auch als solcher in seinen Wirkungen in der Leiche. Durch den neuroparalyti- schen Tod (Apoplexia nervosa, Nervenschlag) wird nicht nur der Mechanismus des Körpers in keinerlei Weise alterirt, sondern es treten überhaupt gar keine sinnlich wahrnehmbaren Verände- rungen im Körper, so wenig in seinen festen, wie in seinen flüs- sigen Bestandtheilen, ein. Die Sectionsbefunde sind rein nega- tiv und man schliesst auf diesen Tod, ohne ihn positiv beweisen zu können. Er kommt häufig beim Ertrinken und beim Erhän- gen vor. 3) Inflammatorischer Tod. Hier setzt eine Entzündung in irgend einem wichtigen Organ mit ihren Folgen, namentlich mit Vereiterung, Ausschwitzung oder Brand, dem Leben ein Ziel. So entsteht der Tod nach einer grossen Zahl von Ver- letzungen des Gehirns,- der Lungen, der Leber, der Därme, des Bauchfells u. s. w., nach Vergiftungen durch ätzende Gifte, nicht selten auch nach ausgedehnten Verbrennungen. 4) Hyperämischer Tod, Tod durch übermässige Blut- stauung in edlen Centraltheilen, entweder a) in der Schädel- höhle (Apoplexia sangumea), wo der tödtliche Druck auf das Ge- hirn entweder bloss durch hyperämische Anfüllung der Gefässe, oder durch wirklichen Blutaustritt aus denselben (Haemorrhagia cerebri) erzeugt wird; oder b) durch Blutstauung in der Brusthöhle, in Lungen, grossen Gefässen und Herz; also Tod durch Schlagfluss oder durch Stickfluss oder Erstickung. Der erstere entsteht nach vielen Verletzungen des Kopfes, häufig durch Erhängen (Er- würgen, Erdrosseln), nach Vergiftungen mit narcotischen Giften nach heftigen allgemeinen Misshandlungen; beim Erfrieren, und nicht häufig beim Ertrinken. Der Erstickungstod dagegen ist die gewöhnlichste Todesart der Ertrinkenden, und nach Ver- stopfen der Luftwege mit fremden Körpern, entsteht auch häufig beim Erhängen und Erdrosseln, tödtet die Mehrzahl derjenigen, die irgendwie erdrückt werden, so wie die Menschen, die im Feuer (und Rauch) sterben, und endlich diejenigen, die in nicht athernbaren Gasarten ihren Tod finden. — Dass beide Hyper- ämieen sich nicht selten in Einer Leiche vereinigt finden, be- ruht auf bekannten anatomischen Gründen. 5) Anämischer Tod, der Tod durch so erhebliche Ver- minderung des Blutgehaltes des Körpers, dass die Oekonomie darüber zu Grunde gehen muss. Hierher gehören alle Verblu- tungen, äussere wie innere, mögen sie wie immer entstanden sein, und der Tod durch Erschöpfung und Erhungern. 6) Dysämischer Tod. Es ist ganz unbestreitbare That- sache, dass ein Tod durch Blutverderbniss, Blutvergiftung existirt, eine Thatsache, die mit dem alten Streite der Solidar- und Hu- moral-Pathologen in durchaus gar keiner Beziehung steht. Sie ist unbestreitbare Thatsache für die gerichtliche Medicin, denn Microscop und chemisches Reagenzglas weisen sie sinnenfällig nach, wenngleich freilich die eigentliche Obduction der Leiche auf dem Secirtisch die Blutverderbniss nur zuweilen in einer eigenthümlichen abnormen Qualität des Blutes vermuthen lässt, die obenein sehr leicht täuschen kann. Eine Menge von Giften tödten nicht anders, als durch Vergiftung des Blutes, nament- lich die chronischen Arsenvergiftungen, die Blausäure, der Al- cohol, wahrscheinlich die meisten Alcaloide, gewiss, nach meinen unten (§. 34. spec. Thl.) folgenden Beobachtungen, der Phos- phor und vermuthlich noch weit mehr Gifte, als sich bis jetzt nachweisen lässt. Es gehören aber auch zum dysämischen Tode diejenigen Fälle, in welchen schwere Verletzungen nach langer Krankheit und überstandener Operation durch Pyämie das Le- ben endigen. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass diese Eintheilung der Todesarten keinen Anspruch darauf machen kann, eine streng logische genannt zu werden. Eine solche ist schon deshalb un- möglich, weil sehr häufig die Befunde mehrerer Todesarten sich in Einem Untersuchungs-Objecte vereinigt finden, z. B. mecha- nische Zerreissung und Verblutung nach Schusswunden, mecha- nische Zerstörung und Erstickung bei Verschütteten, inflamma- torische Befunde und Dysämie nach Verletzungen u. s. w. Aber das Bedürfniss einer gewissen Classificirung der Obduktions- befunde nach allgemeinern Kategorieen wird sich dem Gerichts- arzte immer fühlbar machen, und die hier aufgestellte hat die practische Brauchbarkeit für sich. I Zweiter Abschnitt. Zeit der Obduction. Gesetzliche Bestimmungen. Regulativ für das Verfahren bei den medicinisch-ge- richtlichen Untersuchungen menschlicher Leichname vom 21. October 1844. §. 3. Vor Ablauf von 24 Stunden nach dem Tode, vorausgesetzt, dass die Zeit, wo solcher erfolgt war, bekannt ist, dürfen auch gerichtliche Obductionen nicht vorgenommen werden. In Fällen, wo es noch möglich erscheinen sollte, einen Verstorbenen wieder in's Leben zurückzurufen, sollen selbst die erforderlichen Rettungsver- suche vorher angestellt, und muss von den Obducenten, wenn einer von ihnen oder beide die Rettungsversuche geleitet haben, das hierbei beob- achtete Verfahren und dessen Erfolg zu Protokoll bemerkt werden. §. 4. Wegen vorhandener Fäulniss dürfen Obductionen in der Re- gel nicht unterlassen und von den Physikern abgelehnt werden; denn selbst bei einem hohen Grade der Fäulniss können Abnormitäten und Verletzungen der Knochen noch ermittelt, fremde Körper aufgefunden, Schwangerschaften u. s. w. entdeckt, Arsenikvergiftungen aber nach lan- ger Zeit noch nachgewiesen werden. Die Obducenten haben sich daher zu hüten, nicht voreilig wegen eingetretener Fäulniss Obductionen für unthunlich zu erklären und kann es hierbei auf die Zeit, welche seit dem Tode des Denatus bereits verstrichen ist, nicht ankommen. §. 25. Gelegene und ungelegene Zeit. Wie bei jeder Leicheuuntersuehung, so ist es namentlich auch bei jeder zu gerichtlichen Zwecken geschehenden, dringend wünschenswerth, dass der Gerichtsarzt durch die richterlichen Behörden in die Lage gesetzt werde, die Untersuchung des Körpers möglichst früh nach erfolgtem Tode vornehmen zu kön- nen, bevor noch die eintretenden Wirkungen des Todes in den mannigfachen, oben betrachteten Leichenphänomenen auftreten, und den Thatbestand trüben, oder gar dessen Feststellung ganz unmöglich machen, wie dies bei wirklich schon vorgeschrittener Fäulniss nur zu leicht der Fall ist. Dass die Obduction frühe- stens vierundzwanzig Stunden nach dem Tode vorgenommen werden dürfe, fordern die eben angeführten gesetzlichen Bestim- mungen mit Recht, weil in dieser Zeit schon sichere Zeichen des Todes (vgl. §. 7. u. f.) sich an der Leiche finden, und die Besorgniss, dass ein nur Scheintodter vorliege, dann nicht mehr aufkommen kann. Die Mehrzahl der gerichtlichen Obductionen geschieht indess später, was in der Natur, der Sache liegt. Bald ist der Leichnam erst viel später aufgefunden worden, bald hat der amtliche Geschäftsgang bei den coneurrirenden Behör- den die Änsetzung des Obductions-Termins verzögert, bald er- forderte der Transport der Leiche zum Sectionslocal einen län- gern Zeitraum, bald waren die nothwendigen Recognitions-Zeu- gen nicht so früh herbeizuschaffen u. s. w. Nichtsdestoweniger bleibt es gewiss, dass die Zeit von 24 — 36 Stunden nach dem Tode die gelegene für die Untersuchung der Leiche ist. Aber auch zu ungelegener Zeit muss sich der Gerichtsarzt derselben unterziehn, weil die gesetzlichen Bestimmungen es vorschreiben, und weil in den, darin angedeuteten Fällen allerdings auch dann noch ein practischer Erfolg möglicherweise zu erwarten ist, und er wird auch dem, oft dann allerdings nichts weniger als ange- nehmen Geschäfte sich nicht entziehn, und durch Ausflüchte den Richter zum Abstehn davon bewegen, wenn das Bewusst- sein seines wichtigen Berufes ihn erfüllt und das wissenschaft- liche Interesse für die Sache, der er dient, rege in ihm ist. Zu ungelegener Zeit werden gerichtliche Obductionen geschehn, wenn sie ausgeführt werden müssen in folgenden Fällen: 1) bei bereits vorgeschrittener Fäulniss; 2) nachdem bereits eine pri- vatärztliche Obduetion der Leiche vorangegangen; 3) bei wie- der ausgegrabenen Leichen und Leichenfragmenten. Es ist dies die Fraue von den späten Obductionen, die wir im Folgenden betrachten. §. 26. Späte Obductionen. a) Bei Fäulniss des Leichnams. Die Bestimmungen im §. 4. des Regulativs umfassen nicht einmal alle Fälle von möglichen erfolgreichen Untersuchungen auch schon ganz und gar verwester Leichen. Gewiss können dadurch noch „Abnormitäten (z. B. Ueberzahl oder Defecte) der Knochen, Verletzungen derselben" (z. B. Brüche, Schusswun- den u. dgl.), „fremde Körper", namentlich Kugeln, Messer- spitzen u. s. w., entdeckt, „Schwangerschaften", wo sie zur Zeit des Todes bestanden, aufgefunden, oder wo sie nicht be- standen aber behauptet waren, als nicht existirend festgestellt werden, wovon der obige Fall (No. 16.) einen Beweis giebt, und „Arsenik-", höchst wahrscheinlich aber auch noch andre metallische Vergiftungen nachgewiesen werden. *) Aber auch die wichtige Frage vom zweifelhaften Leben des Kindes nach der Geburt kann möglicherweise noch an ganz verwesten Kin- desleichen gelöst werden, wofür unten (§. 106.) Thatsachen als Beweise geliefert werden sollen, und eben so kann, nach der Beschaffenheit der Knochen, noch spät über die Reife oder Nichtreife eines Neugebornen entschieden werden, wie z. B. der unten folgende Fall (No. 26.) zeigt. Endlich können Theile, die der Verwesung widerstehn, wie Haare und Zähne, zur Fest- stellung der Identität in wichtigen Criminalfällen, der Besichti- gung unterworfen werden müssen, wofür der unten folgende 28. Fall einen der aliermerkwürdigsten Beweise geben wird. *) S. den 24. Fall, in welchem wir in der nach sechstehalb Monaten ausgegrabenen Leiche Quecksilber nachwiesen. §. 27. Fortsetzung, b) Nach bereits anderweitig geschehener Obduction. Es kommen Fälle vor, in denen Leichen zur gerichtlichen Section kommen, an denen schon vorher die Eröffnung der Höhlen, ja aller Eingeweide vorgenommen worden war, theils voreiligerweise, theils weil der Verletzte in einer Krankenanstalt verstorben war, und man beim Tode noch nicht wusste, dass der Fall zur Cognition der Gerichtsbehörde kommen werde u. s. w. In solchen Fällen wird es zwar vorkommen können, dass der gerichtliche Arzt gar nichts mehr über die Todesart bestimmen kann; aber von vornherein den Auftrag ablehnen, weil diese Möglichkeit gesetzt werden könnte, ist nicht zu billigen. Denn es giebt Verletzungen, die unauslöschliche Spuren ihrer tödt- lichen Wirkungen an sich tragen, so dass eine zweite Section noch Gewissheit über den Tod geben kann, und in andern Fäl- len kann wenigstens, wenn nicht diese, so doch noch eine grös- sere oder geringere Wahrscheinlichkeit des Urtheils gegeben werden, die immerhin dem Richter einen Anhalt für die weitere Behandlung des Falles giebt, dessen er ganz entbehren würde, wenn der Gerichtsarzt seine Incompetenz erklärte. Dass der- selbe in solchen Fällen vorsichtig im Urtheile sein müsse, leuch- tet von selbst ein. Allgemeine Regeln lassen sich hier nicht aufstellen. Der einzelne Fall muss jedesmal als solcher gewür- digt werden. 18. Fall. Kopfverletzung in einer bereits secirten Leiche. Ein Bauarbeiter hatte durch Reissen eines Taues mit einem schwe- ren eisernen Bolzen eine Kopfverletzung bekommen. Er war nach einem Clinicum geschafft, dort behandelt, und bevor noch nach seinem Tode das Gericht einschreiten konnte, secirt worden. Wir fanden die Schä- delhöhle ganz leer, und das zerschnittene Gehirn in der Unterleibshöhle. Aber an der basis cranii fanden sich vom Keilbein, Siebbein und pars Orbitalis des Stirnbeins mehrere Stücke abgebrochen, und hiernach konnten, unter Voraussetzung, dass diese Brüche durch die Verletzung entstanden waren, die grössten Wahrscheinlichkeitsgründe gegeben werden. Wäre, was nicht der Fall war, die Sache weiter verfolgt und ein Ob- ductionsbericht gefordert worden, wobei uns dann die Krankheitsgeschichte aus der Anstalt mit vorgelegt worden wäre, so würde, trotz der voran- gegangenen Section, der Fall, wie man nicht daran zweifeln wird, sogar noch mit der grössten Bestimmtheit haben abgeurtheilt werden können. 19. lall. Ruptur der Leber und Rippenbrüche in einer bereits secirten Leiche. Durch Ueberfahren war ein Arbeiter getodtet worden. Ein Privat- arzt hatte die Leiche secirt, die uns in folgendem Zustande vorgelegt wurde. Der Kopf war ungeöffnet geblieben, Brust und Unterleib waren nach der Section auf die gewöhnliche Weise zugenäht worden. Neben der Leiche lag eine Leber, welche in ihrer Mitte durch einen Längenriss in zwei Theile getrennt war. Magen und Darmkanal lagen exenterirt und unterbunden (zu welchem Zwecke dies geschehen, war gar nicht zu begreifen) frei in der Bauchhöhle. In der Brusthöhle zeigten sich die blutleeren Lungen vielfach eingeschnitten, eben so das ganz leere Herz. Das Gehirn war normal. Von Bluterguss in die Bauchhöhle war nichts mehr wahrzunehmen. Ausser der Leberruptur aber, die sich, wie so sehr häufig (S. §. 33. allg. Thl.), äusserlich auch nicht durch das geringste Kennzeichen kundgab, fand sich noch ein Bruch von vier Rippen vor. — Wir urtheilten, dass, wenn die vorgezeigte Leber die des denatus gewesen (was der Richter leicht durch die Zeugenvernehmung ermitteln konnte und ermittelte), und wenn der Riss im Leben erfolgt sein sollte, was beides nach den Umständen höchst wahrscheinlich, dass dann die Tödtlichkeit der Verletzung keinem Zweifel unterliegen könne. 20. Fall. Schusswunde in die A. axillaris in einer bereits secirten Leiche. Am 10. Februar 1851 spielte der dreijährige Knabe K. mit einem, wie sich später ergab, noch vom Jahre 1848 her geladenen, kurzläufigen Gewehr. Der Schuss ging los und in die rechte Achselhöhle, worauf sogleich eine bedeutende Blutung entstand. Der Knabe wurde nach einer Clinik geschafft, verstarb aber daselbst am 19. dess. M. Am 22. wurde uns die bereits in der Anstalt geöffnete Leiche zur gerichtlichen Section vorgelegt. An der rechten Achselarterie fehlte ein viertehalb Zoll lan- ges Stuck. Der anwesende klinische Assistent zeigte dies von ihm nach dem Tode des Knaben ausgeschnittene Stück vor, in dessen Mitte sich eine Unterbindung mit einem rothen Faden, und einen Viertelzoll davon entfernt eine deutlich wahrnehmbare, Stecknadelknopf grosse Oeffnung fand. In der Gegend der Achselhöhle zeigten sich dicht an einander liegend drei kreisrunde, mit scharfen, glatten, trocknen Rändern verse- hene Oeffnungen von 2— 4 Linien im Durchmesser, welche die Hautbe- deckungen durchlöchert hatten. Einen Zoll abwärts fand sich eine Zoll lange, scharfgeränderte Wunde (die Operationswunde), die bis in die Mus- keln drang. Lungen und Herz waren vielfach zerschnitten, zeichneten sich aber durch ungewöhnliche Blässe aus. An der vierten rechten Rippe war äusserlich der Knochen rauh anzufühlen und innerlich die Gefasse deutlich injicirt. Leber, Milz, Nieren zerschnitten, aber gleichfalls sehr bleich. Die Vena Cava fast leer. Die Kopfhöhle allein war nicht ge- öffnet worden. Die blutführenden Meningen waren blass und fast blut- leer, die Sinus vollkommen blutleer, die Gehirne nur sehr bleich. — Unter diesen eigentümlichen Umständen konnten wir nicht Anstand neh- men, zu erklären: 1) dass denatus an innerer Verblutung seinen Tod gefunden habe; 2) dass dieselbe aus der Verletzung der rechten Achsel- schlagader entstanden sei, und dass 3) worauf es nach der damaligen Lage der Strafgesetzgebung noch, ankam, diese Verletzung die nothwen- dige Ursache des Todes gewesen sei. Hier hatte also d gene Privatobduction gar keinen Einfluss auf das gerichtsärztliche Gut- achten gehabt. 21. Fall. Kopfverletzung in einer bereits secirten Leiche. Ein fünfjähriger Knabe war vor zehn Tagen mit einer Waschschüs- sel vor den Kopf gestossen, in einer der hiesigen Krankenanstalten be- handelt und secirt worden. Auf der Stirn rechts fand sich eine andert- halb Zoll lange, schon halb vernarbte, blutig geheftete, horizontale Wunde. Hier war ein dreieckiges Stück aus dem Stirnbein ausgesägt worden. Das Gehirn war ganz zerschnitten, aber sehr deutlich sah man, in wie grosser Ausdehnung dasselbe mit Eiter überzogen gewesen war. Die Schädelgrundfläche war unverletzt. Sämmtliche Brust- und Bauch- organe waren zerschnitten. Wir konnten das summarische Gutachten da- hin abgeben: 1) dass der Knabe an Gehirneiterung gestorben, und 2) dass mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dieselbe mit der Kopfverletzung in ursachlichem Zusammenhang gestanden habe. *) *) Vgl. auch noch den 23. u. 28. Fall von bereits secirten u. beerdigten Leichen. §. 28. Fortsetzung, c) An ausgegrabenen Leichen und Leichen- fragmenten. Gesetzliche Bestimmung. Strafgesetzbuch §. 46. Verbrechen, welche mit Todesstrafe be- droht sind, verjähren in dreissig Jahren; Verbrechen, welche im höch- sten Maassstabe mit einer Freiheitsstrafe von einer längern als zehnjäh- rigen Dauer bedroht sind, verjähren in zwanzig Jahren; Verbrechen, welche mit einer mildern Freiheitsstrafe bedroht sind, verjähren in zehn Jahren. Vergehen, die im höchsten Strafmaasse mit einer höhern als drei- monatlichen Gefängnissstrafe bedroht sind, verjähren in fünf Jahren, an- dere Vergehen in drei Jahren. Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage des begangenen Verbrechens oder Vergehens. Die Fälle, in welchen die Ausgrabung einer Leiche verfügt werden muss, weil sie einen practischen Nutzen für die Verfol- gung einer strafrechtlichen Sache noch erhoffen lassen kann, sind bereits im §. 26. aufgezählt worden. In der Regel ver- fügt die richterliche Behörde, meiner Erfahrung nach, hierin selbstständig nach Veranlassung des concreten Falls. Es ver- steht sich von selbst, dass dies niemals geschehen wird, wenn die Verjährungsfrist des muthmaasslich verübten Verbrechens bereits verstrichen ist, d. h. nach den obigen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs nach zwanzig, höchstens nach dreissig Jahren. Aber fast alle oben aufgezählten Untersuchun<>s - Be- funde, namentlich: Merkmale an den Knochen, eben deshalb auch Schwangerschaften und zweifelhaft gebliebenes Alter einer Leibesfrucht, Merkmale an den Haaren, fremde Körper und Ar- senikvergiftungen können möglicherweise nach zwanzig, selbst nach dreissig Jahren noch bei der ausgegrabenen Leiche so deutlich wahrgenommen, wenigstens erwartet werden, dass ein Urtheil über den Befund noch möglich ist. Wenn deshalb der Gerichtsarzt über die Zweckmässigkeit einer Ausgrabung vor- her consultirt wird, so wird er sie befürworten müssen, wenn einer der genannten Fälle vorliegt. In solchem Falle wird auch seine Zuziehung und persönliche Anwesenheit bei der Ausgra- bung vom grössten Nutzen sein, weil der Sarg meist schon nach einiger Zeit verfallen ist, und die Lage der Leiche in dem- selben durch den Transport auf eine, der spätem Beurtheilung ungünstige Weise verändert wird. Dazu kommt, dass bei ver- mutheten Arsenikvergiftungen auch Erde aus der Nähe des Sarges, Flüssigkeiten aus der Leiche, die sich in demselben bei der Oeffnung vorfinden, u. dgl. entnommen werden müssen, was füglich nur vom Gerichtsarzte oder unter dessen persönlicher Leitung geschehn kann. In andern, als den oben erwähnten, Fällen ist zu beachten, dass eine Ausgrabung eine äusserst zeit- raubende und eine Operation ist, die der Parthei oder dem Fiscus sehr bedeutende Kosten verursacht. Aus diesem Grunde ist in solchen Fällen davon abzurathen, in denen voraussichtlich gar kein Erfolg mehr von der Ausgrabung zu erwarten ist. *) Dies ist namentlich der Fall, wenn über die tödtliche innere Krankheit Zweifel entstanden, die durch die Ausgrabung gelöst werden sollen, wenn die Leiche schon Wochen oder Monate lang beerdigt war, oder wenn sonst durch Merkmale an den Weichtheilen der Leiche irgend ein Zweifel gelöst werden soll. Was die Knochen betrifft, um noch einmal auf diese zurück- zukommen, so ist es bekannt, wie lange nach dem Tode sich *) Eine alte Frau war nach langer Krankheit, die notorisch ein Mast- darm und Harnblase perforirendes Krebsgeschwür gewesen, gestorben, und zwar im heissesten Sommer. Sie hatte in ihrem Testamente "Verwandte ent- erbt, welche vergeblich dasselbe anzufechten versuchten. Sie traten nun- mehr mit der Behauptung auf, die Verstorbene sei langsam durch Arsenik vergiftet worden, und verlangten auf das Dringendste die Ausgrabung der Leiche. Da der mir actenmässig bekannt gevvordne Fall, namentlich die Krankheitsgeschichte, nicht die allergeringste Vermuthung der Richtigkeit jener Anschuldigung gewährte, vielmehr eine Todesart ganz feststand, die, zur Zeit der Denuntiation, eine gänzliche Zerstörung der Leiche mit Sicher- heit voraussetzen Hess, so gab ich das erforderte Gutachten dahin ab, dass eine Ausgrabung dieser Leiche vollständig erfolglos sein werde, worauf dieselbe unterblieb. dieselben kenntlich erhalten. Die Knochen des Königs Dago- bert, die man beim Aufgraben in der Kirche von St. Denis nach zwölfhundert Jahren fand, waren noch wohl erhalten (Or- fila). Schon II all er behauptet, aus zweitausendjährigen Mu- mienknochen noch Gelatine gewonnen zu haben, was Orfila in Versuchen mit sechshundert Jahre alten Knochen, aus denen er noch 27 pro Cent Gelatine durch Kochen gewann, bestätigt. Ich besitze die Ulna eines Erwachsenen, die im August 1844 vor meinen Augen in Pompeji ausgegraben wurde, in dessen Lava sie also etwas weniger als achtzehnhundert Jahre gelegen, und die so vortrefflich erhalten ist, dass man daran anatomi- sche Demonstrationen halten kann. Alle solche Curiosa haben insofern einen practischen Werth, als sie zeigen, dass ausge- grabene Knochen wenigstens innerhalb des längsten Verjährungstermins (von dreissig Jahren) noch Auf- schlüsse geben können. Namentlich gilt dies von den Schädelknochen, sämmtlichen Röhrenknochen und den fast un- zerstörbaren Zähnen, während schwammige Knochen, wie Wir- bel, früher zerfallen. Meine Erfahrungen reichen nicht aus, um Genaueres über die allmäligen Veränderungen anzugeben, denen die Knochen im Laufe der ersten dreissig Jahre nach dem Tode — nur dieser Termin ist practisch wichtig — unterworfen sind, und ich muss deshalb auf die Schriftsteller verweisen, deren Angaben indess (ob auf eigenen Beobachtungen beruhend??), bei den grossen Widersprüchen unter ihnen, mit Vorsicht auf- zunehmen sind. *) Ich lasse nachstehende Fälle von Ausgrabungen von Lei- chen oder Leichenfragmenten als Beläge folgen. *) Vgl. die vortreffliche Abhandlung von Kanzler: zur gerichtlich-me- dic. Skeleto-Necropsie in m. Vierteljahrsschrift Bd. V. S. 206 und ganz be- sonders Bd. VI. S. 121 und S. 202, so wie Bd. VIII. S. 44. ' 22. Fall. Ausgegrabene Leiche zum Zweck der Feststellung einer häuti- gen Bräune. Ein dreijähriger Knabe war den Eltern auf dem freien Felde abhan- den gekommen und drei Tage später todt aufgefunden worden. Er ■wurde beerdigt, aber nach drei Wochen am 21. Juli (warum? ist mir unbekannt geblieben) wieder ausgegraben, um wo möglich festzustellen, ob das Kind am Croup gestorben sei (!). Das ganze Gesicht war von zahllosen Maden bereits skelettirt, ebenso die Kopfschwarte, die Haut- bedeckungen des Nackens und die Halsmuskeln. Am ganzen Körper zeigte sich Pilz- (Schimmel-) Bildung. Aeussere Verletzungen waren nir- gends zu entdecken. Das Gehirn war verschwunden und die harte Hirn- haut lag wie ein hohler Sack in der Höhle. Die Untersuchung der Ra- chenhöhle zeigte, dass die Weichtheile bereits ganz zerstört, und die ganze Höhle von Jauche und Tausenden von Maden erfüllt war. Kehlkopf und Luftröhre waren auch bereits angefressen, und ihre Schleimhaut in eine blutige Jauche aufgelöst. Von häutigen Concrementen fand sich keine Spur. Die Lungen waren ganz faul, das Herz welk und schlaff, Magen, Milz, Nieren, Leber gleichfalls schon in mehr oder weniger ho- hem Grade verwest. Natürlich wurde geurtheilt, dass darüber: ob das Kind am Croup gestorben, sich weder mit Gewissheit, noch auch nur mit Wahrscheinlichkeit etwas feststellen lassen könne. 23. Fall. Ausgrabung zum Zweck der Feststellung einer Vergiftung. Die Frau eines Arztes lebte im Ehescheidungsprocess mit ihrem Gatten, der in erster Instanz zur Herausgabe der Mitgift von 12,000 Tha- lern verurtheilt worden war. Am 8. Mai Abends, zur Zeit, als die Klage noch in appellalorio schwebte, ass die Familie Heringssalat. Die Frau, die ganz allein im Hinterzimmer ass, erhielt von ihrem Mann ihre Portion dorthin geschickt. Die ganze Familie blieb gesund, die Frau aber bekam Nachts Erbrechen, und starb, nachdem das Brechen vier Tage angehalten hatte, am 12. Mai. Der Mann Hess sie von einem Freunde, einem Wundarzt, seciren, dem es auffiel, dass Ersterer während der Obduction sehr viel Kölnisches Wasser in die Bauchhöhle goss. Die Leiche wurde beerdigt, aber, nachdem sicli der Verdacht einer Vergif- tung erhoben hatte, wieder ausgegraben, und uns am 4. Juni, also drei- undzwanzig Tage nach dem Tode, zur gerichtlichen Obduction vorgelegt. Der Körper hatte noch an den meisten Stellen (nach drei Wochen) die gewohnliche Leichenfarbe, nur an Rumpf und Oberextremitäten waren vielfache'grüne und von der Oberhaut entblösste Stellen sichtbar. Der Magen war an seiner hintern Wand, offenbar durch Hypostase, dunkel- roth gleichmässig gefärbt, innerlich zeigte sich die Schleimhaut in gros- sen Fäulnissblasen aufgetrieben, aber es waren weder körnige noch cry- stallinische Körper, noch Entzündung, noch Bluterguss, noch Brand oder Perforation darin zu entdecken. Im Uebrigen war im ganzen Körper durchaus nichts Abnormes wahrzunehmen. Die Speiseröhre, der Magen und Zwölffingerdarm, so wie Blut und Urin aus der Leiche wurden einer genauen chemischen Analyse unterworfen, die natürlich nur auf metalli- sche Gifte, namentlich auf Arsen, gerichtet werden konnte, da zur Un- tersuchung auf organische Gifte gar kein Anhalt gegeben war. Die Ein- geweide aber, so wie Blut und Urin, zeigten nicht die geringste Spur eines metallischen Giftes, namentlich nicht der arsenigen Säure, und da auch das Ergebniss der Obduction ein vollkommen negatives gewesen war, so musste unsrerseits angenommen werden, dass nach dem objecti- ven Thatbestande der Verdacht der Vergiftung sich nicht bestätigt habe. — Auffallend waren die Umstände, unter denen hier der Tod erfolgt war, indess gewiss nichtsdestoweniger. ■— Aber sie waren es noch viel mehr in folgendem wichtigen 24. Fall. Ausgrabung nach fünf und einem halben Monat zum Zweck der Feststellung einer Arsenikvergiftung. Am 24. Januar 18— starb die Wittwe F. auf einem Gute, das dem u. s. w. B. gehörte, und auf welchem sie sich zum Besuch befand. Letz- terer hatte der denata, die bereits 55 Jahre alt war, ein Eheverspre- chen gegeben, und ihr auf Grund desselben ihr ganzes, nicht unbedeu- tendes Vermögen abgenommen, bald darauf aber sich zurückgezogen, und das wiederholte Drängen der F. wegen Schliessung der Ehe oder Rück- gabe ihres Vermögens blieb fruchtlos. In dieser Zeit starb die F., wie man sehen wird, unter verdächtigen Umständen. Bald nach ihrem Tode verkaufte B. das Gut und zog in eine entfernte Provinz. Mehr und mehr häuften sich die Verdachtsgründe gegen ihn und seine von ihm geschwängerte Wirthschafterin U., dass sie den Tod der F. verschuldet hätten, und es wurde die Ausgrabung der Leiche für nöthig erachtet, zu welcher wir von dort aus requirirt wurden. Wir wohnten der ganzen langen und schwierigen Procedur bei, die am 10. Juli, also sechste- Casper, gcrichll. Mcdicin. (i halb Monate nacli dem Tode der F., vorgenommen wurde. Aus dem Obductionsprotokoll und spätem Obductionsbericht mögen liier die -wesentlichsten Stellen folgen. Die Leiche war ganz bekleidet. Beim Versuche, sie zu entkleiden, gelang dies nicht mit den Oberextreiniiäten, den mit Handschuh bekleideten Händen und den, mit Schuhen und Strüm- pfen bekleideten Beinen. Die Kleidungsstücke waren mit Schimmel und unzähligen Maden bedeckt. Die Leiche verbreitete (wie gewöhnlich) nicht so- wohl einen Verwesung»'- als genau den Geruch nach altem Käse. Der Kopf, dessen Züge noch so weit kenntlich, dass die Leiche von allen Bekannten recognoscirt wird, ist mit einer Haube bedeckt, die gleichfalls nicht entfernt werden kann. Das Gesicht der angeblich 55 Jahre alten Frau ist durchweg grausehwärzlich, trocken, lederartig (mumificirt). Die Augäpfel fehlen, eben so die Nasenknorpel, und die Zunge liegt hinter den unvollständigen Zähnen. Die Ohren sind noch erhalten und goldne Ohrringe finden sich in beiden Ohren. Die Körperfülle und Ründung der Gliedmaassen ist vollständig erhalten. Die ganze vordere Fläche der Leiche sieht röthlich braungelb und im Ganzen so aus, wie verbrannte Hautstellen nach dem Tode auszusehen pflegen. Die Haut schneidet sich lederartig. Etwas hellröthlicher erscheint die Rückenfläche, aber auch hier ist die Haut lederhart. Die natürlichen Höhlen sind frei von frem- den Körpern. Der Hals ist eben so beschaffen, wie das Gesicht und Spuren von Verletzungen oder einer Strangmarke sind an demselben nicht wahrnehmbar. In der Bauchhöhle belinden sich die Eingeweide in ihrer natürlichen Lage. Das reiche Fett der Bedeckungen ist hart, aber noch sehr wohl erhalten. Das Bauchfell zeigt überall die gewöhnliche, bleiche Beschaffenheit. Auch die Netze sind sehr fett. Die etwas stahl- graue Leber ist sehr klein, ihre Gallenblase noch gefüllt. Der Magen hat die gewöhnliche Grösse, ist ganz leer und zusammengefallen, weich und schmierig anzufühlen und hat ein graubräunliches Ansehn. Nach kunstgemässer Unterbindung wird derselbe herausgenommen. Bei seiner Eröffnung zeigt sich seine Schleimhaut grauschwarz und überall ohne Ge- schwüre oder andre Abnormitäten. Magen und ein Stück Leber werden zur chemischen Analyse zurückgestellt. Die Därme zeigen eine gräulich bleiche Farbe und sind durchweg leer. Nieren und Milz sind von der Fäulniss erweicht, die Harnblase ist leer, die hellröthlicho, noch ganz feste Gebärmutter ist leer, und vollständig leer sind auch die grossen Venenstämme. Die Lungen liegen frei in der Brusthöhle, haben noch die gewöhnliche Farbe und sind blutleer. Das Herz ist schlaff zusam- mengefallen und vollkommen blutleer. Luftröhre und Kehlkopf sind leer ihre Schleimhaut braunroth gefärbt. Die Speiseröhre ist leer und zeigt nichts Abnormes. Sie wird gleichfalls zur chemischen Prüfung exenterirt. Nach Wegnahme der Schädelknochen ergab sich, dass das Gehirn durch Fäulniss zum grössten Theile ganz entfernt war. Die mit grösster Genauigkeit angestellte chemische Analyse zeigte unzweifelhaft die gänzliche Abwesenheit jeder Arsenikverbindung in allen untersuchten Körpertheilen, wie andrer schädlicher Metalle, und nur das Vorhandensein einer sehr geringen Menge einer Quecksilber- verbindung. In unserm Obductionsberichte hiess es u. A.: „über die dem Tode voransrecrano-enen Umstände ist wenig Zuverlässiges in den Acten zu fin- den. Wir vermissen eine vollständige Krankheitsgeschichte, welche die protokollarischen Vernehmungen des behandelnden Arztes, des Dorfchi- rurgus (!) S., nicht ersetzen können. Gewiss ist, dass Umstände erho- ben sind, die den Verdacht einer Vergiftung zu begründen geeignet sind. Als im Anfange der Krankheit Bekannte der F., um sie zu besuchen, nach B. kamen, wies die Wirthschafterin sie mit dem Bedeuten ab: die F. sei so wenig als B. zu Hause, und als sie damit nicht durchdrang, behauptete sie wieder, der Arzt habe verboten, die Kranke zu sehen, was dieser in Abrede gestellt hat. Zu ihr gelassen fanden ihre Freunde sie in einem ganz finstern Zimmer, das die Wirthschafterin nur mit Zö- gern etwas heller machte. Die F. gab Ekel gegen Wein an und schau- derte, als die Freunde ihr zuredeten, von dem vor ihr stehenden Weine zu trinken. Früher stets als „frisch und gesund" gekannt, klagte sie jetzt über Halsschmerzen, starke Hitze, Wundsein des Mundes, furchtbare Schmerzen im Magen und fortwährendes Erbrechen. Die Excremente hatte B. aber in der Art wegzugiessen angeordnet, dass nicht Vieh da- von fressen könne! Die Köchin deponirt, dass die Wirthschafterin in der letzten Zeit der Krankheit alle Speisen für die Kranke selbst bereitet und ihr Arznei, nachdem die Kranke erklärt, dass sie keine mehr neh- men wolle, in die Suppe gegossen habe. Aeusserungen der Wirthschaf- terin, wie die: „wenn die Alte nur erst der Teufel geholt hätte", will die Köchin gehört haben. Während die beiden Angeschuldigten die Un- mässigkeit der Verstorbenen im Essen und namentlich im Trinken her- vorheben und die tödtliche Krankheit auf Rechnung dieser Unmässigkeit schreiben, behaupten alle frühere Bekannte derselben, dass die F. stets sehr massig gewesen sei. Auffallend ist ferner die ungewöhnliche Eile, mit welcher B. die Beerdigung besorgte, auffallend endlich, dass der- selbe, nachdem er, nach eröffneter Voruntersuchung, gefänglich eingezo- gen war — sich im Gefängniss erhängt hat!" Nachdem nun weiter ausge- führt, dass alle diese Momente allein keinen Anhalt für das gerichtsärztliche 6 * Gutachten abgeben dürften, für welches nur a) die Krankheit, b) der Sectionsbefund und c) die chemische Analyse maassgebend sein könnten, wurde im Bericht fortgefahren: „ad a) Am 'ersten Weihnachtsfeiertage fand in B. eine Mittagsmahlzeit Statt, bei welcher, nach Aussage der beiden Angeschuldigten, die F. ganz ungewöhnlich viel gegessen, und vielen weissen und Ungarwein getrunken haben soll. Bald nach der Mahlzeit fin krumme Nadeln-von verschiedener Grösse; 1 Tastercirkel; 1 Zoll- stab. Eben so müssen die Physiker zu gleichem Zweck 1 Zollstab, 1 ajustirtes Monsurirgefäss, 1 ajustirte Waage mit 10 Pfund Gewichten 90 haben. Die Königl. Regierung hat hiernach zu verfügen und dahin zu sehen, dass demgemäss geschehe *). Sämmtliche bestehende gesetzliche Vorschriften sind zusam- mengestellt in dem, von der Königl. wissenschaftlichen Deputa- tion für das Medicinalwesen unter dem 24. October 1844 ver- fassten, und durch das Ministerial-Rescript vom 20. Februar 1845 als allgemein verbindlich anerkannten und publicirten Regulativ für das Verfahren bei den medicinisch - ge- richtlichen Untersuchungen menschlicher Leichname (Ob- duetionen). I. Allgemeine Bestimmungen. §. 1. Gerichtliche Leichenöffnungen (Obductionen) dürfen nur auf Requisition der gericht- lichen Behörden und im Beisein dos vollständig besetzten Criminalge- richts von den Sachverständigen vorgenommen werden. §. 2. Die betreffenden Physiker sind verpflichtet, in Gemeinschaft mit dem gerichtlichen Wundarzt jeder ihnen übertragenen Obduction sich selbst zu unterziehen und dürfen nur in gesetzlichen Behinderungsfällen durch einen andern Physicus oder Arzt sich vertreten lassen. §. 3. Vor Ablauf von 24 Stunden nach dem Tode, vorausgesetzt, dass die Zeit, wo solcher erfolgt war, bekannt ist, dürfen auch gericht- liche Obductionen nicht vorgenommen werden. In Fällen, wo es möglich erscheinen sollte, einen plötzlich Verstorbenen wieder ins Leben zurück zu rufen, sollen selbst die erforderlichen Rettungsversuche vorher ange- stellt und muss von den Obducenten, wenn einer von ihnen oder beide die Rettungsversuche geleitet haben, das hierbei beobachtete Verfahren und dessen Erfolg zu Protocoll bemerkt werden. §. 4. Wegen vorhandener Fäulniss dürfen Obductionen in der Re- gel nicht unterlassen und von den Physikern abgelehnt werden; denn selbst bei einem hohen Grade der Fäulniss können Abnormitäten und Verletzungen der Knochen noeh ermittelt, fremde Körper aufgefunden, Schwangerschaften u. s. w. entdeckt, Arsenikvergiftungen aber nach lan- ger Zeit noch nachgewiesen werden. Die Obducenten haben sich daher zu hüten, nicht voreilig wegen eingetretener Fäulniss Obductionen für untliunlich zu erklären, und kann es hierbei auf die Zeit, welche seit dem Tode des denalus bereits verstrichen ist, nicht ankommen. §. 5. Dafür, dass bei jeder Obduction die zu derselben erforder- lichen Instrumente vollständig und in brauchbarem Zustande zur Hand *) Vgl. die weitern hierher gehörigen gesetzlichen Bestimmungen im §. 52. sind, haben die Physiker und gerichtlichen Wundärzte nach der jedem von ihnen durch die Verfügung des Königl. Ministerii des Innern vom 28. Januar 1817*) auferlegten Verpflichtung zu sorgen. Die gericht- lichen Wundärzte haben überdies noch die Pflicht, nach beendigter Ob- duction und nach passender Beseitigung der Abgänge die geöffnet gewe- senen Körperhöhlen, wo es irgend zulässig, kunstmässig durch Nähte zu schliessen. §. 6. Behufs der Obduction ist für Beschaffung und Einrichtung eines geräumigen und hinreichend hellen Lokals, angemessener Lagerung des Leichnams und Entfernung störender Umgebung möglichst zu sorgen. Obductionen bei Kerzen- oder Lampenlicht sind, einzelne, keinen Auf- schub gestattende Fälle ausgenommen, unzulässig. Der Ausnahme ist im Protocoll unter Anführung der Rechtfertigungsgründe ausdrücklich zu er- wähnen. II. Verfahren bei den Obductionen. §. 7. Es kann erfor- derlich sein, zuvörderst den Ort wo, und die Umgebungen, in denen der Leichnam gefunden worden ist, auch ärztlicherseits in Augenschein zu nehmen, die Lage, in welcher der Leichnam angetroffen ist, zu ermitteln und die Kleidungsstücke zu besichtigen. In der Regel werden zwar die Obducenten es abwarten können, ob sie von den Gerichtspersonen hierzu aufgefordert werden, doch kann es unter Umständen auch angemessen sein, dass Obducenten bei Zeiten auf die Nothwendigkeit dieser Vorun- tersuchung aufmerksam machen. §. 8. Zeigen sich an dem Leichnam Verletzungen, welche die Ur- sache des Todes gewesen zu sein scheinen, und haben sich Werkzeuge vorgefunden, mit denen diese Verletzungen bewirkt sein konnten, so ha- ben die Obducenten jene mit diesen zu vergleichen und auf Erfordern des Richters sich darüber zu äussern, ob letztere durch jene zu bewir- ken gewesen, ob ferner aus der Lage und Grösse der Wunde ein Schluss auf die Art, wie der Thäter wahrscheinlich verfahren und auf dessen Ab- sicht und körperliche Kraft gemacht werden kann. (Criminal-Ordnung §. 162.)**). §. 9. Die Obduction zerfällt in zwei Haupttheile: a) Aeussere Be- sichtigung oder Inspection; b) innere Besichtigung oder Section. §. 10. Bei der äussern Besichtigung ist die äussere Beschaf- fenheit: erstlich des Körpers im Allgemeinen und sodann zweitens der einzelnen Theile desselben der Reihe nach zu untersuchen. Hinsicht- *) S. oben S. 95. •*) S. oben S. 93. Casper, genclill. Dledicin. 7 lieh dos Körper« im Allgemeinen sind zu berücksichtigen: Alter, Ge- schlecht, Grösse, wohlgenährte oder abgemagerte Körperbeschaffenheit, besondere Abnormitäten, schon eingetretene Fäulniss u. s. w. Auch sind die Zeichen des wirklich erfolgten Todes anzugeben. Bei Besichtigung der einzelnen Theile ist besonders eine bestimmte Ordnung zu be- obachten. Am Kopfe sind zu betrachten: Haare, Augen, Oliren, Nase, Mund, in demselben die Zähne, so wie die Zunge nach ihrer Lage und Beschaffenheit. Auch ist darauf zu achten, ob etwa fremde Körper in den genannten Höhlen sich befinden. Nach dem Kopfe sind zu betrach- ten : der Hals, dann die Brust, der Unterleib, die Rückenfläche, der Af- ter, die Genitalien, endlich die obern und untern Extremitäten. Findet sich an irgend einem Theile eine Verletzung, so ist zuvörderst deren Lage und Richtung mit Bezugnahme auf benachbarte feste Punkte des Körpers und sodann ihre Länge, Breite und Tiefe anzugeben, letztere jedoch nur, in sofern sie durch das Gesicht wahrgenommen werden kann, indem ein Sondiren der Wunden in der Regel nicht zulässig ist. Der Verlauf von tief eindringenden Wunden kann vielmehr erst bei der Sec- tion des Leichnams ermittelt werden. Eben so darf auch die Beschaffen- heit der Wundränder und ob sie mit ausgetretenem und angetrocknetem Blute oder Eiter bedeckt sind oder keine Zeichen einer lebendigen Re- action darbieten, nicht übersehen werden. Zeigen sich blaue Flecke am Leichnam, so ist durch gemachte Einschnitte zu ermitteln, ob dieselben wirklich von extravasirtem Blute herrühren oder nur sogenannte Todten- flecke sind. In jenem Falle ist auch die geronnene oder flüssige Beschaf- fenheit des Bluts zu berücksichtigen. §. 11. Bei der innern Besichtigung sind jedenfalls die drei Haupthöhlen des Körpers: Kopf-, Brust- und Bauchhöhle zu eröffnen und zu untersuchen. Unter Umständen kann auch die Eröffnung der Wirbel- säule erforderlich werden. Bei jeder der genannten Höhlen sind zu- vörderst die Lage der in ihr befindlichen Organe, sodann etwa, vor- handene Ergiessungen von Flüssigkeiten und endlich, jedes einzelne Organ äusserlich und, nach geschehenem Aufschneiden, innerlich zu be- trachten. Lässt sich im Voraus vermuthen, welche Höhle des Körpers die Ursache des Todes enthalten wird, so ist mit dieser der Anfang zu machen, sonst aber mit dem Kopfe zu beginnen und sind hierauf die Brust und der Unterleib zu öffnen. §. 12. Die Eröffnung der Kopf höhle geschieht (wenn nicht etwa Verletzungen, die so viel als möglich mit dem Messer umgangen werden müssen, ein anderes Verfahren gebieten) am besten mittelst eines, von einem Ohr zum andern mitten über den Scheitel hin geführten Schnitts, worauf sodann die allgemeinen Kopfbedeckungen nach vorn und lünten herabgezogen werden können, demnächst auch die knöcherne Schädel- OD ' decke durch einen Kreisschnitt mit der Säge getrennt und abgenommen wird. Hierauf werden die drei Gehirnhäute, sodann das grosse und kleine Gehirn nebst dem Gehirnknoten und dem verlängerten Mark und end- lich, nach Herausnahme des Gehirns, die Basis des Schädels mit den dort befindlichen Blutleitern untersucht. §. 13. Zur Eröffnung der Brust- und Bauchhöhle genügt in der Regel ein durch die allgemeinen Bedeckungen vom Kinn bis zur Schaam- beinfuge an der liuken Seite des Nabels fortgeführter Längenschnitt. Der Eröffnung der Brusthöhle ist die Untersuchung des Halses, an wel- chem vorzüglich der Kehlkopf nebst Luftröhre, der Schlundkopf und die Speiseröhre, die grossen Blutgefässe und Nervenstämme, so wie auch die Halswirbel zu berücksichtigen sind, .voranzuschicken. Um sodann die Brusthöhle zu öffnen, ist am zweckmässigsten das Brustbein auf die Weise abzunehmen, dass die Verbindung seines Handgriffs mit den Schlüs- selbeinen und den Knorpeln der ersten Rippe (mit sorgfältiger Ver- meidung der darunter belegenen Blutgefässe) getrennt und sodann die übrigen Rippenknorpel an ihren Vereinigungsstellen mit den Rippen durch- schnitten, hierauf aber, nachdem das Brustbein von oben nach unten zu- rückgeschlagen worden, die Verbindungen des Zwerchfells mit demselben genau an dessen Anheftungspunkten gelöst werden. In der so geöffneten Brusthöhle werden nun der Reihe nach die Lungen, (die Thymusdrüse, wo sie noch vorhanden ist), der Herzbeutel, das Herz selbst und die grossen Blutgefässe untersucht. §. 14. Zur Eröffnung der B auchhöhle wird am besten der durch die allgemeinen Bedeckungen bereits gemachte Längenschnitt weiter durch das perilonaeum geführt. Hierauf werden die Bauchdecken nach beiden Seiten so zurückgelegt, dass der glatte Rand der untern Rippen auf bei- den Seiten sich dem Auge darbietet. Nachdem sodann in der geöffneten Bauchhöhle die Eingeweide in ihrer Lage betrachtet und etwa ergossene Flüssigkeiten nach Qualität und nach preussischem Civilgewicht in Hin- sicht ihrer Quantität ermittelt worden, sind die Organe einzeln zu unter- suchen. Es sind dies der Magen und Darmkanal, die Leber, Milz, Bauch- speicheldrüse, Gekröse und Netze, ferner Nieren- und Harnblase, bei weiblichen Leichen die Gebärmutter nebst ihren Anhängen, endlich die grossen Blutgefässe. Um die Quelle der Blutung aus einem verletzten Gefäss zu ermitteln, kann der Stamm desselben eröffnet und mit einem Tubulus Luft eingeblasen werden. §. 15. Bei vorhandenem Verdacht einer Vergiftung müssen um den 7* untern Theil der Speiserühre und etwa de;, mittlem des Dünndarmes doppelte Ligaturen gelegt und Speiserühre und Dünndarm zwischen den Ligaturen durchschnitten werden. Demnächst wird der Magen mit dem obern Theil des Dünndarms aus der Bauchhöhle herausgenommen, nach vorgängiger anatomischer Untersuchung in ein Gefäss von Porzellan oder starkem Glase gethan und den Gericlitspersonen zur weitern Veranlas- sung übergeben. Auch die Speiseröhre, nachdem sie nahe am Halse un- terbunden und über der Ligatur durchschnitten worden, ist aus der Brust- höhle herauszunehmen und gleichfalls in das gedachte Gefäss zu legen. §. 16. Bei der Obduction neugeborner Kinder sind noch besondere Punkte zu berücksichtigen: Es müssen erstens die sogenannten Zei- chen der Reife, d. h. die Zeichen des Alters und der davon abhängenden körperlichen Entwicklung und Lebensfälligkeit genau ermittelt werden. Dahin gehören hauptsächlich: die Länge und das Gewicht des Kindes, die Beschaffenheit der allgemeinen Bedeckungen und der Nabelschnur, die Länge und Beschaffenheit der Kopfhaare, die Grösse der Fontanel- len, die Durchmesser des Kopfes (Längen-, Queer- und Diagonal-Durch- messer), die Beschaffenheit der Augen (Membrana pupillaris), die Be- schaffenheit der Nase und Ohren; ferner die Queerdurchmesser der Schul- tern und Hüften; bei Knaben die Lage der Hoden und endlich die Länge und Beschaffenheit der Nägel an den Fingern und Zehen. §. 17. Hat sich hiernach ergeben, dass das Kind über dreissig Wochen alt, also lebensfähig gewesen, so muss zweitens untersucht werden, ob es wirklich nach der Geburt gelebt hat, worauf vorzugsweise aus dem geschehenen oder nicht geschehenen Athmen geschlossen werden kann. Es ist deshalb schon bei der Besichtigung auf die Wölbung der Brust Rücksicht zu nehmen, bei der Section aber zur richtigen Ermitte- lung des Standes des Zwerchfells die Bauchhöhle vor der Brusthöhle und die Kopfhöhle zuletzt zu eröffnen. Bei der zur Erforschung des ge- schehenen Athmens anzustellenden Athemprobe sind a) die Farbe, Aus- dehnung und davon abhängende Lage der Lungen (letztere namentlich in Beziehung zum Herzbeutel) zu betrachten; sodann b) behufs der Heraus- nahme der Brusteingeweide und der Brusthöhle doppelt zu unterbinden und zwischen beiden Ligaturen zu durchschneiden: die Vena jiigularis thoracica sinistra und dexlra nebst der vena azygos, die arleria anonyma, arleria carotis sinistra, arleria subclavia sinistra, aorta descendens und endlich noch (nach geschehener Eröffnung des Herzbeu- tels) die vena cava inferior. Ausserdem ist die Luftröhre einfach zu unterbinden und oberhalb der Ligatur zu durchschneiden, c) Die hierauf aus der Brusthöhle herausgenommenen Brusteingeweide (Herz, Thymus und Lungen) werden gewogen und dann, nachdem die Luftröhre geöffnet und untersucht worden, d) in einem geräumigen, mit reinem kalten Was- ser gefüllten Gefässe hinsichtlich ihrer Schwimmfähigkeit geprüft. Als- dann werden e) die Arterien und Venen beider Lungen doppelt unter- bunden, zwischen den Ligaturen durchschnitten und die Lungen von dem Herzen und der Thymusdrüse getrennt, f) Hierauf werden die Lungen allein gewogen, sodann g) zur Ermittelung ihres specifisclien Gewichts abermals auf das Wasser gelegt. Es werden h) in beide Lungen Ein- schnitte gemacht und auf etwa dabei wahrzunehmendes knisterndes Ge- rausch geachtet. Zugleich wird i) die Quantität und Beschaffenheit des aus den Schnittflächen bei gelindem Drucke hervortretenden Blutes be- merkt. Es werden k) die Lungen noch unterhalb des Wasserspiegels eingeschnitten, um zu sehen, ob Luftbläschen aus den Schnittflächen em- porsteigen , endlich 1) beide Lungen von einander getrennt. Jede wird einzeln hinsichtlich ihrer Schwimmfähigkeit geprüft und geschieht dasselbe mit den einzelnen Lappen beider Lungen und den einzelnen Stücken, in welche die Lungenlappen zerschnittsn worden. IH. Abfassung des Obduction s - Protoeolls und Berichts. §. 18. Alle für die Ausmittelung der Todesart erheblichen Befunde müs- sen bei jeder forensischen Obduction den Gerichtspersonen vorgezeigt werden. Es ist wichtig und unerlässlich, dass überall der richterliche Zweck von den Obducenten richtig aufgefasst und im Auge behalten, in dieser Hinsicht neben der Genauigkeit auch Vollständigkeit, so viel als möglich, erstrebt, dagegen Ausführlichkeit über jene Grenzen hinaus ver- mieden werde. §. 19. Ueber das Verfahren bei der Obduction und alles, was bei derselben wahrgenommen ist, wird an Ort und Stelle ein genaues Pro- tocoll aufgenommen, dessen Fassung deutlich, bündig, bestimmt und von der Art sein muss, dass es auch für den Laien möglichst verständ- lich wird. §. 20. In demselben sind die beiden Hauptabtheilungen, die innere und äussere Besichtigung mit römischen Zahlen (I. II.) und bei der in- nern Besichtigung die Eröffnungen der drei Haupthöhlen mit grossen Buchstaben (A. B. C.) zu bezeichnen. Ausserdem aber ist die Unter- suchung jedes einzelnen Theiles unter eine besondere mit arabischen Zah- len anzugebende Rubrik zu bringen, so zwar, dass vom Anfange der äussern Besichtigung an bis zum Schlüsse des Obductions-Protocolls fort- laufende Nummern gebraucht werden. Mehrere Theile müssen nicht un- ter eine Nummer gebracht und überhaupt nicht collective abgehandelt, auch darf kein Theil mit Stillschweigen übergangen werden. Am Schluss des Protocolls haben die Obducenten ihr vorläufiges Gutachten summarisch ohne Angabe der Gründe hinzufügen. §. 21. Wird ausserdem noch ein Obductions-Bericht (motivir- tes Gutachten) von ihnen erfordert, so haben sie in diesen das Obduc- tions-Protocoll so viel als möglich wörtlich aufzunehmen und auf etwaige Differenzen von demselben jedenfalls ausdrücklich aufmerksam zu machen. Auch müssen dio Nummern im Obductions-Bericht .mit denen im Protocoll übereinstimmen. Die Fassung des Obductions-Berichts muss ebenfalls bündig und deutlich sein und es müssen die Gründe für ihr Gutachten von den Obducenten so entwickelt werden, dass sie auch für den Nicht- arzt überzeugend sind. War der Obducirte an Verletzungen gestorben, so sind die drei Fragen des §. 169. der Criminal-Ordnung, in den Rhein- provinzen aber die in dem Ministerial-Rescript vom 15. Maf 1833 vor- geschriebenen vier Fragen wörtlich und vollständig zu beantworten oder die Gründe, weshalb dies nicht geschehen kann, anzugeben *), Schliess- lich werden die Sachverständigen wegen der Unterschrift und Besieglung des Obductions-Berichts auf die Vorschriften der §§. 170. und 171. der Criminal-Ordnung**) noch besonders verwiesen. Berlin, den 21. Octo- ber 1844. Königl. wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen. Erstes Kapitel. Acusscre Besichtigung (Inspection) der Leiche. §. 29. Inspection des todten Körpers. Ruhe, Unbefangenheit und Eifer für die Sache sind die Be- dingungen, die nicht aus den Augen zu setzen sind, wenn der gerichtliche Arzt sich selbst und Allen, die es angeht, genügen will, bei dem wichtigsten Geschäfte unter allen, die seine Thä- tigkeit in Anspruch nehmen, dem wichtigsten, weil Flüchtigkeiten und Fehler hier später unverbesserlich sind. Ruhe; denn wer, *) S. was oben über die drei Fragen gesagt ist. S. 95. ■*) S. oben S. 95. aus Mangel an Uebung und Erfahrung oder aus irgend welchen andern Gründen, mit Hast und Unruhe ans Werk geht, fängt nur zu oft mit dem Ende an und hört mit dem Anfang auf; er springt von der Besichtigung der Augen zu der der Extremi- täten, von diesen zu der Zunge, von der Zunge zur Nabelschnur über, und liefert ein Besichtigungsprotocoll, das später auch dem Kenner in seiner Verworrenheit unverständlich bleibt. Unbe- fangenheit; auch diese Eigenschaft möge sich der Gerichtsarzt, wie in allen Fällen, so namentlich auch am Sectionstisch zu eigen machen. Der Befangene sieht verzerrte Züge an der Leiche und schliesst voreilig daraus auf gewaltsame Todes- art, die er dann später leicht herausdeduciren kann, wo der Un- befangene und Erfahrenere sieht, dass z. B. Ein Augenlid der Leiche nach dem Tode erhoben worden und erhoben stehen ge- blieben ist, dass der Mund durch Hineingreifen nach dem Tode nach Einer Seite hin verzerrt worden, dass eine platt gedrückte Nase durch Aufliegen, nicht durch Einschlagen, abgeplattet wor- den ist u. s. w., so dass alle solche Verzerrungen sich auf die einfachste Weise erklären. — Man wird wohlthun und das Ge- schäft sich sehr erleichtern, wenn man ein gewisses Schema fest- hält, nach welchem man die vielen einzelnen Punkte, die bei der äussern Besichtigung des Leichnams Berücksichtigung erfordern, in's Auge fasst, untersucht und zu Protocoll dictirt, und die hier folgende Reihenfolge dieser einzelnen Punkte giebt dazu einen brauchbaren Anhalt. 1) Das Geschlecht. Dass dasselbe bei ganz von der Ver- wesung zerstörten Leichen nicht mehr zu erkennen, ist bekannt. In etwas niedrigerm Fäulnissgrade ist es zuweilen noch mög- lich, wenn auch die sexuellen äussern Weichtheile verschwun- den, aus dem geschlechtlichen Haarwuchs noch das Geschlecht des Individuums zu erkennen, in sofern der umschriebene Kranz von Haaren auf dem Schaamberg das Weib, die wenn auch noch so geringe Fortsetzung des Haarwuchses vom Schaamberg bis an den Nabel hinauf den Mann erweist. Bekannt ist auch, dass bei Leibesfrüchten bis zum dritten Monat das Geschlecht noch nicht zu bestimmen, ist; der Gebrauch einer scharfen Loupe aber ist hier sehr empfehlungswerth. 2) Das Alter. Bei bekannten Leichen ist es freilich ganz gleichgültig, wie das Alter abgeschätzt wird, weil dem Richter hier, wenn es ihm darauf ankommt, viel sicherere Beweise als das Urtheil des Arztes zu Gebote stehen. Bei unbekannten Leichen aber ist er, z. B. behufs der zu erlassenden öffentlichen Bekanntmachungen, betreffend den aufgefundenen unbekannten Todten u. dgl., lediglich auf das ärztliche Urtheil angewiesen. Wenn es aber schon schwer ist, das Alter eines Lebenden auch nur annähernd richtig abzuschätzen, wo man doch noch Blick, Gang, Haltung, Sprache, psychische Momente u. s. w. mit in Erwägung ziehen kann, so ist es noch weit schwieriger, das Alter eines Todten annähernd zu schätzen. Mangelnde oder nicht mangelnde Zähne, graue oder nicht graue Haare, können natürlich täuschen, Runzeln durch das Aufschwellen des Leich- nams verschwunden sein u. s. w. Der Geübteste vermag daher oft nicht anders, als in ziemlich breiten Terminen abzuschätzen, z. B. „zwischen zwanzig und dreissig Jahren". Sehr täuschen können in dieser Beziehung namentlich auch Kinderleichname, was man von vornherein nicht glauben sollte, da die Abschätzung des Alters bei lebenden Kindern im Allgemeinen viel leichter ist, als bei Erwachsenen. Aber hier fallen gleichfalls Art und Wesen, Bekleidung und andere Momente in's Auge, von denen uns der nackte Leichnam Nichts zeigt. Erwägt man nun, wie verschieden das Wachsthum bei den verschiedenen Kindern vor- schreitet, wie aber gerade die Grösse des Körpers bei Kindern fast das einzige Kriterium am Leichnam ist, das eine Grundlage für die Altersschätzung geben kann, erwägt man endlich, dass jeder Leichnam, nachdem die Todtenstarre vorüber, sich streckt, so wird man auch den Geübten entschuldigen, wenn er ein Kind von zwei für ein Kind von vier Jahren erklärt. 3) Die Körpergrösse. Für Neugeborne ist jedem Ge- riehtsarzte die Siebold'sche Waage zu empfehlen, die eine Unterlage von lakirtem Leier hat, auf welcher ein Zollstab mit Oelfarbe bezeichnet ist, wonach man die Länge des Kindes, das man mit beiden Händen darauf ausstreckt, mit Leichtigkeit ab- messen kann. Für Leichen Erwachsener dient ein einfacher, sechs Fuss langer Zollstock, dessen eines Ende nach Zollen ab- getheilt ist, am zweckmässigsten zur Bestimmung der Grösse. Eine senkrechte Linie, die man vom Wirbel auf den Zollstock fallen lässt, einerseits, und die untere Fläche der Hacken an- drerseits bilden die Gränzpunkte der Körperlänge. 4) Die allgemeine Leibesbeschaffenheit. Sie ist in allen Fällen ohne Schwierigkeit zu ermessen. Einen durch Fäul- nissiras aufgetriebenen Unterleib für einen Fettbauch, Anasarca für Wohlbeleibtheit zu erklären u. dgl. würde schon zu den gro- ben Irrthümern gehören. 5) Die Zeichen des Todes. Wir haben ihrer schon im §. 7. u. f. erwähnt. Ihre Aufsuchung und Schilderung zu Pro- tokoll darf natürlich niemals unterbleiben. Was aber die Todten- flecke, die Beschaffenheit der Hornhaut, die Leichenstarre be- trifft, so ist zu erwähnen, dass wenn der Leichnam bereits auch nur die ersten Spuren der Verwesung in einer, wenn auch noch so geringfügigen grünen Färbung der Bauchdecken zeigt, dass es dann, wenn man diesen Befund registrirt hat, des Aufsuchens und Registrirens der frühern (obigen) Zeichen des Todes gar nicht mehr bedarf. Das majus schliesst das minus ein, und über- flüssige Dinge zu Protocoll zu geben, vermeide man unter allen Umständen. 6) Farbe und Beschaffenheit der Haare. Was diesen und die noch folgenden Befunde betrifft, die die besonderste Indivi- dualität eines Körpers betreffen, so kann man wohl die Frage aufwerfen: ob, nachdem, bei der jetzigen Lage der Strafgesetz- gebung die sogenannte „individuelle Lethalität" (S. Strafgesetz- buch §. 185.) „nicht mehr in Betracht kommen soll", es ferner noch der Besichtigung und Schilderung der Haare, Augen, Zähne u. dgl. bedürfe? Indess, abgesehen davon, dass das ge- setzlieh bestehende „Regulativ« die Berüeksiehtigung dieser Theile im §. 10. vorschreibt, der einzelne (preussische) Gerichts- arzt also nicht befugt ist, sie zu unterlassen, würde auch eine wesentliche Aenderung grossem Bedenken unterliegen. Oft, vielleicht in den meisten Fällen, mag und wird es allerdings vollkommen unerheblich sein, ob der Mensch, dessen Todesart festzustellen die gewöhnliche einzige Aufgabe der gerichtliehen Leichenschau ist, braune oder blonde Haare, blaue oder grüne Augen, vollständige oder mangelhafte Zahnreihen gehabt hatte u. s. w. Indess ist im Augenblick der gerichtlichen Section der concrete Fall meist noch gar nicht zu übersehen, und Arzt und Richter ahnen jetzt oft noch nicht, auf welche anscheinend geringfügige Umstände im spätem Verlaufe der Untersuchung grosses Gewicht gelegt werden wird, deren früheres Unbeachtet- lassen man dann auf's Tiefste bedauern müsste. Im unten fol- genden 49. Fall von tödtlicher Misshandlung eines Kindes hatte die Thäterin demselben unter anderm auch die Krone eines Back- zahns ausgeschlagen, was sie, wie jede andre Gewaltthat, läug- nete. Dieses Defectes hatten wir im Obductionsprotocoll Er- wähnung gethan. Drei Tage nach der Section aber fand sich die Krone dieses Zahnes im Kehricht des Zimmers, in welchem die Angeschuldigte die Tödtung verübt hatte, und dieser Um- stand war natürlich von grosser Erheblichkeit. Auch in Betreff der Farbe der Haare und Augen kann ich ein lehrreiches Bei- spiel citiren. Es betrifft den unten mitzutheilenden 266. Fall, in welchem es sich um die Feststellung der Identität eines un- zweifelhaft Ermordeten handelte. Wir hatten natürlich bei der Inspection auch die Farbe der Haare (obenein eine, auf dem Kahlkopf festgeklebte Perrücke) und der Augen geschildert. Später wurde die, nach den Umständen vermuthete Identität dieser Leiche mit der eines vermissten Mannes zweifelhaft, und die Ehefrau desselben im Audienztermin auch über Farbe der Haare und Augen ihres verschollenen Ehemanns vernommen. Die sehr geistesarme Frau konnte aber dieselbe nicht angeben, die übrigens von andern Bekannten des Mannes festgestellt und mit unsrer Schilderung übereinstimmend gefunden wurde. Dies Beispiel zeigt zugleich, was auch der Process Schall (s. 28. Fall) in so schlagender Weise gelehrt hat, wie es namentlich bei un- bekannten Leichen auf die Besichtigung und Schilderung auch der unbedeutendst scheinenden Befunde ankommt. 7) Farbe der Augen. Sie täuscht gar nicht selten bei Leichen, abgesehen davon, dass das Farbensehen überhaupt be- kanntlich etwas Individuelles ist. Wenn die Leiche recht frisch, und die Farbe der Iris eine ganz entschiedene, blau oder braun ist, dann werden zwei und mehrere Beobachter sie allerdings als solche erkennen; nicht aber, wenn, wie so sehr häufig, die Farbe grünlich-blau, grau-braun oder ganz matt ist, wo man sicher sein kann, dass A. sie anders taxirt, als B. Dazu kommt, dass durch den Verwesungsprocess sehr früh die ursprüngliche Farbe, wie des Weissen im Auge, das rothbraun sugillirt, end- lich grünschwarz wird, so auch der Iris, die demselben Farben- spiel unterliegt, zerstört wird. 8) Zahl und Beschaffenheit der Zähne. Bei bekannten Leichen wird in der Regel die Bezeichnung: „vollständig" oder „unvollständig" genügen. Bei Unbekannten dagegen bedarf es, aus den oben angegebenen Gründen, eine genauere Beschreibung ihrer Zahl und Beschaffenheit. Ich erinnere daran, dass im Schall'sehen Process der Kopf des Ermordeten zum dritten- male bloss und allein wegen der nachträglich im Laufe der Un- tersuchung nothwendig gewordenen Besichtigung seiner Zähne angeordnet und ausgeführt wurde (s. S. 90). 9) Die Lage und Beschaffenheit der Zunge. Wie allge- mein, und doch wie irrig die Lage (Einklemmung) der Zunge zwischen den Kiefern oder Zähnen, oder vor denselben als Zei- chen des Erstickungstodes angesehen wird, ist unten noch nach- zuweisen. Nichtsdestoweniger ist die Berücksichtigung der Lage der Zunge: ob hinter, zwischen oder vor den Zähnen (Kiefern) nicht zu umgehen. Noch wichtiger aber ist ihre Beschaffenheit. Sie ist angeschwollen oder normal, verletzt oder unverletzt, und namentlich bei noch zweifelhaften Vergiftungen durch Aetzgifte kann die Beachtung oder Nichtbeachtung ihrer Schleimhautfläche den Fall aufklären oder verdunkeln, wie nachstehender, sehr eigenthümlicher Fall beweist. 29. Fall. Selbstmord durch Schwefelsäure für Mord durch Halsschuitt- wunden erklärt. Am 24. Juni IS** fand man in einer Kreisstadt unfern Berlins eine Mutter mit ihren beiden kleinen Kindern mit grossen Halsschnittwunden todt in ihrem Zimmer. Die Todesart der Kinder wurde durch die Ob- ducenten als unzweifelhaft durch die Verletzungen entstanden festgestellt. Nicht so die der mütterlichen Leiche. Die Obducenten wollten einen „Erguss von einem halben Pfund schwarzem, dickflüssigen Blutes in der Bauchhöhle, die Magenhäute zerrissen und mit schwarzem, dickflüssigem, verkohltem Blute gefärbt, ebenso die Milz zerrissen und breiartig"' gefunden haben, und der Physicus erklärte, dass hier ein dreifacher Mord, und der an der Mutter namentlich in der Art verübt worden, dass sie entweder zuerst vier Schnitte in den Hals bekommen habe, dadurch umgefallen sei, und durch den Fall eine Zerreissung der sehr dünnen Magenhäute und der Milz erlitten habe: oder die Verstorbene habe zuerst einen Schlag vor den Magen erhalten, wodurch dieser und die Milz zerrissen und der Blut- erguss bedingt, und dann seien ihr die Halsschnittwunden beigebracht worden. Abweichend hiervon war die Ansicht des zweiten Obducenten. und da obenein sich in den einzelnen Angaben Schwankungen und Wi, dersprüche ergaben, so beschloss die Staatsanwaltschaft mich sofort und vor Beerdigung der Leiche zur Abgabe eines Superarbitvii telegraphisch zu berufen. Ich fand dieselbe bereits bekleidet im offnen Sarge. Ein gelbbrauner Streifen vom Mundwinkel bis zum Kinn verlaufend Hess sogleich auf Ver- giftung durch Schwefelsäure schliessen. Die Zunge, die bei der Ob- duetion gar nicht untersucht worden war, zeigte sich, mit einem Haken hervorgezogen, halb gegerbt und mit einer blutig-schleimigen Flüssigkeit überzogen, welche blaues Lacmuspapier augenblicklich röthete. Eben dieselbe Reaction zeigte der schwarze Brei aus der Bauchhöhle, d. h. der verbrannte Magen mit seinem Inhalt! Hiernach konnte, ohne jede weitere Untersuchung, die Erklärung abgegeben werden: dass die Mut- ter, nachdem sie ihre Kinder getödtet, einen Selbstvergiftungsversuch durch Schwefelsäure gemacht, und nachdem sie nicht sogleich den Tod o-efunden, sich gleichfalls mit demselben Rasirmesser, das blutbefleckt am Boden lag, getödtet hatte. Dies Gutachten wurde nach meiner Ab- reise noch an demselben Abend durch die Haussuchung vollkommen be- stätigt, indem man einen Brief der Denala, der ihren Vorsatz verkün- dete und den Rest von Schwefelsäure in ihrem Schranke vorfand. 10) Die Beschaffenheit der natürlichen Höhlen, der Ge- hörgänge, der Nasen-, Mund- und Rachenhöhle, des Afters und der weiblichen Geschlechtstheile. Die Fälle sind allerdings selten, in denen man fremde Körper in diesen Höhlen findet, indess sie kommen vor, namentlich bei Ertrunkenen, wo man Schlamm, Erde u. dgl. findet, und bei Erstickten, zumal Neu- gebornen, die eben durch Ausstopfen des Mundes mit allerhand fremden Körpern erstickt wurden. Aber auch in andrer Be- ziehung darf die Untersuchung, namentlich der Mund- und Rachenhöhle nicht verabsäumt werden, zumal bei vermutheten Vergiftungen durch Aetzgifte, in welchen Fällen man die Re- actionsspuren schon im Munde und Rachen erwarten kann und findet, und bei Menschen, die sich durch Sehuss in den Mund den Tod gegeben hatten. Was die Untersuchung der Scheide betrifft, so kann der Thatbestand der Jungfernschaft, der gerade fliessenden Catamenien, Verletzungen an und in den Theilen u. s. w. von einer Wichtigkeit werden, die man oft im Augen- blicke der Obduction noch nicht ahnt. Am After ist namentlich auf Kothausfluss zu achten, obgleich ich diesem Befunde keinen Werth zuschreibe, da man ihn nach allen plötzlichen Todesarten eben so häufig findet, als vermisst, auch Zufälligkeiten, wie der Transport der Leiche, das Abspülen des ausgeflossenen Kothes durch Wasser bei der darin liegenden Leiche u. dgl. m. ihren Einfluss äussern. 11) Eine ganz besonders genaue Beachtung bei der In- spection verdient in allen Fällen der Hals aus naheliegenden Gründen. Die kleinste gelbbraune Stelle kann von vornherein auf Erdrosselung deuten, und es giebt Fälle, wo der innere Befund die wirklich geschehene Strangulation so zweifelhaft er- scheinen liisst, dass die genauste Untersuchung und Würdigung des äussern Befundes vom erheblichsten Werthe für die Beut- achtung wird. Eben so wichtig ist die Berücksichtigung der Integrität des Kehlkopfes und der Halswirbel. In letzterer Be- ziehung will ich darauf aufmerksam machen, dass man sich durch anscheinend grosse Beweglichkeit des Kopfes nicht zu früh verleiten lasse, auf Luxation oder Bruch der Halswirbel zu schliessen. Wenn das Stadium der Todtenstarre vorüber, wenn die Leiche mager, oder wenn das Fett nicht durch nie- dere Temperatur halb erstarrt ist, und ganz besonders bei klei- nen Kindern ist eine sehr leichte Beweglichkeit des Kopfes ein ganz gewöhnlicher Befund. Dass endlich am Halse auch klei- nere eindringende Verletzungen, äusserlich ganz unerheblich scheinend, von der grössten Bedeutung für die Feststellung der Todesursache werden können, und deshalb nicht übersehn wer- • den dürfen, bedarf keiner weitern Erwähnung. 12) Die Hände. Sie bieten vielfach für die Beurtheilung wichtige Befunde dar. Nicht alltäglich war ein Fall, in wel- chem es zweifelhaft ward, ob ein Trauring im Leben getragen, oder erst der Leiche aufgesteckt worden war, ein Zweifel, der durch den Befund einer tiefen Rinne am Finger leicht gelöst wurde. Aber um so häufiger sind die Befunde von angetrock- netem Blut an den Händen, das bei Zweifel darüber, ob Mord oder Selbstmord vorliege, wichtig werden kann, von eingebrann- tem Pulver bei erschossen Gefundenen, von Verletzungen an einer Hand eben solcher Leichen, Befunde, die gleichfalls bei dieser Frage maassgebend für die Begutachtung werden kön- nen, von grauer Farbe der Hände und Füsse und Längenfalten in deren Haut, dem bekannten Befunde an Leichen, die länger als vierundzwanzig Stunden im Wasser gelegen hatten, von Sand, Schlamm u. dgl. an und unter den Nägeln bei eben sol- chen Leichen u. s. w. Wir werden bei den betreffenden ge- waltsamen Todesarten hierauf zurückkommen. 13) Die Gesehlechtsthcil e müssen, wie jeder einzelne Theil, beachtet werden (s. sub 10.). Sie bieten jedoch höchst selten etwas für die Beurtheilung eines zweifelhaften Falles Brauchbares. Nur der Befund von microscopisch nachgewiese- nem Erguss von Saamen bei erhängt gefundenen Männern und von besonderer Verkürzung der Längendimension des Gliedes bei Wasserleichen macht eine Ausnahme, wie unten näher dargethan werden wird (s. §. 45. und §. 54. spec. Tbl.). Als gewiss absonderliches Curiosum erwähne ich, dass mir in einem Falle die Frasre vorgeles-t wurde: ob ich aus der Beschaffenheit der Genitalien bestimmen könne, dass denatus an einem gewissen Tage, drei Monate vor seinem Tode, zeugungsfähig gewesen! 14) Die allgemeine Farbe des Leichnams. In der Re- gel wird man finden und genügt die Angabe zu Protocoll: die gewöhnliche Leichenfarbe. Dieser ungemein ähnlich und schwer davon zu unterscheiden ist die dem weissen ungebleichten Wachs, wie es im Handel vorkommt, ähnliche, also schmutzig hellgrünlich-weisse Farbe der an äussern oder innern Verblu- tungen Gestorbenen. Wenn Kopfverletzungen nach längerer Krankheit tödtlich wurden, so findet man sehr häufig die icte- rische Färbung, die die Kranken im Leben zeigten, an der ganzen Leiche wieder. Auch noch andre Farben kommen am Leichnam vor; so die rothbraune Färbung der ganzen Ober- fläche bei Abortivfrüchten, die Rostfarbe bei Körpern, die ge- röstet, die schwarze Verkohlungsfärbung bei solchen, die ganz verbrannt worden waren u. s. w. Bei der Schilderung der all- gemeinen Hautfarbe hat man zugleich die Verwesungsfärbungen, und wenn diese noch nicht sichtbar, die Färbung durch Tod- tenflecke anzugeben. Nicht dringend genug muss angerathen werden bei verdächtigen oder nur auffallenden Flecken, die be- treffenden Stellen rein abzuwaschen, weil man im Unterlassungs- falle sehr leicht getäuscht werden kann, indem man etwas wich- tiges nicht sieht, z. B. durch Schwefelsäure verbrannte Haut- stellen, oder kleinere Verletzungen, die mit Blut bedeckt sind, oder weil man etwas sieht oder zu selm glaubt, z. B. einge- branntes Pulver, eine Contusion u. s. w., während der Gebrauch des nassen Schwammes zeigt, dass man nur Schmutz vor sich hatte — ein sehr alltägliches Ereigniss!*) § 30. Fortsetzung. Abnormitäten am Körper, a) Krankheitsproducte. Es ist nichts Seltenes, mannigfache Abweichungen von der Körperbeschaffenheit des Gesunden an gerichtlichen Leichen zu finden, z. B. Hernien, Defecte von Organen, Geschwülste aller Art, Verkrümmungen, Fussgeschwüre, decubitus, hydropische Anschwellungen u. s. w. Bei bekannten Leichen, also bei solchen, bei denen die Feststellung der Identität gar keine Schwierigkeiten hat, können alle dergleichen Befunde mit den kürzesten Worten zu Protocoll geschildert werden, wenn nicht eine genauere Untersuchung und Schilderung durch die Lage des Einzelfalles geboten ist, z. B. und namentlich, wenn das Kunstverfahren des Arztes, der den Verstorbenen behandelt hatte, in Frage steht. Ganz dasselbe gilt, wie ich wiederhole (s. §. 23. S. 65), von innern Abnormitäten: Tuberculose der Lungen, Verknöcherungen oder andern organischen Veränderun- gen am Herzen, Ovarialgeschwülsten u. s. w. u. s. w., voraus- gesetzt, dass nicht der eben genannte Fall vorliegt, und dass die organische Abnormität nicht mit dem Tode in irgend einem Zusammenhange steht. — Bei unbekannten Leichen dagegen ist es allerdings nothwendig, die ausser lieh sichtbaren Ab- normitäten und Krankheitsproducte genauer in's Auge zu fassen und anzugeben; denn die Erfahrung hat oft genug Fälle kennen gelehrt, in denen das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein eines Fussgeschwürs, des Defectes eines Fingers u. s. w. wesentlich zur Feststellung der zweifelhaften Identität beitrug. *) Was noch speciell die Inspection der Leichname Neugeborner betrifft, 8. §. 77. u. f. spec. Thl. §. 3L Fortsetzung, b) Narben. In vielfacher Beziehung können Narben am Leichnam, wie- der zumal am unbekannten, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen müssen, und zu mannigfachen richterlichen Fragen Veranlassung gelben» Zunächst kann man fragen: verschwinden Narben ganz und gar? und diese Frage wurde im Schall'sehen Pro- cesse von solcher Erheblichkeit in Beziehung auf Schröpfnarben und Tätowirungen (s. §. 32.), dass sie sogar zu einer Ausgra- grabung der Leiche Veranlassung gab. — Narben mit Substanz- verlust verschwinden niemals, wie man z. B. bei den älte- sten Männern, die in ihrer Jugend Schanker oder Bubonen hat- ten, die mit Substanzverlust heilten, sehen kann, und wie Lei- chen mit längst geheilten Fuss- oder andern Geschwüren zei- gen. Hierhin gehören auch die Narben von lange geeitert habenden Fontanellen und Vesicatoren, die gleichfalls nie ganz verschwinden. Hierhin endlich bekanntlich die ächten Pocken- narben, weil alle diese Narben durch Zerstörung der Hautge- bilde Substanzvcrlust bedingen. Dagegen können Narben von Verletzungen, die nur die Epidermis trafen oder weniger tief in die Cutis eindrangen, ganz verschwinden, und an der Leiche nicht mehr sichtbar sein, wenn sie auch unzweifelhaft früher am Lebenden gesehn worden waren. Dahin gehören nicht nur Nadelritze, sondern auch Aderlass-, Blutegelstich- und Schröpf- narben. Von der grössern oder geringem Tiefe, in welcher die Gefässe und Gewebe der Cutis verletzt worden waren, hängt die Länge der Zeit ab, in welcher die Narben bis zur Unkennt- lichkeit verwachsen können, aus welchem Grunde es schwer ist, einen derartigen Termin festzustellen, wozu mir übrigens rei- chere Erfahrung abgeht. Dass Blutegelstiche und Schröpfnarben, wenn tief geschröpft wurde, sehr häufig noch nach vielen Jah- ren am Lebenden deutlich wahrnehmbar sind, sieht man aller- dings täglich; nach noch mehrern Jahren indess können sie endlich dennoch verschwinden. Ein in Frankreich übliches Casper, sjcrichtl. IMcilicin. Q Verfahren, wovon Dcvergie*) berichtet, beweist aber auch, dass selbst die Narben von tiefern Verletzungen der Haut noch im Leben verschwinden können. Devergie bemerkt nämlich, dass, um bei gebrandmarkten Galeerensträflingen die verschwun- dene Marke wieder hervorzurufen, man die betreffende Haut- stelle mit der flachen Hand schlage, bis sie sich röthet, wo dann die Brandnarbe, die sich nicht röthen kann, weiss hervor- tritt und wieder sichtbar wird. — Nicht verschwindende Nar- ben ferner sind solche, die von Verletzungen entstanden, welche nicht durch prima mtentio, sondern durch Granulation heilten. Solche Narben findet man nicht selten an gerichtlichen Leichen, die ja meistentheils den niedern Volksklassen angehören, als Folge von Prügeleien u. dgl. im behaarten Theile des Kopfes, in der allgemein bekannten Form. Eine zweite Frage nun ist die: ob man aus der Art der Narbe, namentlich aus ihrer Fär- bung, auf ihr Alter, d. h. auf die Zeit der Verletzung, die sie bedingte, zurückschliessen könne? Alle Narben, die von Exan- themen, wie die von Verletzungen herrührenden, zeigen bekannt- lich Anfangs eine entschieden höhere Rothe, als ihre Umgebung, und werden später und endlich weiss und schillernd. Aber die Art der Veranlassung der Narbe und die Individualität des Verletzten — die wir ihrerseits nur wieder hypothetisch als Bedingung annehmen müssen, da wir a posteriori darüber nichts wissen — machen hier die grössten Abweichungen. Man weiss, in wie verschiedenen Zeitfristen die Anfangs dunkelrothen Pok- kennarben bei den verschiedenen Menschen erbleichen, so dass sie bei Einigen nach sechs bis acht Monaten schon weiss sind, während sie noch bei Andern nach zwei und drei Jahren recht unangenehm roth in's Auöfc fallen. Dasselbe sieht man bei allen Narben, auch bei denen von Verletzungen. Das Urtheil des Gerichtsarztes, betreffend das Alter einer Narbe, wird daher immer nur mit grösster Vorsicht, und mit Gewissheit nur in negativer Beziehung abgegeben werden können. Man wird mit Gewissheit z. B. beim Vorfinden einer ganz weissen, glänzend schillernden Narbe wohl sagen können, dass sie nicht von einer Verletzung herrühren könne, die erst vor zwei, drei, vier Wo- chen beigebracht worden, weil die Erfahrung lehrt, dass Nar- ben in so kurzer Zeit unter keiner Bedingung erbleichen, aber nicht würde ich in demselben Falle urtheilen mögen, ob diese Narbe zwei oder sechs Jahre alt sei. — Narben also mit Substanzverlust und Narben von granulirenden Wun- den und Geschwüren verschwinden niemals und sind noch an der Leiche sichtbar. Narben von Blutegel- stichen, Aderlass- und Schröpfwunden können in einer nicht näher zu bestimmenden Zeit verschwin- den, und nicht mehr am Leichnam wahrnehmbar sein. Ueber das Alter einer Narbe ist es schwer oder un- möglich, mit Gewissheit etwas zu bestimmen. §. 32. Fortsetzung, c) Tätowirungsmarken. Wie schon im 28. Fall erwähnt wurde, hatten wir in einem höchst dunkeln und verwickelten Criminalfalle die Frage zu be- antworten: ob Tätowirungen, die im Leben vorhanden wa- ren, an der Leiche spurlos verschwunden sein können? Die Frage war ganz neu und bei dem gänzlichen Mangel jeder Be- lehrung darüber in der gesammten Literatur nur durch eigene Untersuchungen zu ergründen. Musste sie verneint werden, dann konnte die Leiche des concreten Falles nicht die des Ver- missten gewesen sein, welcher notorisch im Leben Tätowirun- gen gehabt hatte, und mit der bestrittenen Identität fiel die ganze Anklage gegen den angeschuldigten Raubmörder, was nicht der Fall war, wenn es sich ermittelte, dass nur bei einem einzigen Menschen jemals solche Marken wirklich spurlos ver- schwunden waren. — Das Tätowiren, wozu bei uns, und zwar fast ausschliesslich nur von Männern, vorzugsweise die Arme, aber auch wohl die Brust gewählt werden, während wilde Völ- 8* kersehaften mehr oder (weniger den ganzen Körper graviren und dadurch äusserlich ein Rang\erhältniss bezeichnen, wird bewerkstelligt, indem drei oder vier Nähnadeln, die in einen Pfropfen oder ein Stück Holz gesteckt und bis gegen die Spitze umwickelt werden, in die Haut, auf welche vorher die ge- wünschte Figur gezeichnet worden, tief eingestochen werden. Unsere tätowirungslustigen Männer (Soldaten, Schiffer u. dgl.) wählen gewöhnlich ein oder auch zwei Herzen, ihre oder ihrer Geliebten Anfangsbuchstaben, eine Jahreszahl, gekreuzte Schwer- ter, eine Tabackspfeife u. dgl. Wenn die Blutung aus den kleinen Stichwunden aufgehört, wird in die frischen Wunden ein Farbestoff eingerieben, und zwar meistentheils Zinnober, Schiesspulver, gewöhnlich beides, um ein Maal bunt zu machen, oder schwarze Tusche, Kohle, Tinte, oder Berliner (Wasch-) Blau. Um in grösserm Maassstabe zu untersuchen, ob solche Marken möglicherweise durch vollständige Resorption des Farbe- stoffes bei der fortwährenden Regeneration der Cutis noch im Leben wieder verschwinden können, und in der Voraussetzung, dass eine grössere Menge recht alter Soldaten diesen Maassstab liefern würde, untersuchte ich die Bewohner unsers Königl. In- validenhauses, unter denen ich sechsunddreissig früher tätowirt gewordene Männer vorfand. *) Während nun bei Einem nach vierundfunfzig Jahren noch einzelne Tätowirungen deutlich, bei vielen Andern nach mehr als vierzig Jahren ganz deutlich wahr- nehmbar, waren sie bei zwei Andern, nach achtunddreissig und sechsunddreissig Jahren, spurlos verschwunden. Als allgemei- nes Resultat ergab sich, dass unter 36 Tätowirten bei dreien die Marken mit der Zeit ausgebleicht, dass sie bei zweien theilweis und bei vieren verschwunden waren. Folglich war unter neun Fällen Einmal die Tätowirung im Laufe der Jahre verschwunden. In öffentlicher Schwurgerichtssitzung, in welcher *) Siehe das genauere Verzeicliniss dieser Tätowirungen in m. Viertel- jahrssclirift I. S. 288. ich dies Ergebniss verkündete, fand sich ein gebildeter Zeuge, der seinen, in der Jugend mit Zinnober tätowirten Arm vor- aeigte, an welc hem jede Spur einer Marke völlig verschwunden war. — Dieselben Untersuchungen an Invaliden hat ein Jahr später Dr. H u t in in Paris nach unscrm Vorgange im dortigen grossen In- validenhause in noch grösserm Maassstabe wiederholt, indem er unter 3000 Invaliden 506 fand, die früher tätowirt worden waren. Seine Untersuchung hat, wie die Mittheilung derselben an die Aca- demie der Medicin (Januars - Sitzung von 1854) zeigt, im We- sentlichen ganz den meinigen ähnliche Ergebnisse geliefert. Die Farben waren die oben genannten gewesen, und auch hier, wie überall, vorzugsweise Zinnober angewandt worden. Die hier- mit gemachten Marken verwischen sich, nach Hut in, oft zum Theil oder völlig; die mit Tusch oder gepulverter Kohle ge- machten bleiben sichtbar, die mit Schiesspulver, Waschblau oder Tinte gefärbten erbleichen gewöhnlich, verschwinden aber nicht ganz. Unter 506 früher Tätowirten fand auch dieser Beobach- ter bei 47 die Marken vollständig verschwunden, also fast das- selbe Verhältniss, das sich in meinen Untersuchungen ergeben hatte (1 : 10i). — Die einmal angeregte Frage ist noch von einem andern Pariser Arzte weiter verfolgt worden, von Tar- dieu, der zwei Jahre später gleichfalls eigene Beobachtungen angestellt und eine werthvolle Abhandlung über Tätowirungen in gerichtlich-medicinischer Beziehung veröffentlicht hat. *) Un- ter 76 von ihm untersuchten, früher tätowirt gewesenen Indivi- duen waren bei 3 die Tätowirungen ganz verschwunden. Das gegen unser und Hutin's Verhältniss auffallend geringe von nur 1:25 erklärt Tardieu aus der Wahl des Farbestoffes. Bei den von mir und bei den von Hut in untersuchten Invali- den war, wie bemerkt, vorzugsweise Zinnober dazu angewandt worden, während die Tar dieu'sehen Männer in überwiegendem Verhältniss mit chemischer Tusche tätowirt gewesen waren. *) Annales d'Hygiöne publique Janv. 1855. S. 171 u. f. Tardieu behauptet nun, dass Zinnober und blaue Tinte weit weniger ausdauern als Tusche, Russ und Waschblau. Es würde dies mit andern Worten heissen, dass jene Farbstoffe leichter resorbirt werden, als die letztern. Denn wie schon Folün in den Lymphganglien den Farbstoff aus einer verschwundenen Täto- wirung wieder gefunden, so hat auch unser hiesiger verstorbe- ner talentvoller Prosector, Prof. v. Meckel, dieselbe Beobach- tung bei mehrern tätowirten Leichen gemacht. Schon bei Sub- jecten, die erst vor kurzem tätowirt waren, fand derselbe Zin- nober, Kohle u. dgl. in den Lymphdrüsen. Ich kann dies aus eignen neusten Beobachtungen bestätigen. Bei einem zwanzig- jährigen Ertrunkenen, der ein ungemein lebhaftes rothes A., of- fenbar erst vor ganz kurzem eingegraben, auf der innern Fläche des linken Vorderarms hatte, sahn wir mit unbewaffnetem Auge sehr deutlich Zinnober in den Achseldrüsen. Einen andern Fall versinnlicht die Abbildung Taf. VIII. Fig. 25. Sie zeigt eine Achseldrüse aus der Achselgrube eines sechszigjährigen an eitriger Lungenbrustfell-Entzündung gestorbenen Mannes, der auf derselben Stelle wie der eben Genannte ein lebhaft und kräftig zinnoberrothes grosses Herz tätowirt hatte, in welchem J. C. G. 1848 zu lesen war. Am Rande der Drüse sah man den Zinnober ungemein reichlich und deutlich eingesprenkelt. Noch reichlicher fand Meckel Zinnober in den Achseldrüsen, wenn die Tätowirungen am Arme schon fast zur Unkenntlich- kenntlichkeit erbleicht waren, so dass zu erwarten ist, dass man noch in den Drüsen das resorbirte Färbematerial finden werde, wenn die Hautzeichnung schon völlig verschwunden ist. — Ob und welchen Einfiuss auf das Verschwinden der Tätawirüngen, ausser der Verschiedenheit des angewandten Farbstoffes, auch noch die Individualität des Menschen, seine Lebensweise, die Tiefe der Stiche u. s. w. haben, muss ich, bei der Neuheit der Sache, für jetzt noch dahin gestellt sein lassen. Zu bestimmt äussert sich auch Tardieu über eine andere Frage, wenn er nämlich meint, dass man auch an den Tätowirungs-Zcichnungcn als solchen die zweifelhafte Identität, den Stand des Verstorbe- nen n. s. w. festsellen könne, indem er gefunden zu haben glaubt, dass z. B. Soldaten andre Bilder einstechen lassen, als Matrosen, diese wieder andre als öffentliche Dirnen u. s. w. Es ist einleuchtend, dass hier grosse Irrthümer vorfallen können, und dass überhaupt die Thatsache selbst unmöglich so feststehen kann, um als allgemein gültig anerkannt werden zu müssen. Dagegen ist eine andre Angabe Tardieu's von practischer Wichtigkeit, die nämlich, dass man Tätowirungen auch künst- lich verschwinden machen kann. Auf die Mittheilung eines Sträflings, der dies Verfahren angewandt hatte, um den Rich- ter zu täuschen, hat Tardieu einen vollkommen gelungenen Versuch an einem Hospitalkranken gemacht, der ein mit Tusch täto wirtes Crucifix am Vorderarm hatte. Die Marke wurde nach diesem Verfahren mit einer Salbe aus reiner Essigsäure mit Fett, dann mit Pottasche und später mit verdünnter Hydro- chlorsäure eingerieben. Die dick aufgestrichene Salbe wurde '24 Stunden auf dem Arm gelassen, dann 4—5 Mal am nächsten Tage die £a&-Auflösung auf den Arm gerieben. Beide Opera- tionen verursachten nur einen sehr geringen Schmerz. Am nächstfolgenden Morgen hatte sich eine dünne, aber fest anlie- gende Kruste gebildet, die am siebenten Tag^e abfiel. Es bil- dete sich aber von selbst eine neue Kruste, die mehr als 14 Tage stand, und die dann abfiel und eine flache Narbe hinterliess, in welcher auch nicht die mindeste Spur der frühern Zeichnung mehr sichtbar war. Auch Versuche dieser Art werden zu wie- derholen sein. Schon jetzt aber haben unsre, wie Hutin's und Tardieu's Untersuchungen festgestellt, was in vorliegen- den Fällen zweifelhafter Identität bei Leichen zu verwerthen ist: dass Täto wirungsmarken im Leben vollständig verschwinden können, in nicht wenigen Fällen wirk- lich verschwinden, so dass sie an demselben todten Körper völlig unsichtbar sind, bei welchem sie von Zeugen im Leben gesehn worden waren, und dass ihr früheresVorhandengcwesensein möglicher weise noch in den Lymphdrüsen der Achseln nachgewiesen wer- (1 e n k a n n. §. 33. Fortsetzung, d) Verletzungen. In Betreff' dieses wichtigsten Punktes bei der äussern ge- richtsärztlichen Besichtigung des Leichnams sind mehrere Fälle zu unterscheiden. 1) Es sind gar keine äussern Verletzungen sichtbar, ob- gleich, allen Anzeichen nach, der Tod auf eine gewaltsame und zwar auf solche Weise erfolgt war, die Spuren an der äussern Oberfläche des Körpers mit Sicherheit hätten voraussetzen las- sen, z. B. durch Misshandlungen, Fusstritte, Ueberfahren, jähen Fall und Sturz u. dgl. m. „Spuren äusserer Gewalt fehlten", ist die gewöhnliche Formel in den öffentlichen Aufgeboten der Gerichte, unbekannte aufgefundene Leichname betreffend, und damit wird vorausgesetzt, dass die Vermuthung eines gewalt- samen Todes nicht vorliegt, und dass es einer gerichtlichen Obduction nicht mehr bedürfe, denn wo keine solche „Spuren" äusserlich wahrnehmbar, da wird auch innerlich eine Verletzung als Todesursache nicht zu erwarten sein. Man wird bei Laien eine solche Schlussfolgerung entschuldigen, wenn man weiss, dass die Handbücher über gerichtliche Medicin diese Frage, gleichsam als eine selbstverständliche, ganz und gar unberührt lassen. Nur Henke spricht bei den Milzrupturen davon, dass man bei denselben zuweilen äusserlich am Leichnam weder eine Sugillation, noch eine andere Abnormität wahrnähme, und be- weist auch hiermit nur wieder, dass ihm practischc Erfahrungen ganz abgehn. Die Thatsache stellt sich nämlich ganz und gar anders, wie die hier beispielsweise folgenden Fälle der verschie- densten allererheblichsten Verletzungen, die sich äusserlich am Leichnam auch nicht durch die geringste Sugillation oder Ver- letzung verriethen, unzweifelhaft beweisen. Ja ich bin jetzt durch eine so reiche Anzahl von Beobachtungen dieser Art und ihre EWaguog zu der Ueberaeugung gekommen: dass man so- gar in der Regel bei allen solchen Verletzungen, die einen plötzlichen oder sehr raschen Tod zur Folge haben, namentlich bei allen Organrupturen, die schnell tödtliche innere Verblutung bedingen, keine äussern Spuren der Gewalt findet, vorausgesetzt natürlich, dass diese keine an sich durch- dringende, wie ein Schuss u. s. w. gewesen, weil in dem noch kurzen Leben des Verletzten eine Sugillation gar nicht mehr zu Stande kommen konnte. Diese Erfahrungen haben uns in nicht seltnen Fällen in den Stand gesetzt, bei Leichen von Menschen, die durch Sturz, Anprellen beim Ueberfahren, Fall u. dffl. "-etödtet waren, und an denen äusserlich gar Nichts zu bemerken war, eben deshalb schon bei der Inspection eine Ruptur zu diagnosticiren, die sich dann jedesmal bestätigt fand. In solchen Fällen konnte auch dem Richter dann natürlich die Nothwendigkeit der, des negativen äussern Befundes wegen, schon für überflüssig erachteten Section der Leiche deutlichst nachgewiesen werden. 29. Fall. Eippenbruch und Ruptur der Leber durch Ueberfahren ohne äussere Spuren. Ein Arbeitsmann war durch Anfahren eines Wagens umgeworfen und schnell tödtlich verletzt worden. Ausser einer handtellergrossen, wie verbrannt aussehenden Hautstelle auf der linken Brusthälfte und einer unerheblichen Sugillation am rechten Hüftbein, denen keine innere Beschädigung entsprach, war am Leichnam äusserlich Nichts auf- fallend. Dagegen fand sich ein completer Längenriss der Leber, der sie in zwei Hälften getheilt hatte und ein Queerbruch der fünften und sechsten rechten Rippe, die unentdeckt geblieben wären, wenn nicht jene unerheblichen äussern Verletzungen zu einer gerichtlichen Section des Leichnams Veranlassung gegeben hätten. 30. Fall. Ruptur der Leber durch Ueberfahren ohne äussere Spuren. Ein starker, vierzehn Monate alter Knabe war durch Ueberfahren getödtet worden. Ausser kleinen Hautabschilferungen am Hinterkopfe und einer etwa wallnussgrossen Ecchymoso am rechten grossen Trochanter war äusserlich gar nichts Abnormes am Leichnam wahrzunehmen. Der Kopf war durchaus unbeschädigt. Eben wegen dieses negativen Be- fundes bei einem Uebergefahrnen diagnosticirte ich schon vor der Section eine Ruptur der Leber oder der Milz, welche erstere sich auch fand. Der rechte Leberlappen war durch einen Längenriss fast ganz abgetrennt. 31. Fall. Ein ähnlicher Fall. Durch Ueberfahren war ein sechsjähriger Knabe getödtet worden. Mit Ausnahme von ganz unerheblichen, bohnengrossen Sugillationen am linken Hüftbein, linkem Knie, linkem Knöchel und rechtem Stirnbein ergab die Leiche nichts Auffallendes. Aber auch hier fand sich als Todesursache ein Längenriss der Leber, die ganz in zwei Theile getheilt gefunden wurde. 32. Fall. Durch Anprellen abgerissenes Herz; Bruch eines Dornfort- satzes; Riss der Lunge und Leber ohne äusserlich wahrnehm- bare Verletzung. Gewiss einer der allerseltensten Leichenbefunde ist ein ganz ab- gerissenes Herz! Ein 24jähriger Glashändler fuhr in strenger Win- terkälte Nachts die Anhöhe von Spandau mit einem mit Glaskisten schwer beladenem Wagen hinab, und war abgestiegen, um die Pferde besser leiten zu können. Der Wagen aber kam in's Rollen und der Unglückliche wurde, unstreitig mit grösster Gewalt, gegen eine der Pap- peln, die die Chaussee einfassen, geschleudert, an welcher man ihn noch in derselben Nacht, da der leer in Charlottenburg einfahrende Wagen sofortige Untersuchungen veranlasst hatte, todt liegend fand. Bei den allererheblichsten innern Beschädigungen fand sich auch hier wieder bei der äussern Besichtigung der Leiche — Nichts als eine kleine Hautab- schilferunsr auf dem rechten Jochbogen und eine eben solche auf dem linken Oberarm. Wer hätte den innern Befund ahnen solleu! Am und im Kopfe fand sich nichts Bemerkenswerthes, nur dass der Sift/ts trans- Versus mehr als gewöhnlich blutreich war. Beim Oeftnen des Rückgrat- kanals am Halse floss allmälig ein Quart dunkelflüssigen Blutes daraus hervor. Dor Processus spinosus des ersten Brustwirbels war ganz ab- gebrochen, und lag lose in den weichen Theilen. Die Rückenmuskeln waren in der Tiefe in der ganzen Rückenlänge sugillirt, das Mark aber war unverletzt. In clor linken Brust fanden sich dreissig Unzen dunkel- flÜssigen Blutes, und es fiel sogleich auf, dass man an der gewöhnlichen Stelle kein Herz sah, und dasselbe vielmehr lose ganz in der Tiefe ge- lagert war. Der Herzbeutel nämlich war in seinem ganzen Durchmesser zerrissen. Das Herz war von den grossen Gcfässen ganz und gar abge- rissen , so dass es fast frei in der Brusthöhle lag. Die beiderseitigen Endungen der Crossen Gefässe, namentlich der Pulmonararterie und der Aorta, konnten in der Brusthöhle deutlich verfolgt werden. Das Gewebe des Herzens war übrigens fest und derb, und das Herz enthielt in bei- den Hälften, namentlich in den Ventrikeln, noch viel dunkles, coagu- lirtes Blut (s. S. 26). Auch die linke Lunge war in ihrem mittlem Einschnitt fast ganz durchgerissen und endlich fanden wir im rechten Leberlappen noch einen zwei Zoll langen, \ Zoll tiefen Einriss! Und Nichts äusserlich an der Leiche Wahrnehmbares! 33. Fall. Misshandlungen. Bruch von fünf Rippen ohne äussere Ver- letzungsspur. Ein Nachtstück aus dem gemeinsten Berliner Leben bietet folgender Fall. M., ein höchst jähzorniger Mensch, lebte mit der B. in wilder Ehe, aber auch täglich in Zank und Streit. Am 20. December früh war die B. noch ganz gesund gesehn worden. Mittags, als ein Stubennach- bar nach Hause kam, misshandelte M. die B. auf die empörendste Weise, schlug sie abwechselnd mit der Faust und einem Holzpantoffel, wohin er auch traf, auf Kopf, Gesicht, Mund u. s. w., warf sie, ohne sich durch einen Augenzeugen abhalten zu lassen, auf einen Tisch, auf die Diele, fasste sie bei den Haaren, und warf sie, wenn sie sich erheben wollte, wieder zu Boden. Eine Zeugin beobachtete die Gepeinigte Nachmittags vom Hofe aus. Sie sah dieselbe halb entkleidet auf der Erde sitzen, mit Blut im Gesicht, geschwollenem Munde und fliegenden Haaren. Sie sah, wie M. sie dergestalt vor die Brust stiess, dass sie lang hinfiel. Die B. wollte dann aufstehn und nach dem Ofen gehn, wobei sie aber tau- melte. Hier packte sie M. abermals, warf sie rücklings nieder und gab ihr nun Fusstritte vor Brust und Leib. Abends um sieben Uhr starb die Gemisshandelte. Allerdings fanden sich zahllose Hautabschürfungen und Sugillationen an der Leiche, eine sugillirte Anschwellung der Augen- lider und eine Zerreissung der Schleimhaut der Lippen, offenbar von den Schlägen mit dem Holzpantoffel vor den Mund; wichtiger aber war der, durch keine äusserliche Spur am Leichnam geahnete Bruch der fünf ersten Rippen rechter Seits und ein Extravasat von einer halben Drachme halbgeronnenen Blutes auf der Varolsbrücke. Hierher gehört auch der schon oben (§. 27. S. 75) mitgetheilte Fall von Bruch von vier Rippen und Leberruptur ohne alle äussere Spuren. 34. Fall. Ruptur des Gehirns durch Ueberfahren, ohne äussere Kenn- zeichen. Ein bejahrter Schneider war durch Ueberfahren getödtet worden. Die ganze Leiche nicht nur, sondern namentlich auch der Kopf, boten nicht das geringste von der Norm Abweichende dar. Und dennoch fand sich eine Fissur vom Ende der Pfeilnaht bis zur Mitte des Schup- pentheils des linken Schlafbeins, und darunter lagen auf der Gehirnhe- misphäre drei Loth schwarzen geronnenen Blutes. Unier demselben be- fand sich endlich noch der sehr seltene Befund einer Zoll langen und klaffenden Ruptur des Gehirns, die mit zwei Unzen eben solchen Blutes ausgestopft war. Der Mann hatte noch sieben Stunden gelebt, und es waren ihm, wie die Leiche ergab, noch blutige Schröpfköpfe in den Nak- ken gesetzt worden. — Ich habe unter vielen Hunderten von Leichen- öffnungen nur diesen und einen zweiten Fall von Gehirnruptur gesehen. (Vgl. 271. Fall.) Dass derselbe, wie alle Organrupturen, eine höchst erhebliche äussere Gewalt voraussetzt, ist bekannt; denn gesunde Or- gane reissen überhaupt nur in Folge einer solchen. 35. Fall. Sturz aus der Höhe; Fractur des Schädels; Riss des Herzbeu- tels, der Leber undMilz; Einknickung von Rippen ohne äussere Spuren. Durch eine nicht seltene Unvorsichtigkeit fand ein reicher Brauherr in seinem eigenen grossartigen Etablissement einen schrecklichen Tod. Man hatte nämlich eine Fallthür, die von der obern Etage nach einem sechsundvierzig Fuss tiefen ausgemauerten Kellerschacht führte, in wel- chem die grossen Bierfässer lagen, offen gelassen, und in der Dunkelheit stürzte der Unglückliche in diesen Schacht hinab, und ward, alsbald ver- misst, todt heraufgezogen. Er war erst 44 Jahre alt geworden. Die Hautbedeckungen auf der linken Schädelhälfte waren in einem grossen Winkel abgeplatzt, ein Beweis, dass der Mann auf einen scharfen Rand, wahrscheinlich den eines Fasses, aufgefallen war. Das ganze Gehirn fand sich mit einer liniendicken Schicht dunkeln geronnenen Blutes über- zogen, und eben solche Extravasate sahen wir in den Seitenventrikeln. Die Basis Oranii war queerüber in zwei Theile auseinandergespalten, was allein einen Beweis der ausserordentlichen Gewalt abgab, die auf den Körper eingewirkt haben musste. Andere Beweise eben dafür gaben eine Zerplatzung des Herzbeutels seiner ganzen Länge nach, wobei aber das Herz unverletzt geblieben war, ein zwei Zoll langer transverseller Riss der Leber an der untern Fläche des linken Lappens und ein eben sol- cher an der Milz. Endlich fanden sich auch noch die vier ersten linken Rippen eingeknickt. Und bei diesen furchtbaren innern Verletzungen zeigte die Oberfläche der Leiche weder an der linken Brustseite über den geknickten Rippen, noch in der Milz- noch in der Lebergegend auch nur eine Spur einer Sugillation! 3C. Fall. Sturz aus der Höhe; Bruch des Brustbeins und der Rippen, Bruch eines Halswirbels; Ruptur des Rückenmarks und der Leber ohne äussere Merkmale. Ein 30jähriger Tagelöhner war sechszig Fuss tief in eine Kalkscheune hinabgestürzt, bewusstlos und röchelnd liegen geblieben und in diesem Zustande nach drei Stunden gestorben. Ausser unbedeutenden Hautab- schilferungen an den Händen und Unterextremitäten und einer geringen Sugillation im Nacken fand sich äusserlich keine Spur einer Ver- letzung, noch ein, auf innere Verletzungen deutendes Merkmal. Die Ob- duetion ergab 1) apoplectische Hyperämie in beiden Gehirnen; 2) einen Bruch des dritten Halswirbels, womit gleichzeitig ein Abbruch des Pro- cessus spinösus verbunden war; 3) war an dieser Stelle das Rücken- mark queer durchrissen und der Wirbelcanal mit halb coagulirtem Blute ausgestopft; 4) war das Stemum von seinem Handgriff scharf abgebro- chen, und 5) waren die zweite, dritte und vierte rechte Rippe gebrochen. Endlich fand sich 6) im rechten Leberlappen ein nur oberflächlich ein- dringender Tförmiger [Riss, und 7) eine kleinere Ruptur im Lobulus quadralUS. (Die geringe Menge von nur drei Unzen in die Bauchhöhle ergossenen Blutes erklärte sich aus der Oberflächlichkeit der Leberrup- turen.) Als eine für Physiologen beachtenswerthe Erscheinung erwähne ich noch, dass bei der Rückenmarksabtrennung hier die ganze Blutmasse eine sehr dunkle Farbe und halb coagulirte Consistenz hatte. 37. Fall. Tod durch Anprallen; Ruptur der Leber; äusserlich nichts Abnormes. Ein elfjähriges Mädchen war in ein Rosswerk gerathen, und von einem Balken an die Wand geschleudert worden. Der Tod war nach anderthalb Stunden erfolgt. Der Leichnam bot auch in diesem Falle wie- der nicht die geringste Spur einer Verletzung, und gerade deshalb, und in Erwägung der Todesursache und der Plötzlichkeit ihrer Wir- kung, schlössen wir auch hier wieder von vorn herein auf Ruptur eines wichtigen Organs. Eine solche ergab die Section denn auch in der Le- ber, nämlich einen sechs Zoll langen Längenriss, der den rechten Leber- lappen von hinten nach vorn getrennt hatte. Tn die Bauchhöhle waren siebzehn Unzen theilweis coagulirten Blutes ergossen. 38. Fall. Herabstürzen vom Wagen. Fractur des Brustbeins und der Rippen; Ruptur der Leber ohne äussere Spuren. Ganz ähnlich dem Vorigen war dieser Fall. Im harten Winter war ein Kutscher von seinem Wagen gefallen und bald darauf verstorben. Er wurde als an „Schlagfluss" gestorben angemeldet, und „Spuren äusserer Gewalt" sollten am Leichnam gefehlt haben. Und sie fehlten auch in der That vollständigst und auch hier prognosticirten wir eben deshalb wieder eine innere Ruptur um so mehr, als der Leichnam eine entschie- dene grünweissschmutzige (Verblutungs-) Farbe hatte. Die Ruptur fand sich in bedeutendstem Grade in der gesunden Leber, so dass der Sturz sehr heftig gewesen sein musste. Der rechte Leberlappen war ganz und gar abgerissen, und eine höchst bedeutende, zu Eis erstarrte Blutmasse lag in der Bauchhöhle. Die gefüllte Harnblase, deren Inhalt gefroren war, lag wie eine feste Kugel im Becken. Das Brustbein war dicht un- ter dem Manubrium queer und ganz durchbrochen, und in Queerbruchen waren auch die fünf letzten wahren Rippen rechterseits fracturirt. Keine äussere Spur einer Verletzung! Bemerken will ich noch, dass die ganz anämischen Lungen nicht, dagegen das ebenfalls anämische Gehirn fest gefroren war*). *) Vergl. zahlreiche andre Fälle der mannigfachsten und erheblichsten Verletzungen der harten und weichen Theile ohne äusserlich wahrnehmbare Spuren in der Casuistik des §. 8. spec. Tbl. 2) Ganz ungemein häufig findet man bei Leichen von Men- schen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, liier und da am Körper, namentlich an der Stirn, im Gesicht, auf den Ober- oder Unter-Extremitäten, den Ellenbogen, Handrücken, Knöcheln, am Schienbein u. s. w. einen oder mehrere verdächtige Flecke. Es sind kleinere, etwa %—k—\ Zoll im Durchmesser haltende, gewöhnlich rundliche, rothe oder rothbraune, oder schmutzig gelbbraune, mehr oder weniger hart und lederartig anzufühlende oder zu schneidende Stellen, die, wenn man sie einschneidet, wohl eine schwache Anfüllung der kleinen Blutgefässe, oft auch nicht einmal diese, aber keine eigentliche Sugillation ergeben. Es können diese Flecke den gerichtlichen Arzt in Verlegenheit setzen, und sie erfordern auch in der That in solchen Fällen, in denen der Tod des Betreifenden unter verdächtigen Umstän- den auf eine, bis dahin noch ganz und gar unbekannte Art er- folgt war, die genauste Beachtung und Beschreibung, da sie möglicherweise auf einen vorangegangenen Kampf deuten und immerhin Licht geben können. Aber in der Mehrzahl der Fälle, und die Umsicht des Gerichtsarztes wird ihn den Unterschied bald kennen lehren, haben diese Pseudo-Sugillationen eine ganz andre Bedeutung, indem sie nämlich nichts Anders sind, als Folgen eines Hinfallens oder Anstreifens des niederstürzen- den Menschen im Momente des Todes auf oder an irgend einen harten Körper, wo sie dann natürlich mit der Todesur- sache nicht im allergeringsten Zusammenhange stehen. Eben so leicht entstehen dieselben sogar nach dem Tode durch den rohen Transport der Leiche u. dergl. Ueber die Möglichkeit einer solchen Entstehung von Pseudo-Sugillationen selbst noch Tage lang nach dem Tode, oder von ähnlichen Veränderungen an der Oberfläche, die leicht mit lebendigen Reactions-Er- scheinungen verwechselt werden können, haben mir sehr viel- fache, noch fortwährend fortgesetzte Versuche an Leichen vollständigste Gewissheit gegeben. Je früher man nach dem Tode des Menschen an der Leiche experimentirt, desto auf- fallendere Erscheinungen wird man finden. Wenn man einen Theil mit einer groben Bürste oder mit einem groben wollenen Lappen tüchtig und anhaltend reibt und exeoriirt, und den Leich- nam nach 24 Stunden wieder beobachtet, so findet man oft Erschei- nungen, die man unzweifelhaft für im Leben erzeugte Reaction halten möchte, helle, zinnoberfarbene Rothe, die deutlich von der umgebenden Leichenfarbe absticht, schmutzig gelbbraune Haut- crusten, die vertrocknet und hart zu schneiden sind u. dergl., Versuche, die beweisen, dass unsre obige Deutung jener so häu- figen Befunde an Leichen die naturgemässe und richtige ist. (S. die Abbild. Taf. V. Fig. 14.) Vollkommen bestätigend sind En gel's Beobachtungen in seinen ganz ähnlichen Versuchen, die Jeder mit demselben Erfolge wiederholen wird. Engel sagt*): „wenn man eine Hautstelle an der Leiche exeoriirt, d. h. durch wiederholtes Schaben von derselben die Epidermis ent- fernt, so wird sie, bei der nun gewordenen Möglichkeit einer raschern Verdunstung nothwendig schneller und besser austrock- nen müssen, als jede andre, nicht in dieser Art behandelte Haut- stelle. Die so präparirte Stelle erlangt dadurch alle jene Eigen- schaften, welche man an Hautstellen gewahrt, die noch während des Lebens durch Frottiren verändert worden sind, denn bei beiden Fällen sind gleiche Bedingungen, die Möglichkeit eines raschen Vertrocknens vorhanden. Die Farbe der so behandel- ten und an der Leiche vertrockneten Stelle kann von dem Un- tersucher nach Belieben bestimmt werden. Bewerkstelligt man die Excoriation an jenen Stellen der Leiche, an denen sich blu- tige Hypostasen nicht bilden können, dann wird, wie gewöhnlich bei den frottirten Stellen, die vertrocknete Haut hellgelblioh- braun, an den Kanten helldurchscheinend sein. Nimmt man da- gegen die Excoriation an einer Stelle vor, an welcher entweder bereits Leichenhypostasen sind, oder sich leicht bilden können, dann erhält die exeoriirte Stelle allmälig eine schwarzbraune *) a. a. 0. S. 322. Farbe. In keinem dieser Fälle lässt sich die Leichenexcoriation von einer im Leben eingetretenen unterscheiden." Wir können nicht dringend genug auf diese Erfahrungen und Beobachtungen aufmerksam machen, denn die Fälle sind zahllos, in denen aus Niehtkenntniss oder Nichtachtung derselben die unrichtigsten und doch practisch wichtigsten Schlüsse gezogen werden. — Hieran schliesst sich bei wirklich am Leichnam vorgefundenen Verletzungen die Frage: 3) ob dieselben im Leben oder nach dem Tode ent- standen waren ? Wenn man erwägt, wie selten die Gelegenheit gegeben ist, in gerichtlich-medicinischen Dingen Erfahrungen in grossem Maassstabe zu machen, so wird man die grosse Menge von Irrthümern entschuldigen, die sich traditionell in die medi- cinisch-forensische Wissenschaft und Praxis eingeschlichen ha- ben, und die sich traditionell von Handbuch zu Handbuch, von Lehrer auf Schüler, und so auch endlich von Medicinalbehörde auf Medicinalbehörde fortpflanzen. Wenn irgendwo sich dies bestätigt, so ist es bei dieser unsrer Frage der Fall. Rein theo- retisch nimmt man an, und findet man selbst in den bessern Handbüchern angegeben, dass sich Verletzungen an Lebenden von Verletzungen, die erst dem Leichnam zugefügt wurden, sehr leicht durch den Mangel jeder Reactionserscheinung im letztern Falle, wie Entzündung, Blutung, Eiterung, Anschwel- lung oder Vertrocknung der Wundränder, Granulation u. s. w. unterscheiden lassen, und Jeder, der einmal einer Leiche einen Stich oder Schnitt beigebracht, meint, den sichern Beweis für die Richtigkeit dieses Satzes geführt zu haben. Er ist auch, in dieser seiner positiven Fassung hingestellt, unbestreitbar richtig, obgleich es dennoch nicht überflüssig sein wird, schon hierbei einige wenige Einschränkungen anzufügen, die die Erfahrung kennen lehrt. Entzündung, Sugillation an den Wundrändern, Eiterung wird und kann man allerdings natürlich niemals an einer Verletzung des Todten wahrnehmen, aber bei sehr fetten Subjecten kommt es nicht selten vor, dass aus einer ihnen nach Ca »per, gerichtl. Mcdicin. Q dem Tode beigebrachten Wunde, namentlich einer Schnittwunde, zumal wenn die Leiche zu schwellen anfangt, sich das subcutane Fett hervordrängt und die Ränder mehr oder weniger um- stülpt, wo dann schon eine gewisse Täuschung über die Zeit des Entstehens solcher Wunde bedingt wird. Diese Täuschung wird sehr vermehrt, wenn etwas Blut aus der Wunde hervor- sickert, was zumal der Fall ist, wenn dieselbe an abschüssig gelagerten Theilen ihren Sitz, und wenn das Blut eine beson- ders flüssige Beschaffenheit hat. Man mache den Versuch an einigen Leichen, bei denen diese Bedingungen zutreffen, man lasse sie nach der Verletzung noch einen bis zwei Tage liegen, und beobachte dann die Beschaffenheit der Wunde, und man wird dies genau bestätigt finden. Man lasse sie aber vollends Wochen oder gar Monate lang liegen, und man wird noch etwas Anders finden. Der Natur der Sache nach wird sich der Ver- such auf diese Weise allerdings niemals anstellen lassen; allein die Resultate desselben zeigt die gerichtliche Praxis auf einem andern Wege, ich meine an Leichen, die so lange an einem ge- wissen Orte, namentlich im Wasser, ungeahnt gelegen hatten, und erst als schon verweste Körper aufgefunden waren. Hier ist die ganze Oberfläche, beziehungsweise vielleicht nur der Theil, in welchem sich die Verletzung befindet, grün, graugrün, von der Oberhaut entblösst, grosse Hautvenenstränge, mit zersetztem Blut angefüllt, durchfurchen die Stelle, die Ränder der Wunde sind matschig erweicht, Fett und Blutwasser quellen daraus her- vor, und ich kann versichern, dass selbst der Geübte in solchem Falle aus der blossen äussern Untersuchung Anstand nehmen kann, sich mit Gewissheit über die Frage: ob im Leben oder nach dem Tode? zu entscheiden, und sich glücklich schätzen wird, wenn die innere und weitere Untersuchung ihm darüber Licht giebt, was auch nicht einmal immer der Fall ist. In wie- der andern Fällen kann der Thatbestand auf eine noch ander- artige Weise verdunkelt werden, durch Verbrennen des Körpers nämlich, beziehungsweise durch Verbrennen und Versengen der- jenigen Körperstellen, m denen grade die Verletzung sich be- findet, was nicht so selten vorkommt. Hier kann auch eine Un- tersuchung der Ränder, des Grundes der Wunde u. s. w. kaum oder fi-ar nicht stattfinden, weil sie verkohlt sind, wie die ganze Umgebung, und man kann, wenn nicht die weitere Untersuchung Aufschluss giebt, vollständig im Unklaren bleiben. — Wenn hiernach schon der obige Satz von den Reactionserscheinungen als diagnostischer Leiter Einschränkungen erleidet, deren ich nirgends Erwähnung gethan finde, so tritt nun noch ganz be- sonders ein andrer Umstand hinzu, der nämlich, dass der Satz in seiner negativen Fassung vollständig unrichtig ist. Hier- nach würde es nämlich leicht sein, Verletzungen des Lebenden von Verletzungen des Todten zu unterscheiden, und letztere da mit Sicherheit anzunehmen, wo keine Reactionserscheinungen an der Leiche zu finden sind, keine Spur von Sugillation an den Wundrändern, von entzündlichem Hofe, von Eiterung u. dgl. Und dennoch kommen die entgegengesetzten Fälle vor, und sie kommen unter gewissen, gleich zu nennenden Bedingungen ganz constant vor. Schon in dem oben sub 2) in diesem Paragra- phen Angeführten haben wir Aehnlichkeiten zwischen beiden Verletzungen, denen des Lebenden und denen der Leiche, ken- nen gelernt. Die Aehnlichkeit ist aber noch weit grösser und weit täuschender, wenn der Tod grade durch die Verletzung, die dem Lebenden zugefügt wurde, gleichsam blitzschnell er- folgte, also bei Stich-, Schnitt- und Hiebwunden, die ein sehr wichtiges Gefäss, eine Carotis, Jugularis u. s. w., oder die das Herz, die Lungen in einer erheblichen Ausdehnung u. dgl. m. getroffen hatten. Der Verletzte stirbt hier gleichsam nicht, d. h. Leben und Tod sind hier nicht durch den Mittelzustand einer Agonie, des Actes des Sterbens, getrennt; er lebt und er ist todt in derselben oder in wenigen Secunden. Man wird sich a priori sagen, dass in solchen Fällen irgend eine lebendige Reaction, sei es auch nur eine Sugillation der Wundränder, ge- schweige deren Eiterung, Anschwellung u. s. w. gar nicht mehr 9* zu Stande, kommen kann, und die Erfahrung bestätigt dies auf das Schlagendste, indem sie zeigt, dass in solchen Fällen die Verletzung an der Leiche des durch sie Getödteten sich genau so darstellt, dass wenn man, nach geschlossener Obduction, eine ganz ähnliche Verletzung absichtlich in ihrer Nähe zufügt, beide gar nicht von einander zu unterscheiden sind. In Erwägung alles hier Angeführten muss also der Satz hingestellt werden: dass es keinesweges in allen Fällen leicht ist, Ver- letzungen, die dem Lebenden zugefügt worden von Verletzungen des Todten zu unterscheiden. Dass dies eine practische Wichtigkeit hat, und dass Verletzungen des Tod- ten wirklich, und namentlich auf mehrfache Weise bei Wasser- leichen, und bei verscharrten, oder bei Leichen, die aus Abtrit- ten, Düngerhaufen u. dgl. herausbefördert werden, gar nicht selten durch die dabei gebrauchten Werkzeuge zugefügt wer- den, in welchen Fällen dann jedesmal diese Frage zu entschei- den ist, braucht weiter nicht ausgeführt zu werden. Beweise für den obigen Satz liefern folgende Fälle. 39. Fall. Durchbohrung des Brustbeins durch einen Stich; Verletzung des Aortenbogens. Arbeitsmann Siegel, früher Scharfricbterknecht, war von seiner Frau verschmäht worden, und alle Versuche, sie wieder zu versöhnen und sie zu bewegen, wieder zu ihm zu ziehen, waren vergeblich. Da besehloss er, einen letzten Versuch zu machen, und wenn dieser scheitere, sie zu todten. Dies geschah, indem er ihr mit den Worten: „nun dann hast du deinen Lohn" ein gewöhnliches Tischmesser in die Brust stiess. Es drang, wie S. mir im Gefängniss wiederholt gesagt hat, „wie Butter" ein, und doch hatte es die unerhörte Verletzung gemacht, das Brustbein in der Länge eines Zolles ganz zu penetriren. ' Die Wundränder im Knochen waren ganz glatt, ohne Spur von Splitterung oder Bruch. In der Brust- höhle fand sich in beiden Pleurasäcken zusammengenommen ein halbes Quart dunkel 11 üssiges, theilweis coagulirtes Blut und eben solches ge- ronnenes Blut in der Menge von acht Unzen erfüllte den Herzbeutel. Es ergab sich, dass der Messerstich in die rechte Lunge an der Inser- tionsstelle der grossen Gofässe eingedrungen war, und auch den Herz- beutel so wie den Aortenbogen, | Zoll von seinem Ursprünge aus dem Herzen durchbohrt hatte. Die Aortenwunde hatte eine leichte, halb- mondförmige Krümmung, war einen halben Zoll lang und hatte scharfe, schwach bläuliche Ränder. An der untern Wand des Aortenbogens zeigte sich eine ganz ähnliche, sichelförmige Wunde, gleichfalls mit scharfen, bläulichen Rändern', so dass also der Messerstich den Aortenbogen, wie das Brustbein ganz durchspiesst hatte. Die Verletzte war mit einem Schrei todt umgesunken, und dennoch fanden wir auch hiqr wieder ge- ronnenes Blut, (Vgl. §. 10. S. 26.) Merkwürdig war die Beschaffenheit der äussern Stichwunde; sie stellte sich dar als eine, zwischen der ersten und zweiten linken Rippe, nahe an deren Brustbeinansatz, schräg von aussen nach innen-verlaufende, -| Zoll lange, £ Zoll breite Wunde mit scharfen, glatten, weder entzündeten, noch irgend sugillirten Rän- dern und mit spitzen Winkeln. Da auch keine Spur von flüssigem oder angetrocknetem Blute an oder in der Wunde sichtbar war, so zeigte die- selbe vollkommen das Ansehen einer, erst einem Leichnam zugefügten Verletzung. Dass die äussere Wunde übrigens mit der innern nicht cor- respondirte, war aus der seitlichen Körperwendung zu erklären, in wel- cher Denala die Verletzung erhalten hatte, während sie jetzt in der Rückenlage auf dem Sectionstisch lag, wobei sich natürlich die Hautbe- deckungen verschoben hatten. 40. Fall. Messerstich in die Lunge. Ein vierzehnjähriger Knabe hatte von seiner erzürnten und halb an- getrunkenen Stiefmutter einen Stich mit einem Messer, womit sie eben einen Fisch schlachtete, in den Rücken bekommen, war wenige Minuten danach ohnmächtig zusammengestürzt und sechs Stunden darauf gestor- ben. Die Rückenwunde war zehn Linien lang, in ihrer klaffenden Mitte drei Linien breit, hatte sehr scharfe und glatte, aber vollkommen unsu- gullirte, weiche und trockne, kurz genau solche Ränder, wie sie, einem Leichnam zugefügt, hätten beschaffen sein können. Die Todesursache war innere Verblutung durch den anderthalb Zoll tief in den untern Lappen der linken Lunge eingedrungenen Stich, denn im linken Brustfell- sack fanden wir vier medic. Pfund dunkelflüssigen, einige Coagula ent- haltenden Blutes. Der übrige Befund war eine allgemeine Anämie, an welcher jedoch, wie gewöhnlich, die hintern Gehirnvenen und Sinus kei- nen Theil nahmen. (Vgl. Verblutungstod §. 21. spec. Tbl.) 41. Fall. Ötiletstich in die Lunge. Ein seiner Umstände wegen sehr betrübender Fall! Bei einem bürgerlichen Familienfeste war eine höchst bedeutende Menge baierschen Biers genossen worden. Der Schwager des Hauswirths ward sinnlos be- trunken. In diesem Zustande ging er nach der Küche und holte eine dort befindliche, zum Braten von Heringen bestimmte, abgebrochene Ci- vildegenklinge, einen Fuss lang und einen halben Zoll breit, die als Brat- spiess geschliffen sehr scharf und ganz spitz zulaufend war, kehrte damit in's Zimmer zurück und focht taumelnd damit umher. Sein Schwager ging auf ihn zu, der Trunkene umarmte ihn und stiess ihm bei dieser Gelegenheit das Stilet in den Rücken. Nach dreiviertel Standen starb der Verletzte. Die Leiche war wachsbleich. Am innern Rande des rech- ten Schulterblattes fanden wir eine viertelzolllange, in der Mitte ^ Zoll klaffende Wunde mit scharfen, glatten, ganz trocknen, vollkommen todten- bleichen und unsugillirten Rändern versehen. Im rechten Pleurasack fan- den sich anderthalb Quart theilweis geronnenes, meist aber flüssiges, dunkles Blut. Der obere Lappen der rechten Lunge war horizontal von einem Stiche durchbohrt, der noch durch die Intercostalmuskeln zwischen der zweiten und dritten Rippe hindurchgegangen war und im subcutanen Zellgewebe über denselben endete. Der Körper war im Uebrigen natür- lich blutleer, und nur die Venen der pia matcr nahmen an der allge- meinen Anämie keinen Theil. 42. Fall. Schuss in das Rückenmark. Am 16. October 1848 war ein grösserer Pöbelaufstand in Berlin, der einen hartnäckigen Barricadenkampf zwischen den Aufständischen und der Bürgerwehr zur Folge hatte, welcher elf Menschen das Leben kostete. Unter diesen elf Erschossenen war nur Einer in Erfüllung seiner Pflicht einen ehrenvollen Tod gestorben, ein Bürgerwehrmann, der beim Erstür- men der Barricade, die er bereits bis zur Hälfte erstiegen, von hinten und unten her den tödtlichen Schuss bekam. Die Kugel war in der Ge- gend des siebenten Halswirbels eingedrungen, hatte die drei letzten Hals- wirbel zerschmettert und das Rückenmark zerrissen. Am rechten Unter- kieferwinkel war der Schuss hinausgegangen, und zeigte sich hier eine etwas eckige, nur silbergroschengrosse Oeffnung, die auf eine Spitzkugel schliessen liess. Die Rander beider Schusswunden waren nicht im ge- ringsten sugillirt, was der augenblicklich durch Zerreissung des Hals- rückenmarks erfolgte Tod sehr leicht erklärt, und unterschieden sich in keiner Beziehung von Schusswunden, wie wir sie in unsern Versuchen an Leichen hervorgebracht haben. Ganz dasselbe zeigte sich im 43. Fall. Schusswunde in die Lunge, in welchem in einem andern Volksaufstande des Jahres 1848 ein Mensch einen Biichsenschuss bekommen hatte, der den Körper durchbohrte und durch den untern Lappen der linken Lunge durchgegangen war. Auch bei dieser plötzlich tödtlichen Verblutung hatten beide Wunden, die Ein- gangs- wie die Ausgangs-Oeffnung, ein vollkommnes Leichen an sehen, und verhielten sich vollkommen wie nach dem Tode beigebrachte Schuss- wunden. 4) Sehr häufig sind die an der Leiche vorgefundenen Ver- letzungen künstliche, d. h. lege öw-fts-Verletzungen von Blutegel- stichen, frischen Schröpfnarben und frischen Aderlasswunden an, (hierhin gehören auch die Spuren der Rettungsversuche,) bis zu chirurgischen Nähten, Schnitten, Kreuzschnitten und Amputa- tionswunden hinauf. Hierüber ist nur zu bemerken, dass eine gewisse summarische Schilderung solcher Befunde für das Prö- tocoll genügt, mit Ausnahme derjenigen Fälle, in denen ein ärzt- liches Kunstverfahren der Gegenstand der Anklage und der Lei- chenuntersuchung ist, wo es dann natürlich auf die genauste Schilderung auch solcher Verletzungen, z. B. auch der Ader- lasswunde, wenn sie die tödtliche Verletzung angeblich gewe- sen, ankommt. — In diese Kategorie gehören auch die bereits oben erwähnten und sehr oft vorkommenden Verletzungen und Beschädigungen der Leiche, die sie als solche durch die Mani- pulation beim Auffinden, oder durch Benagen und Anfressen von Thieren davongetragen hatte. Namentlich und vorzugsweise sieht man diese, leicht zu erkennenden Beschädigungen an aus dem Wasser gezogenen Leichen Erwachsener wie Neugeborner, die mit Spiessen, Haken u. dgl. herausgezogen und so verletzt, oder von den gefrässigen Wasserratten angefressen worden wa- ren. (Vgl. §. 57. sub 2. und §. 120. spec. Tbl.) 5) Endlich bleiben noch diejenigen, die Mehrzahl der be- treffenden Fälle bildenden Verletzungen zu betrachten, welche wirklich von vorn herein als Ursache des Todes zu erachten sind. Der §. 10. des obigen „Regulativs" schreibt schon das genaue, hier zu beobachtende Verfahren vor, wozu nur noch Folgendes zu bemerken ist. Es ist, streng genommen, nicht angemessen, bei sugillirten Hautstellen deren Grösse nach, wenn auch bekannten, doch ihrem Umfange nach verschiedenen Kör- pern, einem Geldstück, (die in Preussen, bei demselben Werthe? von sehr verschiedener Grösse circuliren) einem Obstkern u. dgl. zu schildern, und es ist in jedem Falle gerathener, deren Durch- messer anzugeben, zumal, wenn die Sugillation für den Fall er- heblich ist. Im entgegengesetzten Falle wird die Abschätzung auf obige Weise genügen. Ja es kommen Leichen vor, nament- lich in Fällen, wo ein Mord nach hartnäckigem Kampfe verübt wurde (61. Fall), oder wo der Mensch nach unzähligen Miss- handlungen starb (49. Fall), in denen man eine solche Unzahl von äussern Befunden zu erheben hat, dass man jede einzelne Klasse derselben, £ontinuitätstrennungen, Zerkratzungen, Ab- schürfungen, Sugillationen u. s. w. fast dutzendweise vorfindet. Hier würde man einen Obductionsbefund von Hundert, ja viel mehr einzelnen Nummern erhalten, was in allen Fällen (s. unten §. 50.) zu vermeiden, weil es der Uebersichtlichkeit des Befun- des Eintrag thut, wenn man jede einzelne Abnormität der Art genau schildern wollte, was übrigens meist ganz unmöglich ist; die Obduction ferner würde bei einem solchen Verfahren eine ganz unangemessene Zeit in Anspruch nehmen, und, was die Hauptsache, eine solche zu ängstliche Schilderung würde über- flüssig sein, da sie zur Aufklärung des Falles nichts beitragen würde. Es genügt in diesen Fällen vielmehr eine genauere Prü- fung und Schilderung der hauptsächlichsten und solcher Ver- letzungen und Abnormitäten, von denen man sich von vorn her- ein bei richtigem Judicium sagen muss, tlass sie erheblich für die Würdigung des Falles sind, und sodann eine mehr summa- rische Schilderung der übrigen ähnlichen Befunde, die man füg- lieh zusammenfassen kann, z. B. „ähnliche Flecke, wie die be- schriebenen, fanden sich, zehn bis fünfzehn an der Zahl an ... " — Es ist hier der Ort, der Ruthen streiche zu erwähnen, deren Würdigung als angebliche Todesursache bei Misshandlung von Kindern nicht gar selten gefordert wird. Ruthenstreiche machen sich an der Leiche auf zweifache Weise kenntlich. Ent- weder und wenn die Reiser mehr flach auffielen, findet man kür- zere oder längere, bis zwei und drei Zoll lange, rothe, schwach sugillirte, zwei-, drei-, vierfach parallel neben einander herlau- fende Streifen, oder man sieht, wenn die Ruthe mehr mit den Spitzen traf, an den getroffenen Stellen haufenweise und grosse, den Petechien ähnliche, von diesen aber schon durch ihre Isolirung auf einzelne Körperstellen, gewöhnlich Rücken und Hinterbacken, unterschiedene sugillirte Flecken. Auch klei- nere Hautabschilferungen in den längern Streifen kommen vor. Tiefere Verletzunge*n habe ich aber nach den Streichen mit den Ruthen, wie sie bei uns zur Züchtigung gebraucht werden, an Leichen nie beobachtet.*) — Was endlich, (bei Gelegenheit von Verletzungen durch Continuitätstrennung) den Gebrauch der Sonde betrifft, so verbietet das „Regulativ" denselben „in der Regel", und mit Recht, da begreiflich bei einigermaassen un- vorsichtigem Gebrauch der Sonde die Beschaffenheit der ur- sprünglichen Verletzung leicht verändert werden kann. Um so weniger darf man sich zum Zwecke der Ermittelung der Tiefe der Wunde gar des Fingers bedienen, wie es Bock anräth!**) *) Im bewundernswürdig eingerichteten Marinehospital zu Kronstadt bei Petersburg habe ich einen Sträfling auf dem Bauche liegend gefunden, der acht Tage vorher Spiessruthen gelaufen war, und schon zwölfhundert .Streiche erhalten hatte, dergleichen ihm noch eine kleinere Dosis bevorstand! Der ganze Rücken war durchweg mit flachen Geschwüren bedeckt, das All- gemeinbefinden aber ganz befriedigend. **) Gerichtliche Sectionen. 4. Aufl. Leipzig, 1852. S. 82. Die Tiefe ergiebt sich auch überdies ohne alles Sondiren später sehr leicht, wenn man zur innern Besichtigung des Körpers und der verletzten Stellen geschritten. Dagegen ist es nieht nur nicht unangemessen, sondern sogar erforderlich, nach ge- nauer Untersuchung und Beschreibung der ursprünglich vorge- fundenen Verletzung dieselbe zu erweitern, um die innere Be- schaffenheit der Wundränder und des subcutanen Zellgewebes zu prüfen, wie ich noch einmal auf die Notwendigkeit des Ein- schneiden von anscheinend sugillirten Flecken aufmerksam mache, um sie von Todten- und ähnlichen Flecken zu unter- scheiden (s. §. 8.). Zweites Kapitel. Besichtigung der Werkzeuge. Gesetzliche Bestimmung. Criininal-Ordnung §. 1G2. — — Die Sachverständigen müssen jedesmal mit ihrem Gutachten über die Werkzeuge, mit welchen die Ver- letzungen beigebracht sein können, gehört, es müssen ihnen die etwa vorgefundenen Werkzeuge vorgelegt und sie darüber vernommen wer- den: ob durch diese die Verletzungen haben hervorgebracht werden kön- nen, und ob aus der Lage und Grösse der Wunden ein Schluss auf die Art, wie der Thäter wahrscheinlich verfahren habe, und auf dessen Ab- sicht und körperlichen Kräfte gemacht werden könne? §. 34. Eintheilung der Werkzeuge. Was von der alten strafrechtlichen Eintheilung der Werk- zeuge in tödtliche und nicht tödtliche zu halten, berührt die gerichtliche Medicin ganz und gar nicht. Es kann dies und Aehnliches nicht oft genug gesagt, nicht oft genug darauf auf- merksam gemacht werden, dass rechtswissenschaftliche Thesen, Erörterungen, Definitionen nicht in das Gebiet des Sachverstän- digen, des in einer Naturwissenschaft Sachverständigen gehören, den der Richter zu seiner Information in betreffenden Fällen beruft. Es sind nichts als ganz verwerflich« Allotria, wenn die Handbücher über gerichtliche Medicin ganze Kapitel über „Po- lizeistaat und Rechtsstaat", über „dolus und culpa« u. s. w. ge- ben! Darüber wird nie ein „Sachverständiger" vom Richter gefräst werden! — Dass eine Eintheilung der Werkzeuge in tödtliche und nicht tödtliche vom Standpunkt des Arztes eine absurde ist, bedarf keiner Ausführung; deshalb mag sie immer- hin für den Strafrichter brauchbar sein, was uns nicht berührt. Für die gerichtliche Medicin ist nur eine Eintheilung brauch- bar, die die verschiedenen Werkzeuge und Arten und Weisen, durch die ein Mensch verletzt oder getödtet werden kann, nach ihren speciellen Wirkungen auf den Organismus classificirt, aus welchen Wirkungen man dann eben in noch unaufgeklärten Fällen am Lebenden wie an der Leiche einen Rückschluss auf das gebrauchte Werkzeug u. s. w. machen kann. Am einfach- sten ist hiernach die Eintheilung der verletzenden Instrumente in 1) scharfe; 2) stumpfe; 3) Schusswerkzeuge und 4) strangu- lirende Werkzeuge. §. 35. Scharfe Werkzeuge. Es kommen theils einschneidig-scharfe Instrumente vor, wie Rasirmesser, theils einschneidig-scharf-spitze, wie die meisten Tisch- und Taschenmesser, theils zweischneidig-scharfe, und dann gewöhnlich zugleich spitze, wie Dolche, Stilets, Stock- und Cavalierdegen, theils dreischneidige, wie scharfe Pfriemen und Bajonette, sämmtlich Instrumente mit mehr oder weniger gradlinigter Schneide, theils scharf schneidende Werkzeuge mit mehr oder weniger gebogener, halbmondförmiger Schneide, wie Säbel, Sensen und Sicheln. Hierher gehören auch scharfe Glas- und Metallstücke. Wir haben Verletzungen mit allen diesen Werk- zeugen zu beurtheilen gehabt, wie zum Theil die hier gelieferte ( tsuistik zeigt. — Hiebwunden mit solchen Instrumenten tren- nen oberflächlich oder tief. Ihre Ränder, wenn frisch untersucht, sind allerdings glatt, wenn das Instrument scharf geschliffen war, aber doch immer mehr oder weniger an ihrer äussersten Peripherie etwas abgeplattet. Die Reactionserscheinungen rich- ten sich natürlich nach der Stelle, auf welche der Hieb traf und ihr Befund nach der Zeit bei der Untersuchung im Leben oder nach dem Tode, die zwischen dieser und dem Acte der Bei- bringung verflossen war. Wenn Hiebwunden bis auf den Kno- chen dringen, so bewirken sie entweder Splitterbrüche, oder sie trennen den Knochen ganz und gar mit scharfen Rändern, was namentlich bei grössern und kleinern Röhrenknochen, Fingern, aber auch Armen u. s. w. der Fall. Beide Wirkungen, Split- terbruch und vollkommene Continuitätstrennung, werden auch von Hiebwunden, die den Schädel treffen, erzeugt. Dass auch das ganz kurze preussische Infanterie-Seitengewehr, mit gehöri- ger Kraft geführt, den Schädel glatt spalten könne, bewies fol- gender 44. Fall. Tödtlich durchdringender Säbelhieb auf den Kopf. Bei einem Excess zwischen Civilisten und Soldaten erhielt ein -^jäh- riger Arbeiter von einem Infanteristen mit dessen scharf geschliffenem Säbel einen Hieb über den Kopf. Dieser Hieb erstreckte sich viertehalb Zoll lau«- von der Pfeilnath nach dem linken Scheitelbein und dieser Knochen war in der Mitte des Hiebes einen Zoll lang ganz gespalten. Innerlich war die Glastafel ringsum vielfältig abgesplittert, und die Hirn- häute gleichfalls einen Zoll lang scharf zerschnitten. An dieser Stelle fand sich ein wallnussgrosser Hirnabscess, in welchem noch Splitter der Glastafel lagen. Frische Blutegelstiche in der Oberbauchgegend zeigten, dass der Verstorbene hier über Schmerzen geklagt haben musste, die vielleicht im Zusammenhange mit Lebertuberculose gestanden hatten, welche die Leichenöffnung gleichfalls ergab. *) *) Zwei andre Fälle von Durchhauen der Schädelknochen durch Säbel- hiebe s. unten Fall 54. und 55. Ein fernerer, hier nicht aufgenommener Fall von tödtlichen Säbelhieben auf den Kopf s. im zweiten Hundert mei- ner gerichtlichen Leichenöffnungen S. 4.0. Hiebwunden haben das Eigentümliche, was sehr beach- tenswerth, dass sie fast nie genau die Dimension des verletzen- den Instrumentes darstellen und auf dieses zurückschliessen las- sen können. Namentlich macht es in dieser Beziehung einen erheblichen Unterschied, ob musculöse Theile nach der Längen- richtung der Fasern oder nach der entgegengesetzten Richtung getrennt worden waren, in welchem letztern Falle durch die Retraction des Muskels eine weit klaffende Wunde entstehn kann, wie sie den Dimensionen des Werkzeuges anscheinend gar nicht entspricht. Schnittwunden trennen oberflächlich und tief mit schar- fen, glatten, nicht abgeplatteten Rändern, die an beiden Enden in sehr spitzem Winkel convergiren. Von den Reactionserschei- nungen gilt dasselbe wie bei den Hiebwunden. Dass sie erheb- liche und tödtliche Verblutungen bewirken können, wenn sie grosse, nahe unter der Haut liegende Gefässe treffen, ist be- kannt. Aeusserst schwer, ja oft unmöglich ist es in solchen Fällen, wenn es darauf ankommt (wie z. B. bei zweifelhaftem Selbstmord), zu bestimmen, wo der Anfang, wo das Ende der Schnittwunde sei? ob sie z. B. von rechts nach links oder von links nach rechts gegangen? Namentlich kommt diese Frage bei den Halsschnittwunden vor. Blutbesudelung in Einer, nicht in der andern Hand, Einschnitte in ein Bekleidungsstück auf Einer, nicht auf der andern Seite und dergleichen Nebenumstände wer- den hier zuweilen noch Aufklärung geben. Bei diesen Hals- schnittwunden kann noch ein andrer Zweifel entstehn, und, wie ich in einem denkwürdigen Falle erlebt habe, sehr vom Ziele ablenkend gelöst werden. Wenn nämlich in einen etwas falten- reichen Hals, wie bei alten oder magern Personen, ein Schnitt geführt worden, zumal wenn dabei der Kopf nach vorn geneigt war, so wird man natürlicherweise, wenn der Hals bei der Leiche gereckt oder gestreckt daliegt, nicht mehr Eine Schnitt- linie, sondern mehrere und unterbrochene, und oft ziemlich weit von einander abweichende finden, gerade wie dies in noch weit höherem Maassc der Fall ist, wenn man einen Schnitt in ein zusammengefaltetes Tuch macht, und dies nachher auseinander- faltet. Die Obducenten hatten aus solcher Beschaffenheit der Halsschnittwunde, aus welcher sie „vier Schnittwunden" gemacht hatten, in dem oben (No. 29.) citirten Falle einen Mord her- ausdemonstrirt, und die Mörder sogar mehrere Male am Halse ansetzen lassen! Stichwunden machen in solchen Gegenden, wo nicht grade grössere Gefässe nahe der Haut liegen, wie am Halse, fast gar keine äussere Blutung, und wenn sie klein sind, oft nur äusserst geringfügige Reactionserscheinungen. Desto mehr erzeugen sie, wenn sie tief eindringen, die erheblichsten innern Ergüsse von Blut, Urin, Speisebrei u. s. w. Ich muss hier auf einen Umstand aufmerksam machen, den wieder nur die Praxis ergiebt, und der sich gleichfalls am Studir- und Actentisch ganz anders als am Secirtisch gestaltet. Es ist nämlich nichts ge- wöhnlicher, als dass Gerichtsärzten ein Vorwurf darüber ge- macht wird, dass sie in betreffenden Fällen von Stichwunden innerer Gefässe die Quelle der Blutung, d. h. die Stelle wo, oder selbst das Gefäss, in welches der Stich eindrang, nicht genauer angegeben hatten. Dieser Vorwurf ist oft ein ganz ungerechter: denn es ist in vielen Fällen gar nicht, oder nur nach einer äusserst mühsamen Untersuchung, wobei man erst alle Eingeweide u. s. w. entfernt, und dann einen Tubulus in den Hauptstamm einführt, möglich, den oft nur ganz kleinen Stich zu entdecken, der die tödtliche Verblutung veranlasst hatte. Und zu einem solchen, sehr zeitraubenden Verfahren fehlt zu- meist jede practische Veranlassung, da die innere Verblutung als Todesursache feststeht, und die Umstände des Falles es als ganz unerheblich für den richterlichen Thatbcstand erachten Lassen können, ob dies oder jenes innere Gefäss die Quelle der Blu- tung gegeben? Dass auch Fälle entgegengesetzter Art vorkom- men können, braucht nicht erwähnt zu worden. — Auch Stich- wunden stellen fast niemals genau die Dimensionen des ver- letzenden Instrumentes dar, weil sie durch die Haut und die unterliegenden Muskeln auseinander gezerrt werden, so dass eine Vergleichung der Wunde mit dem Werkzeuge täuschen kann. Andrerseits kann bei Stich- wie bei Hieb- und Schnitt- wunden natürlich eine Vergleichung derselben mit dem angeb- lich verletzenden Werkzeuge dann gar kein genaues Ergebniss mehr liefern, wenn der Verletzte erst nach eingetretener Gra- nulation oder Vernarbung gestorben war, was namentlich nach Kopfverletzungen so sehr häufig beobachtet wird. §. 36. Stumpfe Werkzeuge. Sie haben sehr verschiedene äussere und innere Wirkun- gen, je nach der Kraft, mit welcher, und je nach der Stelle, auf welche sie einwirken. Sie erschüttern eingeschlossene Or- gane und können dadurch augenblicklichen Tod (durch hohen Grad von Hirn-, Rückenmark- oder Herzerschütterung) oder mehr oder weniger schnellen Tod durch Ruptur von Gefässen oder gefässreichen Organen eben durch die Erschütterung be- dingen. Sie zerbrechen Knochen von der einfachsten Fractur an bis zur völligen Zermalmung der ganzen organischen Ma- schine. Sie trennen den Zusammenhang auch der Weichtheile, und dann mit stumpfen, ungleichen, zackigen, zerrissenen, mehr oder weniger platten Rändern, so dass die Wunde oft ganz und gar nicht der Form des verletzenden Instru- mentes entspricht, weil der Hieb zugleich zerriss, was in vorkommenden Fällen sehr zu beachten ist. Sie quetschen un- ter andern Umständen und verunstalten, durch Plattdrücken z. B. von Nase und Ohren, durch Aufschwellen z. B. von Augenlidern und Lippen oder durch Zerbrechen der Form ge- benden Knochen, z. B. im Gesicht. Häufig kommen bei einer und derselben Leiche mehrere dieser Wirkungen gleichzeitig in Betracht, entweder weil mehrere stumpfe Werkzeuge, sei es von Einem oder mehrern Thätcrn, angewandt worden waren, oder weil ein und dasselbe Werkzeug, ein Beil, ein zu technischen und Handwerkszwccken dienendes Instrument u. s.w., das ver- schiedene Flächen, stumpfe, scharfe, winklige hatte, einwirkte. Solche, dann oft sehr mannigfach gestaltete Befunde kommen namentlich nach Todtungen durch zahllose und grausame Miss- handlungen-und nach Mordthaten, von besonders wüthigen Men- schen verübt, vor, wie mehrere, im §. 41. mitgetheilte Beispiele erweisen werden. Was die stumpfen Werkzeuge und Gewalten selbst betrifft, so kommen sie in zahlloser Mannigfaltigkeit vor. Nur allein aus eigener Praxis nenne ich: Beil, Axt, stumpfe Säbel, Hämmer aller Art, Pflastersteine, Knüttel, zerbrochene Krüge und grosse Biergläser, Balken, Holzscheite, Holzpantof- feln, Räder, Windmühlenflügel, Mastbäume, Flintenkolben, eiserne Haken, Wagen und Eisenbahnzüge, Faustschläge, Zähne, Fuss- tritte u. s. w., wie denn auch hierhin jeder Stoss, Fall, Wurf gehört. Eine, wie bemerkt, und zwar nicht seltene Folge solcher stumpfen Werkzeuge und Gewalten sind Rupturen innerer Organe. Gesunde Eingeweide, Lungen, Herz u. s. w. reissen spontan niemals; die geborstene Lunge des Phthisikers war ca- vernös und tuberculös, das zerrissene Herz in seiner Wandung atrophisch oder hypertrophisch u. s. w. Und selbst gesunde Organe bersten nur durch eine höchst bedeutende Gewalt. Risse in der Basis Cranii, Rupturen der Leber, Lungen u. s. w. lassen auf die Einwirkung einer solchen überall mit grösster Sicherheit zurückschliessen. Was ich darüber im Einzelnen beobachtet habe, ist Folgendes. Fissuren in der S chädelgrundfläche kommen immer nur transversell vor; auch nicht in einem einzigen Fall von zahlreichst beobachteten Kopfverletzungen habe ich eine longi- tudinale Fissur gefunden. Sie lieben das vordere Drittel der Höhlung und erstrecken sich namentlich von einem Felsenbein bis an den, oder durch den Türkensattel hindurch bis zum Fel- senbein der andern Seite. Auf die Brüche der übrigen Schä- delknochen werden wir zurückkommen. Ruptur des Gehirns. Sic ist ungemein selten; wenig- stens habe ich sie nur zweimal, ein Mal einen Riss der Art, durch Ueberfahren bewirkt (34. Fall), und ein ander Mal eine Ruptur nach Hiebwunden (271. Fall) gefunden. Auch die Ruptur der Lungen gehört keinesweges zu den häufi- gen. Sie kommt in allen Lappen beider Lungen und in jeder Richtung und Länge vor (32. Fall). Ungemein selten beobach- tet man Zerreis sungen der Luft- und Speiseröhre (79. Fall), ebenfalls-nur nach sehr heftig einwirkenden Gewalt- thätigkeiten durch quetschende Körper. Von der äusserst sel- tenen Ruptur des Herzbeutels, so wie von der ebenfalls seltenen Ruptur des Herzens sind bereits oben (32. u. 35. Fall) Beispiele mitgetheilt worden. In beiden Fällen hatten durch Fall aus grosser Höhe und durch Anprallen an einen Baum- stamm die heftigsten erschütternden Gewalten auf den Körper gewirkt, und der Tod war hier natürlich um so mehr augen- blicklich erfolgt, als gleichzeitig noch andre, erhebliche innere Verletzungen erzeugt worden waren. Rupturen der Leber; sie sind die all erhäufigsten unter allen Organenrupturen nicht nur, sondern auch an sich gar nicht ungewöhnlich selten vorkommend. (Vgl. 29 — 32. Fall, 35—38. Fall, ferner 45., 49., 82.' und 83. Fall.) Sie kommen fast in allen Fällen nur als Längenrisse vor, entweder so, dass die Ruptur sich im rechten oder linken Lappen, oder deren Mitte befindet, und gewöhnlich den Lappen seiner ganzen Länge nach trennt, oder sie erscheinen, wie ich es aber nur einigemale gesehn, in beiden Lappen als einzelne kleine Längenrisse. Queerrisse der Leber dagegen sind sehr selten, und dann pflegt nicht ein einziger, bedeutenderer, sondern mehrere einzelne, kleine, parallel neben einander liegende Rupturen vorhanden zu sein. Aber Cn*prr. gfrichll. Mcilirin. Iß 45. Füll Seltne Form von ltuptur der Leber. eine ganz eigenthümliche Forin eines Leberrisses fand sich bei einem drittehalbjährigen, durch Ueberfahren getödteten Knaben, der noch eine halbe Stunde gelebt hatte. Von der Mitte des Unterleibs bis zu dein dritten Lendenwirbel rechts hinüber erstreckte sich ein, einen halben Zoll breiter, rothbrauner, pergauientartig zu' schneidender Streifen. Im Hauche fanden sich vier Unzen dunkelflüssigen Blutes ergossen, die aus einem Risse der Leber geflossen, die so eingerissen war', dass der ganze Rand des rechten Leberlappens wie von Thieren zernagt erschien. Auch die Duplicaturen des Bauchfells in der Beckenhöhle waren stark sugillirt, wogegen natürlich Anämie im ganzen übrigen Körper vorhanden war. Die Vena cava war leer, ganz leer das Herz, die Lungen, wie immer bei fast völliger Blutleere, weissgrau von Farbe. Die Venen der pia mute}' nahmen aber auch in diesem Falle, wie gewöhnlich, nicht Theil an der allgemeinen Blutleere. Mit Ausnahme von Rupturen der Gebärmutter wäh- rend des Gebäractes und von Rupturen der Milz, die, wenn sie vorkommen, transversell zu verlaufen pflegen (35., 78., 83. und 89. Fall), werden Rupturen der übrigen Bauchorgane fast gar nicht beobachtet. Dahin gehören Zerreissungen des Magens und Darmkanals (83. Fall), der Netze (ebendas.), der Näeren, der grossen Gefässe und der Harnblase, die fast nur bei allge- meiner Zermalmung vorkommen. Devergie behauptet zwar, die Rupturen der Harnblase seien „ziemlich häufig", er citirt aber für diese auffallende Meinung keinen einzigen Fall ans eigner, sondern nur mit zwei Worten zwei Fälle aus fremder Beobachtung und ohne alle genauere Schilderung. Ich habe noch nicht ein einziges Mal in der Leiche eine Ruptur, weder der leeren, wo sie wohl ohne Zermnlnmng dos Beckens gar nicht vorkommen kann, noch auch der vollen Blase gefanden. §. 37. Schusswerkzeuge. Hierher gehören ein- und doppelläufige Terzerole, Pistolen, Büchsen, Flinten und Gewehre (Kanonen und Mörser, die De- vergie mit aufzählt, gehören nicht in die gerichtliche Medicin!). Schüsse mit diesen Werkzeugen trennen den Zusammenhang, indem sie die Hart- und Weichtheile theils durchbohren, theils zerreissen und zermalmen, und in Folge dessen, theils an sich, eben wegen Zerstörung wichtiger Organe, z. B. des Gehirns, theils durch Verblutung tödten. Die Schusswerkzeuge werden höchst selten ein Gegenstand der Untersuchung für den Ge- richtsarzt. Denn einerseits wird bei der Leiche des erschossen Gefundenen die Waffe nicht selten gar nicht gefunden, weil Mörder sie nicht liegen Hessen, oder dem Selbstmörder sie nach dem Tode geraubt wurde, andrerseits kommen Fälle, wo der Selbstmord (durch Erschiessen) von vorn herein aus den Um- ständen erhellt, überhaupt nicht zur Cognition des gerichtlichen Arztes, und endlich ist auch, nach unsern Erfahrungen, selten, selbst in Fällen von gewissem oder zweifelhaftem Mord durch Schusswunden die Besichtigung und Untersuchung der wenn aufgefnndnen Waffe von Erheblichkeit für den Richter. Um in solchem eventuellen Falle die Fragen beantworten zu können: ob und wann eine Waffe losgeschossen worden? hat der Apo- theker Boutigny in Evreux *) Versuche über die Veränderun- gen angestellt, welche der Pnlverrückstand am Gewehrschloss früher oder später abgeschossener Gewehre zurücklässt, die im Wesentlichen folgende Resultate geliefert haben: Erste Periode. Sie dauert nur zwei Stunden nach dem Abschiessen des Ge- wehrs. Die Farbe des Rückstandes an demselben ist schwarz- blau, keine Crystalle, kein rothes Oxyd oder Eisensalz, aber die Gegenwart von Schwefel; die Auflösung des schmutzigen Rückstandes riecht schwach nach Ambra. Die zweite Periode dauert 24 Stunden. Die Farbe des Schmutzes ist weniger dunkel, die Auflösung desselben klar; kein Schwefel, keine Cry- stalle, kein rothes lOisenoxyd, dagegen zeigen sich Spuren eines Eisensalzes. Dritte Periode: sie hat eine Dauer von zehn Ta- *) Journal de Cliimie müdic. 1833 Septembre. 10* gen und charactcrisirt sich durch das Vorhandensein kleiner Crystalle in der Zündpfanne, zuimil unter dem Pfannendeckel und dem Feuerstein. Gegen Ende dieser Periode werden diese Crystalle immer grösser. Man bemerkt an der, der Zündpfanne entsprechenden Stelle des Gewehrs, besonders aber an der Zündpfanne selbst, zahlreiche rothe Eisenoxydflecke. Die Prü- fung mit Galläpfeltinctur, so wie mit Ferrum und Kali hydro- eyanicum zeigt die Gegenwart eines Eisensalzes. Vierte Pe- riode. Sie dauert bis zum fünfzigsten Tage, und unterscheidet sich von der dritten Periode nur durch die geringere Menge (!) Eisensalzes am Laufe, wogegen sich das rothe Oxyd vermehrt hat. — Orfila steht nicht an, über diese Versuche sich dahin zu äussern: „es geht daraus hervor, dass es möglich ist, auf einige Tage, ja selbst auf einige Stunden den Zeitpunkt, an welchem von einer Schusswaffe Gebrauch gemacht worden, zu bestimmen." Ich meinerseits. bin weit entfernt, diese Ansicht zu theilen. Den vereinzelt stehenden Versuchen eines in der Wissenschaft ganz unbekannten Mannes, die Niemand controllirt hat, und deren Zuverlässigkeit daher noch gar nicht festgestellt ist, kann schon an sich eine solche Wichtigkeit und Beweiskraft in gerichtlich-medicinischen Angelegenheiten, zumal in solchen, wo, wie hier, selbst das Leben eines Angeschuldigten davon abhängen kann, nicht beigelegt werden. Dazu kommt, dass die grosse Bestimmtheit, mit welcher die Ergebnisse der Versuche Boutigny's hingestellt sind, sie gerade verdächtigen rnuss. Denn es ist einleuchtend, dass die verschiedene Qualität des angewandten Pulvers zunächst schon eine Verschiedenheit der Rückstände an der Waffe bedingen muss, da der Salpetergehalt der verschiedenen Pulversorten von 62 bis 78 pro Cent, der Kohlengehalt von 12 bis 18, der Schwefelgehalt von 10 bis 20 variirt. Andre Verschiedenheiten wird der Feuchtigkeitsgrad der Luft bedingen, abgesehn davon, dass seit der Erfindung der Zündhütchen und der Schiessbauinwolle die Untersuchung der Schusswaffen zu dem angegebnen Zweck überhaupt ganz andern Gesichtspunkten unterworfen worden. Aber ich muss noch weiter gehn und behaupten, dass in solchen Fällen der Atzt überhaupt und nach seiner Stellung — wenn er nicht zu- fällig ein guter Jäger oder Schütze ist — gar nicht als compe- tcnter Sachverständiger erachtet werden kann, und wohl thun wird, den Richter, wenn dieser es nicht selbst gethan, zu ver- anlassen, Waffenschmiede, Förster, Jäger u. dgl. als Sachver- ständige zu hören. Wie oft wird es vorkommen, dass unter den zwölf Geschwornen sich ein oder mehrere tüehtige Jäger rinden, und wie viel würdiger wird der Arzt ihnen gegenüber seine Stellung wahren, wenn er offen erklärt, dass er in dieser Materie nicht Sachkenner, als wenn er seine aus den Büchern geschöpften Sätze, die Ein Schriftsteller dem andern ohne eigene Prüfung nachsehreibt, vorträgt, und dem wirklichen Sachkenner damit zeigt, dass er es eben nicht ist. Der ganze übrige In- halt seines Gutachtens wird den Geschwornen dadurch ver- dächtig ! Anders verhält es sich in Betreff der Wirkungen der Schusswaffe an der Leiche. Hier tritt der Arzt wieder in seine Competenz ein, denn hier handelt es sich wieder um die Be- obachtung eines Naturobjectes. Ausser dem, was bereits über die allgemeine Wirkung der Feuerwaffen gesagt, kommt hier die neuere Erfindung der Spitzkugeln, die Beschaffenheit der Ränder der Eingangs- und der Ausgangs-Oeffhung des Schuss- kanals, die Richtung desselben, die Wirkung gedoppelter oder mehrfacher Geschosse u. s. w. in Frage, Gegenstände, die zweckmässiger bei der Todesart durch Erschiessen (spec. Tbl. §. 10. ft. f.) in ihrem Zusammenhange abgehandelt werden sollen. §. 38. Strangulirende Werkzeuge. Es giebt keinen langen, biegsamen, nicht leicht zerreissenden Körper, der nicht als Strangwerkzeug benutzt worden wäre; Bindfäden, Strick, Tücher aller Formen und Stoffe, Gurte, le- dorne Hosenträger, geflochtene Strohbänder, Aderlassbinden, Jackenärmel und Hosenbeine u. s. w. Sie wirken bekanntlich durch Versperren der Luftwege, oder durch Druck auf die grossen Halsgefässe die Circulation hemmend, oder durch Druck auf wichtige Nerven lähmend. Ihre örtliche Wirkung am Halse ist die Strangmarke, die, da sich daran die Frage vom Erhän- gen im Leben oder nach dem Tode knüpft, beim Tode durch Erhängen (spec. Tbl. §. 44. u. f.) genauer gewürdigt werden soll. Die Besichtigung des Strangwerkzeuges wird öfters vom Gerichtsarzt gefordert, eben um festzustellen, ob die vorhandene Strangmarke durch das vorgefundene Werkzeug wirklich veran- anlasst worden? Eine grosse Menge von Beobachtungen lässt mich mit Sicherheit behaupten, dass diese Feststellung oft schwierig werden kann, wenn man nicht den Satz festhält, den die Erfahrung als richtig ergiebt, dass die verschiedensten Strangwerkzeuge die in sich verschiedensten Eindrücke hinter- lassen können. Im Allgemeinen allerdings zeigen rauhe und harte Körper, wie hänfene Schnüre, eine mehr oder weniger stellenweis schwach exeoriirte, stellenweis leicht mumificirte Marke am Halse der Leiche, während weichere Stoffe, wie sei- dene, wollene u. dgl. Tücher dies weniger und seltner, ich sage nicht niemals, bewirken. Im Allgemeinen ist es ferner auch er- fahruugsgemäss, dass die Breite der Marke der Breite oder dem Durchmesser des Strangwerkzeuges, z. B. des Strickes, ent- spricht. Aber es kommen die zahlreichsten Abweichungen von dieser Regel vor. Tücher sind oft, wenn an sich, wie z. B. seidene, ganz weich und elastisch, doch mit härtern Körpern an ihren Rändern besetzt, mit geklöppelten Franzen, mit gehäkelten Bor- ten u. dgl., und diese härtern Ränder können gerade auf die Haut zu liegen kommen und diese pressen und reizen. Andrer- seits können breite Strangwerkzeuge, wie Gurten und Hosen- träger, eine ganz schmale Marke erzeugen, weil hierbei ferner nämlich sehr viel von der Lage und Stellung abhängt, in welcher das Erhängen erfolgt war, so z. B., wenn der Verstorbene nur in die Schlinge des breiten Werkzeuges, das dann leicht durch Umstülpung mit seinem schmalen Rande aufdrücken kann, zu liegen kam, wie dergleichen Fälle nicht selten vorkommen. Endlich wechselt das Verhältniss der Marke zum Werkzeug nach deren Tiefe gar sehr nach der mehr oder minder stark er- folgten Einschnürung des Halses. Ich habe dieselbe oft genug so bedeutend gesehn, dass es nicht möglich war, einen Finger zwischen das Band und den Hals einzuschieben, während in den meisten Fällen das Strang Werkzeug viel lockerer aufliegt, und doch hinreichend fest liegt, um bei der Zerrung des Kör- pers beim Aufhängen den Tod zu bewirken. Alle diese Fälle verdienen im concreten gerichtlichen Obductionsfall die reifste Erwägung, um nicht unvorsichtig ein Gutachten abzugeben, das unbegründet ist, und möglicherweise die erheblichsten Folgen für einen Angeschuldigten haben kann. Die Frage von der Strangmarke ist übrigens hiermit noch nicht erschöpft, und wird bei der Erläuterung des Erhüugungstodes wieder aufgenommen werden. Eine andere Erwägung aber erfordert noch in man- chen Fällen die Untersuchung eines Strangwerkzeuges. In Fäl- len, wo Mord oder Selbstmord in Frage stehn, kann die Art, wie der Knoten des Strickes geschürzt gewesen, von grosser Wichtigkeit werden. Es giebt nämlich bekanntlich eine Menge von technischen Knoten; die Bäcker schürzen ihre Knoten an den Säcken auf eine eigentümliche, die Sackführer ihre Mehl- säcke wieder auf eine andere Weise, wie vielen andern Hand- werkern wieder andere Knotenschürzungen ganz eigenthümlich sind. Mir selbst sind einige Male Fragen der Art vorgelegt worden, ob der vorgezeigte Knoten ein Bäckerknoten u. dgl. sei? Der Gerichtsarzt kann nicht Alles wissen; namentlich ist nicht von ihm zu verlangen, dass er mit allen technischen Werk- zeugen und Handgriffen aller Handwerke vertraut sei, wozu ihn auch seine speeifische Wissenschaft gar nicht befähigt. Aus denselben Gründen, die oben (S. 149) in Betreff der Schusswaffen angeführt sind, rathe ich deshalb auch in dieser Beziehung zu einer offenen Incompetenzcrklärung. Man veran- lasse in solchen Fällen den Richter, die betreffenden Handwer- ker u. dgl. selbst zu befragen und mit ihrem Gutachten zu hören. §. 39. Zweifelhafte Blutflecke auf Werkzeugen. In Criminal-Untersuchungssachen, betreffend Mord, Todt- schlag, Verletzungen, Misshandlungen, Nothzucht u. s. w. kommt es bekanntlich vor, dass gerichtsärztlicher Seits festgestellt wer- den soll, ob Flecke auf Werkzeugen oder Möbeln, Thüren, Wänden, Geschirren, oder auch auf Bekleidungsstücken und Stoffen, die augenscheinlich Aehnlichkeit mit Blutflecken haben, wirklich von Blut herrührten oder nicht. Der Angeschuldigte läugnet Alles, und jene verdächtigen Flecke, von deren Natur er angeblich gar nichts weiss, sind vielleicht das wichtigste In- dicium gegen ihn. Oder er räumt ein, dass die Flecke Blut- flecke seien, aber er bringt vor, dass und wie so sie vom Blute eines Thieres herrühren. Oder er räumt ein, dass die Flecke an seinen Beinkleidern wohl Blutflecke sein könnten, dass sie aber nicht von einer, durch ihn zugefügten Verletzung, sondern davon herrührten, — dass er, einen Tag vor seiner Verhaftung, mit einem, gerade menstruirenden Frauenzimmer, den Beischlaf vollzogen habe. Oder in einem andern Falle wird es zweifel- haft, ob die anscheinenden Blutflecke wirklich von dem angeb- lich Verletzten herrühren, oder ob derselbe nicht vielmehr, wo- für Verdachtsgründe vorliegen, Thierblut genommen habe, um seine unbegründete Anschuldigung eines Dritten glaubhafter zu machen. Für alle diese Fälle habe ich Erlebnisse anzuführen: diese Beispiele erschöpfen aber noch keinesweges alle Möglich- keiten. Nun ist es zwar nicht gesetzliche Vorschrift, wohl aber längst verjährter und sehr richtiger Usus, dass der Richter in solchen Fällen neben dem Arzte einen Chemiker, in Preussen einen approbirten Apotheker, als Sachverständigen requirirt. da dem Arzte nicht zuzumuthen, dass er mit den täglichen Fort- schritten der Chemie fortwahrend vertraut bleibe; eine allge- meine Bekanntschaft mit diesen Dingen wird derselbe sich indess jedenfalls erwerben müssen, da er für den betreffenden Bericht, der seine Mitunterschrift tragen muss, überall mit verantwort- lich bleibt. Aus diesem Grunde Übergehn wir die Frage von den Blutflecken auf Werkzeugen und auf Stoffen (§. 43.) hier nicht, Avenn gleich ein genaueres Eingehn in die zahlreichen Untersuchungsmethoden, die fortwährend durch neue vermehrt werden, gar nicht zu den Zwecken unseres Buches gehört, und den Specialschriften, deren es sehr genügende giebt, überlassen bleiben muss. *) Im Allgemeinen ist es, bei aller Verschiedenheit der Mei- nungen unter den Sachkennern, mit grösstem Rechte als unbe- streitbar, wie Jeder weiss, der sich mit solchen Untersuchungen beschäftigt hat, angenommen, dass frisches Blut (versteht sich: angetrocknetes) auf Werkzeugen gewöhnlich leicht, seit längerer Zeit angetrocknetes Blut, zumal auf metallenen Werkzeugen, die der Feuchtigkeit, wenn auch nur der der Luft, ausgesetzt gewesen sind, schwer, oft unmöglich zu erkennen und als Blut zu constatiren ist. Sind die metallenen Werkzeuge blank, wie die zum technischen Gebrauche der Handwerker dienenden, so ist frisch angetrocknetes Blut schon dem blossen Augenschein nach schwer mit irgend andern ähnlichen Flecken zu verwech- *) Vgl. Orfila, Traite de Med. leg. 2. Aufl. II. S. 564. Lassaigne, Revue medic. August 1821. Barruel, Annales d'Hygiene publique. 1829. Chevalier in Poggendorfs Annalen 1838. No. 9. Barruel und Lesueur, Archives de Med. 1833. I. 2. Serie. H. R ose, in meiner Vierteljahrsschrift 1853. IV. S. 295, und ganz besonders C. Schmidt, die Diagnostik verdächtiger Flecke in Criminal- fällen. Mitau und Leipzig 1848, und B. Ritter, über die Ermittelung von Blut-, Saamen- und Ex- crementenflecken in Criminalfällen. Eine gekrönte Preis- schrift. 2. Aufl. Würzburg 1854, mit reicher Literatur. sein; namentlich nicht mit Rostflecken. Die Blutflecke sind hell- roth, wenn nur eine dünne Lage Blut auf dem Eisen u. s. w. haftet und dunkelroth, wenn mehr Blut angetrocknet ist. Am leichtesten aber sind solche Blut- und Rostflecken durch starkes Erhitzen des Werkzeuges zu unterscheiden, während welches das Blut abblättert, und die reine Metallfläche zurücklässt, wäh- rend Rostflecke dadurch gar nicht verändert werden. Frische Blutflecke ferner auf hellen Thüren, Möbeln, Tapeten u. dgl. sind ganz unverkennbar. Bei frischen Blutflecken auf dunkel- gefärbten hölzernen Werkzeugen, den braunen Stielen von Mes- sern oder Beilen, braunen Thüren, dunkeln Tapeten, Mö- beln u. s. w. habe ich selbst das von Olli vi er und Pillon zufällig entdeckte Verfahren sehr hülfreich gefunden, die nahe Beleuchtung nämlich der verdächtigen Flecke mit künstlichem Lichte, z. B. eines Wachsstocks, bei welchem man in der dunk- lern Grundfarbe rothbraune Flecke sieht, die, zumal wenn nur wenige und kleinere vorhanden sind, sich bei Tageslicht der Beobachtung ganz entziehen. Bei noch frisch angetrocknetem Blut endlich unterliegt auch dessen Feststellung auf microscopi- schem Wege in der Regel keinen Schwierigkeiten, indem es hier gewöhnlich noch gelingt, die eigenthümlichen menschlichen Blutkörperchen deutlich zu erkennen. Dagegen verlässt uns dies vortreffliche Prüfungsmittel sehr oft, wenn das Blut schon lange angetrocknet, wenn es nass und wieder trocken geworden, wenn es mit andern Substanzen gemengt, wenn es, was na- mentlich bei Stoffen vorkommt, zerrieben oder ge- waschen worden war, in welchen Fällen die Blutkörperchen zerstört worden, und, wie ich weiss und erfahren habe, auch von den geübtesten und berühmtesten Microscopikern dann nicht mehr als solche aufzufinden sind. Viel Aufsehn hat mit Recht die angebliche Entdeckung Barruel's gemacht, Menschen- von Thierblut bei Behandlung mit reiner Schwefelsäure durch den speeifischen Geruch zu un- terscheiden. Wenn aber schon das Farbcnsehn ein missliches Experiment als Beweismittel in der gerichtlichen Median ist, so ist es noch weit bedenklicher, den Geruchssinn als Kriterium zu benutzen, da kein Sinn grössern Individualitäts-Verschieden- heiten ausgesetzt ist, als gerade dieser, wie allbekannt ist. In der That hat sich auch B arruel's Methode gar nicht bewährt, wie zu den vielen frühern Beweisen namentlich die schlagenden Versuche von Chevalier ergeben.*) Derselbe behandelte, in Gemeinschaft mit andern Sachverständigen, Hammel-, Ochsen- und Menschenblut von verschiedenen Menschen nach der B ar- me Tsehen Methode; jeder der Sachverständigen zeichnete für sich seine Geruchswahrnehmungen an den resp. ihm nicht be- kannten Blutarten auf, und es fand sich, dass, wenn sie in ein- zelnen Fällen das Richtige getroffen, sie in andern Fällen Men- schen- für Thierblut und umgekehrt erklärt hatten! Die Bar- ruel'sche Unterscheidungsmethode beider Blutarten, vollends die behauptete Möglichkeit, das Blut der einzelnen Thiere von dem anderer Thiere durch den Geruch zu unterscheiden, muss daher aus den angeführten Gründen, zumal in Criminal-Anschul- digungen, für unzulässig erklärt werden, weil sie viel zu unsi- cher ist und zu gefährlichen Täuschungen und darauf gegrün- deten Behauptungen Veranlassung geben kann. Dass es indess auf microscopischem Wege möglich, selbst noch trocknes Blut von Menschen von dem von Thieren nach längerer Zeit zu un- terscheiden, wenn es sorgfältig aufbewahrt, und vor der Ein- wirkung der oben erwähnten nachtheiligcn Einflüsse bewahrt worden, beweist folgender lehrreicher Fall, der Veranlassung zu dem nachstehenden Gutachten der K. wissenschaftlichen Depu- tation gegeben hat, an welchem Johannes Müller und der Verfasser als Referenten betheiligt waren. *) Annales d'Hyg. publ. 1853. Avril. 1«. Fall. Unterscheidung von Menschen- und Vogelbl ut. Ein Mann war aus seiner Wohnung zwangsweise exmittirt und da- bei misshandelt worden. Er gab an, in Folge dessen erkrankt zu sein; es entstand indess der Verdacht, dass das von ihm in der Krankheit an- geblich per anum abgegangene Blut uicht Menschen-, sondern absichtlich verschlucktes Taubenblut gewesen. Zwei Aerzte hatten dies bescheinigt. Auch in weiterer Instanz hatten zwei andre Aerzte erklärt, dass das zwi- schen dem 30. Januar und 3. Februar per anum abgegangene Blut sich bei einer am 22. Juli (also nach fast sechs Monaten) von ihnen ausge- führten microscopischen Untersuchung als Vogelblut ergeben habe. Das im November requirirte K. Medicinal-Collegium zu X. hatte darüber we- gen Unkenntlichkeit der fraglichen Substanz eine bestimmte Ansicht nicht mehr aussprechen, und auf eine spätere Anfrage: ob die Unkenntlichkeit auch schon am 22. Juli habe Statt finden müssen? eine Antwort nicht weiter geben können. Der Untersuchungsrichter extrahirte nunmehr des- halb ein Stipercirbitrium der wissenschaftlichen Deputation, für welches er folgende Fragen stellte: 1) ob die übersandte Substanz für Menschen- oder Vogelblut zu erkennen? 2) worin, wenn solches nicht zu erkennen, die Unkenntlichkeit bestehe? 3) ob diese Unkenntlichkeit schon am 22. Juli oder seit wann hat bestehen müssen? Mitte Februars des nächsten Jahres, also nach mehr als einem Jahre nach seinem Abgange in frischem Zustande, wurde das Blut un- tersucht, und folgendes Gutachten erstattet: P. P. '„Zur Erledigung unsers Auftrags wurde die übersandte Blut- substanz (ganz trocknes, pulvriges Blut in einer Schachtel) unter dem Microscope verglichen: 1) mit frischem und getrocknetem Blute aus einer menschlichen Leiche; 2) mit frischem und mit getrocknetem Blute einer Taube. Die Blutkörperchen des fraglichen Blutes lassen sich, wenn hinreichend kleine Fragmente desselben mit einer Kochsalzlösung oder mit Zucker angesetzt unter das Microscop gebracht werden, deutlich er- kennen. Sie sind nicht elliptisch und haben die Form und Grösse, wel- che den Blutkörperchen des Menschen und der Säugethiere eigen und gemeinsam sind. Von der Grösse der menschlichen abweichende Blut- körperchen haben sich darin durchaus nicht erkennen lassen. Von der runden Form einigermaassen abweichende Blutkörperchen sind darin nur wenige enthalten, und nicht mehr und nicht minder, als mau dergleichen «geringe Abweichungen im Blute des Menschen und der Säugothicre wahr- nimmt. Ein Kern ist in den fraglichen Blutkörperchen nicht wahrnehm- bar, und ist darin eben so zweifelhaft, als er es jn den Blutkörperehen der Menschen und Säugethiere überhaupt ist. Mit den Blutkörperchen des Taubenblutes und des Blutes der Vögel überhaupt haben die frag- lichen Blutkörperchen nicht die geringste Aehnlichkeit, und ist nicht ein- zusehn, wie dieselben damit haben indentificirt werden können. Die Blut- körperchen des Vogelblutes sind ohne Ausnahme elliptisch, sie besitzen einen deutlichen, länglichten Kern, und sind übrigens doppelt so gross, als die fraglichen Blutkörperchen. — Aus alle diesem folgt, dass die uns vorgelegte Blutsubstanz nicht Taubenblut und überhaupt kein Vogelblut ist, vielmehr nur Menschen- oder Säugethierblut sein kann. Welches aber von beiden, lässt sich wegen der Uebereinstimmung der Form und Grösse der Blutkörperchen im Menschen- und Säugethierblut mittelst des Microscops nicht entscheiden, und liegen überhaupt keine sichern Unter- scheidungsmerkmale beider Blutarten vor. Hiernach geben wir unser Gutachten dahin ab: dass die übersandte Substanz nicht Vogelblut, son- dern Menschen- oder Säugethierblut gewesen sei, womit die beiden obi- gen eventuellen Fragen von selbst erledigt sind. Berlin, den 13. März 1850. Königl. wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen." Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass neben andern günstigen, schon oben angegebenen Umständen die Untersuchung und Entscheidung in diesem Falle dadurch wesentlich erleichtert wurden, dass wir zwischen zwei Formen von Blutkörperchen zu unterscheiden hatten, welche wesent- lich und sinnlich sehr wahrnehmbar von einander unterschieden sind. "Wie viel schwieriger aber es ist, unter ganz entgegengesetzten Verhält- nissen ein Urtheil über Flecke abzugeben, von denen es zweifelhaft, ob sie von Menschen- oder Thierblut herrühren, mögen folgende Fälle be- weisen , die ich, wegen der Analogie mit dem vorstehenden, gleich hier anfügen will, obgleich auf Blutflecke auf Stoffen und Bekleidungsstücken zurückzukommen sein wird (vgl. §. 43.). 41. Fall. Ob Menschen- oder Kuhblut? Am 14. Januar 18— waren zu N. im Kruge unter mehrern gemein- schaftlich Trinkenden der S. und der Knecht W. anwesend. Letzterer sali, wie S. einen Geldbeutel mit 25 Thlrn. bei sich .trug, fragte den- selben, welchen Weg er nach Hause nehmen werde, und entfernte sich. Als S. in der Nacht nach Hause zurückkehrte, fühlte er plötzlich, auf der schneebedeckten Landstrasse wandernd, einen Schlag in's Gesicht der ihn stark bluten und besinnungslos machte. Als er wieder zu sich kam, f;ind er sich seines Geldbeutels beraubt Als des Raubes dringend verdächtig wurde der Knecht W. eingezogen. Seine Stiefeln passten ge- nau in die Fussspuren im Schnee, er war schon früher wegen Diebstahls bestraft, trieb ungewöhnlichen Aufwand u. s. w. Besonders verdächtig aber war ein fast handtellergrosser Blutfleck an der Klappe seiner dril- lichnen Hosen. Er erklärte, dass derselbe davon herrühre, dass er zu Weihnachten des vorangegangenen Jahres beim Schlachten einer Kuh be- hülflich gewesen, und diese Angabe hat sich bestätigt. Das dortige Kreisgericht fand sich bei dieser Sachlage veranlasst, mir die genannten Beinkleider mit der Requisition zuzusenden: durch microscopische Unter- suchung festzustellen, ob der Blutfleck von menschlichem oder von Thier- (Kuh-) Blut herrühre? Mehrere geübte Microscopiker, und namentlich unser Academiker, Prof. du B ois-Rey mond, hatten die Güte, mit uns gemeinschaftlich diese sehr schwierige Untersuchung auszuführen. Ich führe dss Wesentliche aus dem, an das Gericht erstatteten Gutachten hier an: „Untersuchungen dieser Art sind um so schwieriger, je weniger man es mit frischem, und je mehr man es mit Blut von solchen verschiedenen Thieren zu thun hat, deren resp. Blutkörperchen im Ganzen dieselbe Form haben. Letzteres ist nun namentlich der Fall in Betreff der Blut- körperchen des Menschen und derjenigen der meisten Säugethiere, na- mentlich der Ochsen, insofern die erstem -wie die letztern gleichmässig rund und die menschlichen nur grösser im Durchmesser sind, als die beim Rinde. Wir haben uns auf's Neue hiervon bei unserer ersten microscopi- schen Untersuchung am 8. Februar vollständig überzeugen können. Fri- sches Menschen- und frisches Ochsenblut wurden vergleichsweise bei einer ISOmaligen Vergrösserung unter das Microscop gebracht, und der Unter- schied auf das Entschiedenste wahrgenommen. Auch beim Mischen bei- der Blutarten auf demselben Objectträger konnte man auf's Deutlichste die kleinern Rind- und die grössern Menschenblut-Körperchen sofort von einander unterscheiden. Wir schritten nunmehr zur Untersuchung des corporis delicti. Einzelne blutgetränkte Fäden aus dem Blutfleck der drillichenen Beinkleider wurden mit reinem Knochenöl aufgeweicht und untersucht; aber sogleich entstanden unter den anwesenden Beobachtern Unsicherheiten und Meinungsdifferenzen, weil die Form der gesehenen Blutkörperchen uHdeutlich war. Der quäst. Blutfleck würde event. zur Zeit unserer Untersuchung höchstens sechs und mindestens drei Wochen, jedenfalls also alt genug gewesen sein, um nur ganz eingeschrumpfte Blutkörperchen sichtbar werden zu lassen, die stets ein unsicheres Re- sultat ergeben. Um die entgegengesetzte Ansicht eines neuorn Schrift- stellers auf diesem Gebiet (Schmidt) zu prüfen: dass getrocknete Blut- körperchen dasselbe Volumen zeigen, wie frische, und um wo möglich unser Gutachten mit Sicherheit abgeben zu können, wurde ein Gegenver- such in der Art von uns angestellt, dass wir auf denselben drillichenen Stoff der Beinkleider gleichzeitig frisches Menschen- und frisches Ochsen - blut tröpfelten, und die Zeuge ganz unter denselben Verhältnissen acht Ta . 'i i * . i:..:' 48. Fall. Ob Menschen- oder Rinder- oder Hammelblut? Bei dem Mörder im unten anzuführenden 246. Falle fanden sich einige schwache Blutspuren an den Manschetten beider Hemdsärmel. Da die von ihm Erwürgte Nasenbluten bekommen hatte, so mussten diese Blutspuren sehr verdächtig sein. Er gab jedoch an — und es ist dies bestätigt worden, dass er am Tage nach der That bei einem Schlächter beim Schlachten eines Ochsen, zweier Hammel und eines Kalbes behült- Üch gewesen sei, und sich hierbei mit Blut beschmutzt habe. Dies gab Veranlassung, dass uns die obige Frage zur Entscheidung vorgele-t wurde. Die Blutspuren am Hemde, das wir zehn Tage nach dem Vor- falle in ein kleines Packet fest zusammengepackt erhielten, waren nur höchst unbedeutend und ganz unzweifelhaft fand sich, dass sie gewaschen und gerieben worden waren, so dass von vornherein eine Zerstörung der Blutkörperchen vorausgesetzt werden musstc. Nichtsdestoweniger wurde der wohlerhaltenste Blutfleck ausgeschnitten, die Leinewandfaser mit vor- her micro.scopisch untersuchtem, blutfreiem Speichel aufgeweicht und das- selbe Microscop wie im vorigen Falle zur Untersuchung benutzt, die wir wieder gemeinschaftlich mit du 13 ois-Hey uio n d ausführten, dessen Name hinreichende Gewähr für den Ausfall derselben bietet. Leider! war die- ser diesmal ganz negativ, denn es konnte nicht einmal mehr die Form der Blutkörperchen überhaupt, viel weniger erkannt werden, ob man Mensehen- oder Säugethierblut vor sich hatte. Auch ein Gegenversuch mit frischem Menschenblut trug nichts zur Verdeutlichung des Untersu- chen gs-Objectes bei, und es blieb nichts übrig, als dem Richter zu er- klären, dass die Feststellung der fraglichen Diagnose nicht mehr mög- lich sei. §. 40. Fortsetzung. Chemische Untersuchung der Blutflecke. Die von Heinrich Rose (a. a. O.) theils unter den ver- schiedenen Untersuchungs-Methoden als die zweckmässigste er- kannte, theils ihm eigentümliche Methode, nach welchem Ver- fahren wir jetzt in betreffenden Fällen operiren, ist folgende: man behandelt das trockne Blut mit kaltem destillirten Wasser anhaltend und lange, indem man dasselbe von Zeit zu Zeit vom ungelösten Faserstoff vorsichtig abgiesst, bis derselbe durch die Behandlung mit Wasser so ziemlich vom Blutroth befreit ist. Den zurückbleibenden Faserstoff kann man durch das Microscop deutlich erkennen, zumal wenn man ihn mit Faserstoff, der aus frischem Menschenblut eben so dargestellt worden, vergleicht. Die wässrige Lösung des Blutroths prüft man mit Reagentien, wendet aber dazu nur die erhaltene erste, concentrirte Lösung an, da die durch ferneres Auswaschen gewonnenen zu wenig Blutroth enthalten. Durch Zusatz von Chlorwasser im Ueber- maass, so dass die Flüssigkeit nach dem Schütteln danach riecht, wird sie entfärbt, und es 'scheiden sich weisse Flocken ab, die gewöhnlich auf der Oberfläche schwimmen. Wird Sal- petersäure zu einem dritten Theile der Blutrothlösung hinzuge- fügt, so entsteht eine weissgraue Fällung, und Galläpfeltinetur giebt in dem vierten Theile der Lösung einen schwach violetten Niederschlag. Einen Theil der Flüssigkeit erhitzt man bis zum Kochen, wodurch in ihr ein grösseres oder geringeres Gerinn- sel entsteht, je nach der Menge des aufgelösten Blutroths. War die Lösung sehr verdünnt, so entsteht oft nur eine Opalisirung. Die Farbe des Gerinnsels ist schmutzig röthlieh. Es löst sich leicht in erhitzter ätzender Kalilösung auf; die Farbe der Auf- lösung ist mehr oder minder grünlich; sie hat aber das Eigen- thümliche, bei einer gewissen, aber nicht zu starken Verdünnung der Flüssigkeit nur beim durchgehenden Lichte grün zu erschei- nen, beim darauf fallenden ist sie roth, was man am besten in einem weissen Reagenzglase sehn kann. Es ist dies der Di- chroismus des Blutfarbestoffs, auf den Berzelius, Lehmann und ganz neuerlich Brücke näher aufmerksam gemacht haben, ^enn man nur eine sehr kleine Menge von aufgelöstem Blut- roth zur Verfügung hat, z. B. wenn nur ein kleiner Blutfleck mit Wasser behandelt worden, können nicht alle Reactionen an- gestellt werden. H. Rose räth dann, die geringe Menge der concentrirten, oder nicht zu verdünnten Lösung des Blutroths zu kochen, und die gekochte Lösung mit Kalihydrat zu behan- deln. Hat man dadurch die oben angeführten Erscheinungen erhalten, so kann diese alkalische Flüssigkeit mit einem Ueber- maasse von concentrirtem Chlorwasser versetzt werden, wodurch weisse Flocken sich abscheiden, oder man kann dazu nur die Hälfte der alkalischen Lösung verwenden, um die andre Hälfte mit Salpetersäure zu übersättigen, um die oben angeführte weissgraue Fällung zu erhalten. — Von besonderer Bedeutung und Schwierigkeit aber ist die Feststellung von Blut, das auf metallischem Eisen, also auf Werkzeugen u. dgl. eingetrocknet ist. Vauquelin hat zuerst die Bemerkung gemacht, dass Eisenrost, der sich im Innern bewohnter Häuser auf Gegenstän- den von metallischem Eisen bildet, Ammoniak enthält, und diese Beobachtung ist von Chevallier, Austin und Boussin- gau lt bestätigt worden. Hiernach macht Rose mit Recht dar- auf aufmerksam, dass, wenn sich beim Erhitzen von abgekratz- tem Eisenrost, in welchem man Blut vermuthet, Ammoniak ent- wickelt, man darin nicht eine Bestätigung der Vermuthung fin- den darf. Hat man nach einer schwachen Erhitzung in einem Caspcr, gerichtl. Medicin. i j trocknen Rcagensglase das Ammoniak aus dem, von dem Metall abgekratzten, Eisenrost entfernt. 00 muss, auch wenn nur eine geringe Menge angetrockneten Blutes im Roste enthalten, bei stärkerer Erhitzung der bekannte brenzlich - stinkende Geruch wahrgenommen werden, der bei Verkohlung eiweissartiger Sub- stanzen entsteht, und braunes, stinkendes, empyreumatisches Oel wird sich an dem nicht erhitzten Theil des Rea<2:ens<'lases zei- gen. Noch sicherer aber kann die Vermuthung bestätigt wer- den, wenn man den schwach erhitzten Eisenrost in einer gerin- gen Menge mit einem ungefähr gleichen Volumen von Kalium oder besser von Natrium in einer sehr kleinen Glasröhre schmelzt, die an einem Ende zugeschmolzen ist, die geschmolzene Masse nach dem Erkalten mit Wasser behandelt, die filtrirte Lösung mit einer sehr geringen Menge einer Eisenlösung, die zugleich Oxyd und Oxydul enthält, versetzt und darauf mit etwas Salz- säure übersättigt. Es bleibt dann eine grössere oder geringere Menge von Berlinerblau ungelöst, wenn Blut zugegen war, des- sen Farbe nur grün erscheint, wenn die Menge der hinzugefüg- ten Eisenauflösung etwas zu bedeutend gewesen ist. Rose versichert, und der Versicherung eines solchen Gewährsmanns ist wohl unbedingt zu trauen, dass durch diese neue Methode Blut im Eisenrost, auch wenn dasselbe in höchst geringer Menge vorhanden war, sicher angezeigt wird. Aber er macht darauf aufmerksam, dass diese Erscheinungen nicht grade von Anwe- senheit von Blut herzurühren brauchen, indem sie durch die Gegenwart jeder stickstoffhaltigen organischen Substanz bedingt werden. Wenn aber der Eisenrost nur durch Oxydation des Eisens an feuchter Luft entstanden ist, so zeigen sich jene Er- scheinungen bestimmt nicht. *) *) Ueber die Versuche, die H. Rose über die Verbindung des Eisen- oxydhydrats mit Blutroth, so wie über die Auffindung des Blutroths, wenn das Blut einen Boden getränkt hat, der aus humusreicher Gartenerde be- steht, angestellt hat, muss ich auf dessen angeführte, wichtige Abhandlung verweisen. Wie wir in einem Falle von Todtsehlag urtheilen mussten, in welchem der Thäter läugnete, sich eines Messers bedient zu haben, das später mit Rostflecken bei ihm aufgefunden wurde, wird der 60. Fall ergeben. Ueber die Ermittelung von Blut- flecken auf Stoffen vgl. §. 43. §. 41. Die Art und Weise der Anwendung der Werkzeuge Seitens des Angeschuldigten. Die Sachverständigen sollen aber auch, nach der S. 138 angeführten gesetzlichen Bestimmung, darüber sich äussern: „ob durch diese die Verletzungen haben hervorgebracht werden können, und ob aus der Lage und Grösse der Wunden ein Schluss auf die Art, wie der Thäter wahrscheinlich verfahren habe, und auf dessen Absicht und körperliche Kräfte gemacht werden könne?" In der Regel unterliegt die Beantwortung die- ser Fragen keinen besondern Schwierigkeiten, wenn man nur erwägt, was über die verschiedene Einwirkung der verschiede- nen Werkzeuge, scharfer, stumpfer, stechender u. s. w., ange- führt worden ist. Dies bezieht sich namentlich auf die erste dieser Fragen: ob diese Verletzung mit diesem Werkzeuge habe hervorgebracht werden können? Wenn man einen zer- schlagenen Schädel an der Leiche und eine Axt oder einen starken Hammer vor sich hat, so wird die Bejahung der Frage nicht zweifelhaft sein. Gar nicht selten aber geht der Unter- suchungsrichter weiter, zumal wenn die Umstände des Falles, hartnäckiges Leugnen des Angeschuldigten u. s. w., ihn dazu drängen, und fragt den Gerichtsarzt: ob die Verletzungen mit dem vorliegenden Werkzeuge zugefügt worden seien? Positiv lässt sich dies natürlich in sehr vielen Fällen gar nicht bejahen, denn mit der Axt A. kann die tödtliche Kopfverletzung eben so füglich entstanden sein, wie mit der Axt B. und C, mit dem Taschenmesser A., wenn es nur einigermaassen zur Stichwunde passt, eben so gut, wie mit jedem andern, ähnlichen Messer. Um sich daher für spätere Verhandlungen, in denen oft noch 11* ganz neue Thatsachen zu Tage kommen, nicht die Hände zu binden, räth die Vorsicht, sich bei solchen Fragen so zu äus- sern: dass die Verletzungen mit diesem Werkzeuge haben her- vorgebracht werden können, und dass sie auch mit demselben, oder mit einem diesem ganz ähnlichen, wirklich hervor- gebracht worden seien. Negativ dagegen pflegt die Entschei- dung leichter zu sein; d. h. der Arzt kann in den meisten be- züglichen Fällen leichter entscheiden, dass die Verletzung mit diesem Instrument nicht habe verursacht werden können, und nicht verursacht worden sei, und diese technische Entscheidung ist in vielen Fällen von der grössten practischen Wichtigkeit, weil sie ein unwiderleglicher Beweis gegen die lügenhaften Aus- sagen des Angeschuldigten ist, wie sie in andern Fällen und umgekehrt denselben schützt, wenn er von Andern denuntiirt worden, dass er auf die und die Art einen Menschen verletzt oder getödtet habe, was dann der Gerichtsarzt vielleicht bestrei- ten muss. Wieder in andern Fällen sind bei allgemeinen Schlä- gereien, in denen Mehrere betheiligt waren, zwei oder Mehrere in der Anschuldigung der Verletzung oder Tödtung betheiligt. A. hat das Werkzeug X., B. das Instrument Z. gebraucht u. s. w., und es fragte sich: wer der Urheber des Todes gewesen? wo- bei der Richter hauptsächlich, wenn nicht gar ganz ausschliess- lich, auf das Gutachten des Gerichtsarztes hingewiesen ist, der ihm Aufschluss darüber zu geben hatte, welches der verschie- denen Werkzeuge die tödtlichen Wunden veranlasst habe. Aus einer grossen Zahl von Fällen, die diese und ähnliche. Combi- nationen berührten, werden wir unten einige der lehrreichsten folgen lassen. Am schwierigsten im Allgemeinen ist die Beantwortung des letzten Theils der Frage: ob aus der Lage und Grösse der Wunden ein Schluss auf die Art, wie der Thäter wahr- scheinlich verfahren habe, und auf dessen Absicht und körper- liche Kräfte gemacht werden könne? Grade in wirklichen Ca- pitalfällen, bei Mord und Todtschlag, kommt diese Frage fast immer vor, denn in der grossen Mehrzahl aller dieser Fälle leugnet der Angeschuldigte auf das Hartnäckigste. Nicht den im Bette Liegenden und Schlafenden hat er überfallen, nicht stand oder lag er über oder unter ihm, nicht hat er gestochen, sondern der Getödtete hat sich selbst auf das nur drohend vor- gehaltene Messer aufgerannt u. s. w. Die Inspection der Lage (Richtung) der Wunden, ihre Tiefe, Breite, Anzahl und die Ver- gleichung mit den vorgelegten Instrumenten kann den stringen- ten Gegenbeweis zu allen diesen Behauptungen liefern, und hat ihn in unsern zahlreichen derartigen Fällen, von denen wir meh- rere der wichtigsten mittheilen wollen, häufig genug geliefert. Bei einiger Uebung und Erfahrung und bei gehöriger Umsicht wird man sich hier nicht leicht täuschen. Beim Mangel dieser Erfordernisse werden, wie ich bei fremden Schwurgerichten er- lebt habe, allerdings die seltsamsten Behauptungen von Aerzten vorgebracht. Man sei aber hier um so vorsichtiger, als man in allen solchen Fällen vor Geschwornen zu urtheilen hat, zu de- ren Competenz diese Capitalfälle gehören, und die sich, sehr häufig nicht mit Unrecht, in Betreff der Art und Weise, wie der Thäter angeblich verfahren, ein eigenes Urtheil bilden und zutrauen, das auch bei nicht wenigen hier vorkommenden Com- binationen dem Laien allerdings nicht abzusprechen ist. Wir lassen die zu diesem Kapitel gehörende Casuistik folgen. 49. Fall. Tödtliche Misshandlungen angeblich nur durch Ohrfeigen. Ruptur der Leber. Am 25. October 18— Mittags hörten Hausbewohner in der R.'schen Wohnung ein seltsames Geräusch, namentlich Tone von einer Frau, „die sich abäscherte", dann auch Klagen und Bitten eines Kindes, ein Stöh- nen, ein Aufstauchen, Einmal deutlich die Worte: „da — wasch' Dich!", dann wieder ein Kreischen, ein Röcheln. Beim Eindringen in die Woh- nung fand man des R. Wirthschafterin mit dessen zehnjähriger Tochter (die eben aus der Schule zurückgekehrt war) allein im Zimmer, die Wirthschafterin sehr aufgeregt, das Kind in einem scheinbar leblosen Zu- stande. Das Gesicht war blutig, die Ilaare in Unordnung, und gleich darauf verstarb das Kind. Die Thäteriil behauptete (bis zum Schlus6 der Untersuchung!!), dass sie dem Kinde nur, und zwar übfr dem Strohhut (!), als es aus der Schule gekommen, zwei Ohrfeigen gegeben, worauf es sich aus Bosheit zur Erde geworfen, von der sie es wieder aufgehoben, worauf es sich abermals niedergeworfen habe, und stellte jede weitere Misshandlung mit eiserner Beharrlichkeit in Abrede. Auf dem Fussboden und an den Füssen der Möbel wurden Blutspuren gefun- den. Bei der Legal-Inspection fanden wir, ausser zahlreichen kleinern Hautbeschädigungen, sechsundvierzig grössere Sugillationen und Ex- coriationen, am Kopfe, Rumpf und Extremitäten, und ausserdem waren beide Augen, die Nase, die Lippen und beide Ohren stark blutroth an- geschwollen, und die Nates mit blauen Flecken ganz bedeckt. Auf den Bauchdecken fand sich keine Abnormität. Das Gehirn war sehr blutreich und in der Mitte der linken Hemisphäre fand sich ein Extrava- sat von einer halben Drachme, so wie ein zweites von zwei Unzen dun- kel-flüssigen Blutes auf der basis cranii. Auch das kleine Gehirn, wie sämmtliche sinus waren sehr blutreich. Von der Brusthöhle bemerken wir nur, dass Herz und Lungen ungewöhnlich wenig Blut enthielten, und dass in der Luftröhre sich etwas dunkelrother, blutiger Schleim vorfand. Unerwartet war dagegen der Befund von einem Pfunde dunklen, flüssigen Blutes in der Bauchhöhle, Avelches, wie sich ergab, aus einem Leber- riss geflossen war, der, drei Zoll lang, die Leber der Länge nach zwi- schen dem rechten und linken Lappen in ihrer ganzen Substanz getrennt 'hatte. Die übrigen Befunde waren normal. Dass der Tod durch innere Verblutung aus dem Leberriss entstanden war, musste natürlich ange- nommen werden. Aber auch dass dieser Riss nur in Folge einer äussern Gewalttätigkeit habe entstehen können, konnte nicht zweifelhaft sein, da eine gesunde Leber, wie diese war, nicht ohne eine solche eimvirkende Gewalt reisst, für welche letztere ja auch übrigens nur zu viele Spuren am Leichnam deutliches Zeugniss gaben. Dass übrigens der Leberriss sich äusserlich am Leichnam nicht durch die geringste Sugillation oder dergleichen kund that, war nur wieder ein neuer Beweis für die Richtig- keit der oben (S. 121) von uns aufgestellten Behauptung, betreffend die Häufigkeit solcher Fälle. Die Art der Gewalttätigkeit konnte natürlich nach den blossen Ergebnissen der Leichenöffnung nicht festgestellt und nur so viel mit Sicherheit angenommen werden, dass die Ohrfeigen das Kind nicht auf diese Weise hätten tödteu können. Dass die Gehirnblu- tung, die für sich allein gleichfalls, ohne Concurrenz der Leberruptur, den Tod des Kindes notwendig zur Folge hätte haben müssen^ nicht etwa aus bloss innern Ursachen entstanden war, konnte keinem Zweifel in Betracht des Umstandes unterliegen, dass das ganz gesunde Kind nur sehr kurze Zeit vor dem Tode erst von einem Gange zurückgekehrt war, und Gehirnblutungen unter diesen individuellen und concreten Umständen nicht vorkommen. Eben so 'musste in Abrede gestellt werden, dass die zahlreichen Beschädigungen (wozu noch der Umstand zu erwägen kam, dass man später des Kindes Ohrringe, die es am Todestage getragen, zerbrochen an mehrern Stellen der Stube gefunden hatte!) bloss von einem, wenn auch wiederholten Sichniederwerfen des Kindes hätten ent- stehen können, was wold hier keiner Ausführung bedarf. So kam der Fall vor den Richter, der damals noch an die strenge Beweistheorie des Strafrechts gebunden war, woraus, bei beharrlichem Leugnen der Ange- klagten, die Folge entstand, dass sie, obgleich anerkannt als Urheberin des Todes des Kindes, nicht mit dem Tode gestraft, sondern ausseror- dentlich zu zwanzigjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt wurde. 50. Ml. Fusstritte auf den Unterleib als angebliche Todesursache. Beim Trinken in einer Branntweinschenke wurden H. und R. sehr heftig gegen einander. Später gingen sie miteinander eine Viertelmeile vor die Stadt (nach Moabit), wo R., der jetzt ganz betrunken war, einen Dienst antreten sollte. Nach seiner spätem Aussage will er hier nieder- gefallen und von H. mit Fusstritten auf den Unterleib tractirt worden sein, was H. natürlich bestritt. Eine Viertelstunde später sah der Dienst- herr den R. gehen, „ohne dass ihm an seinem Gange etwas auffallend gewesen wäre, oder er ihn für betrunken hätte halten können." R. klagte aber bald über heftige Schmerzen im Leibe, und brachte die Nacht auf dem Heuboden eines nahen Hauses zu, dessen Besitzer ihn für „stark angetrunken" hielt. Die 6—8 Stufen hohe Leiter zum Heuboden war er indess ohne Hülfe hinauf-, und eben so auch am andern Morgen her- abgestiegen. Bei fortwährend heftigen Coliken suchte man nun für ihn Hülfe in der Charite, wohin er gefahren ward, und wo er Mittags ankam. Man fand hier „eine starke Quetschung der Bauchbedeckungen, nament- lich aber der in der Unterleibshöhle befindlichen Organe, Avas sich durch grosse Schmerzliaftigkeit des Unterleibs, Aufgetriebenheit desselben und grosse Unruhe des Patienten documentirte. Gegen Abend nahmen die Erscheinungen in hohem Grade zu, und durch das später eintretende Er- brechen, so wie das schwappende Gefühl im Unterleibe stellte es sich deutlich (??) heraus, dass eine Zerreissung der Organe des Unterleibes durch die einwirkende Gewalt herbeigefühlt sei." Der Tod erfolgte 48 Stunden nach der angeblichen Misshandlung. Auf dem Unterleibe des 50jälirigen Mannes waren nur frische Blutegelnarben, sonst nichts Unge- wöhnliches sichtbar. Das Bauchfell aber war in seinem ganzen Umfange lebhaft entzündet, verdickt und mit Eiter bedeckt, und in der Bauch- höhle fanden sich zwölf Unzen flüssigen Eiters. Auch das grosse Netz war sehr entzündet und mit Eiter bedeckt. Die Därme erschienen, wie der Magen, nur stellenweise entzündet, und die hintere Wand des Bauch- fells zum Theil durch Eiterexsudate fest mit ihnen verwachsen. In den linken Pleurasack waren sechs Unzen dünnflüssigen Blutes ergossen. Die linke Lunge zeigte Entzündung des untern Lappens. Die rechte Lunge ergab dieselbe Erscheinung und war fest mit dem Rippenfell verwachsen. Die übrigen Befunde übergehen wir hier als unwesentlich. — Die Begut- achtung des Falles war, wie die aller ähnliehen, recht schwierig, und ich halte es nicht für ungehörig, etwas ausführlicher die Substanz des Gut- achtens hier mitzutheilen. Nachdem die Ursachen aufgezählt worden, die eine so heftige und schnell tödtlich verlaufende Peritonitis überhaupt erzeugen können, und unter denselben auch natürlich äussere Insultatio- nen des Unterleibes, namentlich Fusstritte, genannt worden, fuhr das Gutachten, wie folgt, fort: „Die gewöhnliche Folge von Fusstritten, wie von ähnlichen Ge- waltthätigkeiten, sind mindestens Sugillationen der betreffenden Theile, Quetschung, resp. Lähmung derselben, Zerreissung der nahe gelegenen innern Organe, wie sie auch das Chariteattest, aber, wie sich später er- wies, irrigerweise im vorliegenden Falle angenommen hat, und werden diese Folgen um so sichtbarer hervortreten, je heftiger der Tritt geführt worden war. Nach der Aeusserung des Den. gegen den Videnz will nun derselbe nicht nur vor den Leib, sondern auf den Leib getreten worden sein, Avas eine liegende Stellung bei ihm voraussetzt, in welcher der Fuss des Inc. seinen Leib von oben her mit als nicht geringe zu schätzender Kraft getroffen hatte. In der Regel — wenn auch oft Aus- nahmen vorgekommen sind — wird nach einer solchen Gewalttätigkeit in den Hautbedeckungen sich Blut aus ihren Gefässen ergiessen, und sich als Sugillation äusserlich zeigen, und ist dies als eine um so wahrschein- lichere Folge vorauszusetzen, wenn die einwirkende Gewalt so heftig war, um augenblicklich eine so bedeutende und schnell bis zum Tode verlaufende Entzündung der unter liegenden Theile zu veranlassen. Von einer solchen sichtbaren Einwirkung, wie überhaupt von irgend einer an- dern der oben genannten, hat indess die Obduction an dem Körper des denatus keine Spur gezeigt, da vielmehr bereits oben gesagt ist, dass am Unterleibe nur „mehrere Narben von angesetzten Blutegeln sichtbar, und anderweitige Spuren äusserer Verletzungen überall nicht zu bemer- ken gewesen seien.« Wenn ferner der Amtmann B. den den. eine Vier- telstunde nach der angeblich erlittenen Verletzung (ohne Unterstützung), und zwar so gehen sah, dass ihm am Gange nicht das Mindeste auffiel, was auf eine Verletzung hätte deuten können, so würde dies, eine so bedeutende Gewalttätigkeit vorausgesetzt, wenigstens eine nicht gewöhn- liche Kraftanstrensung von Seiten des R. annehmen lassen müssen, welche ebenmässig im kurz darauf erfolgten Hinaufsteigen einer 6—8 Stufen hohen Leiter, das der Videnz bezeugt, vorausgesetzt werden müsste. Wenn hiernach sowohl die Resultate der Obduction, wie die acten- mässig festgestellten anderweitigen Thatsachen nichts weniger als mit Gewissheit ergeben, dass die tödtliche Bauchfellentzündung in Folge äus- serer Gewalttätigkeit entstanden war, so fehlt es auch andrerseits nicht an Gründen, die eine Erklärung der genannten Krankheit aus anderwei- tigen Ursachen wenigstens mit Wahrscheinlichkeit motiviren. Es ist gar Nichts über den Gesundheitszustand des R. vor dem 7. d. M. ermittelt, woraus aber selbstredend nicht mit Gewissheit gefolgert werden darf, dass den. nicht schon einen oder einige Tage vorher an solchen oft nur sehr geringfügig scheinenden, und von Menschen dieser Klasse wenig oder nicht beachteten Symptomen, als Leibschneiden, Diarrhöe, flüchtigen Stichen im Leibe, Empfindlichkeit desselben für die äussere Berührung, gelitten habe, die nicht selten die Vorläufer und ersten Anfänge einer solchen Unterleibsentzündung sind, und, besonders bei mangelnder Pflege, um so mehr bei direct einwirkenden Schädlichkeiten, später sich zur aus- gebildeten Krankheit steigern. An letztern hat es aber dem den. nicht gemangelt, und bedürfte es nicht einmal der Annahme der Möglich- keit solcher vorangegangener Vorbotensymptome, um die der Wahr- scheinlichkeit einer Entstehung der quäst. Krankheit aus diesen Schädlichkeiten zu motiviren. Dass der R. im Scherfling'schen Locale bei fortwährendem Trinken von Schnaps und Bier und heftigem Streiten mit dem Inc. sein Blut- und Nervensystem erhitzt habe, ist nicht nur a priori vorauszusetzen, sondern actenmässig erwiesen, indem der Gast- wirth deponirt, dass er denselben im „ziemlich aufgeregten Zustande" bei sich gefunden habe. Ob er schon jetzt oder späterhin eigentlich be- trunken, oder auch nur stark angetrunken gewesen, darüber weichen die Depositionen untereinander ab. Dass seine, sogar bedeutende Trunken- heit fortwährend von dem Thäter behauptet wird, darauf wollen wir kei- nen Werth legen; doch fand ihn auch der Videnz „stark angetrunken, da er stark nach Branntwein roch", und jedenfalls, worauf es hier nur ankommt, ist eine Erregung seines Blut- und Nervensystems, wie durch die excitirende Gemütsbewegung, in welcher der Streit ihn erhielt, so auch durch den Einfluss berauschenden Getränkes (dergleichen später in Moabit noch 'einmal genossen wurde) mit Gewissheit anzunehmen. In diesem Zustande ging den. nun den ansehnlich weiten Weg nach Moabit zu Fuss. Es ist nicht als unmöglich, selbst, unter Berücksichtigung des- sen, was im Obigen gegen die Entstehung der tödtlichen Krankheit durch die angeblichen Misshandlungen ausgeführt worden, nicht als unwahr- scheinlich anzunehmen, dass' sich "nun der entzündliche Process im Unterleibe entwickelt, oder ein, in seinen Anfängen bereits gegebener, sich gesteigert habe. Eine ihm nunmehr widerfahrene rohe Behandlung im Allgemeinen, wie-sie Inc. selber einräumt, ein Stossen, dass er zur Erde fällt, ein Anstossen mit dem Fusse, um ihn wieder zum Aufstehen zu bewegen u. s. w. konnte nur nachtheilig und als wahre Schädlichkeit wirken. Den. hatte in dieser Zeit nun schon bedeutende Schmerzen im Unterleibe. In diesem Zustande verbringt er die Nacht hülflos auf einem Heuboden, während nun schon zweifelsohne eine wirkliche Entzündung eingetreten war, und zwar eine Species von Entzündung, die nur allein, nach der ärztlichen Erfahrung, nocli Hoffnung eines günstigen Ausganges gewährt, wenn sie vom ersten Entstehen an mit den kräftigsten, entzün- dungswidrigen Heilmitteln bekämpft wird, und bei deren raschem Verlauf eine Versäumniss dieser Art von einer ganzen Nacht und darüber vom allerwichtigsten, nachtheiligsten Einflüsse ist. AVenn nach allem Bisherigen dargethau ist, dass eine Bauchfellent- zündung bei dem den. auch ohne die von ihm behauptete erlittene Miss- handlung entstehen und tödtlich verlaufen konnte, so scheint unserer Ausführung nur das Chariteattest entgegenzustehen. Nach demselben er- gab " die Untersuchung „mit Rücksicht auf die einwirkende Gewalt eine starke Quetschung der Bauchbedeckuugen, namentlich aber der in der Unterleibshöhle befindlichen Organe". Die unterzeichneten Ob- ducenten bedauern, dass sie in diesem, für sie so wichtigen Zeugnisse eine grössere Deutlichkeit vermissen. Sollte dasselbe unter dem Worte Quetschung geradezu das Wort: Sugillation verstanden haben wollen, so wäre eine Beschreibung des Befundes an den Bauchbedeckungen zu wünschen gewesen. Die Obducenten dürfen aber um so mehr voraus- setzen , dass auch schon bei der Aufnahme in die Charite äusserlich wahrnehmbare Spuren dieser Art nicht gefunden worden, als nicht anzunehmen ist, dass eine „starke" Sugillation in den 24 Stunden, die den. noch in der Charite verlebte, so spurlos hätte verschwinden können, wie es die Legalbesichtigung der Leiche ergab. Sie werden in dieser Voraussetzung, dass die Chariteärzte mit der Bezeichnung: „Quetschung" nicht eigentlich Blutuntcrlaut'ungen gemeint haben, noch mehr befestigt durch den Zusatz derselben auf ihrem Atteste: „namentlich aber der im Unterleibe befindlichen Organe-4, deren Zustand selbstredend die sinn- liche Wahrnehmung nicht ergründen konnte. Die weitere Schilderung des Befundes auf dem genannten Atteste betrifft lediglich die Zeichen einer höchst acuten Peritonitis, über deren Vorhandengewesensein kein Zwei- fel obwalten kann. Von geringem Belang ist endlich der Leichenbefund in der Brust, da, bei der völligen Abwesenheit von Verletzungen an der- selben, hier lediglich, nach medicinischer Erfahrung, anzunehmen ist, dass die so sehr heftige Bauchfellentzündung theilweise auch eine Entzündung in der Brust nach sich gezogen habe." Hiernach urtheilten wir, dass „wenn auch nicht als unmöglich, doch nicht als sehr wahrscheinlich anzunehmen, dass die tödtliche Entzündung Folge äusserer Gewalttätigkeit gewesen sei", wonach denn auch erkannt wurde. Wer hätte auch wohl mit unbeschwertem Gewissen hier weiter gehen, und den Angeschuldigten durch ein solches Weiter- gehen als Urheber des Todes des R. erklären können? 51. Fall. Peitschenhiebe und Fussstösse als angebliche Todesursache. Recht ähnlich gestaltete sich einige Jahre später ein andrer Fall, der auf der Feldmark von Charlottenburg vorkam, und in welchem eben- falls Zwischenursachen wirksam geworden waren. Am 17. Mai 18—, bei einer Hitze von Mittags „mehr als 20 Gr. R.", war (Mittags) der als Säufer bekannte Eisenbahnarbeiter Gl. stark angetrunken und stolpernd über den Acker gehend, und sich dann niederlegend gesehen worden. Nach 10 Minuten stand er auf und ging in ein nahes Roggenfeld, wo er sich wieder niederlegte. Anderthalb Stunden später kamen P. und A. des Weges gefahren, und fanden ihn mit dem Gesicht in die Höhe lie- gend, so dass ihm die brennenden Sonnenstrahlen in's Gesicht schienen, und „schwarzbraun im Gesicht". Man versuchte den halb Bewussten aufzurichten, der aber bei diesen Versuchen immer wieder zur Erde fiel, auch noch 2—3 Schritte ging, aber wieder niederfiel. Bei dieser Gele- genheit nun versetzte ihm P. einige Hiebe mit dem Stiele seiner Peitsche und einige Fussstösse, die mehrere Zeugen als nicht erheblich schildern' während nur ein Knabe von sechs tüchtigen Hieben und mehrern Fuss- tritten in die Seite deponirt hat. Es gelang aber nicht, den anscheinend scheinend schwer Betrunkenen zu ermuntern. und man lie6s ihn liegen und bedeckte nur das Gesicht, um Co gegen die Sonnenstrahlen zu schützen. Bald darauf fand ihn ein Dritter Z., anscheinend völlig be- wusstlos, anfänglich nicht antwortend, und nur „in sich hineingrunzcnd-' und einige Bewegungen mit der Hand nacli seinem Stocke machend, bis er endlich doch ganz deutlich sagte: „ich werde schon kommen". Das Fortschaffen gelang indess auch jetzt nicht, und bald darauf wurde der Gl. todt gefunden. Hatten und welchen Antheil hatten die Misshandlungen an seinem Tode gehabt? Das Gesicht der Leiche erschien bei der Section ziemlich dunkelroth gefärbt, ganz besonders aber blauroth waren beide Backen und Ohren. Am rechten Oberarm zahlreiche kleinere und grössere Sugillationen, von Erbsen- bis Zweigroschenstückgrösse, kleinere dergleichen auch am linken Oberarm, zahlreiche blaurothe Flecke endlich auch am linken Schulter- blatt. Der Kürze halber bemerke ich, dass bei und nach der Eröffnung der Kopfhöhle sich eine sehr starke und apoplectische Congestion (kein Erguss) als Todesursache ergab. Das Rückenmark war normal. Beide Lungen waren mit einem dunklen, dickflüssigen Blute stark angefüllt. Die Leber, wie so häufig bei Säufern, stahlgrau.» Die sonstigen Sections- befunde waren nicht erheblich. Im Gutachten wurde nur hervorgehoben, wie der Befund die letzten Lebensäusserungen des denatus, das „schwarz- braunei( Gesicht, die Besinnungslosigkeit, das „Hineingrunzen" erkläre, als Symptome eines tödtlichen Blutschlagflusses, welchen, wie angenom- men ward, der Rausch, die hohe Lufttemperatur und die Wirkung der Sonnenstrahlen auf den Kopf bedingt hatten. Mit höchster Wahrschein- lichkeit war er bereits in diese tödtliche Krankheit verfallen, als die Verklagten ihn angriffen, da er damals schon besinnungslos war. Dass diese Be- oder Misshandlung aber gar nicht erheblich gewesen, haben nicht nur die Augenzeugen bekundet, sondern Hiebe mit einem Peitschen- stock auf Schultern, Rücken und Hintern, und Berührungen (Anstossen) mit dem Fusse in die Seite, konnten an und für sich auch nicht als be- deutend gelten, und die Section bestätigte dies auch, da sie als Folge derselben nur allein kleine Sugillationen in den Hautbedeckungen nach- wies. Es wurde hiernach angenommen, dass die Misshandlungen keinen Antheil an dem Tode gehabt hätten. 52. Fall. Tödtlliche Misshandlungen angeblich nur durch Schläge mit der flachen Hand. Mit wie frechen Lügen Angeschuldigte vor den Richter treten, mit welcher Zähigkeit sie an denselben festhalten, hat, wie schon der obige (49.) Fall, kaum ein andrer auffallender bewiesen, als der nachstehende, in welchem es lediglich wieder des Gerichtsarztes Aufgabe war, den Rich- ter aufzuklären, und der eisernen Stirn des Angeschuldigten die schla- genden Waffen der Wissenschaft entgegen zu stellen. Am 24. Septem- ber 18— wurde in einem Gebüsche in einem nahen Dorfe in einem Korbe ein todtes Kind mit Spuren äusserer Gewalt aufgefunden, und bald als das der Webergesellenfrau Pohl mann ermittelt. Dieses ihr eheleibliches, beim Tode ein und drei Viertel Jahre altes Kind hatte sie, nach allen Zeugenaussagen, nicht nur nie geliebt, sondern es oft hungern lassen, so dass man es mit Gier rohe Kartoffelschaalen essen gesehen hatte, und sehr häufig auf das Empörendste gezüchtigt und gepeinigt. So versicher- ten viele Augenzeugen, dass die Pöhlmann'schen Eltern Hunderte von Wespen eingefangen hatten, mit denen sie zu Zeiten das Kind im Zimmer einsperrten. Ueber eine Züchtigung, die am 23. September Abends, d. h. kurz vor dem Tode des Kindes, bei einer Bekannten vorfiel, deponirte deren 15jähriger Sohn wörtlich: „Um 8 Uhr Abends kam die P., um das Kind von uns abzuholen. Als sie sah, dass es sich verunreinigt hatte, fasste sie es beim Arm, und befahl ihm auf- zustehen. Als das Kind nicht aufstehen wollte, schleuderte sie es erst eine Strecke von etwa 4 Fuss nach dem Secretair zu, dann stiess sie es mit dem Fusse so, dass es bis mitten in die Stube hinkollerte. Hierauf ergriff sie es mit beiden Händen beim Kopf, und stauchte es wohl gegen fünfmal vorn mit der Stirn heftig gegen den Fussboden. Endlich ver- setzte sie ihm noch mit der Faust mehrere heftige Schläge ins Genick, auf den Rücken und auf den Hintern. Das Kind war ganz matt und schrie nicht, sondern stöhnte nur. Dann nahm sie es an die Hand und ging mit ihm fort, wobei sie äusserte: „wenn Du heut nicht läufst, dann schlage ich Dich noch rein todt." — Die Angeschuldigte dagegen be- hauptete, dass sie dem Kinde nur „einige Schläge auf den Hintern" ge- geben habe. Dann sei sie mit dem Kinde nach Hause gegangen, wobei sie es, weil es müde gewesen, abwechselnd getragen habe. Zu Hause angekommen, habe das Kind sich geweigert zu essen, wofür sie ihm einen Schlag mit der Hand, aber diesen aus Versehen, statt auf den Hintern, „in die linken Weichtheile" gegeben habe. Jeh habe", sagte sie, „ihm nur Einen Schlag gegeben; er fing aber aogleich an zu wimmern und zu stöhnen, so dass ich ihn vom Boden aufnahm, und eine Zeitlang umher- trug. T)a er sehr kalt war, so brachte ich ihn bald darauf in'; Bett. Er ward immer stiller, und war endlich in anderthalb Stunden todt." Sie wickelte darauf den Leichnam ein, und stellte ihn unter ihr Bett, in wel- chem sie die Nacht über ruhig schlief (ü), nachdem sie ihrem Ehe- manne bei dessen Zurückkunft vorgeredet hatte, dass sie das Kind bei jener Bekannten gelassen. Am andern Morgen legte sie die Leiche in einen Korb, bedeckte diesen mit einer Schürze, nahm auch eine Kar- toffelhacke mit, damit die Leute denken sollten, sie ginge zum Kar- toffelgraben, und deponirte den Korb an dem oben bezeichneten Orte. Die Hacke hat sie auf dem Heimwege in ein fremdes Haus versteckt, wo sie später aufgefunden worden. — Bei der Obduction fanden wir an we- sentlichen Befunden: mehr als zweiundsechzig kleinere oder grössere Sugillationen am Kopfe, zahllose blaue Flecke an den Extremitäten, der rechten Körperseite und am Unterleibe, und innerlich einen sternförmigen Bruch im Hinterhauptbein bis zum foramen maynum sich erstreckend, so dass der Knochen in seinen beiden Hälften hin und her bewegt wer- den konnte, Fissur des rechten Scheitelbeins, bedeutende Hyperämie im Gehirn und Extravasat von sechs Drachmen Blut in die Schädelbasis! Der Obductionsbericht hatte zunächst, nach der damaligen Lage der Ge- richtspraxis , die Aufgabe, den Tödtlichkeitsgrad der Verletzungen fest- zustellen. Dass und warum wir sie als allgemein absolut lethal erklär- ten, bedarf an diesem Orte keiner Ausführung. Sodann aber waren meh- rere Fragen über die Art und Weise der Entstehung dieser Verletzun- gen mit Rücksicht auf die Zeugenaussagen, die Angaben der Pöhlmann, und die unter so verdächtigen Umständen aufgefundene Kartoffelhacke vorgelegt worden, in Beziehung auf welche Fragen der Obductionsbericht sich, wie folgt, äusserte: „Wenn die Angeschuldigte bis jetzt dabei stehen geblieben ist, dass sie dem Kinde nur einen Schlag mit der flachen Hand in die Weichen gegeben, so verdient diese Angabe keine wissenschaftliche Würdigung, da es auch dem Laien einleuchtend sein muss, dass durch einen solchen Schlag die Schädelknochen nicht gesprengt werden können. Diese Spren- gung setzt vielmehr ganz nothwendig voraus, dass ein stumpfer Körper mit Kraft mit dem Schädel des Kindes in Berührung gekommen ist. Je- der denkbare stumpfe Körper konnte bei dem Kinde diese Wirkung ha- ben, ebenso wohl z. B. ein dicker Stock, wie ein Holzpantoffel, der Rücken eines Beils u. s. w., selbstredend also auch die in Beschlag ge- nommene Kartoffelhacke. Eine gewaltsame Berührung des Schädels konnte aber auch namentlich durch wiederholtes Stossen und Schleudern des Kopfes gegen den Fussboden eines gedielten Zimmers, gegen Möbel u. dgl. entstellen, und so erfordert die zweite der uns vorgelegten Fra- gen eine genauere Würdigung. Nach der oben angeführten Aussage des Knaben Seil heim schleuderte Inculpatin das Kind zwei Stunden vor seinem Tode etwa vier Fuss nach dem Secretair zu, „kollerte und tru- delte (rollte) dasselbe mit dem Fusse umher, stauchte es mit der Stirn und mit der Seite wohl fünfmal gegeu den Fussboden, und gab ihm mit der Faust mehrere heftige Schläge gegen Genick, Rücken und Flintern." Wenn es auch nicht in Abrede zu stellen, dass durch ein so rohes und gewaltsames Verfahren ein Kind so zarten Alters hätte getödtet, dass ihm namentlich dadurch sogar Brüche und Sprünge in den dünnern Schädel- knochen, wie Scheitel- und Schuppenbein, sowie Gehirnerschütterung und Blutextravasate hätten verursacht werden können, so ist dies doch aus obigen Gründen von einer Sprengung des Hinterhauptbeins, wie sie hier gefunden, nicht anzunehmen. Aber noch ein andrer wichtiger Grund un- terstützt die Annahme, dass diese Verletzungen, also die Todesursache, einer andern und spätem, als der von dem Sellheim bezeugten Miss- handlung ihr Dasein verdanken. Inculpatin hat nämlich angegeben, dass sie nach dieser Misshandlung das Kind, es abwechselnd tragend, mit nach Hause genommen, und es hier auf die Erde gesetzt habe, um in der Küche Kartoffeln zu kochen. Von den zubereiteten Kartoffeln wollte es, da es „sehr unzufrieden" war, Anfangs nichts nehmen, nahm sie aber dann doch, warf sie aber alsbald wieder fort, ohne zu essen, und legte sich nun nach seiner Gewohnheit auf die Seite. Erst nach der nun an- geblich noch gefolgten, neuen Züchtigung soll es gestöhnt haben, kalt geworden und bald darauf verschieden sein. Das Kind war also, nach der Inculpatin eigenen Aussage, zu Hause angekommen, also, nachdem es die frühern Misshandlungen in der S ellheim'schen Wohnung erdul- det gehabt hatte, noch so weit bei Kräften, dass es in der Stube aufrecht" sitzen konnte, und hatte noch Besinnung, da es auf Aufforderung eine Kartoffel annahm, und sie dann wegwarf. Ein solcher körperlicher und geistiger Zustand ist unverträglich mit der Annahme, dass um diese Zeit die bei der Leichenöffnung nachgewiesenen Verletzungen im Kopfe bereits Platz gegriffen haben konnten, nach Avelchen das Kind nicht erst noch „abwechselnd" hätte nach Hause gehen können, vielmehr alsbald besin- nungslos und unfähig werden musste, sich aufrecht zu erhalten." Hiernach sagten wir im tenor des Gutachtens: dass die Kopfver- letzungen als absolut lethale zu erachten, dass dieselben mit der Kartof- felhackc zugefügt sein konnten, und dass es durchaus nicht wahrschein- lich, dass sie eine Folge der in der Seil heim'sehen Wohnung dein Kinde zugefügten Misshandlungen gewesen seien. Dieses Gutachten hielt ich im mündlichen Audienz-Termin gegen die bis zum Schlüsse leugnende Inculpation aufrecht, die in dieser Instanz zum Tode mit Schleifung zur Richtstätte verurtheilt ward. Sie appel- lirte und brachte nun die alberne Aussage vor: sie habe bisher einen Umstand verschwiegen, der wohl am Tode des Kindes Schuld sein könne; sie habe nämlich an jenem Abend, als sie das Kind nach Hause gebracht, demselben die Kartoffeln auf den Tisch gelegt, und es auf eine kleine Fussbaak davor gestellt, damit es essen möge. Als sie in der anstossen- den Küche gewesen, sei das Kind von der Fussbank gefallen, und nach anderthalb Stunden gestorben! Der Vorhalt des Richters, dass diese An- gabe sehr unwahrscheinlich sei, da nicht anzunehmen, dass sie einen sol- chen Umstand, der sie von aller Anschuldigung der Tödtung ihres Kindes sogleich entlastet haben würde, wie sie sich selbst sagen müsse, zu ihrem grössten Nachtheile bisher absichtlich verschwiegen haben sollte, blieb er- folglos. Auch in der Appellations-Instanz vernommen, musste ich meiner- seits diese neue Angabe, als mit dem Obductionsbefunde nicht überein- stimmend, verwerfen, und blieb bei meinem frühern Gutachtan stehen. Aus rein juristischen Gründen aber wurde das erste Erkenntniss dahin abgeändert, dass die P. nur zu zwanzigjähriger Zuchthausstrafe verur- theilt ward. 53. Fall. Tödtliche Kopfverletzungen; ob durch einen Stock, oder durch ein Tischblatt oder durch Hinschlagen gegen den Fussboden veranlasst? Der nachfolgende war, wie die später daran zu fügenden, einer jener oben in Bezug genommenen wichtigen und oft ungemein schwierig zu entscheidenden Fälle, in denen ein Mensch bei Streit, Auflauf u. s. w. von Mehrern gleichzeitig und mit den verschiedensten Werkzeugen ver- letzt wird, in Folge dessen stirbt, und es nun für die Entscheidung des Richters die allererheblichste Frage wird: wer unter den Mehrern als der eigentliche Urheber des Todes anzusehen sei? Auf Zeugenaussagen kann er sich hier selten verlassen. Zeugen waren oft gar nicht vorhan- den, donn alle Anwesenden waren mehr oder weniger betheiligt, mehr oder weniger betrunken, Jeder leugnet und nur der gerichtliche Arzt kann den Fall aufklären und für die richterliche Entscheidung vorberei- teu. Die höchste Vorsicht ist aber seinerseits hier erforderlich, um nicht durch seinen Ausspruch einen Unschuldigen verurtheilen zu lassen. — Der Wirth einer kleinen Schaukwirthschaft war mit seinen, von Bier, Spirituosis und Politik (im Frühjahr 1843!) aufgeregten Gästen in Con- flict gerathen, und es war im engen Locale, in welchem sich ein Billard, Möbel und viele Menschen befanden, zu einer allgemeinen Schlägerei ge- kommen, bei welcher der Wirth von Einigen zur Erde geworfen, von Andern mit Stock, Billardqueues u. dgl. geschlagen wurde. Vom Ver- lauf der Krankheit ist mir nur bekannt geworden, dass sie vier Tage bis zum tödtlichen Ende angedauert habe, und dass den. nur in den beiden ersten Tagen besinnlich gewesen war. Die für die später vorgelegten Fragen erheblichen Sectionsbefunde waren folgende. S. war 39 Jahre alt und ziemlich kräftig gewesen. Die ganze Umgegend beider Augen, zu- mal des linken, war stark sugillirt. Gerade auf dem linken Augenbrauen- bogen zeigte sich eine, im Verheilen begriffene, bogenförmige, ziemlich scharf geränderte Wunde von 1^- Zoll Länge und einer halben Linie Breite. Unter dem linken Thränenbein eine runde, erbsengrosse, scharf- geränderte Hautwunde. Die ganze linke Oberextremität zeigte zahllose Sugillationen. Innerlich grosser Blutreichthum der Gefässe der pia ma- ter; die ganze Oberfläche des Gehirns, zumal der rechten Halbkugel, mit gelbgrünem Eiter Übergossen. Eben solche Eiterschicht überzieht die Basis des kleinen Gehirns. Auf der pars orbilalis des Stirnbeins links ein Extravasat von geronnenem Blute von einer Drachme, und darunter ein halbzölliger Kuochenriss, durch welchen die Sonde den Augapfel be- rührt. Die Section der übrigen Höhlen können wir als unwesentlich übergehen. Aufgefordert, ausser den damals noch üblichen Lethalitatsfragen noch folgende zu beantworten: 1) ob und welche der an dem Verstorbenen gefundenen Verletzungen, namentlich ob der auf der pars Orbit, des Stirnbeins gefundene Kuochenriss durch Schläge mit einem Stock, oder mit einem Tisch- blatt geführt sein sollen, oder ob sie durch ein Hinschlagen mit dem Kopfe auf die Erde und gegen die Wand entstanden sein können ? 2) welche von den, im vorläufigen Gutachten in Bezug genommenen Verletzungen sub 12, IG und 18*) die eigentliche Todesur- sache gewesen ist, oder ob sie es jede für sich, oder etwa nur alle zusammenwirkend gewesen sind? *) D. h. Eiterung im grossen, im kleinen Gehirn und Bruch im Stirnbein. Caiper, geriehll. Hedicin, 10 äusserten wir uns ad 2. unter Darlegung der Gründe dahin, dass, da uns über die Erkrankung und Behandlung des S. Nichts bekannt gewor- den, wir die absolute Tödtlichkeit der nothwendig vorhanden gewesenen Hirnhautentzündung, der wir einen traumatischen Charakter vindicirten, nicht anneinnen könnten, diese absolute Lethalität aber unzweifelhaft der Verletzung des Stirnbeins zuschreiben müssten, da dessen pars orbit. schon zur Schädelgrundfläche gehöre, alle Knochenrisse und Brüche der letztern aber absolut tödtlich seien. Denn einerseits setzten dieselben notlnvendig eine sehr heftige Insultation des Kopfes voraus, die auch die innerste Organisation des Gehirns mitbetroffen, und Erschütterung, Blut- erguss oder Entzündung zur Folge haben müsse, und andrerseits sei Na- tur- Avie Kunsthülfe unvermögend, diese Folgen einer so heftigen Insul- tation auszugleichen. „Die den Obducenten gestellte Frage, betreffend die Werkzeuge, mit welchen die Kopfverletzungen qu. verursacht worden, sehen wir uns ge- nöthigt, in ihre einzelnen Theile zu sondern. Für als durch Stockschläge veranlasst sprechen nur allein die Sugillationen um beide Augen und am linken Arm, wiewohl diese sämmtlichen Verletzungen ebenso füglich auch Misshandlungen anderer Art, wie Faustschlägen, Stössen u. dgl. ihre Ent- stehung verdanken können. Dagegen ist die kleine runde Oeffhung an der linken Seite der Nase wohl mit am meisten Wahrscheinlichkeit unter allen in der Frage namhaft gemachten verletzenden Ursachen, von der Berührung mit einem Stocke, namentlich mit einer spitzen Zwinge des- selben, herrührend zu erachten. Eine Gewissheit lässt sich hierüber nicht geben, und scheint auch nicht erheblich, da wir allen den hier namhaft gemachten Verletzungen einen Antheil an dem Tode des denatus nicht zuschreiben. — Die Wrunde über dem linken Augenbrauenbogen zeigte „„ziemlich scharfe-'" Ränder, und muss demnach mit einem ziemlich schar- fen Körper verursacht worden sein. Als ein solcher könnte (weniger ein Stock, als) die Kante eines „„Tischblattes"", oder der Stoss gegen die Ecke einer „„Wand"" gelten. Auch durch ein „„Hinschlagen mit dem Kopfe gegen die Erde"" könnte diese Wunde entstanden sein, wenn auf der Stelle des Fussbodens gerade eine vorstehende Dielen- kante sich befunden hätte, oder der Kopf an eine WTandecke, an einen scharfkantigen Tisch- oder Billard- oder Bankfuss u. dgl. gestossen wor- den wäre. Die eigentliche absolut-lethale Verletzung hängt unzweifel- haft mit der eben gewürdigten äussern Verletzung über dem linken Auge zusammen, und gilt sonach das so eben in Betreff des Werkzeuges Ange- führte auch für diese innere Verletzung. Unzweifelhaft ist aber auch ferner, dass dieser Bruch in der Tiefe des Schädels eine erhebliche äussere Gewalt voraussetzen lässt. Auch in dieser Beziehung ist es wenig wahrscheinlich, dass blosse Stockschläge hier die Ursache gewesen, wogegen Schläge und Stösse mit einem Tischblatt oder gegen die Wand und den Fussboden, wenn sie mit Heftigkeit geführt wurden, allerdings einen solchen Bruch in den Kopfknochen veranlassen konnten. Nach allem Obigen resumiren wir unser Gutachten dahin: 1) dass der auf der pars orbitalis gefundene Knochenriss durch Schläge mit einem Stock entstanden sein könne, dass es aber wahrscheinlicher, dass derselbe durch ein Tischblatt, oder durch Hinschlagen mit dem Kopfe auf die Erde und gegen die Wand entstanden sei; 2) dass der beregte Knochenriss die eigentliche Todesursache gewesen, und zwar 3) dass diese Verletzung so beschaffen gewesen, dass sie „ „in dem Alter des Verletzten unbedingt und unter allen Umständen für sich allein den Tod zur Folge haben musste" 54. Fall. Durchdringende tödtliche Kopf- und Gesichtswund e; ob durch Infanterie- oder Cavalleri e-S äb el veranlasst? In diesem sehr eigenthümlichen Falle konnte nicht mit solcher Ge- wissheit geurtheilt werden, wie sie dem Richter wünschenswerth gewesen wäre. Bei einem Auflauf war ein 40jähriger Mann von Soldaten mit ihren Säbeln über den Kopf gehauen worden, und nach fünf Tagen ge- storben. Ueber die linke Gesichtsseite der Leiche ging, vom Augen- brauenbogen anfangend, ein vier Zoll langer Hieb, der, mit blutiger Nath geheftet, schon in der Vernarbung begriffen war. Der Hieb hatte nicht nur beide Augenlider gespalten, sondern auch die Highmore's-Hö hie geöffnet. Ein zweiter Hieb fand sich rechts am Scheitelbein, drei Zoll lang, und dieser hatte den Knochen und die Meningen scharf und glatt gespalten. Es fanden sich an der innern Lamelle Zickzack-Fissuren und eine Absprengung eines groschengrossen Stückes der Glastafel. Die Ve- nen der pia inaler waren leer, das ganze grosse und kleine Gehirn aber, an Ober- wie Grundfläche, war mit einer zwei Linien dicken Eiterschicht überzogen. „Es wäre wünschensAverth" , sagt das, den Obductionsberieht erfor- dernde Schreiben des Militärgerichtes, „wenn der Bericht sich darüber aussprechen könnte, ob die beiden Kopfverletzungen des G. als mit Einem und demselben Instrumente zugefügt, anzuseilen seien, da, nach den Zeugenaussagen, mehrere Personen, und zwar Cavalleri e und In- fanterie bei der Verwundung des G. mitgewirkt haben." — Nachdem 12 * wir im Obductionsberichte, wie damals noch erforderlich, die absolute Tödtliehkeit, nicht der Gesichts-, wohl aber der Kopfhiebwunde fest^e- stellt hatten, äusserten wir uns in Betreff des tödtlichen Werkzeuges wie folgt: „Wenn das etc. Gericht die unterzeichneten Obducentcii fragt: ob beide genannte Kopfverletzungen als mit Einem und demselben Instru- ment zugefügt zu erachten seien, oder nicht? so sehen wir uns ausser Stande, diese Frage zu beantworten. Die Beschaffenheit beider Wunden deutet, bei der Schärfe und Glätte der Wundränder, der Länge der Wunden und der Tiefe derselben, mit Gewissheit nur auf Hiebe mit einem scharfen und schneidenden Instrumente. Ob ein solches aber ein Cavallerie- oder Infanterie - Säbel überhaupt, resp. bei Einer der Verlet- zungen gewesen, kann nach Beschaffenheit der Wunden nicht beurtheilt werden. Obducenten glauben hierbei die Aeusserung nicht unterdrücken zu dürfen, dass ihnen erst ganz kürzlich ein, dem vorliegenden durchaus ähnlicher Fall von durchdringender Kopfverletzung vorgekommen ist, welche vollkommen unzweifelhaft durch den Säbel eines gemeinen In- fanteristen verursacht worden war." — Das Requisitionsschreiben fügte aber noch hinzu: „es ist ferner darauf aufmerksam zu machen, dass nach Aussage mehrerer Zeugen, der Gardedragoner L., nachdem der G. be- reits am Kopfe blutend auf dem Strassenpflaster lag, diesem mehrere Hiebe auf den Vorderkörper, auf Brust und Unterleib gegeben hat, dass dagegen das Obductionsprotocoll von Verletzungen am Oberkörper Nichts erwähnt, während von derartigen Hieben doch mindestens Sugillationen entstanden sein müssten." — Hierauf erwiederte unser Obductionsbericht: „wir haben endlich noch derjenigen, in Bezug genommenen Zeugenaus- sagen zu erwähnen, wonach denaius, nachdem er bereits zur Erde gele- gen , noch von einem Soldaten auf Brust oder Unterleib gehauen wor- den sein soll. Wenn das etc. Gericht meint: dass von derartigen Hie- ben doch mindestens Sugillationen entstanden sein müssten, so sind Ob- ducenten zwar nicht in der Lage, dieser Behauptung beitreten zu kön- nen, da die Erfahrung lehrt, dass noch weit bedeutendere Verletzungen, als diese etwanigen Hiebe, die doch jedenfalls flach geführt worden sein müssten — da sie, scharf geführt, doch mindestens die Hautbedeckungen getrennt haben würden — sichtliche Spuren am Leichnam nicht hinter- lassen. Eben deswegen aber, weil dergleichen an der Leiche nicht be- obachtet worden, und das Obductionsprotocoll, der Wahrheit entspre- chend, Sllb No. 11. ausdrücklich bemerkt, dass ausser den genau ge- schilderten Kopfverletzungen „sonstige Verletzungen", also auch Sugilla- tionen u. dgl. an Brust und Unterleib, nicht bemerkt worden, so müssen Obducenten, von ihrem Standpunkte aus, die beregten Zeugenaussagen ganz auf sich beruhen lassou." So musste denn der tenor des Gutach- tens wie folgt lauten: ,,1) dass dcnatus durch die geschilderte Kopf-" (nicht Gesichts-) ,.Verletzung seinen Tod gefunden habe; 2) dass alle übrigen, am Leichnam des denatus vorgefundenen, und im Obductions- protocoll verzeichneten Verletzungen" (unbedeutende Quetschungen, Haut- schrammen u. dgl.) „den Tod nicht veranlasst haben; 3) dass darüber, ob verschiedene Hiebwaffen die verschiedenen Verletzungen veranlasst haben, so wie 4) darüber, ob denalus, nachdem er die Kopfwunde er- halten, und zur Erde gefallen, noch mit Hieben auf Brust und Unterleib gemisshandelt worden? die Obduction keinen Aufschluss gegeben habe." 55. Fall. Tödtliche Gehirnhiebwunde; ob durch Säbel oder Beil zugefügt? In einer Sommernacht entstand in eiuem Tanzlocale ein Handge- menge, in Folge dessen der Mauerpolirer D. hinausgeworfen wurde. Aber auch auf der Strasse setzte sich der Streit fort, die Prügelei wurde hef- tiger, und von den herbeieilenden Polizei-Mannschaften (Schutzmännern) soll Einer dem D. mit seinem scharfen Säbel über den Kopf gehauen haben. Gewiss ist, dass D. mit dem Ruf: „mein Kopf!" zusammensank, stark blutete, und nach der Charite gebracht werden musste, wo er nach etwa sechszig Stunden starb. Drei Tage nach dem Tode fanden wir bei der gerichtlichen Obduction äusserlich grade in der Mitte der Stirn eine chirurgisch genähte, \\ Zoll lange, von oben nach unten verlaufende Wunde, an der noch scharfe, glatte, unsugillirtc Ränder deutlich zu se- hen waren, und durch welche hindurch man auch sogleich die Trennung der Knochen wahrnehmen konnte. Auf dem rechten Schultergelenk fand sich ebenfalls eine blutig geheftete, \\ Zoll lange, von vorn nach hinten verlaufende Wunde mit ganz scharfen, linienbreit sugillirten Rändern. Die Knochenwunde entsprang von der Kranznath, klaffte auf die Länge von \\ Zollen einen Drittelzoll weit auseinander und setzte sich dann in einer linienbreiten Spalte bis in die rechte Augenhöhle fort. Von der Kranznath ab erstreckte sich, rechtwinklich durch das rechte Scheitelbein verlaufend, eine andre, eben so beschaffene Fissur; die Ränder der klaf- fenden Knochenwunde waren ganz scharf und äusserlich nicht blutunter- laufen, von innen aber in halbzölliger Breite mit Blut infiltrirt und die innere Lamelle daran vielfältig abgesprengt. Fünf Stückchen derselben lagen lose auf der dura mater auf. Die Schädelknochen hatten die ge- wöhnliche Dicke. Sämmtliche Gehirnhäute waren der äussern Stirnwunde entsprechend durch scharfe Ränder getrennt, und braunblutig quoll das Gehirn aus dem Spalt hervor. Bei genauerer Besichtigung ergab sich aber lerner auch eine Trennung des Gehirns selbst, d. h. nur der Rin- densubstanz, von 1£ Zoll Länge. Das Gehirnzelt war mit blutig-eitriger Jauche bedeckt und dieselbe Beschaffenheit zeigte die Schädelgrundfläche. Die Spaltung des Stirnbeins setzte sich noch einen Zoll weit in seinen Orbitaltheil fort. Die Feststellung des Thatbestandes der Tüdtun<* durch diese, durch eine solche Verletzung war, wie man sieht, leicht. Was das Werkzeug betrifft, womit dieselbe zugefügt worden, so war in den Ac- ten, ausser von dem Seitengewehr des Schutzmanns, auch von einem Beil die Rede gewesen. Wir führten aus, dass ein sehr scharfes Beil allerdings möglicherweise auch Knochenwunden mit scharfen und glatten Rändern veranlassen könne, gewöhnlich aber fände man dabei weit mehr gleichzeitige Fissuren und selbst Knochenbrüche, als sie hier gefunden worden. Dass aber Hiebe mit scharfen Säbeln den Kopf mit scharfen, glatten Rändern bis in das Gehirn hinein spalten könnten, und nicht sel- ten spalteten, habe die allgemeine und unsre eigene Erfahrung mehrfach bewiesen. Wir nahmen hiernach schliesslich an: „dass weit mehr Wahr- scheinlichkeit dafür vorläge, dass diese Kopfverletzungen mit einem Sä- bel, als dass sie mit einem Beil zugefügt -worden seien." 56. Fall. Tödtliche Brustwunde durch einen Sensenhieb. Der Fall gehörte, was seine Beurtheilung, wenigstens nach der ge- genwärtigen Lage der Gesetzgebung, betraf, nicht zu den schwierigen, war aber ein seltner und interessanter wegen der Eigentümlichkeit des tödtlichen Werkzeuges. Zwischen befreundeten, aber betrunkenen Feld- arbeitern hatte sich ein Streit erhoben, der damit endete, dass A. eine am Boden liegende Sense ergriff und dem B. damit einen Hieb in die rechte Seite versetzte. Was unmittelbar nach der fürchterlichen Verlet- zung erfolgte, und wie lange der Verletzte dieselbe noch überlebte, ist uns ganz unbekannt geblieben. Ein längeres Krankenlager bewies der an der Leiche gefundene, bedeutende Decubitus. In der Gegend der letzten rechten falschen Rippen begann und verlief nach aufwärts nach den Dornfortsätzen hin eine acht Zoll lange, scharfgeränderte, mit bluti- gen Heften vereinigte, erst nur zum Theil verklebte und vernarbte Wuude, die aber nur auf drei Zoll, genau zwischen der elften und zwölften Rippe, die Intcrcostalmuskeln getrennt hatte. Schon das Auge sah, dass hier die Brusthöhle geöffnet war, Avas sich auch nach Besichtigung ihres Innern bestätigte. Die Lunge war nicht getroffen worden. Aber der Tod war durch traumatische Pneumonie erfolgt. Die rechte Lunge war liniendick mit dickem Eiter überzogen, und in ihrem mittlem Lappen zeigte sich eine fast Kindskopf grosse Eiterhöhle. Das ganze Gewebe war grau hepatisirt. Die linke Lunge zeigte rothe Hepatisation, aber noch keine Vereiterung. Das wenige Blut im (rechten) Herzen und in der V. ccwa war schmutzig - roth, zersetzt, halb flüssig, halb gruinös. Die übrigen Befunde waren um so mehr unerheblich, als der Körper (bei der grossen Sommerhitze) bereits sehr in Verwesung übergegangen war. Der Zusammenhang der tödtlichen Lungenentzündung mit der penetriren- den Brustwunde, folglich die Tödtlichkeit dieser Verletzung, war leicht nachzuweisen. In der Schwurgerichtssitzung hatte ich auf Befragen den, wegen der Lage der Hiebwunde auf der rechten Seite der Leiche leich- ten Nachweis zu führen, dass der Thäter hinter dem Denatus gestan- den haben musste, als er ihn verletzte. (Er wurde wegen des mildern- den Unistandes der Trunkenheit zur Zeit der That nur zu zweijähriger Gefängnissstrafe verurtheilt.) 57. Fall. Tödtliehe Hirnhämorrhagie; ob durch Niederfallen, oder durch Fusstritte und andere Misshandlungen veranlasst? •4» ' tipp • Der interessante Fall konnte nicht zweifelsfrei durch die Obduction entschieden werden. Im Januar geriethen zwei stark Angetrunkene, K. und der Kutscher M., in Streit, nachdem kurz zuvor der betrunkene M., wie der Angeschuldigte K. behauptete, in den Rinnstein gefallen war, und sich hierbei am Kopfe verletzt hatte. In der That hatte man diesen blutend am Kopfe gesehn. Nun entspann sich bald darauf der Streit, in welchem der K. dem M., wie zwei Zeugen bekundeten, mit der geballten Faust wiederholt an den Kopf schlug, ihn auch die Treppe angeblich so hinabwarf, dass man das Gepolter hörte, den wieder Zurückgekehrten wieder niederwarf, ihm mit dem Stiefelabsatz in's Kreuz und auf den Kopf trat, und endlich ihn mit einem Stiefelblock in's Kreutz oder in die Seite schlug! Der Gemisshandelte schlief bald darauf anscheinend fest ein, wurde nach der Charite gebracht und starb dort am zehnten Tage nach erhaltenen Verletzungen. Die Leiche war icterisch gefärbt. Auf dem linken Scheitelbein fand sich eine, in der Vernarbung begriffene Wunde, einen halben Zoll lang, und mit trocknen, scharfen Rändern, un- terhalb jedes Auges ein halbmondförmiger, £ Zoll langer sugillirter Fleck, keine sonstige äussere Verletzung. Die Kopfknochen waren unversehrt, aber beim Entfernen derselben flössen 3—4 Unzen eines dunkeln, flüssi- gen Blutes aus. Die harte Hirnhaut war auf der ganzen linken Kopf- seite blauroth gefärbt, und liess sogleich auf ein unter ihr liegendes Ex- travasat sehliesscn. Es fand sich dies auch, in der MeDge von zwei Un- zen; das dunkle Coagulum bedeckte die ganze linke Hemisphäre. Ein zweites, nur bohnengrosses Extravasat befand sich in der Substanz der Varolsbrücko, und ein drittes von Liniendicke ringsum auf der basis cratlii verbreitet. Sehr blutreich zeigten sich noch das kleine Gehirn und die Venen der pia tliater. Der übrige Befund war nicht erheblich. — Der Thatbestand der Tödtung war bei solchem Obductionsbefunde, wie man sieht, zweifellos festzustellen. „Aber", sagten wir im Obduc- tionsbericht, „nicht so unzweifelhaft lässt sich das Werkzeug bestimmen, mit welchem die Verletzungen zugefügt worden. Die von den Zeugen gesehenen Faustschläge erklären sehr einfach die gefundenen Sugillatio- nen an den Augen. Die kleinen äussern und die innern Kopfverletzun- gen können von blossen Faustschlägen nicht herrühren, ersten? nicht, weil Faustschläge nicht die Hautbedeckungen mit „scharfen Rändern" trennen, letztere nicht, weil solche Schläge allein nicht eine solche Gewalt üben, wie sie zur Sprengung von Gefässen im Schädel erforderlich ist. Ein oder mehrere Tritte, die ein schwer Betrunkener mit Heftigkeit einem unter ihm Liegenden mit einem starken Stiefelabsatz beibringt, würden beide genannte Wirkungen gehabt haben können, zumal wenn der Ab- satz mit Eisen oder Nägeln beschlagen gewesen. Eben so leicht aber konnten die Beschädigungen auch durch wiederholtes Niederwerfen eines Betrunkenen, wie M. zur Zeit es war, der notwendigerweise schwer mit dem Kopfe auf- und niederfallen musste, entstanden sein, und noch leich- ter konnte diese Wirkung erzielt werden, wenn wirklich, worüber keine Gewissheit vorliegt, Letzterer eine Treppe hinunter geworfen worden sein sollte, und dabei der Fall sich so gestaltete, dass der Kopf vorzugsweise davon getroffen wurde." Ein bestimmteres Urtheil konnte bei solcher Sachlage nicht abgegeben werden. ' 58. Fall. Tödtliche Leberwunde durch Säbel oder Bajonett? Der Fall war nicht zweifelhaft. Bei einem Zusammenstoss des be- waffneten Corps der Maschinenbauer mit dem der Bürgerwehr in der Nacht des 31. Octobers 1848 vor dem Sitzungssaale der damaligen „Na- tional-Versammlung" hatte ein Maschinenbauer aus einem Trupp der Bür- gerwehr eine Verletzung erhalten, und war nach kurzer Zeit gestorben. In der Lebergegend fanden wir eine drei Zoll lange, zwei Zoll klaffende "Wunde, mit ganz scharten, sugillirtcu Rändern, aus welcher eine lleum- Schlinge vorgefallen war. Blutcoagula von der Menge eines Pfundes be- deckten Netze und Gekröse, und acht Unzen flüssigen Blutes waren in die Bauchhöhle ergossen. Am Rande des rechten Lebcrlappens fand sich eine zwei Zoll tiefe, scharfrändrige Wunde. Es erhoben sich Zweifel darüber, von welcher Seite die Verletzung beigebracht worden? Von je- ner Seite ward behauptet, der Verstorbene sei durch einen Bajonettstich aus seinen eigenen (der Maschinenbauer) Reihen vielleicht durch Zutall getödtet worden, während die Cameraden des Getödteten behaupteten, der Zugführer der Bürgerwehr habe scharf auf den clenatus eingehauen. Die Beschaffenheit der Wunde sprach so entschieden für einen Säbelhieb uud gegen einen Bajonettstich, dass das Gutachten keinem Zweifel unter- liegen konnte. 59. Fall. Tödtliche U u ter lei b s v e r 1 e tz u ng; anscheinend durch einen Bajonettstich veranlasst. Ein Bajonettstich kam auch in diesem Falle zur Frage. Aber hier war recht eigentlich der Fall, der gesetzlichen Bestimmung gemäss zu entscheiden: ob durch das betreffende Werkzeug die Verletzung habe hervorgebracht werden können? Wir mussten dieselbe verneinen, so sehr auch der Anschein dagegen sprach. Der Fall war ein seltener und durchaus eigenthümlieher. In einer kalten Winternacht wurde ein betrun- kener Umhertreiber von zwei Grenadieren arretirt. Auf dem Transport entsprang er ihnen, bald aber fiel er beim Laufen auf dem glatten Stras- senpflaster mit Heftigkeit, so dass man den Fall in ziemlicher Entfernung hörte, nieder, raffte sich iudess bald wieder auf, und machte Anstalt, seine Flucht fortzusetzen, als ihm einer der Soldaten sein Gewehr, das Bajonett voran, nachwarf, das den Flüchtigen traf und ihn zum Stehen brachte. Er wurde eingeholt, konnte aber alsbald sich nicht mehr auf- recht erhalten, noch weniger weiter gehn , und musste nach dem, nicht sehr entfernten Gefangenhause getragen werden, wo er gleich bei der Aufnahme verstarb. Die erheblichsten Leichenbefunde waren folgende: zwischen der elften und zwölften Rippe links, fünf Zoll von der Wirbel- säule entfernt, befand sich eine dreieckige, an jedem Schenkel -| Zoll lange, mit angetrocknetem Blute angefüllte Wunde mit scharfen, sclrwach sugillirten Rändern. Die Bauchdecken waren ganz ungemein fettreich. Die hintere Wand des Bauchfells war ganz und gar, zum Theil auch noch seine Duplicaturen mit einem dunkeln halbgeronnenen Blute inlll- trirt, dessen Quelle nicht entdeckt werden konnte. In der Tiefe der Bauchhöhle fanden sich drei Unzen voll blutigen Wassers. Die äusser- licli wahrnehmbare Bajonettstichwunde aber hatte in die Bauchhöhle hin- ein gar nicht penetrirt, sondern verlief blind in den fettreichen Bauchbedeckungen, in welchen sich um die Wunde herum eine halbzoll- grosse Infiltration schwarzen, halbflüssigen, halbgeronnenen Blutes zeigte. Im Uebrigen ergab sich, ausser einer ansehnlichen Blutfülle der Gehirn- nerven und Plexus (und dem anderweitig interessanten Befunde einer durchgängigen Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen, so dass derselbe davon auf keiner Stelle zu trennen war) nichts Bemerkenswer- thes und auf die Todesursache Bezügliches. Denatus war folglich an einer Verblutung im Unterleibe gestorben, aber die Verletzung mit dem Bajonett hatte diese, und den Tod nicht verursacht gehabt, da das Instrument gar nicht penetrirt, und weder ein inneres blutreiches Organ, noch ein Blutgefäss getroffen hatte. Die Ursache der Blutung mussten wir vielmehr in dem Falle suchen, welchen L. auf das Strassenpflaster, kurz vor erhaltenem Stiche, gethan hatte. Dass dieser Fall des Ange- trunknen auf das glatte, gefrorne Pflaster heftig gewesen, stand nach der Untersuchung fest, und die durch den heftigen Fall bewirkte Erschütte- rung musste als der Grund der Sprengung eines Blutgefässes angesehen werden. Diese innere Blutung, führten wir ferner aus, konnte nur all- mälig zugenommen haben, denn sie hatte Zeit gehabt, einen so umfang- reichen Theil des Zellgewebes und der Muskeln zu infiltriren, während bei schnellen innern Verblutungen sich ein ganz andrer Leichenbefund ergiebt, und deshalb konnte denatus unmittelbar nach dem Falle, wel- cher Veranlassung zur Sprengung eines Gefässes geworden, sehr füglich sich noch wieder aufraffen, und einige Schritte weiter laufen, bis ihn der empfangene Stich und das in seinen Kleidern hängen gebliebene Gewehr zum Stehen brachten. Nun aber, und nachdem die innere Blutung mehr und mehr zugenommen hatte, sank er zusammen und die tödtliche 'Wir- kung der innern Verblutung war eingetreten. „So sehr demnach der äussere und oberflächliche Anschein, grade darin namentlich, dass der Verletzte sehr rasch nach erfolgter Verletzung zu Boden sank und bald darauf starb, für einen ursachlichen Zusammenhang der Verletzung mit dem Tode zu sprechen scheint, so wenig hat ein solcher Statt gefunden, indem hier vielmehr nur ein, bereits anderweitig tödtlich Getroffener noch eine, an sich nicht sehr bedeutende Stichwunde erhalten hat, welche unter andern Umständen sehr häufig ohne allen Nachtheil für das Leben des Verletzten geblieben ist." 00. Fall. Tödtliche Verletzung der Arteria interossea; ob durch ein Stück Zinkblech oder durch ein Messer verursacht? Untersuchung des Messers auf Blutflecke. Für die richterliche Untersuchung der Absicht des Angeschuldigten war es in diesem, chirurgisch wie forensich gleich interessanten Falle von Wichtigkeit, festzustellen, mit welchem Werkzeuge die tödtlich gewordne Verletzung beigebracht worden war. Wir standen nicht an, ein negativ gewisses Urtheil abzugeben, während ein positiv gewisses zurückgehalten werden mnsste. Die Schwierigkeit, die der Fall insofern darbot, als er den zu seiner Zeit noch bestehenden gesetzlichen Lethalitätsfragen ange- passt werden musste, würde heute unter der Herrschaft des jetzigen Strafgesetzbuches freilich wegfallen. Am Abend des 20. December wur- den zwei Schlafcameraden handgemein, und der Eine, ein 33jähriger, starker, kerngesunder Mann, -ward dabei so schwer verwundet, dass man augenblicklich stromweise Blut aus seinem linken Arm fliessen sah. Nach einer Stunde erschien ein Arzt, der den Verletzten alsbald nach der Charite schaffen Hess, wo man, nach angelegtem Tourniquet, an dem sehr matten, über Frost und Beklommenheit klagenden Patienten folgende Verletzungen bemerkte: am Oberarme eine Längswunde von % Zoll Länge, 4 Linien Breite und Zoll Tiefe, aus der nur venöses Blut floss. 2) Unter dieser eine oberflächliche Hautwunde. 3) In der Ellen- bogenbuge an der Insertionsstelle des M. biceps eine dreieckige Wunde, deren Ränder nach innen gekehrt waren, und die sich etwa einen Zoll in die Tiefe erstreckte. Nach gelöstem Tourniquet strömte aus dieser WTunde Arterienblut hervor. 4) An der äussern Seite des Oberarms eine kleine Hautwunde. 5) In der Herzgegend zwei kleine Hautschram- men, wahrscheinlich entstanden vom Abgleiten des Instruments vom Arme. Bei erhaltenem Tourniquet wurden die Wunden trocken geheftet, und mit Eisblasen bedeckt. Am 23. klagte Patient über lebhafte Schmerzen im Arme, weshalb der ganze Verband abgenommen wurde. Sogleich trat die arterielle Blutung Avieder ein, und — heisst es im Krankenjour- nal — „da es nicht gelang, die Arterien in der Tiefe zu unterbinden, so musste als einziges Mittel den Kranken zu retten, zur Unterbindung der Art. brach, geschritten werden", die in der Mitte des Oberarms am innern Rande des M. biceps ausgeführt wurde, und „verhältuissmässig rasch" von Statten ging. Patient erhielt innerlich Phosphorsäure, und über die Operationswunde ward eine Eisblase gelegt. In den beiden folgenden Tagen keine unangenehmen Erscheinungen. Als am 26. der Verband abgenommen ward, trat wiederum aus der untern Stichwunde eine geringe arterielle Blutung ein, dir* jedoch durch Compression leicht gestillt wurde. „Die Wunden selbst sahen inissfarbig aus, das Seeret war dünnllüssig und jauchig, der Kranke fühlte sich matt und abgeschla- gen, das Sensorium war etwas benommen, der Puls sehr ireijuent, die Ränder der Operationswunde hatten eine bläuliche Färbung angenommen, die rasch um sich griff, so dass die Haut im Umfange einer Hand bran- dig wurde." Zum Verbände wurden nun brenzliche Holzsäure, Einsprit- zungen von aromatischen Kräutern mit Essig und aromatische Fomente über den Arm benutzt. „Der Zustand blieb dennoch ein sehr misslicher; die Kräfte hatten rasch abgenommen, das Gesicht war collabirt, der Puls sehr frequent, früh 110, Abends 128." Anfangs Januar besserte sich der Zustand, bis zum 10., an welchem Patient über Leibweh zu klagen anfing. (Opiateinreibung, Umschläge, Dowersche Pulver.) In der Nacht trat eine heftige Diarrhöe ein, die trotz gereichten Opiums (£) i: ^ vi Althae-Dec.) rasch zunahm. Das Fieber steigerte, die Kräfte minderten sich, und es trat decubittlS ein. ,.Am 11. Januar trat ein kurzer, trock- ner, den Kranken nicht eben belästigender Husten auf." Die Füsse wurden ödematös, Husten und Durchfall blieben anhaltend, am 14. schwaud das Bewusstsein, und am 15. Januar, (also 26 Tage nach erlit- tener Verletzung) starb der Kranke. — Von den Sectionsbefunden wa- ren folgende die wesentlichen. Die Leiche war sehr mager, ödematüs an den Unterextremitäten, und man bemerkte decubitus und an der gan- zen innern Fläche des linken Oberarms Entblössung von den Hautbedek- kungen, so dass man Muskeln und Sehnen deutlich liegen sah. Die ganze verjauchte Stelle war mit schlechtem Eiter umflossen. Alle frü- hern Wunden waren mit glatten Rändern vernarbt, nur in der linken Ellenbogenbuge befand sich eine noch i Zoll klaffende Wunde mit ab- gerundeten, ursprünglich scharf gewesenen Rändern. (Die Beschaffenheit der Ränder war erheblich, wie man unten sehen wird.) In der Schädel- hölile war nur Blutarmuth auffallend. Die linke Lunge zeigte Oedem, die rechte graue Hepatisation, und ihre Pleura war mit Eiterexsudaten bedeckt. Im linken Pleurasack war eine Tasse voll blutwässriger, im rechten eben so viel eitrig-blutiger Flüssigkeit ergossen. Das Herz, schlaff, zeigte, so wie die grossen Venenstämme der Brust, Blutleere, welche auch in den Venenstämmen und Organen der Bauchhöhle das ein- zige von der Norm Abweichende in dieser Höhle war. Als verletztes Gefäss ergab sich, was schon in der Charitc im Leben richtig vorausge- setzt worden, die Art. interossea. Der Thäter hatte behauptet, dass er den Ei im Streite nur mit einem dreieckigen Stücke Zinkblech „gesto- chen« gehabt habe. Die Beschaffenheit der Narben und der ganze Her- gang gestattete nicht, diese Behauptung als gegründet anzunehmen, und wir blieben vielmehr bei unserer von Anfang an aufgestellten Annahme stehen, dass ein scharfes, stechend-schneidendes Instrument die Wunden verursacht haben müsse. Erst später im Laufe der Untersuchung wurde nun unter dem Bette des Angeschuldigten dessen Tischmesser, woran verdächtige Flecke, vorgefunden, und dies Instrument uns mit der Frage vorgelegt: ,.ob die an der Messerklinge wahrzunehmenden Rostflecke von dem daran befindlich gewesenen Blute herrührten ?•' Wir unterzogen uns dieser Untersuchung in Gemeinschaft mit dem geschickten gerichtlichen Experten, Herrn Apotheker Schacht, und bemerke ich in Betreff der- selben, dass damals das neue Rose'sehe, oben mitgetheilte Verfahren (S. 160) noch nicht bekannt war. Die Besichtigung der Messerklinge Hess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass, wenn die auf derselben vorhandenen Flecke wirklich von Blut herrührten, seit der Ergiessung desselben eine geraume Zeit vergangen sein musste (es waren drittehalb Monate verflossen), da 1) die Klinge des Messers auf seiner ganzen Fläche angerostet erschien, und 2) in der Spalte zwischen der Klinge und dem hörnernen Hefte eine braune, zum Theil mit Schimmel bedeckte Masse sich befand. Vermit- telst eines Pinsels wurden einige Tropfen Wasser auf die Klinge ge- bracht, und der Pinsel darauf hin und her geführt, um wo möglich etwas von den Flecken aufzulösen: dann von der Flüssigkeit ein Tropfen unter das Microscop gebracht, die auf der Klinge zurückbleibende Flüssigkeit aber bei geringer Wärme verdunstet, wobei Folgendes beobachtet wurde. 1) Unter dem Microscop Hessen sich rothe Kügelchen erkennen, die in den Wassertropfen schwammen und den Blutkörperchen ganz ähnlich waren. 2) Nachdem die Flüssigkeit auf der Klinge verdunstet, wurde letztere durch eine microscopische Linse beobachtet; es war durchaus deutlich, dass sich auf der rostigen Fläche der Klinge eine rothe Auflö- sung gebildet hatte, die zu einem röthlichen Ueberzug verdunstet, durch sich hindurch die Rostflecke der Klinge erkennen Hess. Es wurde noch folgender Gegenversuch gemacht. Auf eine blanke Messerklinge wurden noch einige Tropfen Blut gebracht, dasselbe eingetrocknet und die so entstandenen Flecke mässig erwärmt. Das Blut löste sich in Schuppen- form von der Klinge ab, wobei die Metallfläche durchaus glänzend zu- rückblicb. Bei stärkerer Erhitzung der Klinge trat Verkohlung des Blu- tes ein, und es verbreitete sich der beim Verbrennen auimalischer Sub- stanzen eigcnthümliclie Geruch. Die auf der verdächtigen Klinge befind- lichen Flecke sprangen dagegen durch Erwärmen nicht ab, wurden aber bei stärkerm Erhitzen unter denselben Erscheinungen verkohlt. Hieraus ging mit Wahrscheinlichkeit hervor, dass sich kein frisches Blut auf der Klinge befand, dass aber wohl ein animalischer Körper mit dem Roste vermischt war, der wohl zerstörtes Blut gewesen sein konnte. Die Klinge wurde ferner in destillirtes Wasser in ein enges Cylinderglas ge- taucht. Es liess sich keine blutähnliche Färbung des Wassers wahrneh- men. Nach 24 Stunden aber hatte sich ein rothbraunes Pulver ab<*e- setzt, das durch Filtriren getrennt ward. In der filtrirten Flüssigkeit konnte weder Eisen noch animalisches Eiweiss nachgewiesen werden. Das abfiltrirte rothbraune Pulver wurde durch Auflösen in Salzsäure und Prüfung der Auflösung durch Ammoniak, Cyaneisenkalium und Gallus- tinetur als Eisenrost erkannt. Das Ansehen der Messerklinge hatte sich durch Stehen im Wasser nicht wesentlich verändert, die Flecke nicht be- deutend vermindert. Nachdem die Klinge abgetrocknet war, wurde auf einen der Flecke etwas reine Salzsäure gebracht. Sehr bald verschwand der Fleck, das Metall trat mit glänzender Oberfläche hervor, und die entstandene Auflösung war die von Eisenoxyd in Salzsäure. Nach die- sen Versuchen mussten wir urtheilen: dass das Messer ■wahrscheinlich mit Blut befleckt worden war. Gewissheit konnte nach so langer Zeit nicht mehr gegeben werden. Dies Gesammt-Gutachten über den Fall wurde in beiden richterlichen Instanzen angenommen, und der Thäter rechtskräftig zu einer achtzehn- monatlichen Strafarbeit verurtheilt. Nach den obigen Beispielen zur Erläuterung der Frage: ob durch gewisse Werkzeuge gewisse Verletzungen haben beigebracht werden kön- nen? führen wir im Folgenden einige andere Beispiele, und zwar ausge- wählte wichtige Capitalfälle von Mord und Todtschlag, vor, in denen die andre, weit schwierigere gesetzliche Frage betreffend die Art und Weise, wie der Thäter bei der That verfahren, die Stellung, die er, oder der Gemordete, im Augenblicke der Verletzung gehabt haben musste u. dgl. zu beantworten war. Man wird daraus ersehn, wie wichtig grade in sol- chen Fullen, wie folgenreich für den Angeschuldigten, wie maassgebend für den Schwurrichter das geriehtsärztliche Gutachten werden kann, wie sehr man deshalb sich bemühen muss, alle zur Aufklärung dienenden Umstände, auch oft scheinbar geringfügige, in sorgsamste Erwägung zu zielin. Gl. Fall. Tödtliche Zertrümmerung des Schädels durch Hammerschläge. Auf welche Art und Weise ist der Mord verübt worden? Am 23. März 18— wurde der Klempnermeister Bontoux, der einen offenen Laden mit Blechwaaren hatte, in der Küche seiner, an das Verkaufslocal anstossenden Wohnung, die zur ebenen Erde lag, am Bo- den liegend ermordet aufgefunden. Es war, wie alle dergleichen Scenen, ein grausenerregender Anblick. Der Ermordete war, als er in der (mond- hellen) Nacht in der Wohnung Geräusch wie von einbrechenden Dieben hörte, aus dem Bette anscheinend rasch aufgesprungen, denn der Stuhl vor demselben lag umgestürzt da, und in Nachtkleidern nach dem vor- dern Raum gelaufen. Alles Uebrige war, wie natürlich auch die Person des oder der Thäter, am Morgen der Entdeckung der Leiche vollständig unbekannt. Der Mörder wurde aber durch die scharfsinnigsten Ermitte- lungen schon am folgenden Tage in der Person des Schmiedegesellen Lücke aufgefunden, und ich bemerke gleich hier, dass derselbe ein con- sequentes Vertheidigungssystem zu seiner Entschuldigung aufstellte, in- dem er den Einbruch einräumte, aber behauptete, von dem, inzwischen erwachten Bestohlenen angepackt worden zu sein, und denselben in Nothwehr getödtet zu haben. Die aufgefundene Leiche war mit Nacht- jacke, Hemde, Unterhosen und Strümpfen bekleidet, welche Kleidungs- stücke, mit Ausnahme der Fusssohlen der Strümpfe, stark mit Blut be- sudelt waren. Unter dem Kopfe der Leiche befand sich eine sehr grosse Blutlache, und etwa zwei Fuss davon eine zweite; zwischen beiden Blut- lachen war eine Verbindung, oder auch nur Blutspuren, nicht zu ent- decken. In der Küche fand sich an Wänden, Gerätschaften, Thür u. s. w. vielfach Blut angespritzt. Sie diente zugleich als Werkstatt ; es hingen an den Wänden zahlreiche Klempnerwerkzeuge und zu den Füssen der Leiche wurden zwei, auf der Schwelle der Küche ein, und im Verkaufs- local noch ein vierter eiserner Klempnerhaminer gefunden, die sämmtlich mehr oder minder mit noch frischem Blute besudelt waren. Die Obduc- tion der Leiche ergab zwanzig Verletzungen an Kopf, Gesicht und Hals und ausserdem noch vier und sechs zig Sugillationen, Hautab- schilferungen u. dgl. an Rumpf und Extremitäten ! Die erheblichsten in- nern Befunde waren: vollkommene Zertrümmerung des linken Schlafbeins und des grossen Keilbeinflügels in viele einzelne Knochenstücke; Zer- trümmerung des rechten Augenhöhlenfortsatzes des Stirnbeins; Auseinan- dergewichensein der Lambda - Nath linkerseits; vier die Hirnhäute und das Hirn ponetrirendc Wunden links mit Erguss von dunkelm, geronne- nem Blute; Fissur der basis cranii von dem zerbrochenen Keilbeinflii"el bis zum Türkensattel und allgemeine, sehr sichtliche Anämie. — Der Obductionsbericht hatte, auf ausdrückliches Erfordern und in Beantwor- tung von zehn vorgelegten Fragen, die Aufgabe zu lösen, die Art und Weise der Todtung mit Rücksicht auf den Befund und die Aussagen des Thäters festzustellen, was gewiss, wie man sehn wird, nicht ohne Schwie- rigkeiten war. „Es liegen bis jetzt", äusserten wir im Berichte, „zwei Verhörsprotocolle vor. Im ersten Verhör deponht der Angeschuldigte: „ „nachdem ich in die Küche eingestiegen war, nahm ich aus dem nahen Verkaufsiocale ein kleines Pult, setzte es in der Küche zur Erde und erbrach dasselbe ohne Geld darin zu finden. Ich begab mich nun in die Schlafstube, in welcher Bontoux in seinem Bette lag und schnarchte. Hier nahm ich aus einem offenen Tischkasten und aus einer Brieftasche Geld (im Ganzen 15 Thlr.), und verliess nun die Schlafstube, in welcher B. noch fest zu schlafen schien. Kaum war ich in das Verkaufslocal gelangt, so kam B. hinter mir her, packte mich bei den Schultern, warf mich zur Erde und rang sich mit mir einige Zeit an der Erde umher. Ich riss mich gewaltsam von ihm los, lief nach der Küche, um zu ver- suchen, durch dieselbe die Wohnung verlassen zu können, wurde aber von B. hierher verfolgt und beim Genick erfasst. Zwischen der Küchen- thür, dem Feuerheerd und dem Pulte rangen wir einige Zeit, fielen hier- auf zu Boden, und lag ich hierbei bald über, bald unter Bontoux. Als ich einmal nach oben kam, ergriff ich einen am Fenster liegenden Hammer, und schlug damit etwa 5—6 Mal nach dem Kopfe des B., der hierauf anfing zu schreien, und um Hülfe zu rufen, und mich immer festzuhalten versuchte. Nach einem etwa halbstündigen Kampfe riss ich mich von B. los, warf den Hammer noch in der Küche weg, und lief nach der Schlafstube, um mir hier Licht anzuzünden, und nachzusehn, auf welche Weise ich aus dem Quartier herauskommen könnte. Ich wischte mir zunächst in der Schlafstube an einem Handtuche die bluti- gen Hände ab, zündete dann ein Licht an, und ging mit diesem in die Vorderstnbe. Als ich hierbei an der Küche vorbeikam, sah ich in die- selbe hinein, und bemerkte, dass Bontoux sich aufgerichtet, hatte, und dicht an der Küchenthüre stand. Sein Gesicht war stark blutig, und schrie er hierbei nach Hülfe."" Hiernach will Inc. in die Vorderstube gegangen, und aus dem Fenster — an welchem deutliche Blutflecke ge- funden worden — entflohen sein. Von den vorgelegten vier blutbefleck- ten Hämmern recoo-noscirte er nur Einen als den von ihm gebrauchten, wobei er hinzusetzt: „„Anderer Instrumente als des bezeichneten Harn- mers habe ich mich beim Ringen mit B. nicht bedieut, ich habe nur Einen Hammer gehabt, und damit geschlagen."" „In mannigfacher Beziehung weicht die Deposition des Lücke in seiner zweiten, bis jetzt letzten Vernehmung vom 5. d. M. von der er- wähnten ersten ab. Wichtig für uns ist namentlich, dass er jetzt aus- sagt, indem er des Ringens in der Küche erwähnt, und bemerkt, dass er den am Fenster liegenden Hammer ergriffen habe: „„ich lag hierbei un- ter B., der mich am Halse festhielt, nahm den Hammer in die rechte Hand, und schlug von unten nach oben etwa zweimal nach dem Kopfe des B., der mich dann weniger festhielt, und sicli mit den Worten: warte, ich werde dich kriegen, aufrichtete. Ich sprang auch sofort auf, wurde nun aber sogleich wieder von B., der mit dem Rücken fast dicht an der Ausgangstinire stand, vor die Brust gepackt und festgehalten. Ich habe hier stehend noch etwa 4— 6 Schläge nach dem Kopfe des B. geführt, und puffte es, wenn die Schläge fielen. Gezählt habe ich die Schläge nicht, und kann es auch sein, dass ich mehr als sechs ausgetheilt habe. — Nun riss ich mich los, und weiss ich nicht, ob B. stehen geblieben, oder zur Erde gefallen ist."" Er deponirt nun gleichlautend, wie im er- sten Verhör, und äussert nur abweichend, dass B., als er ihn, beim Vor- übergehn an der Küche aufgerichtet stehen gesehen, nicht geschrieen habe, wovon er aber wieder in derselben Vernehmung das Gegentheil behauptet, und auf den Vorhalt, dass dies nicht möglich gewesen, erwie- dert: es sei dies nicht sehr laut und nur mit halber Stimme gewesen. Auf den Vorhalt, dass er ausser Geld auch noch zwei Taschentücher ge- raubt, was er verschwiegen, räumt er diesen Diebstahl ein, und Avieder- holt: dass er nur die Absicht gehabt, sich des B. zu erwehren, nicht ihn - todtzuschlagen. — Wenn wir nun zunächst die Aufgabe haben, die Ur- sache des Todes des Bontoux festzustellen, so kann es wohl selbst für den Laien keinen Augenblick dem geringsten Zweifel unteidiegen, dass die Kopfverletzungen diese Ursache waren. Denn nicht nur, dass keine andere Ursache in der Leiche aufgefunden, auch nicht, wie wir' aus- drücklich bemerken, Erstickung durch etwanige Erwürgung, wie die höchst blutarmen Lungen, die Blutleere des Herzens und der grossen Blutader- stüinine und die normale Beschaffenheit der Luftröhre und des Kehlkop- fes beweisen, so zählt das Obductionsprotocoll nicht weniger als zwan- zig Verletzungen am Kopfe und Halse auf, die zum Theil, wie die in- nere Besichtigung ergeben, die allcrerheblichsten Zerstörungen verursacht haben. Namentlich fand sieh fast die ganze linke Hälfte der Schädel- knochen förmlich zertrümmert und waren auch in Folge dieser Zerschmet- terung Knochen, die die Basis des Schädels bilden, gesprengt, so wie Casper, getichtl. Hcdlcin. IQ o.ullich die Ilinf.erhaunfnath auseinander ^wichen war. Solche Zer- schmetterungen der Schädolknochen fuhren notwendig und unter allen denkbaren Umständen durch heßfigÄte Erschütterung dej Gehirn* und Storni seines organische» Lebens zum Tode, der schnell erfolgt und erfolgen muss, und dessen Eintritt nach solchen Verletzungen nach Mi- nuten, höchstens Stunden zu berechnen ist. Wir nahmen .leshalb, und noch mit Rücksicht auf die zahlreichen übrigen, an sich weniger tüdt- lichen Kopfverletzungen, in nnserm summarischen Gutachten an, und wie- derholen hier bestätigend: 1) dass Bontoux an den Kopfverletzungen seinen unabwendbaren Tod gefunden habe; 2) dass derselbe« (wonach wir «efraert worden waren), „nachdem er die erheblichsten Verletzungen erhal- ten, kaum noch eine Stunde gelebt haben kann. - Wir hatten nn summarischen Gutachten ferner angenommen, dass die Kopf-, Gesichts- und Halsverletzungen mit den dort beschriebenen schweren Hammern sehr fügleh haben zugefügt werden können. Nun hat Ineulpat in seinem so- genannten „„offenen Geständniss««, in welchem er sich aber, wie wir nach- weisen werden, sehr weit von der Wahrheit entfernt, zwar zugegeben, sich Eines dieser Hämmer bedient zu haben, indess wiederholt, und of- fenbar im Sinne der vorgeblichen Nothwehr, in welcher er die Todtung ausgeführt haben will, in Abrede gestellt, mehrere dieser Hammer ge- braucht zu haben. Der Augenschein an den Hämmern wie an der Leiche spricht gegen ihn. An den Hämmern, da an mehrern derselben nicht bloss angespritztes Blut, wie Lücke meint, sondern wirkliche grössere Blutflecke, namentlich an den Rändern, sichtbar sind, die nicht bloss durch zufälliges Anspritzen entstanden sein können; nnd an der Leiche, da die Verletzungen theils scharfgerändert, theils stumpfgerändert waren, was auf mehr als Ein gebrauchtes Werkzeug zurückschössen lasst, wozu noch der Umstand kommt, dass, wie wir nachweisen werden, dieser- letzungen in verschiedenen Zeiträumen beigebracht worden sein müssen wodurch unsere Annahme nur noch mehr bestätigt wird Ineulpat will den Hammer, nachdem er damit zugeschlagen, weggeworfen haben Al- lerdings ist ein blutbefleckter Hammer auf der Schwelle der Knehe, m anderer blutbefleckter sogar noch entfernter von der Leiche auf dem Ladentisch, zwei andere blutige endlich aber auch zu den lassen des Leichnams gefunden worden. Auch dieser Befund spricht gegen den Inc. und für unL Annahme, da nicht anzunehmen; dass die Hamm - b- gesehen von ihren bereits gewürdigten Blutspuren - -falhg an diesen verschiedenen Orten gelegen haben sollten, wahrend a e übrigen 1tTo- men* wohlgeordnet an der Wand umherhingen. Wollte man aber an- nehmen, dass der Ermordete seinerseits bei dem vorangegangenen Kampfe. sich Eines oder mehrerer Hämmer gegen den Lücke bedient gehabt, wie [not zu verstehn giebt, welcher behauptet, Bontoux habe beim Rin- gen etwas Hartes und Schweres in seiner Hand gehabt, und habe ihm damit namentlich einen Schlag auf die Schulter gegeben, und dass auf diese Weise der Fundort und das Aussehn der Hämmer erklärt werden könne, so spricht der Befund am Körper des Lücke ganz gegen diese Annahme, da ich, der mitunterzeichnete Casper, bei der Besichtigung seines Körpers am 24. März, also am Tage nach der That, keine Spur der Einwir- kung von Hammer-Hiebwunden an demselben aufgefunden habe. Die Er- klärung, welche Lücke in dieser Beziehung im zweiten Verhöre abge- geben, dass man die Spur eines Schlages auf die Schulter jetzt nicht se- hen könne, da er bei der That bekleidet gewesen, ist unhaltbar. Denn seine Bekleidung würde die Einwirkung eines, gewiss nicht sanft, sondern mit der Verzweiflung eines, sich gegen einen tödtlichen Angriff Wehren- den geführten Schlages mit einem schweren Hammer nicht in dem Maasse verhindert haben, um die Spuren davon nach etwa nur 30 Stunden ab- solut verschwinden zu machen. Allerdings würde eine Schwerbeweglich- keit der ganzen (linken) Oberextremität haben vorhanden sein müssen. Eine solche aber war gleichfalls bei der Besichtigung am 24. nicht vor- handen, da sich Inc. ohne Hülfe auskleidete, und hat er dieselbe auch nicht behauptet, ja nicht einmal simulirt. Aus allem Vorstehenden fol- gern wir: 3) dass Lücke mehrere Hämmer zur Vollendung seiner That gebraucht hat." „Nachdem wir dargethan, womit die Verletzungen zugefügt worden, haben -wir den wichtigsten Punkt zu erörtern, in welcher Zeitfolge die- selben beigebracht sein müssen. Nach des Inc. Deposition hat der Kampf eine halbe Stunde gedauert. Es ist eben so unmögUch, diese Behaup- tung zu widerlegen, als ihr gewissenhaft beizutreten, was aber auch un- erheblich ist, da jedenfalls erweislich ist, dass der Kampf eine längere Zeit gedauert haben muss. Die unzähligen Verletzungen an der Leiche nämlich zerfallen in drei Kategorien: in leichte, schwere und an sich le- bensgefährliche, und in absolut tödtliche. Zu den erstem gehören die zali]losen, im Obductionsprotocoll geschilderten blauen, braunblauen, su- gillirten Flecke an den sämmtlichen Gliedmaassen, welche ganz unzwei- felhaft durch Stossen, Fallen, Anprallen an harte Gegenstände und Nie- derwerfen entstanden sein müssen. Diese Verletzungen müssen nicht grade chronologisch die ersten gewesen sein, gewiss aber sind sie nicht die letzten gewesen, als welche vielmehr die als absolut tödtlichen, oben aufgezählten anzusprechen sind, und nach welchen, wie wir wiederholt, wie schon früher auf Befragen, behaupten: Denatus nicht mehr im 13* Stande gewesen sein kann, sich aufzurichten, zu stehen oder zu gehen, folglich auch nicht mehr gefallen, angeprallt u. s. w. sein kann, vielmehr zu Tode getroffen liegen geblieben sein muss. Dagegen vorgelegte Kuchenbeil, oder we- nigstens ein, diesem ganz ähnliches Instrument, zum Beibringen dieser Verletzungen gedient habe; 5) dass die beregte viereckige Sugülation von der llückcniläehe dieses Instrumentes herrührte, dass dagegen die übrigen äussern Verletzungen tlieils von der stumpfen, tlieils von der scharfen Seite des Mordinstrumentes herrühren konnten; G) dass dena- tus auf der linken Seite liegend verletzt und getödtet worden sein muss; 7) dass aus der genannten Sugillation der Schluss gezogen werden kann, dass der Thäter oberhalb resp. hinter dem Kopfende des Bettes gestan- den; 8) dass bei. der grossen Frische des Leichnams, so wie nach der milden Beschaffenheit der damaligen Witterung darauf zu schliessen: dass der Tod des denatus zur Zeit der Obduction erst vor wenigen Tagen erfolgt war, und dass es sehr wohl möglich, dass (wonach wir gefragt wurden) diese Zeit etwa 50 Stunden betragen habe." Holland ist hingerichtet worden. Gar keine Schwierigkeiten bot der nachstehende Fall, betreffend eine Anschuldigung auf Todtschlag, der wieder ein recht schlagendes Beispiel dafür abgab, wie auch das hartnäckigste Leugnen dem Obductionsbefunde und darauf gegründetem gerichtsärztlichen Urtheile gegenüber nicht Stand halten kann. 64. Fall. Mord durch Kopfverletzungen. In welcher Stellung befand sich die Verstorbene? Ein Tischler hatte seine 55 Jahre alte Frau, mit der er in unfried- licher Ehe lebte, mit einer 2 Pfund 10 Loth schweren Feile erschlagen. Höchst auffallend war, merkwürdig genug grade in einem Falle von Kopf- verletzungen, eine so dünne Beschaffenheit sämmtlicher Schädelknochen, wie ich sie niemals früher uoch später gesehn habe. Die durchsägte Schädeliläehe hatte ringsum kaum die Dicke einer Linie; glücklicherweise kam der Fall schon unter der Herrschaft des neuen Strafgesetzbuches vor, und gab sonacli zu unerquicklichen Discussionen mit dem Vertheidi- ger wegen absoluter oder individueller Lethalität keine Veranlassung mehr. Letztere wäre demselben aufrecht zu erhalten zwar schwer ge- worden, allein eine Verschleppung der sehr einfachen Sache durch den Instanzenzng hätte er vielleicht dennoch erreicht. Die ganze linke Sehä- delhälfte. war zertrümmert; zehn herausgenommene Knochenl'ragnienlc lagen bei der Obduction vor uns und den (irund der Verletzung bildete die rothblaue zerrissene dura Hinter, aus welcher (»ehirnmasse hervor- quoll. Die linke Hemisphäre des grossen, wie die des kleinen Gehirns waren, erstere zermalmt und beide mit dunkeln Blutcoagulis durchsetzt. Ein horizontaler Knochenriss erstreckte sich bis rechts hinüber durch das Stirnbein bis in dessen rechten Orbitalfortsatz. Das ganze Gehirn war mit einer dünnen Lage dickflüssigen Blutes überzogen. Die Plexus chor. sehr bleich, die Sinus fast blutleer. "Wichtig war für die zu liefernde Beiirtheilung der Lage und Stellung der Verletzten zur Zeit der That eine zweite Verletzung, die in einer 1^ Zoll langen, kaum1 klaffenden Wunde mit stumpf-scharfen, schwach sugillirten Rändern bestand, welche hart über dem linken Ohre von hinten nach vorn und oben nach unten diagonal verlief. Der übrige Befund ausser dem des Gehirns und Schä- dels war ganz unerheblich; er lieferte, wie zu erwarten gewesen, allge- meine Anämie. Wir urtheilten: dass die Kopfverletzungen den unab- wendbaren Tod veranlasst hätten, dass sie sehr wohl mit der vorgelegten schweren Feile hatten zugefügt werden können, dass denata sich im Augenblicke der Verletzung nicht in einer liegenden Lage (gegen welche die Richtung der Wunde am Ohre sprach), wohl aber in einer stehenden oder auch sitzenden Stellung befunden habe, und dass der Thäter vor, aber auch hinter ihr gestanden haben könne. Der noch zum Obduc- tionstermin sistirte Ehemann bestätigte hierauf, dass seine Frau auf einer Bank gesessen und gestrickt habe, als sich der Streit entsponnen,' und dass er, vor ihr stehend, die Feile ergriffen und sie verletzt gehabt habe. 65. Fall. Tödtliche Zertrümmerung des Schädels mittelst eines Beils; ob mit der Schneide allein oder auch mit dem Rücken? Als That noch grässlicher als die voranstehenden Fälle, im Obduc- tionsbefunde ihnen sehr ähnlich war der folgende, in welchem ein Vater, der Weber D., seinen vierzehnjährigen, ruhig schlafenden Sohn erschlug. Die Hiebwunde war mit dem vorgelegten Beile gemacht, was die Familienmit- glieder bestätigten, die die Schläge des fallenden Beils in der Nebenkamnier gehört, und sogleich herbeigeeilt, die That fast mit angesehn hatten, und der Hieb war durch Sehnenhaube und Schädelknochen, die er mit scharfen Bän- dern getrennt hatte, tief in's Gehirn eingedrungen und zeigte sicli am Leichnam linker Seits als eine 3| Zoll lange und Einen Zoll klaffende Wunde, von deren Rändern und ans der Tiefe der zermalmten Gehirn- masse mehrere lose Knoclicnstücke herausgenommen wurden. Gesicht Hemde und Oberextremitäten waren sehr stark mit Blut besudelt. Der nam war wachsbleich und Hess, in Verbindung mit der grossen Casper, gerichtl. Meilicin. 1 4. Wunde, mit Sicherheit auf gänzliche Anämie schliessen , die sich auch später in auffallender Weise in den fast v. eissgrauen, blutleeren Lungen, im ganz blutleeren Herzen und Lungenarterie, in der bleich - blutleeren Leber, der fast ganz blutleeren V. cava inf. u. s. w. vorfand. Nichts- destoweniger fehlten auch in diesem Falle wieder die gewöhnlichen Tod- tenflecke nicht (vgl. §. 8. S. 23), die vielmehr den ganzen Rücken be- deckten. Ich bemerke noch, dass von dem rechten Winkel der Schädel- wunde sich eine Zickzack - Fissur horizontal hinüber bis zum rechten Schlafbein erstreckte, und dass sich bei Untersuchung der Basis Cranii gleichfalls eine Fissur fand, die durch den Türkensattel, aber nicht, wie gewöhnlich, grade hinüber und queer durch die Grundfläche ging, son- dern unter dem Sattel sich winkelförmig nach hinten schlängelte und das rechte Felsenbein abgesprengt hatte. Auf dem corpus callosum lagen Klumpen dunkeln geronnenen Blutes, dergleichen sich auch inselartig in der Substanz des Gehirns vorfanden. Der Knabe war aus dem Schlafe nicht wieder erwacht und gleich todt gewesen, also war auch hier wieder das Blut erst nach dem Tode geronnen (vgl. §. 10. S. 28). Die Beurtheilung des Falles war ungemein einfach. Weniger die Beantwortung der vor- gelegten Frage: „ob der Thäter bloss mit der scharfen, oder auch mit der Rückenseite des Beiles zugeschlagen gehabt habe?« An letzterer be- fanden sich nämlich nicht nur, wie an der ganzen Klinge, Blutflecke, sondern auch blonde Haare von der Leiche angeklebt. Wenn aber die Beschaffenheit der Wunde mit Sicherheit auf den Gebrauch der Axt mit ihrer Schneide schliessen Hess, so konnten Blut und Haare an der Rück- seite nicht eben solchen Schluss rechtfertigen. Wir nahmen vielmehr an, dass die abgehauenen Haare mit dem ausströmenden Blute dahin geflos- sen seien, und diese Annahme wurde zur Gewissheit erhoben und bestä- tigt, nachdem wir uns das Kopfkissen, auf welchem der Knabe liegend erschlagen worden, vorlegen Hessen, denn auf diesem Kissen fanden sich, ausser bedeutenden Blutlachen, zwei grosse Stücke Hirnmasse und eine ziemliche Menge blutig verklebter blonder Haare! F.s ergab sich übri- gens, dass der Thäter an einer melancholischen Gemüthsstörung litt; es wnrde deshalb die Voruntersuchung niedergeschlagen, und der Unglück- liche in eine Irrenanstalt gebracht. 66. Fall. Durchdringende Herzstichwunde. War denatus gestochen wor- den, oder hatte er sich selbst aufgerannt? Bei einem Streite unter Holzhauern am 25. August 18- erhielt S. von Helm drei Messerstiebe, und sank sogleich todt zu Boden. Aus dem Obductionsprotocoll führen wir Folgendes über die Stichwunden an. „In der Mitte des linken Oberarms befindet sicli an der innern Fläche eine etwas halbmondförmige, 1^ Zoll lange, f Zoll klanende Wunde mit sehr scharfen, trocknen, nicht sugillirten Rändern, welche aber nur die Hautbedeckungen getrennt hat. — • An der linken Brust nahe der Ach- seihöhle und 1£ Zoll diagonal über der Brustwarze zeigt sich eine halb- mondförmige, 2£ Zoll lange, in der Mitte 1£ Zoll klaffende Wunde mit scharfen, glatten, trocknen, unsugillirten Rändern, aus deren Tiefe Mus- kelbündel hervorquollen. — An derselben Brustseite zwischen der fünf- ten und sechsten Rippe, \\ Zoll von der Brustwarze von oben nach un- ten und von innen nach aussen verlaufend, findet sich eine, 1 Zoll lange, 1£ Zoll klaffende, sehr wenig halbmondförmige Wunde mit eben solchen Rändern." Nach Eröffnung der Brusthöhle ergab sich, dass beide Wun- den eingedrungen waren. Sie begegneten sich hier so, „dass sie nur einen halben Zoll von einander entfernt lagen. Die untere stellte eine halbmondförmige, Zoll lange Wunde mit scharfen, unsugillirten Rän- dern, die andere mehr eine lochartige Oeffnung von i Zoll Durchmesser mit eben solchen Rändern dar. Im linken Brustfellsack fanden sich 20 Unzen eines dunkeln, ganz flüssigen Blutes. An der Basis des Herzbeu- tels dicht am Zwerchfell zeigte sich eine, einen halben Zoll lange, £ Zoll breite, halbmondförmige Wunde mit ganz scharfen Rändern, welche im Umkreis eines halben Zolles stark sugillirt waren. Im Herzbeutel fanden .sich noch vier Unzen eben solchen Blutes. An der entsprechenden Stelle des Herzens bemerkten wir eine schwach halbmondförmige, scharfgerän- derte, unsugillirte Wunde von einem halben Zoll Länge und zwei Zoll Breite, welche in die linke Herzkammer eindrang." Der übrige Befund war unerheblich. Es war allgemeine Anämie vorhanden, an welcher nur die Gehirnvenen (wie gewöhnlich) nicht gleichmässig Theil nahmen. — Nichts war leichter, als die unabwendbare Tödtlichkeit dieser Verletzung festzustellen, und die Annahme zu begründen, dass dieselbe mit dem uns vorgelegten Taschenmesser, dessen Klinge vier Zoll lang und in der Mitte drei Viertel Zoll breit und das sehr spitz und sehr scharf Avar, habe bei- gebracht werden können. Allein in der Schwurgerichtssitzung trat der Angeschuldigte mit der bis dahin neuen Behauptung auf, die der Ver- theidiger mit Lebhaftigkeit auffasste, dass er dem denatns die Verletzung gar nicht beigebracht, sondern dass er nur das Messer vorgehalten, um sich gegen S. zu wehren, der mit einem Holzkloben auf ihn eingedrun- gen sei, und dass dieser sich bei dieser Gelegenheit selbst auf das Mes- ser aufgerannt habe. Es war nicht schwierig, dieser Behauptung mit 14* dem Obduktionsbefund entgegen zu treten. Der Verletzte hatte drei Stichwunden bekommen, eine am Arm und zwei an der Brust; dies sprach schon mehr für ein actives Arcrtahren Seitens eines Dritten, als für ein passives Aufrennen. Dazu kam der Beweis, von der Richtung der Wunden hergenommen, die von oben nach unten verliefen, und in der Brust an ihrem untern Ende convergirten. Ein wiederholtes Stechen mit erhobenem Arm erklärte Entstehung und Richtung dieser Wunden hiernach eben so leicht und naturgemäss, als es nicht abzusehn war, wie denalus beim Auflaufen auf das Messer sich drei und zwar drei so ver- laufende Wunden habe beibringen können. "Wir drangen mit unserm Gutachten bei den Geschwornen durch und Helm wurde verurtheilt. 61. Fall. Tödtliche Sch enkel-S ti ch w un d e; ob absichtlich oder durch Fallen in das Messer veranlasst? Sehr ähnlich gestaltete sich nachfolgender Fall. Ein Mann, sehr jähzornig und dem Trunk ergeben, der seine Frau vielfach gemisshandrdt hatte, gerieth mit ihr, während er ass und ein Brodmesser in der Hand hatte, in Streit. Nach seiner Angabe fiel die Frau hierbei „nach vorn, jedoch etwas von der Seite, über einen hinter ihr stehenden StuhlJ, wo- bei er sie zu halten versuchte und ihr hierbei unversehens den Stich mit dem Messer beigebracht haben wollte. Dieses war in die hintere Seite des linken Oberschenkels zwei Zoll tief schräg von aussen nach innen eingedrungen, nachdem es einen TJeberrock, zwei wattirte Unterröcke und Beinkleider durchbohrt hatte. Nach Aussage der Frau aber sollte der Mann sie erst mehrfach gestossen, namentlich mit dem Fuss „vor die Seite" gestossen und dann, als sie sich nach der Thür gewendet, um zu fliehen, sie von hinten her gestochen haben. Für den öffentlichen An- kläger, wie man sieht, eine höchst bedeutungsvolle Verschiedenheit der Angaben! Sie wurde alsbald in das Krankenhaus aufgenommen, wo man in der linken Leistengegend eine Sugillation und die Stichwunde im linken Schenkel fand. Schon nach drei Tagen schwollen die Leistendrü- sen bedeutend an, nach fünf Tagen gestaltete sich der Krankheitsverlauf bedenklich, die Eiterung wurde jauchig, die Drüsenentzündung ging gleichfalls in schlechte Eiterung über, und am 20sten Tage starb die Verletzte an Pyämie. Der Leichnam war abgemagert, durchgelegen, und anämisch, und beide genannte Stellen zeigten tiefe Verjauchung. Die Feststellung des Thatbestandes der Tödtung war sonach leicht. In Be- treff der uns vorgelegten Frage: ..ob die Stichwunde auf die von dem Inc. angesehene Weise habe entstehu können?•' äusserten wir uns vernei- nend und im Wesentlichen dahin: „Seine Angaben entbehren der Glaub- würdigkeit zunächst darin, dass sie sich widersprechen und unklar, ja unverständlich sind, und sodann, indem sie den Befund im Leben und nach dem Tode nicht erklären. Selbstredend ist es unverständlich, wenn M. angiebt, seine Frau sei nach vorn und über einen Stuhl gefallen, der hinter ihr gestanden. Aber auch der Stich selbst widerspricht einer solchen Angabe. Er muss, wie denatd richtig angegeben, mit grosser Kraft eingedrungen sein, nachdem er noch 2 Zoll tief in den Körper einjredrunsien befunden Avard. und zuvor noch viele und elastische Klei- dungsstücke durchbohrt hatte. Wenn ein Körper mit seiner ganzen Last auf ein unter ihm lixirtes Messer fällt, so kann eine solche Stichwunde wohl entstehn; da aber Inc. selbst angiebt, dass er seine Frau gehalten, um sie vor dem Hinfallen zu schützen, so ist um so weniger eiu solches blosses, halbes Umsinken als Veranlassung anzunehmen, als in diesem Falle die Richtung der AVunde eine andre, nämlich eine gradezu von hinten nach vorn, aber nicht, wie hier, eine schräge geworden wäre. Da- gegen erklärt sich die Entstehung der Wunde auf die einfachste und alltäglichste Weise, wenn man annimmt, dass Inc., der das Messer in der rechten Hand hielt, die ihm den Rücken zukehrende, nach der Thür flie- hende Frau von hinten her mit Heftigkeit gestochen habe. Hierzu kommt, dass nach der Angabe des Inc. die Entstehung der Verletzung in der Inguinalgegend gar nicht erklärt ist, wogegen auch diese Entstehung sehr natürlich, wenn die Angabe der denata, dass er sie vor dem Stiche mit dem Fusse „„vorn vor die Seite gestossen*", als wahrheitsgemäss an- genommen wird." Drittes Kapitel. Besichtigung von Bekleidungsstücken und Stoffen. §. 42. Allgemeines. Die Besichtigung von Kleidern, Hemden, Stiefeln, Strüm- pfen u. s. w. und von Stoffen aller Art, z. B. von Tüchern, Lappen, Bastmatten u. dgl., worin Leichen Neugeborner einge- wickelt gefunden worden, wird in der Regel vom Gerichtsarzt gar nicht gefordert. Der Richter begnügt .sich in der Mehrzahl der Fälle damit, diese Bekleidungsstücke gehörig zu registriren. weil sie namentlich bei unbekannten Leichen zur Recognition des Menschen dienen können, sie deshalb auch in den betref- fenden öffentlichen Bekanntmachungen genau anzugeben, sie hier in Berlin in der öffentlichen Leichenschauanstalt (wie in der Pariser morgue) neben der ausgestellten Leiche zu eben demselben Zweck aufhängen zu lassen, sie in Mordfällen in der öffentlichen Audienz mit auf den Tisch auszulegen, der die Cor- pora delicti enthält, und sie dem Angeschuldigten zur Recogni- tion vorzulegen u. dgl. In Berlin ist es auch von jeher usus gewesen, die Leichen nackt den Obducenten zur weitern Unter- suchung zu übergeben, was jedenfalls zweckmässiger, als das entgegengesetzte Verfahren, wie es an vielen Gerichtsstellen üblich ist, wie man aus den Obductionsprotoeollen ersieht, die mit einer langen Beschreibung der Bekleidung der Leiche be- ginnen. Denn entweder diese Kleidung bietet Nichts für die gerichtsärztliche Aufklärung des Falles Wesentliches, und dann ist es eine ungehörige Beschäftigung und Belästigung für den Arzt, die Röcke, Hosen, Strümpfe u. s. w. zu beschreiben; oder die Stoffe, was aber nur in den seltensten Fällen vorkommt, vermögen Licht über den Fall zu geben, weil sich verdächtige Flecke u. dgl. daran vorfinden, und dann wird sich der Rich- ter von selbst, und ohne dass eine gesetzliche Bestimmung ihn bindet, die bei Uns nicht existirt, veranlasst finden, den Ge- richtsarzt darüber zu Rathe zu ziehn. Dasselbe wird von selbst geschehn, wenn die Lage der Kleider und ihr Verhältniss zu den vorgefundenen Verletzungen Aufmerksamkeit und Bedenken errefft. So z. B. musste es in einem Falle von zweifelhaftem Selbstmord auffallen, dass das seidene Halstuch über den Hals- schnittwunden vollkommen unbeschädigt, in zwei andern ähn- lichen Fällen, dass alle Kleider wie das Hemde unverletzt wa- ren, während unter demselben sich die tödtliche Schusswunde befand, wieder in einem andern Falle von Nothzucht und Mord, dass die Haube der Unglücklichen zwischen ihren Schenkeln Lag u. dgl. Aber die bezüglichen Fragen wird der Gerichts- arzt abzuwarten haben. Wo dergleichen vorgelegt werden, pflegen sie sich, und auch dies ist, wir wiederholen es, nicht häufig, auf die Ermittelung von Blut, Koth, Saamen und von Giften, namentlich Schwefelsäure zu beziehn. §. 43. Ermittelung von Blutflecken.*) H. Roose (a. a. O.) behandelt ungefärbte Leinen- oder Baumwollenzeuge, auf denen sich anscheinend Blutflecke finden, mit kaltem destillirten Wasser, um das Blutroth auszuziehn, welches dann auf die schon oben (S. 160) angegebene Weise mit Chlorwasser, Salpetersäure und Galläpfeltinctur geprüft wird. Schwieriger ist die Ermittelung von Blutflecken auf ge- färbten Zeugen, besonders auf solchen, die aus einer stickstoff- haltigen organischen Substanz, wie aus Wolle oder Seide, be- stehn. Man versuche das getrocknete Blut vorsichtig von dem Zeuge abzukratzen, was, mit Behutsamkeit ausgeführt, auch selbst bei sehr kleinen Mengen gelingt. Das Abgekratzte werde dann in einer kleinen Schaale mit kaltem Wasser niacerirt, und die vorhandene Blutrothlösung (wenn Blut vorhanden war) wie- der auf obigem Wege geprüft. — Für solche Fälle, wo die Flecke schon mit siedendem oder mit Seifenwasser gewaschen worden, giebt Morin, Professor der Chemie in Rouen, folgen- des Entdeckungsverfahren an: die Flecke werden zunächst mit einer verdünnten Lösung von reinem Kali behandelt. Die hier- durch erhaltene Flüssigkeit wird durch Salpetersäure oder Chlor- wasserstoffsäure weiss gefällt, wodurch einer oder mehrere der Blutbestandtheile angezeigt werden. Durch diese alcalische Be- handlung ist die Farbe nicht verloren gegangen. Den Farbstoff zieht man nun durch reine Chlorwasserstoffsäure aus, und prüft *) Vgl. über die Ermittelung von Blutflecken auf Werkzeugen §§. 39. und 40. i diese Lösung- mit Ferrocyankaliuni, wodurch das Eisen des Blutes angezeigt wird. Die gleichzeitige Auffindung des Eisens und der Proteinsubstanz ist, nach Morin, ein sicherer Anhalts- punkt für die Constatirung des Blutes. *) Aehnlich ist Wichr's Methode, Blutflecke von gefärbten Stoffen, wo die von der Farbe gefärbte Lösung die Anwendung der Reagentien nicht gestattet, zu constatiren, durch Erzeugung von Cyankalium nämlich mit den auf den Zeugen befindlichen Blutflecken. Er röstete, nach- dem er sich vorher überzeugt, dass das Zeug keine Wolle ent- hielt, ein rothgefärbtes Stückchen des zur Untersuchung vorlie- genden Tuches in einem Porcellantiegel, so dass es sich zu Pulver reiben Hess, mischte dieses Pulver mit etwas kohlensau- rem Kali und glühte das Gemisch nun stark. Die geglühte Mischung wurde mit destillirtem Wasser extrahirt und der fil- trirten Flüssigkeit ein wenig einer Auflösung eines Eisenoxy- dulsalzes und eines Eisenoxydsalzes zugesetzt, wodurch ein Niederschlag von unbestimmter Farbe, bestehend aus durch überschüssig angewendetes kohlensaures Kali gefälltem Eisen- oxydul und Eisenoxyd und gebildetem Eisencyanür-Cyanid er- zeugt wurde. Es ward nun etwas verdünnte Schwefelsäure hinzugesetzt, wodurch das Eisenoxydul und Eisenoxyd sich auflöste, dagegen das in der Schwefelsäure unlöslich gebildete Eisencyanür-Cyanid mit seiner rein blauen Farbe hervortrat. Wiehr behauptet, mit dieser Methode auch bei den kleinsten Blutmengen genügende Resultate erhalten zu haben. Die Ope- ration soll auch gelingen, wenn ein Stückchen mit Blut befleck- ten Zeuges mit Aetzlauge gekocht, die Flüssigkeit zum Trock- nen abgedampft und geglüht, und darauf ebenso mit Eisensal- zen und Schwefelsäure behandelt wird.**) — Welcker's un- längst bekannt gemachte neue Methode, die er „Bluttleckenscala zur Erforschung des Blutfarbestoffgehaltes" nennt***), kann wohl *) Archiv der Pharmacie LXXX. Hft. 2. Jahrg. 1854. S. 192. '*) Archiv der Pharmacie. 1854. April. "*) Giessen, 1854. 8. mit einem Exemplar der Scala. allerdings Auskunft geben über die in einem Blute vorhandene Blutkörperehenzahl, indem sie den Farbestofi'gehalt des Blutes auf \—1 Procent genau bestimmt, weshalb die Untersuchungs- methode für pathologisch-diagnostische Zwecke gewiss empfeh- lenswerth ist. Aber für die gerichtlich-medizinische Diagnostik bleibt immer erst die Vorfrage zu lösen: ob die untersuchte Substanz wirklich Blut ist, was diese Scala nicht ermitteln lässt. — Ueber die Unterscheidung der Blutflecke von andern rothen Pigmentflecken, wie Lacmus, Krapproth, Safflor, Alkanna- roth u. dgl. muss hier um so mehr auf die Specialschriften ver- wiesen werden *), als oben Methoden angegeben sind, um, ganz abgesehn von dem Ansehn und der Farbe der verdächtigen Flecke, das Blut als solches zu constatiren. 68. Fall. Ermittelung von anscheinenden Blutflecken auf braunem Tuch. Von einem auswärtigen Gerichte wurden mir Stückchen braunen Tuches von den Kleidungsstücken eines, wegen schwerer Körperverletzun- gen Angeschuldigten mit der Requisition übersandt, zu prüfen: ob die rothen Flecke von Blut oder von andern Stoffen herrührten , evetlt. wie lange sich die Blutflecke schon an den Kleidern befänden? Es wurde dabei bemerkt, dass ein dortiger Apotheker sich ausser Stande erklärt habe, die Frage zu entscheiden. Ich setzte mich, nachdem andre hiesige berühmte Sachkenner die Mitwirkung wegen der Schwierigkeit der Sache abgelehnt hatten, mit unserm vereidigten Experten, Herrn Apotheker Schacht, in Verbindung, und in Folge unserer Untersuchung erstatteten wir folgenden Bericht: „Die Unterscheidung von Blutflecken, wenn sie auf ungefärbten leinenen oder baumwollenen Zeugen sich befinden, von andern rothen Flecken, bietet keine besondere Schwierigkeiten dar. Weit schwieriger wird sie, wenn sich dergleichen Flecke auf gefärbten wolle- nen Zeugen befinden, wie dies in dem vorliegenden Fall stattfindet. Wir hielten es für zweckmässig, einen Vorversuch zu machen, bevor wir die eigentliche Untersuchung anstellten. Wir benetzten ein Stückchen brau- *) S. sehr ausführlich bei Ritter a. a. 0. S. 85 u. f. nes Tuch mit 2 Tropfen Blut und liesisen dasselbe fest antrocknen. Dann hingen wir das Tuchstückchen in ein wenig destillirLein Wasser auf, so dass ersteres £ Zoll vom Boden der Glasröhre, worin der Versuch an- gestellt wurde, entfernt blieb. Bereits nach einigen Minuten zog sich das Blutroth in Streifen nach dem Boden der Röhre und sammelte sich dort an, während die übrige Flüssigkeit sich nur gelblich färbte. Nach eini- gen Stunden wurde das Tuchstückchen herausgenommen und getrocknet und es war keine Spur von dem rothen Blutfleck mehr sichtbar. Die Flüssigkeit wurde umgeschüttelt und nahm nun eine gleichförmige bräunlichrothe Farbe an. Durch die bekannten Reagentien, als Salpeter- säure ^ Chlorwasser, Kalilauge und Gallustinctur konnten die löslichen Bestandtheile des Blutes in der Flüssigkeit erkannt werden. — Wir be- trachteten nun die uns übersandten Tuchstückchen vermittelst eines Mi- croscops. Es konnte durchaus keine rothfärbende Substanz auf dem Tuch entdeckt werden, sondern die Fasern des Zeuges selbst waren gefärbt. Wir hingen nun von den mit No. 1. und 3. bezeichneten Stückchen je 2 Stückchen in der oben beschriebenen Weise im Wasser auf. aber selbst nach dreimal 24 Stunden zeigte sich nicht die geringste Färbung des Wassers, und sämmtliche Reagentien blieben wirkungslos. Die heraus- genommenen Tuchstückchen wurden getrocknet: die rothen Flecke waren unverändert geblieben. Wir haben die Tuchstückchen mit besonderer Bezeichnung beigelegt. Von dem Tuchstreifen No. 2. kratzten wir die gefärbten Punkte ab und behandelten sie mit ein wenig "Wasser : dasselbe färbte sich durchaus nicht, und auch die Reagentien zeigten keine Spur von Wirkung. Hiernach müssen wir unser Gutachten dahin abgeben, dass die rothen Flecke auf den uns übersandten Tuchstückchen höchst wahrscheinlich nicht von Blut herrühren." §. 44. Ermittelung von Kothflecken. Die Darmausleerungen des Erwachsenen, wie das Kinds- pech des Neugeborncn, lassen sich auf microscopischem, wie auf chemischem Wege leicht feststellen. Der Gerichtsarzt wird aber nicht leicht in die Lage kommen, sich mit einer solchen Untersuchung befassen zu müssen, wenigstens ist mir in einer so langen und reichen Erfahrung auch nicht ein einziger der- artiger Fall vorgekommen, und auch in der betreffenden Lite- ratur finden sich kaum einige Fälle verzeichnet. Es ist dies auch sehr erklärlich. Denn Excrementenbesudelungen sind, wie Jeder weiss, so unfeinem sinnenfällig und so wenig mit andern Fleeken zu verwechseln, dass der Richter, wenn er überhaupt ein Interesse daran hätte, zu ermitteln, ob Flecke von Excre- menten herrühren, was an sich schon kaum vorkommt, durch Besichtigung derselben sich mit Recht schon selbst und. ohne Zuziehung des Arztes ein. Urtheil zutrauen und bilden wird. So habe ich z. B. vor Jahren in einem scheusslichen Falle, in welchem ein Mädchen von vier Männern genothzüchtigt wurde, von denen Einer zuletzt in's Zimmer hofirte, eine Aderlassbinde in den Koth tauchte und der halb bewusstlos da Liegenden diese in den Mund stopfte, wohl den Thatbestand der Nothzucht an dem Körper des Mädchens festzustellen gehabt, aber die be- sudelte Binde auch nicht einmal zu sehen, viel weniger zu prü- fen bekommen, was auch ganz überflüssig gewesen wäre. §. 45. Ermittelung von Saamenflecken. So häufig mir die Aufgabe wird, die auch jeden andern Practiker zu beschäftigen hat, an Leib- und Bettwäsche Leben- der zu prüfen, ob verdächtige, darin wahrnehmbare Flecke von männlichem Saamen herrühren oder nicht? so ist mir doch in keinem einzigen Falle die Frage, betreffend die Wäsche eines Verstorbenen, vorgelegt worden, und auch hier füge ich, wie im vorigen Paragraph, hinzu, dass auch anderweitig die litera- rischen Aufzeichnungen sich nur auf ganz einzelne Fälle be- schränken. Wohl habe ich zwei Fälle von Nothzucht mit gleich darauf erfolgter Tödtung der Genothzüchtigten zu begutachten gehabt, indess lag in keinem der Fälle die Notwendigkeit vor, die Wäsche auf Saamenflecke untersuchen zu lassen. In ähn- lichen Fällen aber könnte wohl einmal die Sachlage diese Un- tei suchung erforderlich machen, weshalb wir derselben hier ge- denken. Ich habe bereits an einem andern Orte*) auseinander- gesetzt, wie völlig unzuverlässig^alle Prüfungen muthmaasslicher *) Ueber Nothzucht und Päderastie in m. Vierteljahrsschrift I. S. 21 u. f. Saamenflecke durch die Sinne, namentlich durch Auge und (beim Zerreiben) durch Geruch sind. Die Hemden, die dem Gerichtsarzte vorgelegt werden, sind nicht die feinen, oft ge- wechselten, daher reinen und weissen Hemden der höhern, ja selbst die immerhin noch reinlichen Hemden der mittlem Stände. Es sind lange und abgetragene, grobe, schmutzige, mehr oder weni- ger zerrissene Hemden, in denen Koth, Urin, Schleim, Menstrual-, Wanzen- und Flohblut und Schmutz aller Art ein ekelhaftes Gemisch bilden, und die Erkennung eines oder einiger bestimm- ter Flecke durch die Sinne höchst trügerisch, nicht selten ganz unmöglich machen. Aber auch die von ürfila und Andern angegebene chemische Prüfung der Saamenflecke ist ganz un- zuverlässig und zu weitläuftig. Es bedarf aber derselben in kei- nem Falle, denn wir besitzen ein ganz untrügliches und bewei- sendes Mittel zur Feststellung der Frage im Microscop und in seiner zweckmässigen Anwendung. Unzweckmässig aber ist sie, wenn man das ausgeschnittene, betreffende Leinwandstück stark presst oder reibt, wodurch man sehr leicht, indem man die Spermatozoen zerstört, den ganzen Versuch fruchtlos ma- chen kann. Aus vielfachen eigenen Beobachtungen kann ich die Koblank'sehe Methode*) als einfach und als die zweck- mässigste empfehlen. Man schneidet aus der/Wasche ein Stück, das einen verdächtigen Fleck zeigt, aus und taucht dasselbe in ein Porcellanschälchen, in welches man wenige Tropfen destil- lirten kalten Wassers gegossen hatte. Vorsichtig und gelinde, am besten mit einem Glasstab, wird die Leinwand durch Drük- ken und Wälzen mit dem Wasser durchfeuchtet. Nach einer Viertelstunde wird dann ein Tropfen des Wassers durch gelin- den Fingerdruck auf die Leinwand auf das Objectglas getröp- felt, und mit der grössten Leichtigkeit lassen sich nun unter dem Microscope die Saamenthierchen erkennen, wenn wirklich Saamenflecke vorhanden waren. Ungeübte können allerdings *) Zur Diagnostik der Saamenflecke in m. Vierteljalirsschrift III. S. 140. durch Epithelialzellon, durch die Fäden der Leinwand u. s. w. getäuscht werden; wer aber nur ein einziges, so characteristisch gebautes Saamenthierchen, todt oder gar lebend, gesehn, wird nie wieder irre geführt werden. Ich habe noch nach einem Jahre ganz deutlieh dieselben gesehn und die Existenz von wirklichen Saamenflecken dadurch feststellen können; Bayard*) will sie noch nach drei, Ritter**) noch nach vier Jahren deut- lich wahrgenommen haben, was sehr wohl glaublich ist, voraus- gesetzt immer nach so langen Zeiträumen-, dass die Wäsche nicht vielfältig manipulirt und gerieben worden war, weil da- durch die Saamenfädchen zerstört werden. Nach längerer Zeit zerfallen sie freilich auch von selbst. Es ist dann nichts Sel- tenes, getrennte Köpfe und getrennte Fädchen unter dem Mi- croscop zu finden. Aber ein einziges Thier giebt noch immer die Gewissheit, dass man wirklichen Saamen zur Untersuchung gehabt habe. Hat die vorsichtige Untersuchung durch ein ge- übtes Auge auch nicht ein einziges Thierchen, auch nicht bei wiederholten Versuchen, ergeben, dann muss der Gerichtsarzt erklären: dass kein Beweis dafür vorliegt, dass der untersuchte Fleck ein Saamenfleck gewesen sei. §. 46. Ermittelung von Schwefelsäure auf Stoffen. Wir erwähnen der Schwefelsäure, weil sie dasjenige Gift ist, das unter allen in überwiegendem Verhältniss am häufigsten sowohl als Mittel zur Selbstvergiftung, wie zur Vergiftung neu- geborner und kleiner Kinder durch ihre unnatürlichen Mütter benutzt wTird. Von letztern Fällen habe ich eine ganze Reihe beobachtet. Es kommen hierbei auch solche Fälle vor, wo der Versuch missglückte, oder andere, in denen das Kind nur einige wenige Tropfen schluckte, erbrach, schleunige ärztliche Hülfe durch Absorbentien u. s. w. erhielt, und gar nicht, oder erst *) Annales d'hygiene publique 1839. Juli. **) a. a. O. S. 224. nach längerer Zeit starb, Fälle, in denen die Thäterin läugnet, und wo dann Flecke oder Löcher in den Bekleidungsstücken des Kindes das einzige Beweismittel gegen sie sind. Denn in sol- chen Fällen, in denen der Tod erst nach längerer Krankheit erfolgte, vermag selbst die Leichenöffnung mit Einschluss der chemischen Analyse der Contenta der Leiche keinen Beweis mehr zu liefern (vgl. §. 34. spec. Tbl.). Rübren die Flecke oder Lö- cher wirklich von Schwefelsäure ber, so ist der Tbatbestand in der Regel leicht festzustellen. Man schneidet die befleckten oder zerfressenen Stücke aus dem Stoffe aus, und lässt sie in kaltem destillirtem Wasser maceriren. Man erhä't dann eine stark sauer reagirende Flüssigkeit. Eine Auflösung von salpe- tersaurem Baryt und von essigsaurem Blei bilden darin weisse, in Salpetersäure nicht lösliche Niederschläge. Setzt man nur einen einzigen Tropfen der durch Maceriren erhaltenen sauern Flüssigkeit zu einer verdünnten Zuckerauflösung und verdampft das Gemisch im Wasserbade zur Trockne, so bleibt ein kohl- schwarzer Rückstand; Proben, die eben so einfach, als wenig kostspielig sind, und ganz sicher den Beweis vorhandner Schwe- felsäure liefern. Viertes Kapitel. Innere Besichtigung. (Scction.) Gesetzliche Bestimmungen. (Vgl. die schon oben S. 92 u. f. angeführten §§. 159., 1K3., 1G4.. 165., 166. und 107. der Oriminäl-Ordnung und das „Regulativ".) §. 47. Die Technik, a) Kopfhöhle. Hat man mit Rücksicht auf alle vorstehend erörterten Punkte den Leichnam sorgfältig an der vordem und Rückenfläche und an allen seinen einzelnen Theilen besichtigt, so schreitet man zur Section. Vor Allem bedarf man dazu einer gehörigen Be- leuchtung. Künstliches Licht ist ein sehr ungenügendes Ilülf's- mittel bei ungeeigneten Localitäten, weil manche Sectionsbefunde, namentlich solche, die durch irgend eine Färbung wichtig sind, dabei im Vergleich zum Tageslicht nicht unwesentlich verändert erscheinen. Indess ist im Nothfall künstliches Licht immer noch der dunkeln Tagesbeleuchtung vorzuzielm. In allen Fällen ist mit der Eröffnung derjenigen Höhle zuerst vorzuschreiten, in welcher man die Todesursache vorauszusetzen Grund hat, sei es wegen einer, sich an derselben befindenden Verletzung, sei es aus allgemeinen Gründen, wie z. B. bei muthmaasslich Er- stickten die Brust-, bei angeblich Vergifteten die Bauchhöhle u. s. w. Nur allein bei Neugebornen ist hier ein Unterschied insofern zu machen, als hier, um den Stand des Zwerchfells unverrückt beobachten zu können, in allen Fällen die Unter- leibshöhle zuerst zu öffnen ist. Sonst und in allen übrigen Fällen ist es zweckmässig, mit der Eröffnung der Kopf höhle den Anfang zu machen, wäre es auch nur, um den oft wenig- angenehmen Geruch der übrigen Höhlen weiter hinaus zu ver- schieben. Das Regulativ giebt im §. 12. die beste Methode zur Eröffnung der Schädelhöhle an, und verweise ich auf das- selbe. Ich bemerke hierbei nur, dass auch Verletzungen, ja Zertrümmerungen des Schädels hier keinen Unterschied machen, und dass man dieselben in ihrer innern Beschaffenheit und Wir- kung am besten übersieht, wenn man auch in solchen Fällen den Schädel durch einen Kreis-Sägenschnitt trennt und öffnet. In zwei sehr scheusslichen Raubmordfällen hatte der bei der Section anwesende Staatsanwalt den sehr glücklichen Gedanken, von uns das Aufheben und Präpariren der zerschmetterten Schädel der Ermordeten zu fordern, um die Verletzungen spä- ter den Geschwornen ad oculos zu demonstriren, und dadurch um so gewisser ein Verdict auf Schuldig zu erzielen. Die Schädel wurden auf gewöhnliche Weise macerirt, gebleicht und getrocknet, zu seiner Zeit auf dem Tisch der Verbrechenskör- per mit ausgelegt, die Verletzungen daran nachgewiesen, und das (sehr nachahnnmgswerthe!) Verfahren verfehlte seine Wir- kung auf die Geschwornen nicht. — Bei Neugebomen bedarf es in der Regel keines Kreisschnittes, denn es lassen sich, wenn man eine Scheere in die noch nicht geschlossenen Näthe ein- senkt, wobei das Gehirn und seine Häute keineswegs verletzt zu werden brauchen, und dann trennt, die dünnen Schädelkno- chen leicht nach vorn und hinten und nach beiden Seiten zu- rückschlagen. — Bei Prüfung der Schädelbasis auf etwanige Verletzungen versäume man nicht, das Periost loszureissen, weil im entgegengesetzten Falle kleinere Fissuren leicht der Aufmerk- samkeit entgehn können. — Eine genaue anatomische Zerglie- derung des Gehirns ist in keinem Falle erforderlich, indem man immer nicht vergessen muss, dass man die Section zu gericht- lichen Zwecken macht, für welche Organe wie die Zirbeldrüse, die olivenförmigen Körper u. dgl. m. ganz unerheblich sind. Wie das Regulativ vorschreibt, ist vielmehr die Besichtigung und Eröffnung beider Gehirne und ihrer Hüllen, der Ventrikel, namentlich der Seitenventrikel und ihrer Adergeflechte, der Va- rolsbrücke und des verlängerten Markes, sämmtlicher Blutleiter und des ganzen knöchernen Schädels vollkommen ausreichend. §. 48. Fortsetzung, b) Hals- und Brusthöhle. Der Eröffnung der Brusthöhle, schreibt §. 13. des Regula- tivs mit Recht vor, ist die Untersuchung des Halses, an wel- chem vorzüglich der Kehlkopf, die Luft- und Speiseröhre, die grossen Blutgefässe und Halswirbel zu berücksichtigen sind, voranzuschicken. In Fällen, wo dies irgend erforderlich scheint, z. B. bei gemuthmaasster Erstickung durch fremde Körper oder bei wahrscheinlicher Vergiftung durch A etzgifte, versäume man nicht, gleich jetzt den Rachen, die Mundhöhle und Zunge zu untersuchen. — Die im Regulativ vorgeschriebene Technik der Eröffnung der Brusthöhle ist die einfachste und zweckmässig- ste. Ich füge nur noch ein Verfahren für die Untersuchung der Luftröhre in Fällen angeblichen Erstickungstodes hinzu, das ich seit längerer Zeit mit dem grössten Erfolge ausübe, und nicht genug empfehlen kann. Es kommt nämlich gar nicht sel- ten vor, dass man auch selbst in Fällen, wo man den Befund von wässrigem oder blutigem, mit Luft gemischtem Schleim in der Luftröhre nach den Umständen vermuthen sollte, denselben nicht und den Kanal ganz leer findet. Hier drücke man dann jedesmal behutsam, aber doch kräftig, auf den obern Theil bei- der, noch unberührt in der geöffneten. Brusthöhle daliegenden Lungen, und recht häufig wird es dann gelingen, schaumigen oder blutigen Schleim aus den Bronchien in die Luftröhre hinauf zu drücken, und den Befund auf diese Weise um ein sehr wichtiges Zeichen zu bereichern. — Auf einen andern wichtigen Punkt ist bei dieser Gelegenheit aufmerksam zu machen. Den Blutgehalt des Herzens einer-, wie der Lungen und grossen Brustgefässe andrerseits genau zu constatiren, ist ohne Unterbindungen, wie sie bei der Athem- probe Neugeborner zu machen sind, ganz unmöglich, weil, zu- mal bei besondrer Flüssigkeit des Blutes, wie sie nun Avieder in den Fällen, wo es grade am wichtigsten, jenen resp. Blut- gehalt zu prüfen, gewöhnlich vorkommt, bei Erstickungen näm- lich, auf jeden Schnitt in Eines jener Organe nothwendig mehr oder weniger Blut aus den andern ausfliesst. Um dies mög- lichst zu vermeiden, ist es unumgänglich erforderlich, zuerst das Herz zu untersuchen, und zwar so, dass man es ganz in seiner natürlichen horizontalen Lage liegen lässt und nun in beide Hälften einen seitlichen Längenschnitt macht. So gewinnt man einen reinen Einblick in die wirkliche Blutmenge sämint- licher Herzhöhlen. Dann erst schneide man die Lungen und zuletzt erst die grossen Gefässe ein, und man wird bei dieser Technik jenem Uebelstande noch am besten begegnen, wenn nun nicht gradezu eine Unterbindung vorzieht. — Dass bei et- wanigcn durchdringenden Brustverletzungen die Wandungen der Casper, gericlill. Medicin. 15 Höhle, so weit dies möglich, zuerst und vor der Manipulation der Organe untersucht werden müssen, versteht sich von selbst, da durch letztere und durch Zerrung und Erweiterung der Brustwände die Form und Grösse ihrer Verletzung leicht sehr bedeutend verändert werden kann. §. 49. Fortsetzung, c) Bauchhöhle. Zu den diese Höhle betreffenden §§. 14. und 15. des Regula- tivs ist nichts Wesentliches hinzuzufügen. Die Reihenfolge, in wel- cher die Baucheingeweide zu untersuchen, ergiebt sich aus ihrer Lage von selbst. Wenn irgend schon die Verwesung ziemlich weit vorgeschritten, dann ist es gerathen, vor Allem den Magen zu untersuchen, damit derselbe im entgegengesetzten Falle bei der Manipulation der andern Organe nicht etwa reisse und sei- nen Inhalt ergiesse. Ich meine hierbei natürlich nicht etwanige Fälle von constatirter oder selbst nur vermutheter Vergiftung, weil in dieser das im §. 15. des Regulativs vorgeschriebene Unter- bindungsverfahren nie und in keinem Falle unterlassen werden darf. Nach dem Magen untersuche man die Leber, die Netze und dann, durch Zurückschlagen des grossen Netzes nach oben, wo man sodann leicht zu derselben gelangt, die Bauchspeichel- drüse und der Reihe nach die übrigen Baucheingeweide. In Betreif' des Blutgehaltes der grossen Venenstämme ist es aus- reichend, den Hauptstamm der V. cava adscendem zu prüfen. Ist, wie bei Erstickten, bei Apoplectischen u. dgl. die Controlle des Blutgehaltes von grösserer als gewöhnlicher Erheblichkeit, so lagere man vorher schon den Rücken der Leiche etwas hö- her, um den Abfluss, und wenn man, wie gewöhnlich, schon vor- her die Brusthöhle geöffnet und die Gefässe zerschnitten hatte, den Ausfluss des Blutes aus der V. cava möglichst zu verhüten. In solchen Fällen öffne man das Gefäss auch nicht erst nach beendeter Untersuchung aller Bauchorgane, wie es in den ge- wöhnlichen Fällen zweckmässig geschieht, sondern früh, um seinen Inhalt möglichst intact zu erhalten und prüfen zu kön- nen. _ Von etwa vorhandenen Ergüssen in die Bauch- wie in die Brusthöhle schweigt das Regulativ. Es versteht sich aber deren Prüfung er'ana von selbst. Im Bauche, wo sie oft in so sehr erheblicher Masse gefunden werden, ist es am zweckmäs- sigsten, sie mit einem mensurirten Gefässe gleich nach der Er- öffnung der Höhle ganz herauszuschöpfen und in ein Gefäss zu o-iessen. Des Wiedens bedarf es in keinem Falle. Die Eröffnung der Rückgratshöhle ist in der Mehrzahl der Fälle nicht und nur in denjenigen erforderlich, in welchen sich darin Befunde erwarten lassen, die für die Beurtheilung des Falles von Einfluss sind. Fünftes Kapitel. Das Olxluctionsprotocoll. Gesetzliche Bestimmungen. (Vgl. §. 163. der Criminal - Ordnung (S. 94) und die §§. 18 — 20. einschl. des Regulativs (S. 101). §. 50. Form und Inhalt. Die Erfahrung lehrt, dass Anfänger in der geriehtlich-me- dicinischen Praxis sich so schwer in der Unterscheidung der beiden, so ganz verschiedenen Actenstücke: Obductionsproto- coll und Obductionsbericht zurecht zu finden wissen, dass es nicht überflüssig scheint, dabei hier zu verweilen. *) Die Ab- *) Namentlich ist es einer der allergewöhnlichsten Fehler in den schrift- lichen Arbeiten der Früfungscandidaten zum Physicats-Examen, für welche gesetzlich und deshalb ohne alle Ausnahme die Anfertigung eines „Ob- duetionsberichtes in vorschriftsmässiger Form" gefordert wird, dass die Candidaten Protocoll und Bericht verwechseln, durcheinanderwerfen u. s. w., und sich deshalb Seitens der Prüfungsbehörde (der K. wissenschaftlichen Deputation) Rügen zuziehn. 15* fassung des Obdiictionsprotocoll es ist Sache des Richters, die des Obductionsberichtes Sacht; der Obducenten. Die Abfassung des Obductions proto coli es geschieht im Obduc- tionstermine selbst und während der Section, die Abfassung des Obductionsberichtes im Studirzimmer des Physicus und oft Monate lang nach dem Sectionsacte. In das Obductionspro- tocoll werden Gegenstände aufgenommen, welche ganz unab- hängig sind von der wissenschaftlichen Untersuchung des vor- liegenden Objectes (der Leiche), z. B. die Recognition dessel- ben, die Vernehmung derjenigen Zeugen, die den Leichnam aufgefunden hatten, das Verhalten des muthmaasslichen Mörders beim Anblick der Leiche, die am Schluss des Actes verlügten Maassregeln zur Beerdigung der Leiche und vieles derartiges mehr. Der Obductionsbericht dagegen ist eine rein wissen- schaftliche Abhandlung über das Thema der Frage, wozu der Obductionsbefund die Materialien geliefert hatte. Mit einem Worte: das Obdiictionsprotocoll ist diejenige „Verhandlung", welche Alles, was in demjenigen, vom Gerichte dazu angesetzt gewesenen Termine vorgekommen ist, namentlich und vorzugs- weise natürlich also auch die Befunde bei der Leichenöffnung, nach Art aller gerichtlichen Terminsprotocollle zu den Acten zu registriren hat. Daher gehn jedesmal mehr oder weniger aus- führliche, den Gerichtsarzt ganz und gar nicht berührende Be- merkungen, wie eben Zeugenaussagen n. dgl. voran und bilden den Eingang des (Obductions-) Protocolls, und nun erst, wenn der, den Obductionstermin abhaltende Gerichtsabgeordnete mit diesen Vorbereitungen abgeschlossen, fordert er die Obducenten auf, den ihnen zukommenden Antheil an der Verhandlung zu übernehmen und den Befund zu dictiren. *) In welcher Form *) Es wird nämlich im weitern Verlaufe des Protocolls registrirt, etwa wie folgt: „Es hatten sich inzwischen eingefunden die Herrn Obducenten, der K. Kreis-Phys. Dr. N. und der Chir. forens. N. N. Es wurde denselben die Leiche übergeben, und mit der Obduction derselben verfahren, wie folgt." dies zu gesehehn hat, schreiben die oben angeführten §§. des Regulativs genau vor. Hier aber ist der Ort, wiederholt (vgl. §. 23. S. 67) recht eindringlich zu warnen vor allen Ungehö- rigkeiten, wie sie Mangel an Sachkenntniss, Unsicherheit in der Praxis, übergrosse Aengstlichkeit und Pedanterie und Verken- nen des Zweckes des ganzen amtlichen Geschäftes so ungemein häufig in die Protocolle bringen. Fortwährend, ein für alle Mal und ohne Ausnahme halte man sich *) stets gegenwärtig, dass man eine gerichtliche, d. h. eine Leichenöffnung zu gewis- sen richterlichen Zwecken auszuführen hat. Alles daher, was diese nicht berührt, namentlich also rein pathologische Befunde, wenn sie mit dem vorliegenden richterlichen Zwecke nicht in Zusammenhang stehn, lasse man, wenn nicht ganz bei Seite, oder berühre wenigstens solche Befunde nur ganz summarisch. Nicht also z. B. schildere man in einem Falle, in welchem ein Mensch durch einen Schuss in die Leber, durch einen Stich in die Aorta u. dgl. gestorben ist, die etwa vorgefundene Lungentu- berculose, Lebercirrhose u. dgl. mit pathologisch-anatomischer Genauigkeit, da dieselbe hier, ob vorhanden oder nicht vorhan- den, von ganz und gar keinem Einfluss für die richterliche Be- handlung der Sache ist. Das einfache Dictat: „die Lungen zeigten sich mit Lungenknoten durchwachsen" u. dgl. würde hier vollständig genügen. Dasselbe gilt von seltenen pathologisch-ana- tomischen Befunden, wie abnorme Lage von Eingeweiden und Gefässen, Mangel derselben, seltenern Formen von Geschwül- sten u. dgl. m., wenn diese Befunde nicht im entferntesten Zu- sammenhange mit der Todesart des Verstorbenen und mit dem richterlichen Zwecke der Section stehn. Der Gerichtsarzt mag sich die genauste Notiz, Zeichnung u. s. w. für sein Privat-In- teresse vorbehalten, aber in das gerichtliche Obduotionsprotocoll gehört höchstens nur die summarische Angabe des Befundes, *) Auch in den Prüfungsarbeiten, in denen so oft gegen die obigen Re- geln gesündigt wird! nicht eine eingehende Schilderung, desselben. Eine solche, be- treffend rein pathologische Sectionsresultate, ist nur dann zu- lässig, ja erforderlieh, wenn der gerichtliche Zweck einer Lei- chenöffnung die Begründung der Anschuldigung eines kunst- widrigen Heilverfahrens ist. Hier kann z. B. das Stadium, in welchem sich die Lungentuberculose befand, hier kann der Be- fund einer Geschwulst, deren Diagnose im Leben mit den grössten Schwierigkeiten verbunden gewesen sein musste, von erheblicher Wichtigkeit und ihre genauere Schilderung zu Pro- tocoll deshalb nothwendig werden. Aber solche Fälle sind die seltensten. — Eine ganz ungehörige „Ausführlichkeit über die Grenzen hinausK, wie das Regulativ sagt, geben unsichere und unbewanderte Obducenten ihren Dictaten zum Obductionspro- tocoll ferner, indem sie in eine Schilderung der Leiche eingehn, welche Dinge umfasst, die wieder ganz und gar nicht mit der Frage zusammenhängen. So z. B. wenn, zumal bei bekannten Leichen, die Form und Grösse des Backenbartes geschil- dert wird, die Form der Nase, die vorhandnen Kuhpok- kenimpfnarben, die Länge des penis u. S. w. Im Wüste der Nummern eines solchen Obductionsprotocolls verlieren sich die wesentlichen Befunde. Die Erfahrung lehrt, dass in der Re- gel diese wesentlichen, für den richterlichen Zweck erheblichen Befunde sich in etwa 30 bis 40, bei Neugebornen, wegen der, die Athemprobe betreffenden Punkte, in einigen 50 Nummern sehr vollständig und ausreichend zusammenfassen lassen. Bei vielen vorhandenen äussern Verletzungen, die einzeln zu schil- dern sind, können allerdings 70, 80 Nummern erforderlich wer- den. Protocolle von hundert und noch mehr Nummern, die al- lerseltensten Fälle abgerechnet, sind eo ipso mangelhafte, denn sie beweisen eben dadurch, dass die Obducenten gegen obige Regeln gesündigt, oder Zusammengehöriges ungehörig gespal- ten, z. B. die Befunde in einem und demselben gesunden und unverletzten Organe in sechs, acht verschiedene Nummern ge- bracht haben. — Eines andern häufigen Fehlers muss ich noch hier gedenken. Das Obductionsprotocoll hat den Zweck, die wesentlichen Befunde, die bei der gerichtlichen Section erhoben worden, zu schildern, gleichsam in Worten eine Abbildung der Befunde zu den Acten zu liefern- Eine Schilderung ist aber kein Urtheil, und Urtheile gehören deshalb nicht in die Obductionsverhandlung. Sehr häufig bedienen sich Gerichts- ärzte indess solcher Ausdrücke, die offenbar mehr ein Urtheil, als eine Schilderung sind, namentlich bei vorgefundenen Ent- zündungen und ihren Folgen. Statt zu dictiren, dass z. B. das Bauchfell zinnoberroth, und seine feinern Gefässe wie ausge- spritzt erscheinen, dictiren sie, „das Bauchfell zeigte sich ent- zündet". Es ist dies um so ungehöriger, als bei solchem Verfahren jede spätere Controlle in den weitern medicinisch- technischen Instanzen unmöglich wird, weil man in letzterm Falle nicht weiss und wissen kann, was die Obducenten eigent- lich gesehn, und worauf sie ihr Urtheil, ihre Schlussfolgerung von „Entzündung" begründet haben. Waren es z. B. nicht in- nere Hypostasen? Nicht Verwesungserscheinungen? Noch schlimmer steht es, wenn die Obducenten, statt eine Schilderung zu geben, sich in ganz allgemeinen Urtheilen in ihren Protocoll- dictaten ergehn. Der Protocollführer wird allerdings unbefan- gen niederschreiben, wenn der Pbysicus dictirt: „8) am Halse fand sich eine Strangmarke, welche ganz die Beschaffenheit hatte, wie man sie bei Erhängten gewöhnlich zu finden pflegt." Dass aber ein solches Urtheil, mit Uebergehung jeglicher Schilderung des Befundes, vollkommen werthlos ist, wird sich Jeder bei einiger Erwägung der Sache sagen müssen. §. 51. Fortsetzung. Das summarische Gutachten. Wenn nun sämmtliche Befunde in der Leiche erhoben wor- den, Nichts mehr darüber zu registriren und die Obduction geschlossen ist, so haben die Gerichtsärzte zum Abschluss des Obductionsprotocolls ihr vorläufiges oder summarisches Gutach- ten zu dictiren, d. h. das in kurze Sätze zusammengefasste, und nicht weiter durch Gründe der Wissenschaft zu motivirende Urtheil über den Befund, gleichsam eine Antwort auf die Frage: „Wie stellt sich nun dieser Fall für den Richter?" Dies vor- läufige Gutachten hat den Zweck, den Richter auf den richti- gen Weg zu leiten und ihm eine Handhabe für die fernere Be- handlung der Sache in der Voruntersuchung zu liefern. Oft wird er dadurch veranlasst, sie nunmehr ganz und gar fallen zu lassen, wenn z. B. der Anfangs gehegte Verdacht einer ge- waltsamen Todesart des Donatus durch die Obduction beseitigt worden ist, oft wird er umgekehrt dadurch aufgefordert, die Sache energisch weiter zu verfolgen. Man suche deshalb sei- nem vorläufigen Gutachten, wie jedem gerichtsärztlichen Urtheil, die möglichste Bestimmtheit zu geben, weil Schwankungen darin, weil ein: es könnte so, es könnte aber auch anders zu- sammenhängen, begreiflich den Richter ganz unbefriedigt lassen müssen. Ich sage: die möglichste Bestimmtheit; denn es kom- men allerdings nicht gar selten Fälle vor, die einen vollkommen sichern Ausspruch, zumal in einem so frühen Stadium, wie es durch die Leichenöffnung bezeichnet wird, und in welchem mei- stentheils andre Thatsachen, die für die Beurtheilung der Sache Aufschluss geben könnten, noch gar nicht erhoben worden, durchaus nicht gestatten. Man halte aber nur stets die Zwecke der gerichtlichen Obduction fest im Auge, wie sie in den drei Kapiteln des ersten Abschnittes dieses Buches ausführlich ge- schildert worden, und man wird nicht leicht in den Fall kom- men, ein ganz und gar ungenügendes Urtheil abgeben zu müs- sen. Von jenen Zwecken ist die Feststellung der Todesursache (§. 23. und §. 24.) der allgemeinste und in allen Fällen wich- tigste. Deshalb muss das summarische Gutachten zu allererst angeben, auf welche Weise denatus seinen Tod gefunden? eine Angabe, der nur bei todten Neugebornen die über das Alter und das Leben des Kindes nach der Geburt noch voranzuschik- ken ist. Hier pflegen nun sogleich noch Ungeübte in Verlegen- heit zu kommen, insofern in nicht wenigen Fällen die specicllc Todesart aus der Leichenöffnung gar nicht zu ersehn war. Len- tescirende Fieber, die meisten chronischen Krankheiten, die Krampf- formen u. s. w. hinterlassen keine solche Spuren im Leichnam, dass man sie nach der Section diagnosticiren könnte. Wie kann hier der Gerichtsarzt die Todesart feststellen ? Auf die einfachste Weise, ich wiederhole es (vgl. §. 23.), wenn er nur immer und immer wieder an den richterlichen Zweck seiner Aufgabe denkt. Wenn er näm- lich in allen solchen Fällen im summarischen Gutachten sich dahin ausspricht: „dass die Obduction' keine Zeichen einer ge- waltsamen Todesart ergeben habe, und dass anzunehmen, dass denatus an einer innern Krankheit verstorben sei'c, so ist jener Zweck vollständig erfüllt und der Richter befriedigt, welcher nur die gewaltsame Todesart im Auge hat, und dem es im Verneinungsfalle ganz gleichgültig ist, ob der natürliche Tod durch Fieber, oder durch Krampf, oder durch Alters- schwäche u. s. w. erfolgt war. — Mussten aber die Obducenten eine gewaltsame Todesart annehmen, so haben sie zweitens sum- marisch die Species derselben im vorläufigen Gutachten anzu- geben; z. B. die Todesart war Erstickung, und zwar erfolgte die Erstickung durch Erdrosseln. Nicht immer ist hier schon nach der blossen Obduction eine solche Bestimmtheit des Ur- theils möglich. Man wird dasselbe dann mit mehr oder weni- ger Wahrscheinlichkeit abgeben, und ein gewisseres Urtheil sich vorbehalten, bis man durch spätere Aufschlüsse, z. B. resp. durch chemische Analyse der Darmcontenta, durch Untersuchung der Mutter des secirten Neugebornen, durch Einsicht der Ac- ten u. dgl., selbst genauer über den Fall unterrichtet worden. — In der Regel wird der Gerichtsarzt wohlthun, sich in sei- nem summarischen Gutachten vorläufig mit der Beurtheilung der beiden angegebenen Punkte zu begnügen, und weitere Fra- gen des anwesenden Gerichtsdeputirten abzuwarten. Es ist dies Verfahren weit vorsichtiger, als das entgegengesetzte, mit einer Menge von Dingen nämlich hervorzutreten, die entweder den Richter gar nicht intercssiren, und folglich dann ungehörig sind, oder die die Sache nur unnütz verwickeln würden. Ist der Richter noch nicht genügend aufgeklärt, so wird er in kei- nem Falle ermangeln, den Obducenten für das summarische Gutachten noch Specialfragen vorzulegen, und wir haben deren unzählige Male dann noch sechs, acht und mehrere in wichti- gen Fällen zu beantworten gehabt. Die nächste, in Fällen von tödtlichen Verletzungen, und zu welcher Frage das Gesetz den Richter verpflichtet (Crim.-Ordn. §. 162. s. S. 93), ist die: betreffend die AVerkzeuge, womit die Verletzung gewiss oder muthmaasslich beigebracht worden. Wir haben diese Frasre in den §§. 34—41. bereits besprochen. Aber ausserdem kommen, je nach der hundertfach verschiedenen Combination der Fälle hundertfältig verschiedene Separatfragen den Obducenten vor, worauf zu antworten sie aufgefordert werden. Solche Fragen betreffen die Stellung des denatus zur Zeit der erhaltenen Ver- letzung, die Stellung des Thäters dabei, die Zeit, in welcher muthmaasslich der Tod erfolgt war, die Frage ob Mord oder Selbstmord, ob Einer oder Mehrere Hand an den jetzt Ver- storbenen gelegt u. dgl. m., wofür die zu §. 41. mitgetheilten Fälle schon zahlreiche Beläge geliefert haben. Sehr oft wird man bei diesen Fragen in den Fall kommen, nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit antworten zu können. Eine empfeh- lenswerthe Form in vielen solcher Fälle ist die negative Fas- sung der gerichtsärztlichen Antwort, denn sie ist eben so be- gründet und gewissenhaft, als sie für die fernere medicinische Behandlung die Hände nicht bindet, ich meine eine Antwort- stellung, wie die z. B., dass die Obduction keine Thatsachen ergeben habe, welche die Annahme ausschlössen, dass u. s. w. In andern Fällen, und wenn auch dies nicht möglich, stehe man nicht an, offen seine Incompetenz zu erklären, und zu antwor- ten, dass die Obduction über den fraglichen Punkt gar keine Aufschlüsse gegeben habe, oder auch gar nicht habe geben können. Es ist ein solches Verfahren jedenfalls gewissenhafter, würdiger und vorsichtiger, als ein Antworten in den Tag hin- ein, wofür später bei der fernerhin erforderlichen Begründung der Antwort die wissenschaftliche und erfahrungsgcmässe Un- terlage fehlt. Nach Aufnahme des summarischen (vorläufigen) Gutachtens am Schlüsse der Aufzeichnungen über den Obduktionsbefund lässt der Gerichtsdeputirte die Verhandlung von beiden Obdu- centen unterschreiben, er schliesst auf die bei allen gerichtlichen Verhandlungen übliche Weise das (Obductions-) Protocoll und nimmt dasselbe sofort mit sich zu den Acten. 69. Fall. Ertrinkungstod. Es erscheint bei der schon erwähnten, so täglich vorkommenden Verwechslung des Obductionsprotocolls mit dem Obductionsbericht nicht unzweckmässig, hier als Probe ein ganz vollständiges Obduc- tionsprotocoll, betreffend einen Fall von Ertrinkungstod, der an sich interessant war, mitzutheilen. Im folgenden Kapitel wollen Avir den, über denselben Fall erstatteten Obductionsberieht (S. 251) mittheilen, woraus auch dem Ungeübtesten der Unterschied in Form und Inhalt zwischen beiden Actenstücken ganz klar werden dürfte. Das über den Fall im Obductionstermin aufgenommene Obductionsprotocoll lautete, wie folgt: Verhandelt Charlottenburg, den 26. März 1852. In Sachen, betreffend die Ermittelang der Todesart des am 22. d. M. hinter dem Deppe'schen Grundstück aufgefundenen männlichen Leichnams hatten sich Behufs der gerichtlichen Obduction desselben im hiesigen Krankenhause, auf geschehene Vorladung, eingefunden: 1) der Königliche Geheime Medicinal-Rath Herr Dr. Casper, 2) der Chir. for. Herr Lütke. Denselben wurde der im Krankenhause befindliche Leichnam zur Obduction überwiesen und erklärten dieselben hierauf, indem sie beide die General-Zeugenfragen verneinen, folgendes Resultat der vorgenom- menen Obduction zu Protocoll: A. Aeussere Besichtigung. 1) Der 5 Fuss 5 Zoll grosse, etwa 40 Jahre alte, wohlgenährte Körper hat reichliche hellbraune Haare, blaue Augen, und liegt die Zunge hinter den Zähnen. Die Zunge ist mit Schlamm bedeckt, namentlich nacli ihrer Spitze hin. 2) Leichenstarre ist nicht vorhanden. 3) Die Farbe ist die gewöhnliche Loichenfarbe, nur der Unterleib ist von Verwesung grün gefärbt, und das ganze Gesicht, von, als solche, durch Einschnitte nachgewiesenen, Todtenflecken roth gefärbt. *) 4) Auf der Mitte der Stirn zeigen sich zwei iibereinanderstehende, rothbraune,"ins Gelbliche spielende, hart zu schneidende, rund- liche, £ Zoll im Durchmesser haltende Flecke. Einschnitte in dieselben ergaben keine Blutunterlaufungen. 5) Der Nasenrücken zeigt dieselbe ad 4. beschriebene Beschaffen- heit. 6) Die Rückenfläche der Oberextremitäten, das Gesicht an mehre- ren Stellen, ebenso auch die Rückenfläche des Leichnams, sind mit feuchter Erde beschmutzt. 7) Die bläulichen Hände und Füsse, namentlich erstere, zeigen Längenfalten, zumal der Finger. 8) An den Unterextremitäten und am rechten Oberarm zeigt die Haut die Beschaffenheit der Gänsehaut. 9) In den natürlichen Höhlen sind fremde Körper nicht zu finden, nur dass sich aus der Rachenhöhle noch etwas Schlamm aus- ziehn lässt. 10) Am äussern Winkel des linken Auges findet sich nach Entfer- nung der Erde eine dunkel blaurothe Färbung des obern und untern Augenlides an diesem Winkel, welcher eingeschnitten, eine schwache Blutunterlaufung zeigt. 11) Hals und Geschlechtstheile sind natürlich beschaffen und sonst ausser lieh nichts zu bemerken. B. Innere Besichtigung. I. Oeffnung der Kopfhöhle. 12) Die weichen Bedeckungen bieten überall nichts Auffallendes dar. Die Schädelknochen sind unverletzt, aber zeigen die un- gewöhnliche Dicke von 3 Linien. 13) Von den Hirnhäuten zeigen die blutführenden einen sichtbaren, aber nicht auffallenden Blutreichthum. 14) Das Gehirn ist fest, aber nicht sehr blutreich. 15) In den Seiten-Ventrikeln, die ziemlich stark mit Wasser gefüllt sind, sind die Adergeflechte ziemlich blutreich. *) Denattis war auf dem Gesichte und mit demselben halb in einer fla- chen, schlammigen Pfütze hart am Ufer liegend todt aufgefunden worden. 16) Das kleine Gehirn weicht nicht von der Norm ab. 17) Dasselbe gilt von der Brücke und dem verlängerten Marke. 18) Sämmtliche Sinus sind sehr blutgefiillt. 19) Die Schädelgrundfläche ist unverletzt, und sonst in der Sehä- delhÖhle nichts zu bemerken. II. Eröffuung der Brusthöhle. 20) Die Eingeweide befinden sich in ihrer natürlichen Lage. Die Lungen, deren rechte mit sehnigen Verwachsungen theilweise mit den Kippen verwachsen ist, haben eine etwas dunklere Farbe als gewöhnlich, füllen die Brusthöhle ganz vollkommen aus, und sind sehr blutreich, ohne übermässig angefüllt zu sein. Wasser findet sich in denselben nicht vor. 21) Auch die grossen Blutgefässstämme sind nicht ungewöhnlich stark mit Blut gefüllt. 22) Im Herzbeutel findet sich die gewöhnliche Menge Wasser. Die Kranzadern des Herzens sind ausserordentlich stark mit Blut gefüllt und dessen rechte Hälfte strotzend mit einem dunkeln und ganz flüssigen Blute erfüllt, während die linke leer ist. 23) Luftröhre und Kehlkopf sind auf ihrer innern Fläche leer und in keiner Beziehung abnorm. Schlammiger Schleim fliesst wäh- rend der Untersuchung von oben hinein. 24) Die Speiseröhre ist leer. 25) Im linken Brustfellsack befinden sich 3 Unzen blutigen Was- sers. m. Eröffnung der Bauchhöhle. 26) Die Eingeweide befinden sich in ihrer natürlichen Lage. Der Magen ist schwappend mit einer wässrigen, grüngelblichen Flüs- sigkeit angefüllt, in welcher sich Speisereste und etwas Schlamm unterscheiden lassen. Im Uebrigen ist derselbe normal. 27) Letzteres gilt auch von der Bauch-Speicheldrüse. 28) Die Leber, deren Gallenblase gefüllt, ist sehr stark mit einem dunklen flüssigen Blute angefüllt. 29) Die Milz bietet nichts zu bemerken. 30) Netze und Gekröse sind sehr fett. 31) Auch die Nieren sind sehr blutreich. 32) Hinsichtlich der Gedärme ist nur zu bemerken, dass die dicken Därme stark mit Koth gefüllt sind. 33) Die Harnblase ist leer. 34) Die aufsteigende Hohlader ist gleichfalls mit einem dunkeln flüssigen Blute ziemlich stark gefüllt. Obducontcn geben naeli geschlossener Obduction ihr Gutachten da- hin ab : 1) dass üenahis an Herz- und Lüngen-ScbiagfltüBfi gestorben sei. 2) dass dieser Tod in einer schlammigen Flüssigkeit erfolgt sei. 3) dass sonach anzunehmen, dass denalUS noch lebte, als er ins Wasser kam. 4) Auf Befragen: dass die sub 10. geschilderte Sugillation am linken Auge als Ursache des Todes nicht zu betrachten ist. v. g. u. *) (gez.) Casper. (gez.) Lütke. a. u. s.**) Jordan. Bidault. ***) Sechstes Kapitel. Der Obtliictionsbcriclit. Gesetzliche Bestimmungen. (Vgl. Crim.-Ord. §. 169 — 171. u. „Regulativ« §. 21. s. S. 94. u. 102.) Criminal-Ordnung §. 172. AVenn der Inhalt des Obductions- berichts von dem Inhalt des Obductionsprotocolls in wesentlichen Punk- ten abweicht, so müssen die Sachverständigen von dem Richter zu einer schriftlichen oder mündlichen Angabe der Gründe dieser Abweichungen aufgefordert werden. §. 173. Kann auf diese Art die Differenz oder der Widerspruch nicht auf eine genügende Weise gehoben werden, so sind, wenn von dem befundenen Thatbestande die Rede ist, die Angaben in dem Obductions- protocolle für die richtigen anzunehmen. Betrifft hingegen die Differenz zwischen dem Obductionsprotocolle und dem Obductionsbericht das aus dem befundenen Thatbestand hergeleitete Urtheil, so soll, wenn die Dif- ferenz auf die Entscheidung von erheblichem Einfluss ist, das Gutachten des Collegii medici der Provinz eingeholt werden. §.' 174. Auch soll ein solches Gutachten eingeholt werden: 1) wenn *) Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben. '*) Actum ut supra. '*) Die Herrn: Gerichtsdeputirter und vereideter Protoco.llführer. die Obducenten sich nicht getrauen, ein bestimmtes sachverständiges Ur- theil abzugeben; 2) wenn sie untereinander in diesem Urtheil nicht über- einstimmen, und 3) -wenn sich in dem erstatteten Obductionsberichte solche Dunkelheiten oder Widersprüche finden, Avelche sie auf eine be- friedigende Weise nicht zu heben vermögen und wodurch bei dem Rich- ter ein gegründeter Zweifel gegen die Richtigkeit des gegebenen Gut- achtens entsteht. §. 175. In einem solchen Falle muss der Richter dem Collegio medico bestimmte Fragen zur Beantwortung vorlegen, und demselben zugleich zur vollständigen Uebersicht der Sache die Untersuchungsacten mittheilen. §. 176. Das Collegium medicum ist verbunden, einer solchen Re- quisition ohne allen Zeitverlust zu genügen, und ein mit wissenschaftli- chen Gründen unterstütztes Gutachten abzugeben. §. 177. In wichtigen Fällen steht es dem erkennenden Richter frei, an seiner Beruhigung ein sachverständiges Gutachten von dem Ober-CoZ- legio medico zu Berlin *) einzuziehn. Circular-Rescript des K. Ministerii der Geistlichen, Un- terrichts- und Medicinal-Angelegenheiten vom 13. März 1822. Die K. Regierung wird hierdurch beauftragt, den Kreis-Physikern und Kreischirurgen Ihres Departements zu untersagen, ohne besonders einge- holte Erlaubniss des Ministerii ihre gerichtlichen Gutachten vor Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Ausstellung, selbst nicht mit Weglassung der Orts- und Personal-Namen abdrucken zu lassen. Circular-Rescript: desselben Ministerii vom 30. Mai 1850. Von Seiten der Justizbehörden ist darüber Beschwerde geführt worden, dass nicht alle Kreisphysiker in Erstattung der Obductionsberichte prompt sind, vielmehr nicht selten erhebliche Verschleppungen sogar in Haft- sachen sich zu Schulden kommen lassen. Zur Vermeidung ähnlicher Be- schwerden'Seitens der Justizbehörden setze ich deshalb fest, dass in Haftsachen spätestens innerhalb vier Wochen nach Mittheilung der Ab- schrift des Obductionsprotocolls der Bericht einzureichen ist, wenn das Gericht nicht einen kürzern Termin ausdrücklich festgesetzt hat. Dies ist sämmtlichen Kreisphysikern zur Nachachtung bekannt zu machen. In Fällen, wo diese Frist nicht eiugehalten worden, hat die K. Regierung, auf diesfallsige Anzeige des Gerichts, nach Befinden der Umstände mit nachdrücklichen Ordnungsstrafen einzuschreiten. *) Jetzt die K. wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen i Ministerio der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten. 04Q §. 52. Oer Obuuctioiisljerieht. Form und Inhalt. Circular - R escrip t desselben Ministerii vom 3. December 1S50: Der Gebrauch vieler Gerichtsärzte, in ihren Gutachten über kör- perliche Verletzungen, zweifelhafte Seeh.nzustände u. s. w. die lateini- schen und griechischen Ausdrücke mehr als unumgänglich nüthig ist, zu häufen hat besonders bei dem neuern öffentlichen Gerichtsverfahren An- stoss erregt, indem dergleichen Gutachten dem grössern Publicum, und namentlich den Geschwornen minder verständlich werden. Auf der an- dern Seite lässt sieh, nicht verkennen, dass eine gänzliche Vermeidung der Fremdwörter der wissenschaftlichen Gründlichkeit der Gutachten Ein- trag thun würde, indem in einzelnen Fällen der deutsche Ausdruck oder eine Umschreibung die Sache nicht so bestimmt bezeichnet, als das von der Wissenschaft recipirte Fremdwort. Ich finde mich demnach veran- lasst, durch die sämmtlichen K. Regierungen und das K. Polizei-Präsi- dium hierselbst allen Gerichtsärzten die rechte Mitte anzuempfehlen, welche wohl darin besteht, dass Dinge, die eben so sicher und besser deutsch zu geben sind, nicht in fremden Sprachen ausgedrückt werden, wogegen in Fällen des Gegentheils das Fremdwort beizubehalten und in einzelnen Fällen zur Vermeidung jeden Zweifels neben der deutschen Bezeichnung auch die lateinische oder griechische in Klammern hinzuzu- fügen ist. §. 52. Form und Inhalt. Der Obductionsbericht (Visum reperürm) ist, wie schon gesagt worden, eine rein wissenschaftliche Abhandlung über das Thema der Frage, wozu der Obduktionsbefund die Materialien geliefert hatte; eine Ausführung und Anwendung der betreffenden Lehr- sätze der gerichtlichen Arzneiwissenschaft auf den vorliegenden concreten Fall. Der Richter soll dadurch in den Stand gesetzt werden, ihn klar zu übersehn, und dadurch Anleitung für seine fernere Tbätigkeit in der Sache zu erhalten. Mit dem Ausdruck: Abhandlung soll zunächst nicht die räumliche Ausdehnung des Berichts, die Bogenzahl, bezeichnet sein, welehe, wie nirgends, so auch bei gerichtsärztlichen Arbeiten nicht, den Werth und die Tüchtigkeit derselben bedingt. Bei einfacher Sachlage lässt sich ein vollkommen genügender Obductionsbericht auf wenigen Seiten zusammenfassen, und bei wirklich verwickeitern Fällen wird man, bei Beseitigung alles Ungehörigen, sehr wohl vor- meiden können, dem Gericht ein ganzes Volumen einzusenden, das als solches niemals gern gesehen wird! — Niemals hat übri- gens die Einsendung eines Obductionsberichtes zu geschehn, wenn der Gerichtsarzt (die beiden Obducenten) nicht ausdrück- lich vom betreffenden Gerichte dazu requirirt wird, was unter Uebersendung der vollständigen bisher in der Sache verhandel- ten Acten, oder wenigstens der Abschrift des in denselben be- findlichen Obductionsprotocolls zu geschehn pflegt. Im ent- gegengesetzten Falle würde oft eine ganz unnütze Arbeit gelie- fert, und der öffentliche Fonds durch eine Liquidation ganz überflüssiger Kosten belästigt werden, da die Fälle sehr häufig sind, in denen die Gerichtsbehörde, nach Einsicht des Obduc- tionsprotocolls und des dabei befindlichen vorläufigen Gutach- tens, die weitere Verfolgung der Sache aufgiebt und die Acten zurücklegt. Hierzu kommt, dass schriftliche Obductionsberichte in andern Fällen häufig deshalb jetzt nicht mehr gefordert wer- den, weil das Gericht sich vorbehält, die Obducenten in der mündlichen Verhandlung der Obductionssache mit ihrem münd- lichen Gutachten zu hören. Der schriftliche Obductionsbericht beginnt mit einem sty- listischen Eingang, wie jeder andre Bericht. Da er eben nichts anders ist, als ein geschäftlicher Bericht, so genügt es vollkom- men, wenn der Eingang etwa lautet: „in der Untersuchungs- sache wider N. N. ermangeln die Untezeichneten nicht, den, unter dem **ten dieses erforderten Obductionsbericht im Nach- stehenden ergebenst zu erstatten". Die althergebrachte Formel: „auf Requisition des **Gerichtes vom *** begaben sich die Un- terzeichneten am *** nach ***, um daselbst die Leiche des *** gerichtlich zu obduciren. Sie fanden an Ort und Stelle den Gerichtsdeputirten" u. s. w. u. s. w., ist als veralteter, schlep- pender Curialstil und aus obigem Grunde als vollkommen überflüssig ganz zu beseitigen. Es folgt nun zunächst eine, das für die ärztliche Beurtheilung Wesentliche enthaltende, geschichtliche Darstellung der Thatsa- Casper, gerichll. Medicin. 1 (i chen des Falles (Gcschichtserzühlung, Specier, facti) aus den Acten, vorausgesetzt natürlich, dass die Obdwcenten durch Mittheilung der Acten eine Einsicht darin erhalten hatten. Die Acten zu erffäa- zen, namentlich durch Vernehmung- des Angeschuldigten oder ihnen bekannter Zeugen u. dgl., steht den Gerichtsärzten niemals und in keinem Falle zu, wenn sie nicht in ganz besondern Füllen eigends dazu vom Richter bevollmächtigt worden waren, was kaum in Obductionssachen — wohl bei Gemüthszustands - Un- tersuchungen und bei Neuentbundenen in Kindermordssachen — vorkommt. Dagegen muss es den Obducenten freistehn, den Untersuchungsrichter darauf aufmerksam zu machen, dass ihnen und was etwa zu ihrer Information nach der bisherigen Vorun- tersuchung noch abgeht, z. B. eine Krankheitsgeschiehte des Verstorbenen u. dgl., welche Lücken vor der Abfassung des Obductionsberichtes zu ergänzen Sache des Richters ist. Auch das Geschichtliche werde kurz und bündig gehalten, um so mehr, als es dem Richter aus den Acten längst genau bekannt ist, und die Obducenten es nur anführen, weil sie im gutacht- lichen Theile ihres Berichtes nicht selten darauf zurückzukom- men haben. Es folgt nunmehr der anatomische Theil des Berichts, für welchen das Regulativ mit Recht vorschreibt, dass darin das Obductionsprotocoll so viel als möglich wörtlich, versteht sich, nur in seinem anatomischen Inhalt, aufzunehmen sei, und dass die Befundnummern im Bericht mit denen im Protoeoll übereinstimmen müssen, was die Vergleiehung beider Acten- stücke natürlich wesentlich erleichtert. Diese Uebereinstiminung ist auch leicht zu erzielen, da die Obducenten Abschrift ihres Protocolls erhalten, oder, wo dies nicht der Fall war, sich die- selbe erbitten können. Zu einer Ablehnung eines solchen Ge- suches Seitens des Richters geben die Gesetze keinen Anhalt, und dasselbe wird nicht verweigert werden. §. 53. Fortsetzung. Das motivirte schriftliche Gutachten. Der nun folgende zweite und eigentlich wesentliche Theil des Obductionsberichtes ist das Gutachten über den Fall. Es wird vorausgesetzt, dass beide Obducenten sich über den Inhalt desselben verständigt haben, weshalb im ganzen Obduc- tionsbericht im Pluralis gesprochen, und der Bericht von beiden Obducenten unterschrieben wird. Findet diese Uebereinstim- mung nicht Statt, so ist es dem zweiten Obducenten, dem Kreiswundarzt oder dem, seine Stelle vertretenden Arzte, nicht nur nicht verwehrt, sondern es wäre sogar seine Pflicht, neben dem Gutachten des Physicus das seinige als Separatvotum ein- zureichen. — Dies Gutachten ist, im Gegensatze zu dem vorläu- figen oder summarischen des Obductionsprotocolls, in allen sei- nen wesentlichen Sätzen und Behauptungen mit wissenschaft- lichen Gründen zu unterstützen. Gerichtsärzte, die in ihrer Stellung noch nicht Gelegenheit gehabt haben, sich ein volles Vertrauen in ihrem Forum zu erwerben, werden wohlthun, durch Citate aus Autorität geniessenden Schriftstellern ihre Behaup- tungen zu belegen. Man verwechsle aber nicht wissenschaftliche Gründe mit wissenschaftlichen Excursionen. Ganz ungehörig sind, weil verwirrend und unverständlich für den Laien, die so häufig vorkommenden theoretischen Discussionen, die Darlegung von wissenschaftlichen Hypothesen u. dgl. in den Obductions- berichten. Das Rechte wie das Maass können hier nicht ge- lehrt werden. Die gesunde Urtheilskraft des Verfassers des Obductionsberichts muss ihm die Grenze zeigen, auf welcher er sich in dieser Hinsicht zu halten hat. Folgende, der eigenen langen Erfahrung in umfangreichster gerichtsärztlicher Praxis, wie in einer zweiunddreissigjährigen amtlichenBeurtheilung unzäh- liger Obductionsberichte bei den höhern Medicinalbehörden ent- nommenen Andeutungen können den Verfassern der Obductions- berichte zur Beherzigung empfohlen werden, die ihren Arbeiten, 16* wir stelm dafür, die Achtung der richterlichen wie der vorge- setzten Medicinal-Behörden sichern wild. In der Regel werden für den Ohductionsbericht bestimmte Fragen vom Richter vorgelegt. Es ist eine höchst empfeblens- werthe Vorsicht, nicht mehr zu antworten, als gefragt worden. Denn es muss vom Arzte vorausgesetzt werden, dass der Rich- ter durch die ihm vorgelegten Fragen den Fall für erschöpft hält, und beim unvorsichtigen Weitergehn setzt sich der Oh- ductionsbericht sehr oft in die unangenehme Lage, entweder der Verteidigung oder der Staatsanwaltschaft Waffen in die Hände zu liefern, die dann nur zu oft gegen den Arzt selbst gerichtet werden. Anders in solchen Fällen, die ebenfalls nicht gar selten vorkommen, in welchen gar keine Fragen vorgelegt werden, sondern in denen nur einfach der „Obductionsbei iclit- gefordert wird. Hier möge sich der Gerichtsarzt selber dieje- nigen Fragen stellen, die ihm nach der jedesmaligen Sachlage als die für den Richter wesentlichen erscheinen, und für welche ihm eine nur einigermaassen schon befestigte Erfahrung, wie die (ihm in jeder Beziehung so unentbehrliche) Kenntniss der be- treffenden Gesetzgebung den Anhaltspunkt liefern wird. So z. B. bei Obductionen Neugeborner in dem Berichte die Fragen von der Reife, dem zweifelhaften Leben, der Todesart und ihrer Veranlassung; bei vielen Verstorbenen die Frage vom Mord oder Selbstmord u. s. w. Unter den richterlicherseits vorge- legten können Fragen vorkommen, auf die der Gerichtsarzt ge- wissenhaft eine Antwort gar nicht zu geben vermag. Ich habe z. B. schon oben in den §§. 35— 38., die Werkzeuge betref- fend, dergleichen Fragen erwähnt. In solchen Fällen, ich wie- derhole es, scheue man sich nicht, gradezu seine Incompetenz offen zu erklären. Es ist weit gewissenhafter und würdiger so zu verfahren und zu erklären, dass weder die allgemeine-medi- cinischc Wissenschaft, noch die zufällige eigene Erfahrung über den beregten Punkt Aufschlüsse gebe, als eine ganz allgemeine, nothwendig mehr oder weniger schwankende Antwort zu er- theilen, deren Haltlosigkeit ohnedies alsbald durchschaut wer- den wird. Es kommen zahlreiche Fälle vor, in denen ein positives Urtheil über den Obductionsbefund, der Natur der Sache nach, nicht wohl möglich ist. Hierher gehören beispielsweise manche Fälle von Ertrinkungs-, von zweifelhaftem Vergiftungstod, nicht wenige Fälle von zweifelhaftem Selbstmord und viele andre. Es können in diesen Fällen so viele einzelne Criterien für die Bejahung der vorgelegten Frage vorhanden sein, dass man sich gewissenhaft für die Bejahung entscheiden würde, wenn nicht andre, den Beweis ergänzende Befunde theils fehlten, theils nicht sogar Befunde erhoben worden wären, welche einer bejahenden Antwort entschieden entgegentreten. Hier giebt es zwei Wege, die das Urtheil gehn kann. Entweder dasselbe hält mit der Gewissheit der Entscheidung ganz zurück, und nimmt „mit Wahrscheinlichkeit", oder „mit hoher", oder „mit einer an Ge- wissheit gränzenden Wahrscheinlichkeit" an, was unter andern Verhältnissen mit zweifelsfreier Bestimmtheit angenommen wer- den würde, z. B. der Ertrinkungstod des denatus. Oder das Gutachten hält sich negativ, indem es ausführt: dass die Ob- duction keine Ergebnisse geliefert habe, die der Annahme wi- dersprächen, dass dies und das eingetreten sei, z. B. der Ver- giftungstod oder der Selbstmord u. s. w. Ich wähle die letz- tere Form sehr häufig in Fällen dieser Art; sie empfiehlt sich als ungemein practisch, sie belastet nicht das Gewissen des Ge- richtsarztes, denn was er auf diese Weise ausspricht, kann er vollständig beweisen, und sie genügt, wie ich versichern kann, in der Regel vollständig dem Richter und dem Staatsanwalt, welche die Mängel des Beweises, die sich in diesem Ausspruch ausdrücken, durch die ihnen noch weiter zu Gebote stehenden Beweismittel, Zeugenaussagen u. s. w. beseitigen, und den Be- weis nun ganz vervollständigen. Im Uebrigen kommen die Ob- ductionsfälle, wenn die Sache überhaupt weiter verfolgt wird, in dem spätem Audienztermine ja wieder zur Sprache, und hier erfahren die übducenten häufig noch eine Menge Thatsachen, die ihnen früher unbekannt geblieben, oder anders dargestellt worden waren, und ihnen Veranlassung geben, ihrem frühern mehr negativ gehaltenen Ausspruch eine positivere, jenem nicht widersprechende Form zu geben. 'In zweifelhaftem Fällen in der Negation noch erheblich weiter gehn, als hier angedeutet worden, heisst einer übertriebenen Skepsis huldigen, mit welcher am Ende die ganze gerichtsärztliche Thätigkeit über den Hau- fen fällt. Die Erfahrung lehrt, dass nur zu häufig Gerichts- ärzte in diesen Fehler der zu weit getriebenen Zweifelsucht in ihren Gutachten verfallen, wogegen nicht eindringlich genug ge- warnt werden kann. Man gebe doch, neben den positiven Leh- ren der Schule, auch dem gesunden Menschenverstände die Ehre, der ja bei jeder ärztlichen, und so auch bei der gerichts- ärztlichen Thätigkeit die Grundbedingung alles Gelingens und richtigen Urtheils ist! Um das Beispiel vom Ertrinkungstode festzuhalten, so ist es allerdings richtig, dass derselbe unter manchen Umständen — keinesweges unter allen, wie wir in den §§. 53 — 55. des spec. TheiLs beweisen werden — nur schwer festgestellt werden kann. Mit dem Lehrbuche in der Hand hat nun in solchem Falle der Physicus vollkommen Recht, wenn er in seinem Gutachten deducirt, dass und warum gar nicht be- wiesen werden könne, dass der Mensch, dessen Leiche aus dem Wasser gezogen worden, lebendig in dasselbe gerathen und darin ertrunken sei, dass dies vielmehr dahin gestellt bleiben müsse. Dass der Richter mit einem solchen Gutachten nun vorläufig rathlos dasteht, will ich nicht weiter hervorheben, da den Arzt die Folgen seiner Aussprüche nicht kümmern dürfen, wenn letztere nur überhaupt haltbar, in jeder Beziehung haltbar sind. Aber ist denn das testimonium paupertatis, das sich der Gerichtsarzt bei der obigen Formulirung seines Gutachtens aus- stellt, welches doch mit andern Worten nur sagt: „ich weiss nicht, wie dieser Mensch gestorben", ist diese Incompetenz-Er- klärung gerechtfertigt? Gewiss nicht. Zunächst stand fest, dass der Mensch aus dem Wasser gezogen worden. In tausenden von Fällen aber kommen Lebende in's Wasser und ertrinken darin, in höchst seltnen Fällen dagegen gelangen Leichen in's Wasser. Es liegt also an sich schon eine gewisse höhere Wahr- scheinlichkeit dafür vor, dass auch denatus lebend in's Wasser «rekonimen sein werde. Nun fanden sich bei der Obduction ein, zwei, drei Zeichen, wie man sie bei unzweifelhaft Ertrun- kenen in der Regel findet, während andre Beweise dieses To- des allerdings fehlten. Endlich aber fehlte jeder Befund, der auf eine andere Todesart, als die durch Ertrinken, zu schlies- sen berechtigte. Fasst man dies alles, und hier, wie in ähn- lichen Fällen, noch oft genug unzählige einzelne Nebenumstände zusammen, so heisst es doch unzweifelhaft zu weit gegangen, wenn man, wie ein sonst vortrefflicher, neuerer Schriftsteller, der jener-übertriebenen Skepsis huldigt (Engel), ausruft: sagt mir erst, wie ein Mensch gestorben, und ich will Euch dann aus dem Befunde seinen Tod erklären! Wenn wir dagegen in solchen, hier bezeichneten zweifelhaften Fällen, wie sie, wir wiederholen es, allerdings häufig genug vorkommen, die Form für den tenor des Gutachtens wählen: „dass die Obduction keine Ergebnisse geliefert habe, die der Annahme widersprä- chen, z. B. dass denatus lebend in's Wasser gerathen sei, und darin seinen Tod gefunden habe", so glauben wir den Lehren der Wissenschaft, wie der einfachen Combination des gesunden Menschenverstandes gleich sehr Rechnung getragen zu haben. Fälle, wie die so eben in Bezug genommenen, kommen ne- ben andern vor, die äusserst einfach sind, und die leichteste Beurtheilung gestatten. Aber grade die grosse Einfachheit des Falles verleitet nicht selten Gerichtsärzte zu irrthümlichen Ur- theilen. Sie suchen, wo Nichts zu finden ist, und vermeinen, es sei unthunlich, dass man in Verfolg einer amtlichen und ge- richtlichen Obduction, die immer mit einem gewissen imponiren- den Apparat auftritt, ausspreche, z. B. der Mensch ist an einem natürlichen Schlagfluss verstorben, nichts mehr und nichts we- higer. Sie ergehn sich deshalb in Vermuthungen und willkür- lichen Annahmen, die sie auf die gröbsten Abwege verirren, die den Richter seinerseits verwirren, und ihn zwingen, die weitern technischen Instanzen um ein Gutachten anzugehn, das oft keine andre Aufgabe hat, als den Fall in seiner ursprünglichen Ein- fachheit wieder herzustellen. Die wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen hat diese Aufgabe zu oft zu lösen, als dass es nicht hier am Orte gewesen wäre, auch vor diesem Fehler in den Obductionsberichten zu warnen. Hieran schliesst sich innig eine wahre — Manie mancher Gerichtsärzte, glücklicherweise nicht vieler, der nicht scharf ge- nug entgegengetreten werden kann; ich meine die Sucht, Ver- brechen zu wittern. Eine Zerkratzung, einige gelbbraune Flecke am Leichnam, von der sie oft nicht ahnen, dass sie erst nach dem Tode entstanden, Gesichtszüge, in denen ihr befangenes Auge „Angst und Verzweiflung" ausgedrückt findet, eine Spur am Halse, deren Entstehn der geübte Practiker vielleicht der einfachsten Veranlassung zuschreibt, die ihnen aber als Strang- marke gilt u. dgl. m. giebt ihnen Gelegenheit, statt eines Ob- ductionsberichtes einen — Roman zu schreiben. Sie constati- ren darin mit anscheinend wissenschaftlichen Gründen nicht nur das (gar nicht vorhandene) Verbrechen, sondern sie schildern, oft nicht ohne Scharfsinn, und mit einer Genauigkeit, als wären sie Augenzeugen gewesen, alle Einzelnheiten desselben und das Verfahren des „Mörders"! Ich habe Fälle erlebt, in welchen ganz Unschuldige auf Grund solcher phantasiereichen ge- richtsärztlichen Gutachten Monate lang in Kerkerhaft verblieben waren, und in denen die ernsteste Rüge Seitens der vorgesetz- ten Medicinalbehörden kein ausreichendes Gegengewicht gegen den angerichteten Nachtheil abgeben konnte. Ueberhaupt halte sich der gerichtliche Arzt, wie bei jedem Acte seiner amtlichen Thätigkeit, so namentlich auch in seinen Obductionsberichten, die goldne Regel des ne sutor etc. als un- verbrüchlich vor. Es ist erklärlich, dass so häufig Obducenten in ihren Berichten sieh in rein juristische Erörterungen ver- irren, strafrechtliche Definitionen aufstellen, Verdachtsgründe gegen den Angeschuldigten vorbringen u. s. w., wenn man sieht, dass ihnen dafür sogenannte Autoritäten zur Seite stehn. Man schlage nur die neuern und neusten deutschen Handbücher auf — die der Franzosen und Engländer sündigen hierin weit weniger oder gar nicht — und man wird, wenn man auf dem Titel einen Arzt als Verfasser findet, seine Verwunderung nicht ber- gen, wenn man ganze Kapitel, ja Abschnitte, angefüllt findet mit Erörterungen „über den Rechtsstaat und den Polizeistaat", über „dolus und culpa", über „den rechtlichen Begriff von Ver- brechen und Vergehn", über „den Beweis durch Sachverstän- dige" u. dgl. m.! Die Verfasser beweisen dadurch allein aber schon, dass ihnen die gerichtsärztliche Praxis ganz fremd ist, folglich ihnen jede medicinisch - forensische Erfahrung abseht, DO/ denn sie würden im entgegengesetzten Falle wissen, dass der gerichtsärztliche Practiker niemals und nicht in einem einzigen O Falle in die Lage kommt, sich über rein juristische Materien aussprechen zu müssen, ja dass er, wenn er sich in dieselben verirrt, mit Recht vom Richter zurückgewiesen wird. Denn dieser requirirt in dem Arzte nur den „Sachverständigen der Arzenei", wie die „peinliche Halsgerichtsordnung« sagt, den Techniker, der ihm aus seiner Kunst und "Wissenschaft heraus, und nur aus ihr, Aufschlüsse über einen dahin einschlagenden Fall geben soll. In juristischen Dingen hält er den Arzt mit Recht nicht für urtheilsfähig, wie wir ihn nicht in medicini- schen Angelegenheiten, und dieselben Lehrbuchs-Verfasser, die wir angedeutet haben, würden in einer Recension eines von einem Rechtsgelehrten geschriebenen Handbuchs über gericht- liche Mcdicin mit grösstem Recht den Verfasser zurückweisen, wenn er sich darin auf Discussionen über Entzündung, Eite- rung, Brand u. dgl. einliesse. Ich kann daher jüngern Gerichts- ärzten, die aus jenen Handbüchern ihre Belehrung geschöpft haben, nur den Rath geben, Alles, was sie daraus über rein ju- i ristische Materien mitgenommen, rein zu vergessen, damit sie es sich nicht beikommen lassen, in ihren Berichten mit dergleichen Dingen hervorzutreten, und sich die Beschämung ersparen, die ihrer sicher Seitons des Richters wartet, wenn er ihnen in den "höflichsten Umschreibungen zuruft: „das verstellst Du nicht, und danach habe ich Dich nicht gefragt!" Ich kann aus wie- derholter eigner Erfahrung versichern, dass schon die blosse Interpretation einschlägiger Gesetzesstellen, die oft vom Ge- richtsarzt in seinem Gutachten gar nicht zu umgehn ist, wenn er sich klar machen will, z. B. die Interpretationen der Begriffe „Krankheit« und „Arbeitsunfähigkeit« im §. 193. des Strafge- setzbuchs u. dgl. von manchen Richtern unliebsam aufgenommen wird, so eifersüchtig sind dieselben oft auf Wahrung ihrer Stellung dem Arzte gegenüber. Also: ne suior! Am Schlüsse des Obductionsberichtes fasst man die im Gutachten ausgesprochenen Urtheile in einem kurzen Resume (tenor) zusammen, das übersichtlich und zusammengedrängt die o-anze Meinung der Obducenten über den vorliegenden Fall aus- zusprechen hat. Endlich, zum Abschluss des ganzen Actenstücks, soll eine althergebrachte Formel stehn: „schliesslich versichern wir, dass wir vorstehendes Gutachten nach unserm besten Wissen und Gewissen und nach den Grundsätzen der gerichtlichen Arznei- wissenschaft abgefasst haben« u. s. w. Dieser Curialstyl-Zusatz ist als eine vollkommen überflüssige, sich ganz von selbst ver- stehende Bestätigung des Gutachtens ganz zu beseitigen, und, wie der obige veraltete Eingang, im Berliner forum von uns und unsern Amtsvorgängern seit mehr als einem Menschenalt er längst beseitigt. Jene Versicherung ist übrigens auch nirgends als Zusatz gesetzlich vorgeschrieben. Diese veraltete, überflüs- sige Formel, die noch die neusten Handbücher lehren, beruht auf blosser Tradition, wie so viele, weit wichtigere Punkte in der gerichtlichen Medicin! Dagegen darf natürlich die Unter- schrift beider Obducenten und die Beidrückung ihrer Amts- oder Privatsiegel unter dem Obduetionsbericht als gesetzlich vorgeschriebene Beglaubigung nicht fehlen. Zum C9. Fall. Ob denatus lebend in's Wasser gekommen? Als Probe eines Obductionsberichtes in vorschriftsmässiger Form wahlfl ich absichtlich den nachstehenden, zu dem Obductionsprotocoll S. 235 gehörigen, weil er nur ganz ungewöhnlich kurz und gedrängt gehalten ist, und dennoch alles enthält, was im concreten Falle darzulegen die Aufgabe des Obductionsberichtes war, wie er denn auch seiner Zeit von der richterlichen Behörde erschöpfend befunden worden ist. Obduetionsbericht in der H.'sehen Todes-Ermittelungs-Sache H. 3. 52 *). „In Verfolg der Verfügung der K. Kreisgerichts - Commission zu Charlottenburg vom 5. d. M. in der obigen Sache, übersenden wir im Nachstehenden Ew. den geforderten Obduetionsbericht ergebenst." „Der H. war, äusserm Vernehmen nach **), ein, seit vielen Jahren an Epilepsie leidender Mann gewesen und eines Tages verschwunden. Bald darauf fand man seinen Leichnam hart am Ufer einer Torfpfütze bei Charlottenburg, und, Avie es heisst, beraubt, so dass die gerichtliche Ob- duetion nöthig Avard. Diese wurde von den Unterzeichneten am 26. v. M. verrichtet und ergab folgende Resultate:" A. Aeussere Besichtigung. (Hier folgte wörtlich der anatomische Befund, wie er im S. 235 abge- gedruckten Obductionsprotocoll in den Nummern von 1 — 34 incl. ver- zeichnet ist, und den wir deshalb hier nicht wiederholen, ohne Hinzu- fügung des im Obductionstermine abgegebenen vorläufigen Gutachtens, dessen Wiederholung im Obduetionsbericht überflüssig ist.) „Wir haben in unserm vorläufigen Gutachten angenommen, dass de- natus lebendig in's Wasser gekommen, und in demselben seinen Tod ge- funden habe, also ertrunken sei, und müssen auch jetzt hierbei stehn bleiben. Abgeselm nämlich davon, dass die Zeichen jeder andern un- natürlichen Todesart fehlen, da die sub 10 beschriebene schwache Sugil- lation, die ein edles Organ überall nicht berührte, ohne allen Einfluss *) Das Actenzeichen der betreffenden Acten. **) Es waren uns in diesem Falle keine Acten, sondern nur die Ab- schrift des Obductionsprotocolles mitgetheilt worden, auf den 'loci -war, während vollends die Flecke auf Stirn und Nase (sub 4 und 5) wahrscheinlich erst nach dem TcJe entstanden und keinenfalls von irgend einer Erheblichkeit waren, abgesehn davon, so haben sich die meisten der, dem Ertrinkungstode eigentümlichen Sectionsresultate in dem Leichnam wiedergefunden. Wir rechnen dahin nach der medicinisch- forensischen Erfahrung: die bläuliche Färbung und faltige Beschaffenheit der Haut an Händen und Füssen (7), (die an sich freilich nur beweisen, dass der Leichnam längere Zeit im Wasser gelegen haben musste), die sogen. Gänsehaut, die an einzelnen Stellen deutlich zu sehn war (8), den Befund von Schlamm im Rachen (9), und die mit diesen Zeichen der äussern Besichtigung der Leiche corresp on diren den. und deshalb wie die genannten, sehr beweisenden innern Befunde, nämlich: den sicht- baren Blutreichthum der Gehirnhäute (13), der sämmtlichen Gehirnblutleiter (18), den Blutreichthum der Lungen (20), der Herzkranzadern und die strotzende Anfüllung des rechten Herzens (22), die auffallende Ausdeh- nung der Lungen (20), die Blutfülle in Leber und Nieren (25 und 31), und die Flüssigkeit des Blutes im Leichnam (22 und 34), welche, wie der Befund im Magen, hier als besonders werthvolle Kriterien bezeichnet werden müssen. Letzterer war schwappend mit einer wässrigen Flüssig- keit angefüllt, in welchem sich deutlich einzelne Theilchen Schlamm (26), ganz denen gleich, die wir auf der Zunge und im Rachen gefunden, un- terscheiden Hessen, woraus unzweifelhaft hervorgeht, dass denatus in dieser schlammigen Flüssigkeit noch geschluckt, also gelebt haben muss, da Wasser nach dem Tode nicht in den Magen fliesst, folglich, wogegen auch die übrigen, eben dem Ertrinkungstode eigenthümlichen Kennzeichen sprechen, nicht etwa angenommen werden kann, dass denatus erst als Leiche in's Wasser gekommen sei. Es ist derselbe vielmehr am Herz- schlage (Erstickung), wie eine grosse Zahl der im Wasser sterbenden Menschen, folglich durch Ertrinken gestorben. Würde uns die Frage vorgelegt, ob dieser Tod durch absichtlichen Selbstmord, durch Zufall oder durch die Schuld eines Dritten veranlasst worden, so müssten wir uns dahin äussern, dass die Obduction einen Beweis, oder auch nur eine Wahrscheinlichkeit für verbrecherische Tödtung durch Dritte (gewalt- sames Hineinwerfen des noch Lebenden in die Pfütze), überall nicht ge- liefert hat, wogegen die Annahme, dass etc. H. seinen Tod im Wasser durch Selbstmord oder durch Zufall, z. B. dadurch, dass er am Ufer des Wassers stehend, von einem epileptischen Anfall überrascht worden, und auf diese Weise hineingefallen und ertrunken sei, nicht fern liegt. Wenn es, was uns unbekannt, wirklich feststehn sollte, dass man den denatus beraubt und hart am Ufer gefunden, so würde auch dieser That- bestand unsrer Annahme nicht entgegenstehn, da selbstredend nichts wahrscheinlicher ist, als dass Dritte die in der kleinen Pfütze schwim- mende, oder hart am Ufer liegende Leiche herausgezogen und geplün- dert hätten." .Hiernach geben wir unser Gutachten schliesslich dahin ab: dass der H. lebend in's Wasser gekommen sei, und in demselben durch Ertrinken seinen Tod gefunden habe. " *) Berlin, den 19. April 1S52. Casper. Lütke, Chir. for. (Amtssiegel.) (Amtssiegel.) §. 54. Mündliche Gutachten in den Audienzterminen. Auch nach Erstattung schriftlicher Obductionsberichte wer- den, seit Einführung des mündlichen und öffentlichen Gerichts- verfahrens, die gerichtlichen Aerzte berufen, ihre Ansicht über die Sachlage mündlich vor dem Richtercollegio oder dem Schwurgerichte noch einmal auszusprechen, wie dasselbe auch in allen solchen Fällen geschieht, in denen das Gericht vorher ein schriftliches Gutachten einzuholen nicljt für erforderlich er- achtet hatte. Die Aufgabe, über einen, zumal etwas verwickel- ten Fall, sich in öffentlicher Audienz mit Darlegung wissenschaft- licher Gründe und Beweise klar und befriedigend zu äussern, ist keine ganz leichte, da die meisten Aerzte nicht gewohnt sind, in freierer Rede ihre Gedanken erschöpfend darzulegen. Im Allgemeinen mögen die im vorigen §. in Betreff der schrift- lichen Gutachten empfohlenen Grundsätze auch für die münd- lichen beherzigt werden. Man spreche möglichst kurz, mögliehst bestimmt und möglichst (für den Laien) verständlich, und man wird seine Wirkung auf Richter und Gesehwarne nicht verfehlen. Man hüte sich aber, diese Wir- kung auf eine andre Weise, als eben durch die Sache selbst, *) Es hat sich später auch in der That nicht die geringste Spur eines an dem Ertrunkenen verübten Verbrechens ermitteln lassen. Was hätte sich durch Zweifeln und Deuteln aber nicht Alles in diesem Falle in den Ob- ductionsbericht hineininterpretiren lassen I erzielen zu wollen. Wenn Aerzte, wie es vorgekommen, sich hinreissen lassen, das Mitleid der Geschwornen für die oder den Angeschuldigten in Anspruch zu nehmen, oder umgekehrt ihre Strenge gegen die „verruchte That", gegen das „aller Menschlichkeit Hohn sprechende Verbrechen" u. s. w. anzuru- fen, wenn sie so "ganz wieder ihren Standpunkt als reine Sachverständige verkennen, dann mögen sie sich nicht wun- dern, was unzweifelhaft geschehn wird, wenn sie auf der Stelle und vor dem ganzen versammelten Publikum sich, sei es vom Vor- sitzenden des Gerichtshofes, sei es vom Staatsanwalt oder vom Vertheidiger, eine ernste Rüge zuziehn und in ihre Schranken zurückgewiesen werden. Ein häufigerer Fehler ist die Unklarheit in der Gesammt- ansicht über den Fall, oder wenigstens in der oratorischen Dar- legung desselben, wie sie sich namentlich im fortwährenden Gebrauche von Fremdwörtern und technischen Ausdrücken kund giebt. Wie häufig hören wir Aerzte vor den Geschwornen und Richtern von „gesteigerter Sensibilität, Reflexbewegungen, Coma, idiopathisch" u. s. w. u. s. w. reden, ohne dass es ihnen ein- fällt, dass sie für den Laien ganz unverständliche Worte reden. Auch der tüchtige und bessere Arzt wird in solchen Fällen, wo vielleicht drei, vier Aerzte zur Audienz als Sachverständige geladen sind, nicht selten von einem untergeordnetem Techni- ker, einem Wundarzte, überflügelt, und dessen entgegenstehen- des Gutachten vielleicht nur deshalb, und mit Unrecht, ange- nommen, weil es, in einfacher, deutscher, klarer, kurzer Rede ausgesprochen, den Geschwornen fasslich geworden war. Wenn ich nicht wiederholen will, was im vorigen §. bereits ausführ- lich über die Gutachten gesagt ist, so muss ich doch endlich noch, in Betreff der mündlichen Gutachten, auf einen Punkt hindeuten, der hier gleichfalls nicht ausser Acht gelassen blei- ben möge. Ich meine — die collegialische Rücksicht gegen den oder die andern, in der Sache gleichfalls zugezogenen ärzt- lichen Sachverständigen. Auch gegen diesen Punkt habe ich, bei meinen ungemein häufigen Functionen in öffentlichen Audienz- terminen, leider! nicht selten sündigen gesehn. A. kann in der Sache vollkommen andrer Meinung sein, als B. und C, und er soll diese abweichende Meinung, wie Gewissen und der zu lei- stende Eid es fordern, frank und frei aussprechen und wissen- schaftlieh motiviren. Aber nicht geschehe dies mit hämisch- spöttelnden Worten gegen den dissentirenden Collegen, sei es auch der ältere dem jüngern, der berühmtere dem unbekann- tem, der Lehrer dem Schüler gegenüber; nicht ergreife man diese, die allerunpassendste, Gelegenheit, um einer vielleicht längst genährten unfreundlichen Gesinnung Luft zu machen. Denn auch hier, wie im ganzen ärztlichen Leben, gilt der Satz: dass die Aerzte nur auf Achtung Seitens des Publikums An- spruch machen können, wenn sie sich selbst achten. §. 55. Revision der Gutachten und technischer Instanzenzug. Alle Obductionsvcrhandlungen der preussischen Gerichts- ärzte, Protocolle wie Obductionsberichte, ohne Ausnahme, oe- langen in Abschriften, welche die betreffenden Gerichtsbehörden an die K. Regierung der Provinz senden, durch letztere in vier- teljährlichen Sammlungen an das K. Medicinal - Collegium der Provinz zur Revision. *) Seinerseits sendet diese Behörde die ( ingegangenen Verhandlungen mit ihren Revisionsbemerkungen an das vorgeordnete K. Ministerium, in welchem Verhandlungen und Revision durch dessen wissenschaftliche Deputation einer Superrevision unterworfen werden. Die Ergebnisse der letztein werden sowohl dem rrvidirenden Medicinal - Collegio, wie den betreffenden Gerichtsärzten zur Kenntnissnahmc, beziehungsweise für letztere, zur Belehrung oder als Anerkennung und Aufmun- terung mitgetheilt. Es wird hier allerdings ein grosser amt- *) Ganz dasselbe Verfahren findet Statt in Betreff der Verhandlungen filier zweifelhafte Gemüthszustände. lieber Apparat in Bewegung gesetzt; allein die Einrichtung hat unstreitig ihre erfolgreichen Wirkungen, indem sie einerseits nicht nur die Centralbehörde in fortwährender Bekanntschaft mit den Leistungen ihrer gerichtlichen Aerzte erhält, und an- drerseits diese Einrichtung gewiss einen Antheil daran trägt, dass, wie anerkannt werden muss, und wie erst unlängst von competentester Stimme *) auf die erfreulichste Weise an- erkannt worden ist, die Ausübung der gerichtlichen Medicin in Preussen auf einer Höhe steht, wie in keinem andern Lande. In den oben mitgetheilten §§. 173—177. der Criminal-Ord- nurig sind die Fälle angegeben, in welchen ein technischer In- stanzenzug in Betreff der schriftlich von den Gerichtsärzten er- statteten Obductionsberichte Statt finden soll. In der Regel und Mehrzahl aller Fälle gelm dieselben dann, mit den Acten, zunächst an das Medicinal - Collegium der Provinz, und wenn auch das Gutachten dieser Behörde aus irgend einem Grunde beseitigt wird, zuletzt an die K. wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen zur Erstattung eines ßuperarhitrü. Dasselbe wird, wie bei den Medicinal-Collegien, von zwei Re- ferenten, die jeder für sich arbeiten, abgefasst, beide Gutachten werden in der Sitzung zum Vortrag gebracht und disentirt, und dasjenige, für welches sich das Collegium durch Majorität entscheidet, angenommen, unterschrieben und ausgefertigt. Die Frage: in wie weit der Richter an das Gutachten der Aerzte, namentlich an das Superarbitrium der letzten und höchsten tech- nischen Instanz gebunden sei? ist bekanntlich eine vielfach be- sprochene. Wir haben an diesem Orte dieselbe gar nicht zu erörtern, da sie eine rein juristische ist, und wollen nur darauf hindeuten, dass dieselbe, namentlich in Schwurgerichtssachen, in neuster Zeit alle practische Bedeutung verloren hat, da die *) Mittermai er in G o 1 d tarn m e r's Archiv für Prenss. Strafrecht. Bd. L. Hft. 1. S. 13. Geschwornen, nachdem sie den ganzen Fall mit allen seinen Einzelheiten, also auch die medieinisch - technische Beleuchtung der Sache, in sich aufgenommen, ja ohnedies an nichts An- ders, als an ihre gewissenhafte Ueberzeugung gebunden, ein- zig und allein danach ihr Verdict abmessen. Dass dies oft ge- nug, und zwar in der merkwürdigsten Weise, grade dem ärzt- lichen Gutachten entgegenstehend ausfällt, weiss Jeder, der auf diesem Boden zu wandeln gewohnt ist! Schriftliche Zeugenaussagen, wozu im weitern Sinne auch schriftliche Gutachten einzelner Aerzte, wie der Medicinalbehör- den, gehören, sollen gesetzlich gar nicht, oder nur in den aller - dringendsten und unabwendbarsten Fällen in den mündlichen Gerichtsverhandlungen zugelassen werden. Seit Einfuhrung die- ses Verfahrens ist es deshalb öfters vorgekommen, dass die Me- dicinal-Collegien und die wissenschaftliche Deputation aufgefor- dert wurden, zu Audienzterminen in Sachen, in welchen diese Behörden Gutachten erstattet hatten, den Verfasser derselben oder ein andres Mitglied des Collegii zu deputiren, um das Gutachten in der öffentlichen Verhandlung mündlich zu „vertre- ten". Eine solche Vertretung eines, aus collegialischer Bera- tlmng hervorgegangenen Gutachtens durch einen Einzelnen aber, und wäre er auch der ursprüngliche Verfasser, ist ganz unthun- lich, namentlich schon deshalb, weil im Audienztermin fortwäh- rend neue Fragen auftauchen, welche der Abgeordnete der Me- dicinalbehörde dann doch immer nur als individueller Sachver- ständiger, nie im Namen des, von ihm nicht zu Rathe gezoge- nen Collegii, würde beantworten können. Dazu kommt die physische Unausfuhrbarkeit der Sache, namentlich für die wis- senschaftliche Centraibehörde, deren Wirkungskreis die ganze Monarchie umfasst, und viele andre Gründe. In weiser Erwä- gung aller dieser Umstände haben, wie wir aus zuverlässigster Quelle mittheilen können, die vorgeordneten höchsten Verwal- tungsbehörden deshalb auch in neuerer Zeit entschieden, dass Ctiper, gerichil. Meilirin. 17 die Absendung von Dcputirten aus dem Schoosse der Medici- nalbehörden zu den Audienzterminen nicht gefordert werden könne, und dass vielmehr jeder in der Nähe des Gerichtes le- bende qualificirte Arzt nach vorheriger Mittheilung des Gutach- tens requirirt werden könne, um dasselbe in der mündlichen Verhandlung zu vertreten. Specieller Theil. Erste Abtheilung. IMe gewaltsamen Todesarten. Erster Abschnitt. Mechanischer Tod. Gesetzliche Bestimmung. Strafgesetzbuch §. 18 5. Bei Feststellung des Thatbestandes der Tödtung kommt es nicht in Betracht, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige oder zweckmässige Hülfe hätte verhindert wer- den können, oder ob eine Verletzung dieser Art in andern Fällen durch Hülfe der Kunst geheilt worden, ingleichen ob die Verletzung nur we- gen der eigenthümlichen Leibesbeschaffenheit des Getödteten, oder wegen der zufälligen Umstände, unter welchen sie zugefügt wurde, den tödt- lichen Erfolg gehabt hat. §. 1. Allgemeines, a) Begriff der Verletzung. In keiner andern Frage der gerichtlichen Arzneiwissenschaf! hat sich der Einfluss des Strafrechts und die irrige Ansicht der gerichtsärztlichen Schriftsteller, als ob sie eine „Jurisprudentia medica" (!) zu tractiren hätten, so geltend gemacht, als in der Frage von den Verletzungen. Dies zeigt sich schon bei der Betrachtung der üblichen Behandlung uVö Begriffes „Verletzung". Allerdings verbindet schon der Sprachgebrauch mit dem Worte eine doppelte Bedeutung. A. hat dem B. eine Verletzung zu- gefügt; B. hat eine Verletzung davongetragen; A. hat ge- handelt, B. hat erlitten, also That und Wirkung. Der Stich, das Stechen war eine verletzende Handlung, eine „Verletzung", die dadurch entstandne Stichwunde ist wieder eine „Verletzung". Die Strafrechtswissenschaft musste sich des Sprachgebrauchs bemächtigen, und ihn für ihre Zwecke wissenschaftlich verarbei- ten. Sie musste die verletzende Handlung, wie die Folgen derselben in's Auge fassen. Aber wie kommt, bei einer immer wieder zu urgirenden, richtigen und sachgemässen Auffassung ihrer Aufgabe, die gerichtliche Medicin dazu, sich in Definitio- nen über die verletzende Handlung zu ergehn? sie, die es nur einzig und allein mit dem Naturobject, hier also mit dem, durch die verletzende Handlung getroffenen Körper, zu thun hat? Die theoretischen Schriftsteller irren sehr, wenn sie ver- meinen, dass der Gerichtsarzt in seinem amtlichen Wirkungs- kreise jemals in die Lage kommen könne, von ihren Excursen über „objectiven und subjectiven Schaden", über „dolus und culpa" bei der verletzenden Handlung u. dgl. m. irgend welchen Gebrauch machen zu können, ja zu dürfen. Der verletzte Mensch, lebend oder todt, wird ihm als Untersuchungs-Gegen- stand vom Richter überwiesen. Dass hierbei Nebenfragen, be- treffend das verletzende Werkzeug, die Lage und Stellung, welche der Verletzende oder der Verletzte zur Zeit der That inne hatten und über die Kraft, mit welcher muthmaasslich die Verletzung zugefügt wurde, dem Arzte vorgelegt werden, kann unsrer Behauptung nicht 'entgegnet werden; denn alle solche Fragen haben gleichfalls noch ihre Begründung in der Sphäre ärztlichen Wissens und ärztlicher Erfahrung. Es bedarf ja na- türlich der technischen Untersuchung des Verletzten, um fest- gestellt zu sehn, ob z. B. der Schuss von unten herauf zu dem Verletzten drang-, oder nicht, ob wirklich die Wunde mit dem angeblich dazu gebrauchten stumpfen Brodmesser, oder nicht vielmehr, wie vermuthet wird, mit einem zugespitzten Dolch beigebracht wurde u. s. w. Also immer wieder das Naturob- ject, und nichts als dieses, als Gegenstand der gerichtlichen Medicin! Hiernach ist in ihrem Sinne „Verletzung" einfach zu definiren, als: jede durch äussere Veranlassung be- wirkte Veränderung im Bau oder in der Verrichtung eines Körp ertheils. In ersterer Beziehung wird der Zu- sammenhang der Theile gestört, und Verletzungen dieser Art sind: Wunden, Gefässtrennungen (Hämorrhagie und Sugillatiö'n oder Ecchymose), Verbrennungen, Vorfälle, Knochenbrüche und Verrenkungen. In letzterer Beziehung wird keinesweges immer der organische Zusammenhang, wenigstens nicht wesentlich, aufgehoben, vielmehr oft nur: Erschütterung, Quetschung und Lähmung als „Verletzung" bedingt. §. 2. Fortsetzung, b) Tödtliehkeit der Verletzungen. Es war unserm Jahrhundert vorbehalten, eine der folgen- reichsten Reformen in die Strafrechtswissenschaft einzuführen, und Lehren zu beseitigen, die ein berühmter Lehrer derselben mit Recht einen „Schandfleck" in dieser Wissenschaft, ein „Asyl für Mörder" genannt hat (Stübel). Wir wollen weder selbst in den hier so oft gerügten Fehler des Beschreitens des juristi- schen Gebietes verfallen, noch ist es unsre Aufgabe, eine Ge- schichte der gerichtlichen Medicin zu schreiben, der glücklicher- weise jetzt die alte, unhaltbare, verwerfliche, trügerische und gefährliche Lehre von den Lethalitätsgraden anheimgefallen ist; wir haben vielmehr nur mit Einem Worte anzudeuten, wie jetzt, nachdem das Criminalrecht die „absolut tödtliche Körper- verletzung" als Criterium des Thatbestandes der Tödtung be- seitigt hat, auch alle, aus solchem fundamentum dividendi fol- gernden Einteilungen und Unter- wie Unter-Unter-Eintheilun- gen in nicht absolut tödtliche, individuell, accidentell, meisten- theils u. s. w. u. s. w. tödtliche Verletzungen als Kategorieen in Nichts zerfallen sind. Alle europäischen Gesetzgebungen ohne Ausnahme stehn (unsers Wissens) heute auf dem geläu- terten Boden der neuern Wissenschaft, die jeden Fall tödt- lich gewordner Verletzung individualisirt, und jede Subsumption unter allgemeine Kategorieen verwirft, die nur und einzig und allein den „Thatbestand der Tödtung durch die Verletzung" im concreten Falle festgestellt wissen will, und sich gar nicht darum kümmert, ob durch eine glück- liche Möglichkeit oder ein Zusammentreffen günstiger Um- stände, möchten sie im oder ausserhalb des Verletzten gelegen haben, der Tod hätte abgewendet werden können. Es muss überraschen zu sehn, wie die Wissenschaft und die darauf ba- sirte Gesetzgebung und Praxis mehr als zwei Jahrhunderte be- durft hat, um einzusehn, dass die Tödtung eines Menschen durch eine Verletzung Seitens eines Dritten in ihrer Wirkung ganz dieselbe Handlung ist, wie die der Erdrosselung oder des Ertränkens u. s. w., und dass z. B. auch das Aufhängen, das Ertränken keine „absolut tödtliche" Handlungen sind, weil ja der Tod leicht durch sofortiges Beseitigen des Stranges oder Herausziehn aus dem Wasser abgewendet werden kann! Schär- fer und klarer kann eine gesetzliche Bestimmung, auf den neuern Ansichten fussend, nicht ausgesprochen werden, als es in dem vortrefflichen, oben angezogenen §. 185. des Preussischen Straf- gesetzbuches geschehn. Die „Feststellung des Thatbestandes der Tödtung" an sich, das ist fortan, und kann naturgemäss auch nur sein die vom Richter an den Arzt zu stellende Auf- gabe, d. h. mit andern Worten die Beantwortung der Frage: ob denatus an der und durch die Verletzung seinen Tod gefun- den habe? Die Frage kann bejaht werden müssen, wenngleich es auf der Hand liegt, dass „der tödtliche Erfolg der Ver- letzung durch zeitige oder zweckmässige Hülfe hätte verhindert werden können" (die Verletzung also im Sinne der Aeltern eine nur per se lethale gewesen), oder dass vielleicht in einem an- dem Falle „eine Verletzung dieser Art durch Hülfe der Kunst geheilt worden" (utplurununi lethale Verletzung), oder dass die Verletzung, die immerhin den Mensehen getödtet hat, „nur we- gen der eigenthümliehen Leibesbeschaffenheit des Getödteten" die tödtliehe Wirkung hatte (individuell lethale Verletzung), oder endlich dass der Tod nicht eingetreten sein würde, wenn nicht „die zufälligen Umstände, unter welchen die Verletzung zugefügt wurde" (per accidens lethale Verletzung) mit ihr gleich- zeitig eingewirkt hätten. Es ist ein vollständiges Verkennen der Sachlage und der innern Bedeutung dieses strafgesetzlichen Paragraphen, wenn man dagegen erhoben hat, dass den aller- gröbsten Ungerechtigkeiten dadurch Vorschub geleistet werden könne. Denn wenn z. B. A. dem B. eine Kugel durch den Kopf schoss, oder C. dem D. einen Faustschlag vor die Brust gab, in welcher ein Herz lag, das durch organische Krankheit zu einer Ruptur disponirt war, die durch die Erschütterung nun wirklich in der kranken Wandung erfolgte, so war ja offenbar in beiden Fällen durch die verletzende Handlung der Tod erfolgt, und der „Thatbestand der Tödtung" (durch die Verletzung) muss vom Arzte als „festgestellt" angenommen werden, während es sich doch dem Unbefangensten aufdringt, dass strafrechtlich hier nicht beide Thäter auf derselben Linie stehn. Gewiss nicht. Aber der Gesetzgeber hat dies eben so gut gewusst, der aber auch in allen Fällen, in denen er vom Gerichtsarzt ein Gutachten verlangt, in welchem er ihm eine oder mehrere Fragen zur Beantwortung vorlegt, nicht ein blos- ses Ja oder Nein als Antwort erwartet, sondern die Bejahung oder Verneinung auf wissenschaftliche Gründe gestützt, und diese dem vorliegenden Falle angepasst wissen will. Erst dann ist ein motivirtes Consilium medicum geliefert. In diesem wird dann im obigen Falle der Richter Aufschluss erhalten über Rupturen des Herzens, über Erschütterungen innerer, wichtiger Organe u. s. w., und der Gerichtsarzt, der mit solchen Aus- führungen Alles gethan, wozu ihn Erfahrung und seine Wissen- schaf't berechtigen, während er, sobald er weiter geht, und sich nach der alten Lehre auf das Gebiet der Lethalitätsgrade, der allgemeinen Kategorieen begiebt, sich augenblicklich in Hypo- thesen oder rein individuelle Ansichten verirrt, der Gerichtearzt, sagen wir, kann vollkommen beruhigt darüber sein, dass Richter und Geschworne nach diesem seinem motivirten Gutachten den Urheber der Tödtung mit dem richtigen Maasse messen werden. Denn das „nicht in Betracht kommen" aller Nebenumstände in den Worten der angezogenen Gesetzesstelle bezieht sich ja nicht auf die Beurtheilung der Schuld des Thäters, sondern offenbar eben nur auf die „Feststellung des Thatbestandes der Tödtung", also nicht auf die Thätigkeit des Geschwor- nenrichters, sondern nur allein auf die des Arztes. Dessen Aufgabe ist hiernach gegenwärtig in allen Fällen von tödtlich gewordnen Verletzungen irgend welcher Art in kejner Weise eine andere, als die in Fällen aller andern gewaltsamen Todes- arten, und er hat hier nur auszuführen, dass eine Verletzung den denatus getödtet hat, wie dort, dass derselbe den Ertrin- kungstod gestorben, d. h. lebend in's Wasser gekommen war. *) *) Daraus, dass das Strafgesetzbuch verschiedene Strafen androht, je nachdem eine Verletzung einen Menschen getödtet oder nicht getödtet hat, deduciren wollen, wie es noch neuste Handbücher thun, dass das Strafge- setzbuch „tödtliche" und „nicht tödtliche" Verletzungen unterscheidet, also mit andern Worten doch wieder allgemeine Kategorieen annimmt, heisst doch in der That dem Gesetzgeber den Widersinn zumuthen, als habe er annehmen können, dass eine Verletzung niemals tödten könne! Im Uebrigen müsste man folgerecht annehmen, dass der Gesetzgeber auch zwei Klassen von tödtlichen und nicht tödtlichen „gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehn" aller Art aufgestellt habe, wie sie der 27. Titel zusammenfasst, da hier natürlich überall eben so verschiedne strenge Strafen angedroht sind, je nachdem bei einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Brandstiftung, Ueberschwemmung, Beschädigung von Eisenbahnen, Deichen, Brunnen u. s. w. ein Mensch „das Leben verloren hat, oder nicht." §. 3. Fortsetzung, c) Die verletzten Organe. Ein andres fremdartiges Element, von welchem die ge- richtliche Arzneiwissenschaft zu reinigen, ist die Betrachtung der Körperverletzungen nach den einzelnen Organen. Wenn die Bearbeiter einerseits dem Gerichtsarzte strafrechtswissen- schaftliche Kenntnisse und Theorieen aufgedrungen haben, de- nen er fremd zu bleiben hat, so haben sie ihn andrerseits in seinem eignen Fache zum Anfänger herabgewürdigt. Es ist nicht leicht, sich von der Fessel althergebrachter Ueberlieferung zu befreien, und darum hat man immer wieder gelehrt, welche Verletzungen welcher Knochen tödtlicher sind, als andre, wie Verletzungen der schwangern Gebärmutter gefährlicher sind, als die der nicht schwängern, unter welchen Umständen Darm- verletzungen tödtlich, unter welchen andern sie weniger lebens- gefährlich sind u. s. w. Es ist dies eine Ueberlieferung aus der urältesten Zeit der gerichtlichen Medicin, in welcher die Begutachtung von Körperverletzungen die ausschliessliche oder Hauptaufgabe der in peinlichen Rechtsfällen zugezogenen „Sach- verständigen der Artzenei" war. Aber das Thema in Frage ist ein rein chirurgisches, und chirurgisches Wissen muss, wie jedes allgemeine medicinische Wissen, beim Gerichtsarzte und von dem Handbuch der gerichtlichen Medicin vorausgesetzt werden. Nirgends, und namentlich in Preussen nicht, wird ein Bewerber um ein gerichtsärztliches Amt auch nur zu der, ihn dazu befähigenden Prüfung zugelassen, geschweige dass ihm das Amt selbst übertragen wird, der nicht bereits seine vollen- dete allgemeine ärztliche Qualifikation der Behörde nachgewie- sen hat, d. h. als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer (so we- nigstens in Preussen) vom Staate approbirt ist. Für einen sol- chen, folglich für jeden Gerichtsarzt, ist es sonach etwas höchst Ueberflüssiges, wenn man ihn belehren will, dass Schädelverlet- zungen durch Zersplitterung der Glastafel das Gehirn verletzen können: dass bei einer Verletzung der Art brachialis wohl durch Unterbindung der Tod abgewehrt werden kann, nicht aber bei einer Verwundung des Aortenbogens: welche Gefahr Verletzun- gen der Gelenke bedingen können u. dgl. m. — Alle Lehrsätze also, betreffend die Verletzungen der einzelnen Körpertheile und ihre Gefahr und Tödtlichkeit sind den Handbüchern über Chi- rurgie lediglich zu überlassen. §. 4. Fortsetzung, d) Individualität und zufällige Umstände. Ganz dasselbe gilt von den Kategorieen der Individualität des Verletzten und der sogenannten Accidentien, die mit, ne- ben, nach der Verletzung einwirkten und ihre Gefahr steiger- ten. Abgesehn davon, dass diese Momente „bei der Feststel- lung des Thatbestandes der Tödtung gar nicht mehr in Betrac ht kommen dürfen" (§. 1.), ist es doch auch zweifellos, dass wir uns in Betreff derselben, namentlich der Individualität, in der «rossen Mehrzahl aller Fälle rein im Gebiete der Voraussetzun- gen, der Hypothesen bewegen, die überall in der gerichtsäizt- lichen Praxis höchst bedenklich und möglichst zu vermeiden sind. Wir wissen wenig oder nichts Sicheres darüber, warum bei zehn Menschen eine Darmverletzung durch Entzündung und ihre Folgen tödtlich wird, während bei zehn Andern dieselbe oder selbst eine bedeutendere Verletzung des Darms unter übri- gens gleichen Umständen mit Lebensrettung endet. Gewiss wirkten individuelle Einflüsse in beiden Fällen ungünstig oder günstig ein, aber wer kann sie dem Richter beweisen? In wie viel höherm Grade gilt dies von dem Einfluss der Individuali- tät bei Kopfverletzungen! Dazukommt, dass, der Natur der Sache nach, der Gerichtsarzt es mit Leichen von solchen Menschen zu thun und über sie zu urtheilen hat, deren Bekanntschaft er fast ohne Ausnahme erst auf dem Secirtische gemacht hatte. Und über die „Individualität« solcher Menschen wollte er gewissen- haft ein Urtheil fällen? Die Fälle von handgreiflichen, sinnlich wahrnehmbaren individuellen Eigenthümlichkeiten, die einen Einfluss auf den tödtlichen Ausgang der Verletzung haben konnten, wie z. B. ganz auffüllende Dünne der Kopfknochen, verkehrte Lage von Organen u. dgl., gehören zu den' grössten Seltenheiten, wie jeder Erfahrne weiss, und in der grössten Mehrzahl aller Fülle ist, zumal zur Zeit der gerichtlichen Ob- duction, den Obducenten die Individualität des denatus eine durchaus dunkle Provinz. Was er möglicherweise später durch Einsicht der Voracten, namentlich einer Krankheitsgeschichte u. s. w., darüber in Erfahrung bringt, wird er nicht ermangeln, für die allgemeine Motivirung seines Gutachtens im Obductions- bericht, also wieder nicht abstract, sondern concret, zu benutzen. Und hier kommt nun ferner der zweite Punkt in Erwägung, wie er so eben (§. 3.) hervorgehoben worden, der Umstand nämlich, dass das allgemeine ärztliche Wissen, nicht specifische Lehrsätze der gerichtlichen Medicin, die Grundlage des Gutach- tens zu bilden haben. Dass Verknöcherungen der Arterien wohl bei Greisen, aber nicht bei Kindern vorkommen, dass dagegen ein Stich in die Fontanellen wohl bei dem neugebornen, nicht aber beim erwachsnen Menschen möglich ist, dass ein, durch die Verletzung getroffenes Aneurysm eine tödtliche Verblutung zur Folge haben wird, während diese zehnmal bei andern Indi- viduen nicht eintritt, die an derselben Stelle desselben Blutge- fässes verletzt worden u. s. w., dergleichen Lehren hat die ge- richtliche Medicin nicht zu ertheilen. Welcher Gerichtsarzt weiss nicht, und wird in einem Handbuch der Mediana forensis darüber Belehrung suchen, dass „die Scrofulosis und Rhachitis gewöhnlich langsame Heilung, erhebliche Vereiterungen und Verschwärungen und in ihrer höchsten Ausbildung ähnliche Folgen, wie der Scorbut bedingen?" eine Stelle, wie wir sie beim zufälligen Aufschlagen eines neusten gerichtlich-medicini- schen Lehrbuches mit vielen ähnlichen in diesem, wie in andern Handbüchern finden! — Ganz dasselbe gilt von den sog. Acci- dentien, Branntweingenuss, Transport, entschieden grober Ver- nachlässigung in der Behandlung des Verletzten u. s. w. Zu welchen Weiterungen, lästigem Verschleppen durch alle techni- sehen Instanzen und oft höchst unerfreuliehen Meinungsstreitig- keiten vollends der letztgenannte Punkt, die dem Verletzten vor seinem Tode zu Theil gewordene ärztliche Behandlung und ihre Würdigung für die Tödtlichkeit der Verletzung unzählige Male und aller Orten geführt hat, ist allgemein bekannt. Den freisten Tummelplatz für solche Discussionen boten namentlich die Kopfverletzungen, die erst durch ihre Folgen, namentlich Vereiterungen, tödtlich wurden und Verletzungen der Glied- maassen, die eine Amputation bedingten, in deren Folge zuletzt ein pyämisches Fieber den Verletzten hingerafft hatte. Wie musste sich hier der Gerichtsarzt winden und drehen, um hier die geschehene, dort die unterlassene Trepanation, Amputation u. s. w., ja die Anwendung von einem Dutzend Blutegeln mehr oder weniger zu vertheidigen oder zu bekämpfen! Wie leicht geschah es, dass nach ihm eine Medicinalbehörde das ganz ent- gegengesetzte Gutachten über den Fall abgab, und sich dabei auf nicht weniger allgemein richtige medicinische Lehrsätze stützte! Und das eigentlich Erhebliche für den Richter blieb bei dieser Sachlage ganz unberücksichtigt, die „Feststellung des Thatbestandes der Tödtung", denn durch alle jene medicinischen Subtilitäten und Controversen kam es oft genug dahin, dass der Richter annehmen musste, der Verletzte sei mehr durch die Schuld des Arztes, als durch die des Angeklagten gestorben. i So schwierig dergleichen Fälle für die forensische Beurtheilung früher waren, so einfach ist das Urtheil gegenwärtig. Die Kopfverletzung hat den Tod zur Folge gehabt. Hiermit ist der „Thafbestand der Tödtung festgestellt", der Gesetzespara- graph erfüllt und der auf festen Grund und Boden gestellte Richter befriedigt. Warum die Kopfverletzung in diesem con- creten Falle eine Gehirneiterung veranlasste, warum diese viel- leicht nicht rechtzeitig erkannt wurde oder werden konnte u. s. w., dies Alles hat das Gutachten in seinen Motiven auszuführen, das im tenw aber darauf zurückkommen wird: „die Kopfverletzimg hat den Tod zur Folge gehabt." *) — Discus- sionen aber wie die: ob Berauschung des Verletzten zur Zeit der Verletzung zu den individuellen oder zu den accidentiellen Um- ständen zu rechnen? und ähnliche gehören einer Zeit unserer Wissenschaft an, die mit ihren Spitzfindigkeiten und Controver- sen jetzt glücklicherweise hinter ihr liegt. — Die gerichtliche Me- dicin ist eine medicinische Disciplin für sich, nicht eine Ency- clopädie der medicinischen Wissenschaften. Sie hat daher nur das in sich aufzunehmen, was andre medicinische Disciplinen gar nicht berührt und deshalb ihr speeifischer Inhalt wird, und sie hat alles Fremdartige, wie blosse Vorkenntnisse, von sich auszuschliessen. Erstes Kapitel. Tod durch mechanisch tödtendc Verletzungen. §. 5. Allgemeines. Wir haben schon oben (§. 24.) angeführt, was wir unter den Verletzungen dieser Art verstehn. Es sind diejenigen, deren Wirkungen an der Leiche am handgreiflichsten hervortreten, diejenigen, bei denen zwar auch tödtliche Ursachen mitwirken, die in andern Fällen ausschliesslich den Tod veranlassen, z. B. Verblutung, Hirnerschütterung u. dgl., bei welchen es aber der Concurrenz aller solcher Umstände gar nicht bedürfte, weil schon die Störung oder Zerstörung der organischen Maschine des Körpers allein, oder wenigstens seiner edlern Theile, wie sie Verletzungen dieser Art erzeugen, ausreichend ist, um die *) Dergleichen Fälle haben eigentlich kein gerichtlich-medicinisches In- teresse mehr, und sind deshalb unsre betreffenden Beobachtungen hier nicht weiter in die Casuistik mit aufgenommen worden, wenn nicht die Sections- befunde an sich werthvoll waren. Fortsetzung des Lebens unmöglich zu machen. Sie entstehe durch Einstürzen von Mauern, Balken. Masten, durch Beschä- digungen von kreisenden Windmühlenflügeln, durch Ueberfahren mit Wagen und Eisenbahnzügen, durch Maschinen, in welche der Körper verstrickt wird, durch Eindrücken Ncugeborner in Kisten u. dgl., durch Fall, Stoss, Wurf aus bedeutenderer Höhe und auf harte Körper, durch rohe und gewaltsame Misshand- lungen, durch heftige Schläge, Hiebwunden und auf mancherlei andre Art. §. 6. Versuche an Leichen. In dem §. 33. und seiner Casuistik ist bewiesen worden, wie oft grade bei dieser Art von plötzlich tödtenden Verletzun- gen die Leiche, wenn der Tod des Verletzten durch innere, nicht durch äussere Beschädigung erfolgte, äusserlich auch nicht eine Spur zeigt, die die Todesart verrathen könnte. Dieser Umstand, wie das Interesse, zu ermitteln, in wie weit es mög- lich wäre, durch Verletzungen einer Leiche von Seiten eines Verbrechers die wirkliche Todesart des denatus zu maskiren und die That zu verdunkeln, wie es nicht gar zu selten mit Ver- brennen von Gemordeten geschehn, überhaupt zu erforschen, wie sich die Widerstandsfähigkeit der todten Organe zu der der lebenden verhält, führten zu Verletzungsversuchen an Lei- chen. Ich habe dieselben ungemein zahlreich zu veranstalten Gelegenheit gehabt und setze sie unausgesetzt in jedem akade- mischen Semester noch fort. Es sind dergleichen früher noch nirgends in grösserm Maassstabe gemacht worden, mit Aus- nahme von Verbrennungsversuchen, auf die wir beim Verbren- nungstode (§. 16. u. f.) zurückkommen werden, und wir sind bei den unsrigen zu sehr überraschenden Ergebnissen gelangt. Es ist äusserst schwer, den organischen Zusammen- hang todter Organe aufzuheben, wobei ich natürlich nicht Stiche oder Schnitte in Haut und Muskeln meine. Unsrc Versuche, betreffend mechanische Verletzungen, erstreckten sich namentlich auf Knochenbrüelie, Organenrupturen und Verletzun- gen (Beschädigungen) der Hautfläche. 1) Knochenbrüelie. Man versuche den Schädel eines todten Erwachsenen einzuschlagen, und man wird finden, wie eine Gewalt, die ohne allen Zweifel beim Lebenden allerminde- stens Fissuren, wenn nicht Bruch oder gänzliche Zerschmette- rung der Kopfknochen zur Folge gehabt haben würde, den todten Schädel — ganz unverletzt lässt. Gewöhnlich bedienen wir uns zu diesen Versuchen des hölzernen Schlägels, wie er zum Aufstemmen der durchsägten Schädelknochen und der Wirbelsäule bei den Sectionen gebraucht wird. In andern Fäl- len haben wir Hämmer u. dgl. Werkzeuge angewandt. Die kräftigsten Schläge von oben herab auf den Schädel der hori- zontal liegenden Leiche bleiben meist ganz fruchtlos, und erst nach wiederholten, immer heftigem Schlägen gelingt es wohl, eine oder einige Fissuren am Hinterhauptbein, an den Scheitel-, oder, leichter allerdings, an den dünnern Schlafbeinen zu erzeu- gen. Bedeutendere Impressionen, vollends Zertrümmerungen und Fissuren der Schädelgrundfläche zu erzielen, gelang auch nicht in einem einzigen Falle. Dass die todte Schädelhaube eine Widerstandsfähigkeit hat, deren die lebende entbehrt, be- weist der Umstand, dass nach Scalpirung des Kopfes dieselben Schläge weit leichter Fissuren der Knochen erzeugen. Diese zahlreichen und stets übereinstimmenden Versuche gestatten es, den Satz festzustellen: dass, wenn in einer Leiche, bei welcher aus andern Umständen, z. B. wegen völliger Verwesung, es nicht mehr möglich zu ermitteln, ob die Verletzung im Leben oder nach dem Tode entstanden war, sich bedeutende, als durch Hiebwunden entstandene Schädelknochen-Verletzungen, nament- lich der festen Knochen der basis orami vorfinden, dass dann wenigstens mit grösster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Verletzung nicht erst nach dem Tode, sondern im Leben beigebracht worden sei, wenn nicht etwa eine Ca »per, gerichil. Mcdicin. 10 höchst bedeutende Gewalt, die auf die Leiche eingewirkt hatte, aus den Umständen des Falles erhellt. Auch sämmtliche Röhrenknochen der Extremitäten zeigen an der Leiche eine ganz überraschende Widerstandsfähigkeit. Die stärksten Schläge auf horizontal auf dem Tische liegende Ober- und Unter-Extremitäten, sowohl auf Oberarm und Schen- kel, wie auf Vorderarm und Unterschenkel, ja selbst auf in der Mitte hohl gelagerte Extremitätenknochen, bewirken in der Re- gel weder Fractur, noch auch die geringste Fissur. Hiermit stimmen Malgaigne's Versuche im Wesentlichen vollkommen überein. Derselbe hat zwar sehr oft mit einem „Ungeheuern eisernen Hebel" (was dann wohl nicht zu verwundern!) alle langen Knochen an einem Cadaver gebrochen, aber er setzt doch hinzu: dass er (selbst mit solcher Gewalt) „häufig nur unvollständige Fracturen erhalten habe."*) Die brüchigen Kno- chen ganz alter (über siebenzigjähriger) Menschen brechen frei- lich leichter durch kräftige Schläge. Auch nach Entfernung der Knochenhüllen, Haut, Fett und Muskeln, brechen die Knochen unter denselben Schlägen dann weit leichter, als vorher. Käme es auf eine Erklärung des so äusserst schweren Entstehens von Knochenbrüchen an der Leiche an, so würde sie in der man- gelnden Muskelaction, wie sie beim Lebenden wirksam wird, leicht gefunden sein. Leichter als die Röhrenknochen kann man die Rippen an der Leiche einschlagen, aber man wird immer nur einlache Queer-, niemals complicirte Splitterbrüche erhalten. Dagegen ist es uns noch nicht gelungen, den Kehlkopf und das Zungenbein in der Leiche eines Erwachsenen auch durch den stärksten Druck zu zerbrechen, wie er beim Lebenden dazu ohne allen Zweifel ausreichend gewesen sein würde. Auch diese Versuche haben denselben practischen Werth, wie die an dem Kopfe angestellten, und ich würde nach dem Ergebniss *) Knoclicnbriichc u. s. \v. Uebcrs. von Bürger. Stuttgart. 1850. S. 31. derselben in einem Falle von Verwesungs - Zerstörung, die die Zeichen lebendiger Reaction verwischt hätte, keinen Anstand nehmen, vorgefundene Zungenbein- und Kehlkopfsbrüche als nicht nach dem Tode verursacht anzunehmen. "2) Die Versuche, an Leichen Organenrupturen hervor- zubringen, haben wir nur einigemale angestellt, weil sich ein erhebliches Ergebniss für die Praxis davon nicht erwarten lässt. Die bedeutendsten Schläge mit Balken u. dgl. auf die Leber- und Milzgegend geführt, hatten nicht die geringste Wirkung. 3) Unsre zahllos angestellten Versuche, durch mechanische Beschädigungen der Hautfläche der Leiche Veränderungen dar- auf hervorzubringen, die den Reactionserseheinungen im Leben oinigermaassen ähnlich sind, sind bereits oben (§. 33. allg. Thl. sub 2. S. 127) ausführlich gewürdigt, worauf ich verweise. 4) Unsere anderweiten Versuche endlich mit Stranguliren, Brennen und Schusswunden an Leichen, mit Zerreissen der Na- belschnur u. s. w. werden unten an ihrem Orte erwähnt werden. §. 7. Wirkungen dieser Verletzungen. Die Diagnose dieser Todesart ist, wegen der meist so höchst auffallenden Erscheinungen an der Leiche, gewöhnlich sehr leicht. Ueber die scharfen und stumpfen Werkzeuge, wo- mit Hiebwunden hervorgebracht werden, und über das, was in Betreff der letztern am Lebenden hervorgebracht wird, ist be- reits in den §§. 35. und 36. des allg. Theils gesprochen wor- den. Es giebt keine Wirkungen und Reactionen am Lebenden, welche Verletzungen der hier betrachteten Art nicht hervorbrin- gen könnten; von der plötzlich tödtenden Neuroparalysc durch Commotion des Hirns oder Rückenmarkes an bis zur langsam tödtenden, chronischen Entzündung und Vereiterung wichtiger Organe, wie des Gehirns und seiner Hüllen. In andern Fällen finden sich Zermalmimgen, Trennungen von Gliedmaassen vom übrigen Körper oder von innern Organen aus ihren Verbindun- 18* düngen, Verrenkungen und Brüche, Quetschungen, Wunden, Zerreissungen von Muskeln, Sprengungen von Gefässen und Eingeweiden, und nicht selten drei, vier und mehrere dieser Jeicht nachweisbaren Todesursachen in einer und derselben Leiche. Die nachfolgenden, aus einer grossen Zahl ausgewähl- ten Fälle werden Beläge hierfür geben. §. 8. Casuistik. 70. Fall. Tödtung durch Dampf wagen. Von mebrern uns vorgekommenen Fällen von freiwilligen und unfrei- willigen TÖdtungen durch Ueberfahren von Bahnzügen, war der eines zu- fällig verunglückten Sattlers von einigen dreissig Jahren der wahrhaft schauderhafteste. Es war kaum eine einzige Region, ein einziger Theil des Körpers unversehrt geblieben. In den zumeist unzerrissen gebliebe- nen weichen Kopfbedeckungen klapperten die zerschmetterten Schädel- knochen. Das linke Ohr war abgerissen und fehlte. Beide Arme waren, wie beide Unter-Extremitäten vielfältig zerquetscht, zerrissen und ge- brochen, so dass jede Extremität in zickzackförmigen Winkeln dalag. Aus den Bruchstellen hingen, wie aus den linkerseits aufgerissenen Bauch- bedeckungen die zerrissenen Muskeln hervor. Der Hodensack war auf- geplatzt und der linke Hode lag frei an seinem Strang, und unverletzt zwischen den vielwinkligen Schenkeln! Dabei waren die Züge des ziem- lich unverletzten Gesichts ganz ruhig, was bei dem urplötzlichen und des- halb wohl schmerzlosen Tode erklärlich genug war. 71. Fall. Zermalmung eines Neugebornen durch einen Bahnzug. Der Kopf und der Hals der Frucht waren abgequetscht, die Hals- wirbelbeine zermalmt, die Schlüsselbeine und obern Rippen ans ihren Verbindungen gelöst, die Nabelschnur abgeschnitten und kunstgemä'ss unterbunden. Der Rumpf war zehn Zoll lang und 1£ Pfd. schwer. Woll- haar an vielen Stellen, die runzliche Beschaffenheit der Haut an den Extre- mitäten, die blättchendünnen Nägel und die noch klaffende Vagina gaben allerdings die höchste Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kind nicht reif gewesen war; Gewissheit durfte indess bei der grossen Zer- Störung der Leiche, an der so wichtige Theile wie der Kopf ganz man- gelten, nicht gegeben werden. Auch die Athemprobe konnte nicht mehr angestellt werden, und so blieb es in diesem Falle ganz unbestimmt, ob das Kind gelebt hatte und ob der Kopf im Leben vom Rumpfe getrennt worden war. 72. Fan. Bruch des Zitzenfortsatzes durch Ueberfahren. . Eine der allerseltensten [Kopfverletzuugen, ergab sich bei einem sechsjährigen, durch Ueberfahren getödteten Mädchen. Die siebente linke Rippe war zerbrochen, und am Schädel fanden sich sechs Brüche, worunter der eines vollständigen Abbruchs des Zitzenfortsatzes vom linken Schlaf- bein. In der linken Lunge fand sich ein drei Zoll langer Riss. 73. Fall. Seltene Schädelsprengungen durch Ueberfahren. Auch in diesem Falle hatte die heftige Gewalt die seltensten Kopf- verletzungen verursacht. Ein dreijähriges Mädchen war übergefahren und auf der Stelle getödtet worden. Am Schädel fand sich eine Absprengung des rechtseitigen Schuppentheils vom Schlafbein und eine Queerfissur im Hinterhauptsbein, die sich bis in das foramen magnum erstreckte. End- lich war noch der Felsentheil des linken Schlafbeins durch eine Fissur gespalten. 74. Fall. Kopfverletzung durch Ueberfahren. Ein 29jähriger Knecht war übergefahren worden und nach fünf Stun- den gestorben. Im linken Schlafbein fand sich eine Fissur mit den schmalgesäumt-sugillirten Rändern, wie man sie häufig bei frischen Fis- suren in den Schädelknochen findet. Sie erstreckte sich durch den Schädelgrund bis in das foramen magnum. Unter der Fissur über der harten Hirnhaut fand sich ein Extravasat von nicht weniger als vier Unzen schwarzen, ganz coagulirten Blutes, welches eine tiefe Impression in das Gehirn verursacht hatte. Wie oft nach solchen Kopfverletzungen, die nicht plötzlich, aber in ganz kurzer Zeit tödten, fand sich (wegen Läh- mung) die Harnblase ganz strotzend gefüllt. Im Uebrigen war nichts Abnormes wahrnehmbar. 75. Fall. H i rnhäm o rrhagie durch TT o ber fah r e n. Eine si eb en z igj ähri ge Jungfer war übergefahren, nach der Charite gebracht worden und nach zwei Tagen gestorben. Am linken Scheitelbein zeigte sich eine fünf Zoll lange, S-förmige, scharfgeränderte Wunde, und einen Zoll davon ein zwei Zoll langer, abgetrennter Haut- lappen. Auch die Verbindungsbrücke zwischen beiden Hautwunden war vom Knochen abgetrennt. Auf dem Gehirnzelte fanden wir zu beiden Seiten inselartige Extravasate von geronnenem Blute, zusammen etwa eine Drachme schwer. Alle übrigen Organe waren unverletzt, nur im kleinen Becken war das ganze Zellgewebe mit Blut infiltrirt. (Das Hymen der alten Person war unverletzt, und straff wie bei einem Mädchen von 14—15 Jahren. Uterus und Ovarien zeigten sich ganz atrophisch und im rechten Eierstock der alten Jungfer waren mehrere sehr deutliche ovula Graaßana sichtbar.) 76. Fall. Hirnhämorrhagie durch Anfahren. In diesem Falle sollte die Deichselstange eines fahrenden Wagens eine 65jährige Frau in die linke Seite gestossen und sie dadurch zu Falle auf das Steinpflaster gebracht haben. Sie blieb augenblicklich be- sinnungslos und starb schon nach wenigen Stunden. Am Leichnam fand sich keine Spur einer Verletzung. Die Schädelknochen, von der ganz aussergewöhnlichen Dicke eines viertel Zolles waren gleichfalls unverletzt. Die Gehirnhäute waren aber in hohem Grade hyperämisch und das ganze Gehirn schwamm förmlich in einem Ueberzuge von einer 2 Linien dicken Lage geronnenen Blutes. Es wurde geurtheilt, dass diese (eine so selten ausgedehnte) Gehirnblutung nur durch eine äussere Veranlassung habe entstehn können und dass ein jäher Fall auf Steinpflaster als eine solche Veranlassung sehr füglich angenommen werden könne. 77. Fall. Berstung des Mittel f 1 ei s ches durch Ueberfahren. Durch die ungeheure Last eines Omnibus war ein siebenjähriger Knabe übergefahren worden. Ein Rad des Wagens war über den Unter- leib fortgegangen. Bei der Section fanden wir die ganze regio iliaca dexira äusserlich dunkelroth und sugillirt. Das Mittelfleisch war in der tu Zickzack fünf Zoll lang vom Stratum an K wel< Iie zwei Zoll weit klal)t>- und >-in*n Hinblick ia währte. AiN-h der st/thtnrlrr um »ar i^rn«»**«. •> keine weitere Verletzung •ichtbM* Ml Hirnblaaa 1 und Mtand hoch über d-Mii Sn gelebt bau* and d** schling natürlich '-ine I. »Imiunu' d-r Bia»- » 1\ tüL Rem tun ff d#r Hill 1 « r ■ Hin vierzehnjährige« M»d. h"n war ia Wagen an che Wand g^queUrhl »nrl*» M MB storhen. Die Leiche •«igt* dia aa<'aaal»»'b» r arb* waltenden l'in»Und<"n Ii «ul mn schlieMhi'ii lie»». Di« <• i n 11 ff • Spar n braun rotlie, lederartige 1 l.-. k-a au» zeigte »ich nu lit da« giTing«t«< Atiflatl#>a«W am i .i. 111,• t konnten wir. nxh »•> u.'lon Torawff*MM §. 33. ülIg. Ild. *m/> I IHM |Mm1I •*»• • M»i Die Milz war in der Mite« diu n hiku i. ui»«-#» *»t LanganxiM gaapraagta hr. i l aaaj tbnla Ä»»•«j#•. iwi waren in die Mau« hli.dile ergo»«on im l allgemeine Anninie »her war ln»»l- ut I grau erschienen. Nur da» r*«bt*> H- Da« mehrstündig* Fortleben b«*i *tn*>r *rtlea«m K Die gleich fol gend en Kille werden o h n»'ft* heu, wie \ crliältm*»ni仫ig lang« da« l.*>b#va inannichfaJtigstaa. gleichzeitig b*»t.«h« nd -n N fi+**m+g kann. II. »all Bru<* Ii \ o n Halswirbeln und /. < Der hall betrat' einen .10jähr Wagenruder über den HaU und lind hatten folgende furchtbare ringsum und ausserdem auch der cM. • Anat*»« • «#«**> «Im I fc**u d*r Bcaat v#>jff'^Mkt) n - Wvarfct. D*r Hai. * ar eil der Braat na* bMMMMi Sugillatkmen bedeckt uud man fühlte schon äusseiihh Bruche der Hals wirbel und des rechten Schlüsselbeins durch. Ausser einem Queerbruch des letztern ergab sich, dass der proccssus Oiiüiitoideus abgebrochen und der Epistl'OpheitS vom Atlas 'getrennt war, so dass beim Trennen der Weichtheile die Halswirbelsäule sich sogleich hervordrängte. Aus der Trennungsstelle Hess sieh das zermalmte Halsrückcnmark als blutiger Brei hervordrücken. Aber ausserdem fanden ßich noch Kehlkopf und Speiseröhre abgerissen; ersterer lag in der Brust, hinter dem manubrium Sierili und endlich war noch die rechte Carotis zerrissen! In der Brust lagen in beiden Pleurasäcken Massen von schwarzen Blutcoagulis. Lungen, Herz, Nieren und Vena Cava waren vollkommen blutleer. Die Seiten- ventrikel enthielten dickflüssiges Blut, womit auch das kleine Gehirn über- zogen war. 80. Fall. Bruch des Schaambeins durch Ueberfahren. Einem jungen Menschen von 16 Jahren waren die Wagenräder über die Leistenbugen hinweg gegangen. Auf beiden Leisteuseiten waren starke Sugülationen und in der linken lnguinalgegend waren die weichen Be- deckungen aufgeplatzt, so dass man in die Bauchhöhle hineinsehn konnte. Ausserdem fanden sich Zerreissungen der Muskeln beider Oberschenkel in der Nähe des Beckens und ein Bruch des ramus horiz. ossis pubis linker Seits, der bis ins eirunde Loch ging. Auch an Rücken, Kreuz- bein und Hinterbacken waren die weichen Bedeckungen abgesprengt, und lagen nur lose auf, und in der Tiefe fand sich alles mit Blut infiltrirt. 81. Fall. Kippen- und Brustwirbelbruch; merkwürdige Herzerschütte- rung durch eine aufgefallene Last. Beim Kornaufwinden fiel ein gefüllter Sack herab und auf einen Mann von 66 Jahren. Das zunächst Sichtbare war eine fractura com- minuta des rechten Oberschenkels, wegen welcher die Amputation ge- macht wurde. Am Tage nach der Operation trat der Tod ein. Der Stumpf zeigte sich bei der Obduction (im Juni) schon sehr verjaucht. Auffallende allgemeine Blutleere. Die beiden ersten Kippen waren ge- brochen, ohne dass eine äussere Sugilration dies hätte vermuthen lassen. Sehr merkwürdig aber war der Befund im Herzen. In der rechten Wand des Herzbeutels fanden wir eine thalergrosse Sugillation, und in der linken Wand des Herzens selbst, und zwar vom Atriuni bis zum Ventrikel verlaufend, einen zwei Zoll langen und viertel Zoll breiten sugillirten Streiten. Also eine wahre, höchst seltene commotio cordis! Eine hand- tellergrosse Sujnllation in der Gegend des dritten Brustwirbels Hess auf eine tiefe Verletzung schliessen. In der That fand sich der Dornfortsatz dieses 'Wirbels ab- und der Wirbel selbst transversell gebrochen, das Rückenmark aber unverletzt. Dieser Verletzte hatte noch acht Tage nach der Verletzung gelebt! 82. Fall. Vielfache Knochen bräche uud Leberrisse durch einen Mast- b au m. Ein Schiffsknecht von 60 Jahren Avar von seinem eigenen herunter- stürzenden Mastbaum erschlagen worden, aber erst nach sechs Stunden gestorben. Am ganzen Körper keine Spur einer Sugillation. Und dennoch fanden wir nicht weniger als folgende Verletzungen. In der rechten pars Orbitalis des Stirnbeins eine kleine Fissur; die fünf rech- ten Rippen von der dritten bis zur siebenten gebrocheu und sechs Unzen Blutwasser im Pleurasack; an der hintern Seite der Leber vier Einrisse, die offenbar von den hineingedrückten zerbrochenen Rippen herrührten und sechs Unzen Bluterguss in die Bauchhöhle; ferner ein Queerbruch beider Vorderarm-Knochen und endlich ein Splitterbruch des rechten Oberschenkels. Und dennoch hatte sich in sechs Stunden nicht die ge- ringste Sugillation an der Oberfläche des Körpers ausgebildet. 83. Fall. Rupturen der Leber, Milz, des Netzes und des Magens durch einen Windenbaum. Beim Aufwinden einer schweren Getreidemasse schnellte der Winden- baam zurück, und tödtete in wenigen Minuten den mit dem Aufwinden beschäftigten, 53jährigen Mann. Eigentliche Sugillation fand sich nirgends an der Körper-Oberfläche, nur in der Oberbauchgegend links eine sechs Zoll lange rothbraune, hart zu schneidende Hautstelle. Und dennoch ein so erheblicher innerer Befund! Anderthalb Quart dunkeln, dünnflüssigen Blutes waren in die Bauchhöhle ergossen, und deren Quelle ergab sich sehr deutlich. Die Leber zeigte' an ihrer Oberfläche 13 bis 14 flache, nur einen viertel Zoll in die Substanz eindringende Längenrisse; eben solche Einrisse waren an ihrer untern Fläche zu bemerken. Ausserdem war der linko Leberlappen wie abgequetscht und hing nur noch wie eine faserige Masse mit dem übrigen Organ zusammen. Der Magen zeigte an seiner hintern Fläche zwei queerlaufende, 3—4 Zoll lange Einrisse, von denen einer sich in der Nähe der kleinen Curvatur, der andere zwei Zoll über der grossen befand. Ein höchst seltener Befund, den wir als solchen hervorheben müssen, da Rupturen des gesunden Magens fast gar nicht vorkommen (S. §. 36. allg. Thl. S. 146). Endlich fand sich auch noch die Milz im eigentlichsten Sinne des Worts zertrümmert, und das grosse Netz — gleichfalls der seltenste Befund — zeigte einen drei Zoll langen Queerriss. Natürlich war allgemeine Anämie im Leichnam, mit Ausnahme der noch sehr gefüllten Venen der pia maier. (Vergl. Ver- blutungstod §. 21. u. f. spec. Thl.) 84. Fall. Zertrümmerung des Schädels durch die Klappen einer Zug- brücke. Eine seltene Todesart starb ein 45jähriger Steuermann. Beim Durch- gang durch eine aufgezogene Brücke auf seinem Kahn stehend, liess der Brückenaufseher zu früh die Klappen herunter und der Unglückliche ge- rieth mit dem Kopf zwischen die fallenden Brückenhälften! Die An- nahme einer Fahrlässigkeit veranlasste die gerichtliehe Obduction, bei der wir, ausser allgemeiner, sehr ausgesprochener Anämie, Kopfverletzungen fanden, wie sie in dieser Ausdehnung und Menge nur selten und nur bei den erheblichsten Gewalten, z. B. Ueberfahren mit schweren Lastwagen oder Eisenbahnzügen, gefunden werden. Die ganze rechte Hälfte des Kopfes war gegen die linke sichtlich abgeplattet und queer, von dem zer- rissenen Ohrläppchen an bis zur Lambda-Nath verlief eine klaffende Wunde mit scharfgeränderter Trennung der Weichtheile und der Knochen, durch die man einen Einblick in das Gehirn hatte, das man schon jetzt, was sich bei der innern Untersuchung bestätigte, auf dieser Seite in einen blutigen Brei verwandelt sah. Auf der rechten Seite fand sich, genau der Rundung des Schuppentheils entsprechend, eine Hautverletzung. Die Conjunctiva beider Augen war nicht im Geringsten sugillirt, und weder an den Augenlidern, noch sonst am Kopfe eine Spur einer An- schwellung sichtbar, woraus wir schlössen, dass der Tod augenblicklich erfolgt sein mnsste, was sich später bestätigte, indem sich ermittelte, dass der Verletzte, ohne einen Laut von sich zu geben, todt zusammengestürzt war. Nach Wegnahme der Schädelhaube zeigte sich der ganze obere Theil des Schädels ringsum mit ganz scharfen Rändern wie abgeschnitten und abgelöst und Fissuren erstreckten sich bis zum Hinterhauptsbein. Links war der ganze Schuppentheil abgeplatzt und eine fürchterliche Zerstörung fand sich in der Schädelgrundflache, die in zahlreiche einzelne Knochenstücke zertrümmert war. Die rechte Hemisphäre war, wie ge- sagt, ganz zerquetscht und linkerseits war die harte Hirnhaut ganz durch- rissen. Die Ventrikel waren mit schwarzem, fest geronnenem Blute wie ausgestopft, und eben solches Blut lag in den Schädelgruben. Ein neuer Beweis der Blutgerinnung nach dem Tode fvergl. S. 26). Merkwürdig war in diesem Falle auch noch die ganz scharfe Trennung der Schädelknochen, da doch die verletzende Gewalt ein stumpfer Kör- per gewesen war. Ob dieKla2)pe, wie zu vermuthen, an ihren Rändern mit Eisen und vielleicht scharfkantig beschlagen gewesen, habe ich nicht erfahren können. Vielleicht ist aber auch eine eigene Brüchigkeit die- ser Schädelknochen als Grund anzunehmen. Gewiss ist, dass dieselben ganz ungewöhnlich dick waren und wenigstens an der hintern Hälfte einen Viertel Zoll maassen. §5. Fall. Seltner Knochenbruch durch Einsturz einer Mauer. Beide Cotldyli des rechten Oberschenkels waren durch diesen Ein- sturz bei einem 19jährigen gesunden Arbeiter ganz weggebrochen wor- den , im Uebrigen blieb der Körper unverletzt. Es bildete sich eine Verjauchung im linken Kniegelenk und Brand in der äussern Wunde und der Verletzte starb nach drei Wochen. 86. und 87. Fall. Sprengung des Schädels; Gehirnvereiterung durch Schläge eines Wi nd mühl enf 1 üg el s. a) Ein ganz gesundes, vierjähriges Mädchen war von einem Wind- mühlenflügel getroffen, alsbald besinnungslos geworden, hatte linksei- tige Krämpfe bekommen, und war nach 23 Stunden gestorben. Die Hälfte der Kranznath zeigte sich eine Linie weit auseinander geAvichen, ein seltner Befund, der, wie jede Sprengung von Schädelnäthen, auf eine ganz ungewöhnlich heftige Gewalt schliessen lässt, und von dem Endpunkte dieses Risses erstreckte sich ein diagonaler Riss von drei Zoll in das linke Scheitelbein. Am rechten Scheitelbein befand sich gegen den Flügel des Keilbeins und Schuppentheil des Schlafbeins eine Fractur mit Impression von der Grösse eines Viergroschenstücks. Das Gehirn Hoss leider nach der Oeffnung des Schädels als fauliger Brei au>-, und konnte deshalb nicht genauer untersucht werden. In der basis cranii aber zeigte sich, als von jener Stelle rechts abgegangen, eine Fissur, die das rechte Keilbein und die sclla turcica gespalten hatte, v/elcher letztere Knochentheil gleichfalls nur bei den erheblichsten Gewalttätigkeiten gesprengt wird. b) In diesem Falle war es ein dreijähriger Knabe, der von dem Windnnihlenflügel getroffen worden war. Ueber die Krankheitsgeschichte haben wir, da später kein Obductionsbericht erfordert worden, Nichts, und nur bei der Section erfahren, dass das Kind nach der Verletzung noch 17 Tage gelebt hatte, was nach dem Leichenbefunde auffallend ge- nug war. Die äussere Verletzung erschien wenig erheblich. Es fand sich nahe am Wirbel auf dem linken Scheitelbein eine unregelmässig viereckige mit ungleichen Rändern versehene Verletzung, die den Kno- chen durchdrang, und aus welcher Gehirnmasse quoll. An der innern Lamelle des Scheitelbeins aber zeigte sich an dieser Stelle ein sternför- miger Sprung, dessen Endspitzen die harte Hirnhaut durchbohrten. Nach Wegnahme derselben strömte grüner Eiter in starkem Strom hervor und nun ergab sich, dass zwei Drittel der ganzen linken Hemisphäre in Einen Abscess verwandelt waren. Wir haben diesen Fall nicht zurückgehalten, und dem voranstehenden angereiht, obgleich er eigentlich nicht in die Klasse der „mechanisch tödtenden Verletzungen" gehört, weil Verletzun- gen durch Windmühlen so äusserst selten vorkommen. Offenbar hatte das Kind nicht den ganzen Stoss des kreisenden Windmühlenflügels auszuhalten gehabt, sondern war von demselben nur (verhältnissmässig) leicht getrof- fen worden, so dass der Fall mehr in die Kategorie der Hiebwunden gehört. 88. Fall. Tödtliche Kopfverletzung durch Fall von einer Treppe. Der Fall hatte, ausser dem anatomisch-forensischen, eine Art von psychologischem Interesse, denn unmittelbar nach Sinnesgenüssen, in einer Stimmung, die gewiss vollste Lebenslust athmete, also in nicht gewöhn- lich ungeahneter Weise, ereilte den Unglücklichen der Tod. Ein pen- sionirter Stabs - Offizier, erst 53 Jahre alt, hatte am lsten des Monats seine Pensionsrate bezogen, sich alsbald einen Rausch getrunken, und wollte nunmehr ausser dem Bacchus auch noch der Venus ein Opfer bringen. Beim Weggange von der — Priesterin stürzte er die Treppe hinab, und war in einer Stunde eine Leiche! Wir fanden eine Fissur, die sich von der Lambda-Nath ab bis in das linke foramen lacerum hinein erstreckte, und auch hier wieder eine ähnliche Gehirnblutung, wie im 76. Falle, denn das ganze grosse und auch das kleine Gehirn war mit einer liniendicken Schicht dunkelvenösen, schon halb coagulirten Blutes überzogen. Merkwürdig war ein kirschengrosses Extravasat desselben Blutes mitten im Ports Varolii. Im Herzen fand sich in beiden Hälften ziemlich viel Blut. Der Magen war mit durch Rothwein gefärbtem Speisebrei angefüllt. Die Harnblase stand über dem Schoossbogen auch hier wieder, wie in frühern ähnlichen Fällen, strotzend voll wasserhellen Urins. 80. Fall. Milzruptur durch Fall von einer Treppe. Ein sechsjähriger Knabe war von einem andern Knaben mit aller Kraft nur einige Treppenstufen hinuntergestossen worden und nach fünf Stunden gestorben. Die Todesursache war eine Zerreissung der Milz durch einen Längenriss, der sie vollständig in zwei Theile getheilt hatte. Keine Spur einer äussern Sugillation am Leichnam! 90. Fall. Tödtliche Kopfverletzungen durch eiuen Fall. Es ist nicht gewöhnlich, nach einem blossen Fall aus nicht erheb- licher Höhe Fissuren in der Schädelgrundfläche zu finden, wie sie bei einer 52jährigen Frau beobachtet wurden, die von einem Schrank «refal- len und nach sechsundzwanzig Stunden gestorben war. Aeusserlich fand sich am Kopfe nichts Auffallendes. Beim Abnehmen der Schädelknochen aber fand sich im rechten Schlafbein eine dreieckige Fissur, deren einer Schenkel durch die basis cranii durch den Türkensattel hindurch sich bis in die linke Seite der Schädelgrundfläche hin erstreckte. Uebei- der dura maier, die ganze linke Hemisphäre bedeckend, lag ein dunk- les Blutcoagulum von ± Zoll Dicke. Die pia mater selbst war blut- arm, aber in der Substanz beider Halbkugeln, dicht an den Seitenven- trikeln, lag ein dunkles Blutextravasat, jedes von zwei Drachmen Ge- wicht. Auch im vierten Ventrikel fand sich noch ein erbsengrosses Ex- travasat. 91. lall. Tödtliche Kopfverletzungen durch einen Fall. Ganz ähnlich war folgender Fall, in -welchem indess die erheblichen Verletzungen durch einen Fall aus noch geringerer Höhe, als im vori- gen, erklärt wurden durch die ganz ungewöhnlich dünnen, nur andert- halb Linien starken Schädelknochen des alten (70jährigen) Mannes. Er war nur in einem Hausflur niedergefallen, blieb an der ganzen linken Seite gelähmt und besinnungslos und starb nach zwei Tagen im Kran- kenhause. Von äussern Verletzungen fand sich Nichts als eine pflaumen- grosse leichte Sugillation am rechten äussern Augenwinkel. Der Schup- pentheil des rechten Schlafbeins war abgeplatzt, das rechte Scheitel- bein durch fünf Fissuren getrennt, und auf der rechten Hemisphäre über der dura mater lag ein musartig geronnenes Blutextravasat von ungewöhnlicher Grösse, viertehalb Zoll im Durchmesser und drei Unzen schwer, welches das Gehirn hier grubenartig eingedrückt hatte. Ein drach- menschweres kleineres Extravasat fand sich linkerseits auf der basis cranii. 92. Fall. Schädel- und Wirbelbruch und Ruptur des Rückenmarkes durch Sturz aus der Höhe. Ein 32jähriger Maurer war von einem vier Stock hohen Gerüst ge- fallen, und zwei Tage später gestorben. Die Folgen des bedeutenden Sturzes waren eine anderthalb Zoll lange Fissur, die sich von der rech- ten pars orbitalis des Stirnbeins bis in die lamina cribrosa des Sieb- beins erstreckte und eine völlige Zerschmetterung des neunten Brustwir- bels. Unter demselben fand sich die dura maier des Rückenmarkes einen Zoll lang zerrissen und das gequetschte Rückenmark queer durch- rissen. Wir wiederholen, dass auch dieser Verletzte noch zwei Tage lang gelebt hat! 93. Fall. Mord durch K o p f h i e b w u n den. Markendorf, ein zur Zeit der That erst 18jähriger Mensch, war zu einem ihm bekannten Schuhmacher gekommen, in der später einge- standenen Absicht, ihm um jeden Preis ein Paar Stiefeln zu rauben. Der Mann sass auf einein Schemel bei der Arbeit. Tin Gespräch schlich M. hinter ihn , ergriff einen Schusterhammer, und schlug beherzt und wieder- holt auf den Kopf dos Mannes ein, der gleich von seinem Sitz herab- stürzte und bald nach den Verletzungen verschied. Der Mörder bekannte später — was ich oft in ähnlichen Fällen aus dem Munde von solchen Verbrechern gohört habe (es giebt eine eigene dämonische Lust am Ver- brechen !), — dass er, nachdem er einmal mit dem Hammer zugeschlagen und sein Opfer schon regungslos vor ihm lag, nun erst recht wiithig ge- worden sei und „immerzu" geschlagen hätte. Dieser Aussage entsprach unser Befund von vierundzwanzig einzelnen Kopfverletzungen, die sich bis in das Gesicht (Augen, Nase, Backen) erstreckten. Unter andern war das linke Ohr in seiner Mitte bis auf eine schmale Brücke durch eine Queerwunde mit stumpf-scharfen Rändern getrennt, und auch meh- rere einzelne Verletzungen an den weichen Köpfbedeckungen hatten solche Ränder, woraus wir gleich bei der Obduction, wo noch nicht einmal der Thäter, geschweige die Art, wie er verfahren, ermittelt war, schliessen niussten, dass denatus mit einem stumpfen (wofür die Mehrzahl der ^'unden sprach), theils aber mit einem stumpf-scharfen Werkzeug ge- tödtet worden sein musste. Dies bestätigte sich durch das spätere Geständ- niss des Mörders, dass er beide Seiten des Schusterhammers, auch die scharfe, abwechselnd angewandt hatte. Es würde sehr ermüdend und überflüssig sein, wollten wir hier alle einzelnen Verletzungen nach dem uns vorliegenden Obductionsprotocolle aufführen; wir begnügen uns viel- mehr mit der Angabe der hauptsächlichsten, welche bestanden in einem Vertical-Bruch des linken, in einem halbmondförmigen Bruch des rechten Schlafbein-Schuppentheils, und in einer völligen Sprengung der Schädel- grundfläche von einem Keilbeinflügel bis zum andern herüber. Die Ve- nen der pia mater, zumal links, strotzten von dunkelschwarzem Blute. Dem Bruch des linken OS temporum entsprechend, fand sich auf dorn Gehirn ein Extravasat von geronnenem Blute von Silbergroschen-Grösse und eine Zoll in die Gehirnsubstanz eindringende Verletzung. 94. Fall. Schädelaerfcrümmerung durch Axthiebe. Eben so leicht für die Beurtheilung war folgender schrecklicher Fall. Ein Mann von GO Jahren, bei dem sich später in der Untersuchung Ver- anlassung ergab, seinen Gemüthszustand zu exploriren, und der von uns als blödsinnig (im landsechtlichen Sinne), folglich als unzurechnungsfähig erklärt werden musste, hatte in sich die fixe Idee festwurzeln lassen, den Tod durch Henkershand zu sterben, und um dazu zu gelangen, hatte er sich die Tödtung eines 12 jährigen Knaben vorgesetzt, der ilun oft in seiner Wirthschaft half, und zu dem er immer eine gewisse Liebe und Anhänglichkeit gehabt hatte! Er bestellte ihn eines Sonnabends Nach- mittags zu sich, vorgeblich, damit er ihm beim Holzhauen im Keller be- hülüich werde. Vorher hatte er nun in diesem Keller neben dem Hau- klotz Domino-Steine verstreut, damit der Knabe sich danach bücke, und bei dieser Gelegenheit wollte er ihn mit dem Beile tödten. Diesen Vor- satz führte er genau aus. Im Keller augekommen, bückte sich das Kind nach dem Dominospiel, und in diesem Momente schlug ihm der — an der ganzen rechten Seite gelähmte — G. mit der linken Hand, in welcher er das Beil hielt, den Schädel in Trümmer, worauf er sogleich zur Po- lizei-Behörde ging und mit der grössten Ruhe seine That zur Anzeige brachte, mit der Bitte, ihn doch nun recht bald hinrichten zu lassen! Der verletzte Knabe war sogleich nach der chirurgischen Klinik gebracht worden, aber schon auf dem Transport verstorben. — Der obere Theil des Schädels zeigte sich zertrümmert, indem acht grössere und kleinere Knochenfragmente von Mandel- bis Thalergrösse, die dem linken Schei- telbeine angehörten, lose auf der harten Hirnhaut auflagen, was ein äusserst seltener Befund ist. Eines dieser Fragmente hatte die Aura mater durchbohrt. Das Stirnbein war in einem diagonalen Sprung ganz und gar gespalten. Die Gehirnoberfläche erschien mit zahlreichen Extra- vasaten von geronnenem Blute wie besäet, und die Windungen wie mit Blut ausgegossen. Im hintern Drittheile der linken Hemisphäre setzten sich die Extravasate durch die ganze Hirnsubstanz fort. In der basis cranii fand sich eine zwei Zoll lange Fissur im grossen Flügel des lin- ken Keilbeins, und eine zweite Fissur, die das Hinterhauptbein bis zu seinem Basilartheil gesprengt hatte. DerThäter wurde bei der von uns in einem ausführlichen Gutachten nachgewiesenen Beschaffenheit seines Gemüthszustandes nicht zum Tode verurtheilt, sondern in eine Aufbe- wahrungsanstalt geschickt. §. 9. Eigene oder fremde Schuld? Ueber die Frage: ob Menschen, die durch mechanisch töd- tende Verletzungen starben, durch Zufall oder Selbstmord, oder durch die Schuld eines Dritten ihren Tod fanden? lässt sich kein einziger, allgemein gültiger Satz als der aufstellen, dass Hiebwunden als Todesursache mit einer an Gcwissheit grän- zenden Wahrscheinlichkeit auf Tödtung durch dritte Hand schliesscn lassen. -Denn die Erfahrung lehrt (in den ungemein spärlichen Fällen in der gesammten Literatur), dass Menschen (begreiflicherweise!) fast niemals diese unsichere und höchst schwer auszuführende Selbstmordsart wählen. Mir selbst ist nie ein einziger Fall der Art vorgekommen. In allen andern, in diesem Kapitel betrachteten Fällen solcher mechanischen To- desarten müssen die Umstände des concreten Falles entschei- den. Musste an der Stelle z. B., an welcher man den Men- schen vom Bahnzug zertrümmert fand, eine hohe Barriere, Hecke u. dgl. überstiegen worden sein, um hier auf die Bahn zu gelangen, so wird man an einen Selbstmord nicht zweifeln können. Schwieriger kann die Entscheidung bei Fall aus der Höhe, z. B. von einer Treppe werden, und hier kommt es eben nicht selten vor, dass der Angeschuldigte mit der Behauptung auftritt, denatus sei ganz ohne sein Zuthun und zufällig hin- untergefallen. Ist der Fall nach seinen Eigenthümlichkeiten nicht zweifelsfrei zu entscheiden, so erkläre man lieber offen seine Incompetenz, oder beschränke sich auf haltbare Wahr- scheinlichkeitsgründe, als dass man eine Gewissheit für den einen oder andern Fall giebt, für die man keine wissenschaft- liche Basis hat. Dass bei tödtlichen Misshandlungen als Aus- flucht Seitens der Angeschuldigten die albernsten Aussagen und Schilderungen gemacht werden, wie denatus durch Zufall oder eigene, nicht durch fremde Schuld zu Tode gekommen, dafür liefert der oben mitgetheilte (49.) Fall einen der schla- gendsten Beweise, der zugleich zeigt, wie der Obduktionsbefund die frechsten und hartnäckigsten Lügen in solchen Fällen besei- tigen kann. — Wir haben übrigens die Frage von der eigenen oder fremden Schuld bei jeder einzelnen gewaltsamen Todesart aufzunehmen, und da Wiederholungen zu vermeiden, viele Um- stände aber, die bei Einer Todesart zur Erwägung kommen, auch bei allen übrigen zu berücksichtigen sind, so vgl. unten die §§. 14., 23, 37., 42., 51., 57. u. 62. Casper, gerichll. Mcdicin. ]Q Zweites Kapitel. Tod durch Erschlossen. §. 10. Die Schusswunde. Wir zählen diese Todesart zu den „mechanischen", weil in der grossen Mehrzahl aller Fälle der Tod hierbei wirklich aus- schliesslich oder vorzugsweise durch Zerstörungen des körper- lichen Mechanismus, der Integrität der äussern und innern Or- gane erfolgt. Schon deshalb ist die Diagnose dieser Todesart an der Leiche nicht schwierig, da deren Wirkungen gewöhnlich ungemein in die Augen springend sind. Wir haben schon oben (§. 37. allg. Thl.) die Schusswerkzeuge betrachtet, und haben es hier noch mit deren Wirkungen zu thun. Es ist schwer, ja unmöglich, eine allgemeine Beschreibung einer Schusswunde zu geben, wie Jeder zugeben wird, der eine grosse Anzahl von Erschossenen beobachtet hat, da in der That kaum Eine Schuss- wunde der andern gleicht. Hier eine Zerfetzung des ganzen Gesichts, das dadurch bis zur völligen Unkenntlichkeit -verun- staltet ist, dort am ganzen Leichnam nichts Auffallendes, bis auf eine ganz kleine unscheinbare und kaum sichtbare Wunde, vielleicht obenein an einer etwas versteckten Stelle des Körpers, wie z. B. in der Achselhöhle oder Kniekehle. Und doch sind Beide Schussverletzungen. Nur wenige allgemein gültige Kri- terien lassen sich aufstellen, und diese wenigen sind, nach un- sern eigenen Beobachtungen, folgende. Jede Schusswundc durchdringt entweder den ganzen Körper, und man findet dann die Eingangs- und die Ausgangsöffnung, oder sie dringt nur in den Körper ein, ohne auszudringen. In diesen Fällen ist es oft ein durchaus vergebliches Bemühen, die Kugel, das Blei, Schroot u. s. w. im Körper finden zu wollen, selbst wenn ein Projectil so solider Art gebraucht worden wäre, was kei- nesweges immer der Fall. Am leichtesten gelingt dann das Auffinden des Metalls, oder wenigstens des Pfropfens, wenn nur mit Wasser oder eomprimirter Luft geschossen wurde, im Schä- del. Schon in der Brust, wenn die Lungen zerfetzt, und grosse Massen geronnenen Blutes in die Säcke ergossen sind, noch mehr aber im Unterleibe, wo gleichzeitig mehrere Organe, wie Leber und Milz, zertrümmert sind und alle Bauchorgane in einem blutigen Brei schwimmen, ist es dann nur fast ein Zu- fall, wenn man das Projectil oder einen Pfropfen auffindet.— Jede Schusswunde dringt verhältnissmässig tief ein; man wird selten oder nie das Ende des Schusscanals nahe an der Eingangsöffnung im Gehirn, in der Lunge, Leber, im Darm u. s. w., sondern fast immer das ursprünglich und zunächst (primär) getroffene Organ ganz oder zum grössten Theil durch- bohrt finden, was aus dem Luftdruck, der die Kugel vorwärts drängte, erklärlich ist. — Jede Schusswunde hat ferner das Eigentümliche und sie z. B. von Stichwunden unterscheidende, dass sie je tiefer, desto breiter wird, was wieder von der gewaltsam mit eingedrungnen Luft erklärlich wird; blieb die Kugel in einem Weichgebilde stecken und findet man sie darin, so sieht man die Höhle, in der sie liegt, oft zwei- bis viermal so gross im Durchmesser, als die Eingangsöffnung ist. Dem soll nicht widersprechen, dass, wenn das Projectil nicht im Kör- per stecken blieb, sondern der Schuss ein ganz durchdringender war, die mit eingedrungene Luft also dadurch auch gleich wie- der hinausgedrängt wurde, dass die Ausgangsöffnung immer kleiner ist, als die Eingangsöffnung. Mit dieser, der früher allgemein beliebt gewesenen, entgegengesetzten Annahme stim- men alle neuern Selbstbeobachter mit Recht überein. Und die Revolutionsjahre haben auch Andern als uns reichliche Gelegen- heit zu Beobachtungen über Schusswunden geboten!*) — *) Vgl. über die Beobachtungen in den Pariser Strassenkämpfen und im 19 * Schüsse von Doppel geschossen, z. B. aus einer doppelläu- figen Pistole oder auch Sehüsse mit Rehposten und Schrootkör- nern aus Einem Laufe, divergiren nach ihrem Eindringen in den Körper, was man, wenn die Beschaffenheit des Schuss- canals im Innern keine genauere Untersuchung gestattet, sehr deutlich an den, wenn vorhandenen, Ausgangsöffnungen wahr- nehmen kann. Ausser diesen Aehnlichkeiten unter hundert ver- schiedenen Schusswunden giebt es nur Verschiedenheiten. Die Eingangs Öffnung hat keinesweges immer, wie alle Lehrbücher sagen, nach innen eingestülpte, die Ausgangsöffnung eben so wenig immer nach aussen aufgeworfene Ränder, so dass man hiernach in zweifelhaften Fällen bestimmen könnte, wo der Schuss ein-, wo er hinausging. Die Beschaffenheit der Wund- ränder hängt vielmehr, ausser von dem Eindringen der Kugel, auch noch von andern Umständen ab. Beobachtungen an einer grossen Anzahl von Erschossenen, bei welchen über die Stel- lung, die der Erschossene im Augenblicke der Verwundung ge- habt haben musste, gar kein Zweifel obwalten konnte, da die Tödtung vor Zeugen, z. B. bei Strassenaufläufen oder hinter Barricaden, Statt gefunden, haben mir hierüber vollständige Ge- wissheit gegeben. Wenn z. B. die Kugel bei einem sehr fetten Menschen, und an einer besonders fettreichen Stelle, z. B. an den Bauchdecken eindringt, so quillt sehr bald das Fett aus der Schussöffnung hervor, und man findet sie — die Eingangsstelle ■— wulstig und nichts weniger als eingestülpt. In andern Fäl- len, die grade in der gerichtsärztlichen Praxis so häufig, ist es der Verwesungsprocess, der die Ränder beider Oefhiungen. wenn zwei vorhanden, aufbläht, und dann sind sie aus diesem Grunde als Ein- und Ausgangspunkt nicht zu unterscheiden. Dazu kommt endlich, dass oft die weichen Bedeckungen an Ein- wie Ausgangsstelle so zerfetzt und zerrissen sind, dass auch Badischen Feldzuge: Büchner in der Prager Vierteljahrsschrift. 1S54. I. S. 38 n. f. schon deshalb von einer Umstttlpuag der Ränder der Wunden keine Rede sein kann. Und noch in einem eigenthümlichen Falle, der in neuster Zeit viel vorkommt, wird die Diagnose von den Wundrändern vollends trügerisch. Ich meine die mit Spitz kugeln bewirkten Schusswunden. Ihre an der Ober- fläche der Leiche ersichtliche Wirkung ist gewöhnlich eine ganz andre, als die von runden Kugeln, Schroot, gehacktem Blei, X-igeln, Steinen u. dgl., denn man findet nur eine ganz uner- hebliche, kleine, kaum sugillirte, eine nur geringfügige Quet- schung der Weichtheile zeigende, nicht immer kreisrunde, viel- mehr nicht selten mehr dreieckige, Schussöffnung, durch welche die Spitzkugel eindrang, nach welcher man die Zerstörung, die man im Innern findet, nicht sollte vermuthen können. Drang sie aus dem Körper heraus, so sieht die Ausgangsöffnung unge- fähr eben so aus. Diese Befunde sind so feststehend, dass es bei einiger Uebung gar nicht schwierig ist, von vorn herein mit Bestimmtheit zu schliesscn, dass eine Spitzkugel gebraucht wor- den. Aber eben wegen dieser Befunde rathe ich die grösste Vorsicht im Urtheile über die Frage von der Eingangs- und AusgangsöfFnung bei Spitzkugelschüssen. §. 11. Fortsetzung. Der Schuss erzeugt entweder eine scharf contourirte runde Oeffnung in den Weichgebilden, wie in den Knochen, wo er in Schädelknochen einer Trepanöffnung ähnlich wird, was aber nur in seitnern Fällen beobachtet wird; oder er zerreisst und zer- schmettert. Man hat die Wunden der ersten Art reine (?), die der letztern gewöhnliche Schusswunden genannt, was ganz un- erheblich ist. Ob der Unterschied in der Wirkung, wie wohl das Wahrscheinlichste, von der Ladung oder von der Beschaf- fenheit der Waffen herrührt, lasse ich dahin gestellt. Die Ent- fernung aber, aus welcher der Schuss drang, bedingt diesen Unterschied nicht, so dass hieraus ein diagnostisches Merkmal betreffend Mord oder Selbstmord (§. 14.) keinesweges zu ent- nehmen ist, abgeschn davon, dass Mord z. B. einen Schlafen- den (96. Fall) oder sonst wie (112. Fall) von ganz nahe her, und ein Selbstschuss auch aus einiger Entfernung treffen kann (113. .Fall). Die entgegengesetzte Ansicht hat Orf'ila und nach ihm Simon*) ausgesprochen, die nämlich: dass, wenn der Schuss von ganz nahe her kam (60—80 Schritt, nach Si- mon's Beobachtungen im Badischen Feldzuge) und „wenn er stark war", dass dann Eingangs- wie Ausgangsöffnung ganz gleich und zwar so aussähen, als ob sie mit einem Locheisen ausgeschnitten wären. Aber man sieht, dass hier ja schon wie- der Werth auf die „Stärke" des Schusses gelegt ist, und nach dem, was ich gesehn, muss ich den oben aufgestellten Satz fest- halten. Wenn der Schüss, wie mehrentheils der Fall, die Ge- bilde am Eingang zerfetzt und zertrümmert, dann findet man die Ränder in jeder beliebig zu denkenden Art ungleich getrennt und zerrissen, oft grosse Hautdefecte in der Eingangswunde, und die unterliegenden harten Theile eben so in Splitterbrüchen mit zackig ausstrahlenden Fissuren zerschmettert, wenn nicht ganze Körpertheile, wie namentlich der Kopf, halb oder ganz vom übrigen Körper abgesprengt sind. — Was die Färbung der Ränder betrifft, so kommen auch hier zahlreiche Verschie- denheiten vor. Gewöhnlich, wenn der Schuss nicht von der Art war, dass der Tod urplötzlich erfolgen musste, sind die Ränder mit einer schmalen oder breitern Sugillation eingesäumt und hart zu schneiden. Fast, aber keinesweges immer sind sie mehr oder weniger verbrannt und sehn dann kohlschwarz und schwarzblutig aus. Diese Färbung ist von der von eingebrann- tem Pulver wohl zu unterscheiden, denn dies erzeugt einge- sprenkelte, grauschwarze, kleine Flecke in kleinerer oder grös- serer Anzahl. Diese Verbrennungen und Pulvereinsprengungen beweisen nur allein, dass der Schuss nicht von sehr weit her auf den Verletzten eingedrungen war, d. h., wie ich annehmen *) Bei Büchner a. a. 0. muss, nach dem, was ich in solchen Fällen beobachtet habe, wo die Entfernung abzuschätzen möglich war, nicht weiter als von drei bis vier Fuss her. Für die Frage vorn zweifelhaften Mord oder Selbstmord können sie sonach, wie aus andern, unten an- zugebenden Gründen (§. 14.), nur höchstens Wahrscheinlich- keitsgründe abgeben. — Drang der Schuss durch Bekleidungs- stücke in den Körper ein, so zerreissen dieselben gewöhnlich und zwar, wegen der Dehnbarkeit der Stoffe, mit einer kleinern Oeffnung, als die Wunde im Körper sie zeigt, oder sie zerreis- sen, eben auch wegen der Dehnbarkeit der Zeuge, gar nicht und gehen mit der Kugel in den Körper hinein, die dann her- ausfällt, wenn man die Stoffe hervorzieht. Dies sind indess nur seltene Fälle, wogegen es recht häufig ist, dass man mit dem Schuss eingedrungene Fetzen von den Bekleidungsstücken im Schusscanal in der Leiche findet. *) Was nun endlich den Schusscanal betrifft, so ist dieser in der Regel nur genauer zu verfolgen und zu untersuchen, wenn er durch härtere und festere Theile hindurchgeht, wie z. B. in die Muskeln der Ex- tremitäten oder des Rückens, der Notes u. s. w. Seine allge- meine Richtung kann auch angegeben werden, wenn er Anfangs noch Theile durchdringt, die eine festere Unterlage haben, wie Kopf und Gesicht, Thorax u. s. w. Anders bei den Weichge- bilden. Hier kann man ihn am besten noch im Gehirn verfol- gen, wenn man vorsichtig um ihn herum Schichten ablöst, wo man den Canal dann daran erkennt, dass ein blutiger Brei in einer gewissen Strecke die gesunde Hirnmasse durchzieht. Auch im Herzen gelingt es wohl, die Richtung des Schusscanals zu entdecken; in den meisten Fällen von Herzschusswunden je- doch ist das Herz zum Unkenntlichen zerfetzt, und eine die Richtung des Schusses betreffende Diagnose gar nicht möglich. Dasselbe gilt von den Lungen in der Mehrzahl der Fälle, eben so wie von Leber und Milz. Die Richtung des Schusses, wenn *) S. die Abbildungen von Schusswunden Taf. II. Fig. 4., 5. u. 6. er den Darmtract traf, ist gleichfalls und au« dem Grunde äus- serst schwierig zu erkennen, weil man die Darmwindungen aus ihrer Lage bringen muss, um nur überhaupt sieh erst zu orien- tiren, und man dann die Sachlage nothwendig verändert. In allen solchen Fällen gewährt oft nur eine Vergleichung der Eingangs- mit der Ausgangsöffnung, wenn letztere überhaupt vorhanden, eine Unterlage für das Urtheil über die Richtung des Schuss- canals. Ein andermal, und dies ist recht häufig der Fall, bahnt sich die Kugel im Körper selbst verschiedene Wege und Rich- tungen, gleitet von glatten Flächen ab, ricoehettirt von harten Knochen u. s. w. und gelangt zu einer Ausgangsöffnung an einer Stelle, wo man es nicht hätte vermuthen sollen. So er- klären sich auch Fälle von Lebensrettungen nach Schusswun- den, die an das Wunderbare gränzen, z. B. Schüsse durch den Hals — die aber in der That natürlich nicht durch die Luftröhre, Carotis u. s. w., sondern um dieselben herumgegangen waren. — Ganz ungemein gewagt ist Begin's Behauptung, dass man noch nach den Narben am Körper die frühere Eingangs- von der Ausgangsöffnung des Schusscanals unterscheiden könne", in- dem die Eingangsnarbe kreisrund, concav, vertieft, die Haut gleichmässig von der Peripherie nach dem Centrum faltig, zugleich weiss und härtlich sein soll, die Ausgangsnarbe dagegen meist kleiner, nach innen unregelmässig, stark vorspringend, erhöht, schlitzförmig oder ganz verschiedenartig gestaltet gefunden würde. Es liegt auf der Hand, wie viele Bedingungen zu mo- dificirend auf die Narbenbildung einwirken müssen, um solchen Ausspruch als thatsächlich begründet annehmen zu können Im Uebrigen scheint aber auch dieser Punkt für die gerichtsärztliche Praxis nicht erheblich; denn wenn ein durch Schuss Verletzter so lange gelebt hatte, um die Heilung und Vernarbung zu er- leben, so wird er dem Richter wohl auch selber anzugeben ge- wusst haben, von welcher Richtung her ihn der Schuss getrof- fen hatte. Ersohiessenü §. 12. Viersuche ftn Leiohen. Erfahrungsbeläge für alle hier ausgesprochenen Behauptun- gen wird die unten folgende Casuistik liefern« *) §. 12. Versuche an Leichen. Meine Versuche an Leichen betreffend Schusswunden konn- ten nur den Zweck haben, die Widerstandsfähigkeit der todten Gebilde im Gegensatz zu der der lebenden zu prüfen, nachdem ich davon bereits Beweise hinsichtlich der Hiebwunden erhalten hatte (§. 6. S. '272). Auf eine höchst überraschende Weise hat sich diese Resistenz auch hier bestätigt. Kugeln von etwa halb- zölligem Durchmesser aus einer gewöhnlichen Pistole gegen einen Knochen, namentlich das Jochbein, aus Entfernungen von nur vier bis fünf Fuss geschossen, drangen nicht ein, sondern prall- ten nach Quetschung der Weichtheile ab und ricochettirten. Dasselbe thaten gegen eine Rippe abgeschossene Rehposten. Aus einer Entfernung von nur drei Fuss wurde eine eben solche Kugel aus derselben Pistole gegen die Seite des Hinterkopfes einer männlichen Leiche geschossen. Sie drang ein, blieb aber sogleich in der Schussöffnung stecken, die sie völlig ausfüllte und wie einen hohlen Zahn plombirte. Keine Spur von Zer- splitterung der (ganz normal dicken) Schädelknochen. Wie an- ders nachgiebig würde sich lebendes Knochengewebe gegen die Kugel gezeigt haben. Eine Spitzkugel aus drei Fuss Entfer- nung gegen den mit vierfacher Leinewand belegten Unterleib der Leiche eines Erwachsenen abgeschossen, drang nicht einmal ganz aus dem Körper hinaus, sondern blieb noch in den Rückenmuskeln *) Mögen Aerzte, die in der gerichtsärztlichen Praxis nicht bewandert sind, und, wie es jetzt so häufig vorkommt, bei öffentlichen Verhandlungen als „Sachverständige" zu fungiren berufen werden, so wie — superarbi- trirende Medicinalbehörden, die nicht immer gewiegte gerichtsärztliche Prac- tiker unter ihren Mitgliedern haben, durch obige, der Naturbeobachtung ent- nommene Sätze gewarnt sein, auf die Obducenten in concreten Fällen kei- nen Stein zu werfen, wenn sie versichern, über die Richtung des Schuss- canals, trotz sorgfältiger Untersuchung, ein sicheres Urtheil nicht abgeben zu können, oder die Kugel in der Leiche nicht gefunden zu haben u. s. w. stecken. Sie hatte keine Leinewandfetzen in die Wunde mit hi neingerissen. Schusscanälc im Gehirn von Leichen, die in den Kopf geschossen worden, liessen sich immer deutlich als Canal verfolgen; natürlich weil liier keine Blutergüsse u. dgl. die Beobachtung störten. — Dass die Wundriinder in allen Fällen ein Leichenansehn behielten, braucht nicht gesagt zu werden. Eben aus letztern Gründen können Schüsse an Leichen, wo sie etwa absichtlich hervorgebracht sein möch- ten, mit Schüssen am Lebenden keinen Augenblick verwechselt werden. §. 13. Casuistik. 95. Fall. Schusswuude in Lunge und Rückenmark. Eine Schusswunde, die einen 38jährigen Wilddieb getödtet, hatte fol- genden eigentümlichen Verlauf genommen. Die Kugol war in die linke Hand eingedrungen, am Radius hinausgegangen und dann in die linke Schulter eingedrungen. Sie hatte die erste und zweite Rippe zer- schmettert, war unterhalb des Schlüsselbeins, ohne dessen Gefässe zu treffen, in die linke Brusthöhle eingedrungen, hatte die Spitze der linken Lunge zerrissen, war in den Körper des dritten Brustwirbels eingedrun- gen, hatte die vordere Fläche des Rückenmarkes eingerissen und war dann wieder ausgetreten und in den Weichtheilen des Rückens stecken geblieben, wo sie in der Leiche gefunden wurde. 96. Fall. Schusswunde in die Leber. Mehr in psychologischer, als in forensischer Beziehung war dieser Fall seilen und bemerkenswerth. Der Maurergeselle Klebe lebte mit einer Zuhalterin, und hatte Verdacht gegen seinen ältesten 21 jährigen Sohn aus früherer Ehe geschöpft, dass er ihm seine Geliebte zu seinem eigenen Besten abwendig machen wollte. Er beschloss sich zu rächen, und beging am eignen Sohne einen Mord aus Eifersucht!! Der Augenblick der That bot eine Scene dar, wie sie die ausschweifendste Phantasie kaum erfinden mag. Der Sohn schlief mit dem jüngern Bru- der, einem kleinen Knaben, in Einem Bette, und hielt denselben zufällig im Schlafe umschlungen. Da nähert sich in der Nacht der Vater seinen schlafenden Kindern, eine kleine Lampe in einer, ein geladenes Pistol in der andern Hand, biegt sieh über den Knaben, um diesen nicht zu ver- letzen, hinüber, setzt das Pistol dem altern Sohne in der Lebergegend an, drückt los un d tödtet ihn auf der Stelle! — Bei der Section fand sich die Leber so zermalmt, dass nur noch der lob. Spigel. erhalten war. Die ganze übrige Substanz mit der Gallenblase war in einen blu- tigen Brei verwandelt. Zwei Pfund dunkelflüssiges Blut lagen frei in der Bauchhöhle. Die Kugel war von der Leber aus noch in die Milz ge- drungen, hatte diese an ihrem innern Rande durchbohrt, und war dann in den achten Rückenwirbel gegangen, in welchem sie steckend gefunden wurde. — Der unnatürliche Verbrecher, der später im Gefängniss eine grosse Zerknirschung und religiöse Fassung zeigte (oder erheuchelte?) wurde hingerichtet. 97. Fall. Schuss durch Netz und Dünndarm. Bei den Schiessübungen der Bürgerwehr war eine 50jährige Frau erschossen worden. Sie hatte 20 Schritt vom Schiessstande entfernt ge- standen. Die Fliutenkugel war in die rechte regio hypogastrica ein- und hinten am rechten Rande des Kreutzbeins hinausgedrungen, und die Verwundete hatte noch zwei Stunden gelebt. Die Bauchwunde hatte von der begonnenen Verwesung aufgewulstete (nicht eingestülpte!), ungleiche, im Umfange eines Viertelzolls schwarzblau sugillirte Ränder, in denen natürlich bei der grossen Entfernung, aus welcher der Schuss gekommen, kein eingebranntes Pulver sichtbar war. Eben so aufgewulstet wie die Ränder der Eingangsstelle waren die Ränder der Rückenwunde, welche nicht sugillirt waren. Die Kugel hatte das grosse Netz durchbohrt, und vom lleum, dicht bei seinem Uebergang in's Coecum ein drei Zoll gros- ses Stück aus der vordem Wand herausgerissen, und erklärte sich hier- nach der Befund von Koth und von acht Unzen geronnenen Blutes in der Bauchhöhle. Der ganze Leichnam endlich war blutleer. 98. Fall. Tödtliche Kopf-Schusswunde. Bei dem berüchtigten Zeughaussturme am Abend des 14. Juni 1848 waren von der Bürgerwehr zwei der Eindringlinge, beide aus der nieder- sten Hefe des Volkes, erschossen worden. Der Eine — ein bereits elf- mal bestrafter Dieb (!) — hatte drei Schiisswunden am Kopfe, eine am rechten arcus supraorbilalis, zerrissen, iast dreieckig, von der Länge eines Zolls, nach rechts und oben einen halben Zoll davon entfernt eine zweite, silbergroschengrosse mit gleichfalls zerrissenen Ländern, und eine dritte von einem Zoll im Durchmesser am tuber des rechten Seitcnw:Vgl. Fall von Schusswnnde in die Art. axill. S. 75, in das Rücken- mark S. 134, Fall von Lungen-Schusswunde S. 135. **) Wie aber selbst hinterlassene Schriftstücke dieser Art zu Zweifeln Anlass geben können, dafür s. den merkwürdigen 243. Fall. 20* &rfahrungsgemäss oft zum Selbstmord treiben, so wie lnmuYiie von Umständen, wie sie die Einzelfälle darbieten, und die im Allgemeinen gar nicht aufzuzählen sind, die Combination erleich- tern (s. die Casuistik), wobei, wie sieh von selbst versteht, de r Leichenbefund die Combination unterstützen und nicht etwa ge- genteilige Indicien liefern muss. Drittens aber wird der Obduc- tionsbefund selbst, mit Einschluss der Lage und Stellung, in welcher der Leichnam gefunden wurde, selbst die Betrachtung der Bekleidungsstücke, kurz die Leiche als solche, und ihre Umgebungen, immer das entscheidendste Moment für die Beur- theilung sein. Wir werden bei jeder einzelnen gewaltsamen Todesart auf diese wichtige und so häufig in der Praxis vor- kommende Frage zurückkommen. *) Was den Tod durch Er- schiessen betrifft, so werden folgende Umstände in Betracht zu ziehn sein. 1) Die Lage der Leiche. Ich kann nicht zugeben, dass die Rückenlage, in der ein Erschossener gefunden wird, mit Bestimmtheit auf Selbstmord deutet, wie viele Schriftsteller be- haupten, eben so wenig, dass Menschen, die von Andern er- schossen werden, z. B. Soldaten, die in der Schlacht fallen, oder diese Todesstrafe erleiden müssen', nach vorn fallen, denn mir sind Fälle vom Gegentheil, von ganz unzweifelhaften Selbst- mördern bekannt, welche man auf dem Bauche liegend gefunden hatte. Der Gerichtsarzt pflegt beim Aufheben des Leichnams nicht gegenwärtig zu sein, der ihm vielmehr erst später zur Prüfuno; überliefert wird; daher fehlt es mir in Beziehung auf diesen Punkt an massenhaften Erfahrungen, und häufige Nach- fragen bei unserm niedern Polizeipersonal, das mit dem Trans- port der Leichen beauftragt ist, führten, bei der Unachtsamkeit dieser Leute, nicht zum Ziel. Eben so wenig konnte ich sichere Belehrung durch Nachfrage bei kriegserfahrenen Officieren lin- den, von denen ich die verschiedensten und entgegengesetzten *) Vgl. bereits ol.en §. 0. S. 28S. Urthcilc hörte. Ich glaube auch in diesem Punkte nicht, dass die angeführten Schriftsteller aus eigener reicher Erfahrung sprechen, die zu machen sie schwerlich Gelegenheit hatten, und halte es daher für gerathen, die Frage für jetzt noch offen zu lassen und sie weiterer Prüfung zu empfehlen. Nach der jetzi- gen Sachlage muss ich ^meinerseits den Satz festhalten: dass allein aus der Lage des Erschossenen mit Sicherheit ein Schluss auf Mord oder Selbstmord nicht gezogen werden darf. 2) Das Auffinden oder Nichtauffinden der Schusswaffe neben der Leiche kann, wie Jeder weiss, gar nichts beweisen, denn dieselbe kann eben so wohl dem Selbstmörder nach dem Tode geraubt sein, also nicht neben ihm liegen, als sie neben den Gemordeten absichtlich vom Mörder niedergelegt* worden sein konnte, um das Verbrechen zu verdunkeln. Wie wunder- liche Combinationen auch hier übrigens vorkommen, zeigt der unten folgende 119. Fall, in welchem ein scharf geladenes Pi- stol neben einem, durch einen Herzschuss getödteten Manne ge- funden wurde. Findet man die Waffe, so kann man aus der Ijeschaffenheit derselben oft wenigstens Wahrscheinlichkeits- gründe entnehmen. So findet man z. B. nicht selten bei Selbst- mördern aus der armen und niedern Volksklasse neben der Leiche ganz alte und unbrauchbare Pistolen, oder blosse Läufe, oder eigends zugerichtete Schusswerkzeuge, wie sie schwerlich ein Dritter, wenn er die Absicht zu tödten hatte, gebraucht ha- ben würde; ein nirgends hervorgehobenes Moment, das ich als ein beachtenswerthes empfehle. Eben so giebt eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Selbstmordes der Befund einer zerspreng- ten Schusswaffe, da Selbstmörder dieselbe gern überladen, um ihres Erfolges gewisser zu sein, oder aus Unkenntniss schlecht laden. Alle Autoren empfehlen ferner, die Kugel, die den Tod bewirkte, in Beziehung auf ihr Kaliber mit dem Rohr der Waffe zu vergleichen. Es ist nicht recht ersichtlich, wozu diese Prü- fung angestellt werden soll, denn der Fall wird wohl kaum vorkommen, dass ein Mörder absichtlich eine andere, als die gebrauchte Warle neben den Leichnam legte! Im Uebrigen muss man, um diesen Vergleich anzustellen, vor allen Dingen die Kugel erst — haben. Man hat sie aber nicht, wenn sie zum Körper hinausgegangen, und dass man ihrer in sehr vielen Fällen nicht einmal habhaft werden kann*', auch wenn sie be- stimmt noch sich in der Leiche befindet, haben wir bereits (S. 290) angeführt. Endlich ist die Prüfung ganz unthunlich, wenn Schrot oder Rehposten, klein gehacktes Blei u. dgl. ge- braucht wurden, die in jeden Lauf passen, oder wenn die Ku- gel durch Anprallen an harte Körper ganz formlos geworden; denn, wie man räth (Bock), sie wieder zu klopfen und sie dann zu prüfen, ist ein unsicheres Experiment, gegen welches der Verfbeidiger eines etwanigen Angeschuldigten mit Recht protestiren würde. — Was die Prüfung des Laufes der Waffe auf Pulverschmutz und die B o uti gny' sehen Versuche hierüber betrifft., so ist davon und von der Unzulänglichkeit der letztem bereits oben (§. 37. S. 147) die Rede gewesen. 3) Die Hände der Leiche, oder in der Mehrzahl der Fälle die rechte Hand, sind bei weitem nicht so oft, wie angenom- men wird, von Werth für die Lösung des Zweifels, können aber allerdings von entscheidender Wichtigkeit sein. Dies ist der Fall, wenn man das Pistol u. s. w. krampfhaft in der Hand der Leiche so eingeklemmt findet, dass man sogar die Finger ab- sägen muss, um die Waffe zu befreien, der alleruntrügliehste Beweis des Selbstmordes, weil keine, erst gegen den Todten gerichtete Absicht eines Dritten diese Verschliessung der Hand mehr bewirken kann. Leider! gehört dies vortreffliche Zeichen zu den seltensten Befunden. Ihm nachstehend ist der Befund von Fingerbrüchen oder frischen Hautverletzungen in der Hand der Leiche, der immerhin den Beweis des Selbstmordes ergän- zen kann, wenn gleich'zu erwägen bleibt, dass Verletzungen dieser Art auch auf andre Weise entstanden sein konnten, und dies grade in wichtigen Fällen, wo aus andern Umständen so- gar die Vermuthung eines vorangegangenein Kampfes mit dem Mörder sich aufdringt, ein sehr ernstes Moment werden kann. Viel Werth legt man auf die vorgefundene Schwärzung der Hand der Leiche. Rührt dieselbe wirklich von eingebranntem Pulver her, so würde es gezwungen sein, wenn man hier noch dem Zweifel Raum geben wollte, dass dasselbe von einem frü- hem als dem tödtlichen Sehuss herrühren und clenatus folglich trotz dessen dennoch von dritter Hand erschossen worden sein konnte. Dieser Zweifel könnte durch die besondern Umstände eines concreten Falles vielleicht begründet sein; in der Regel aber wird das Zeichen wirklich beweisend für Selbstmord sein. Nur vergewissre man sich, dass man eine grauschwarze Fär- bung der Hand, wie sie bei Metallarbeitern vorkommt (vgl. 116. Fall) und in der That viel Aehnlichkeit mit Pulverschinutz haben kann, nicht für letztern halte. Man wasche nur die Hand sorgsam ab, und man wird den Metallrost entfernen, das einge- brannte Pulver nicht. Entgegengesetzt aber, also negativ, beweist das Zeichen von nicht eingebranntem Pulver gar nichts. Denn einmal kann der Selbstmörder Handschuhe beim Abschiessen getragen haben, die ihm nach dem Tode geraubt worden, oder aber sich der Hände zum Abschiessen direct ganz und gar nicht bedient gehabt haben, wie es im 113. Falle geschehn und andrerseits findet man bei notorischen Selbstmördern in den al- lermeisten Fällen eben so wenig Pulverschwärzung in Einer Hand, als nach dem Abschiessen der Waffe bei Soldaten, Schützen, Jägern u. s. w. Vielmehr verbrennt die Hand nur beim Abschiessen durch mehr oder weniger ungeschickte Hand- habung der, nicht mit einem Zündhütchen versehenen Schuss- waffe. Auch Verletzungen der Hand entstehn nicht bei geüb- ten Schützen und nur durch Ungeschicklichkeit, und so erklärt sich die erfahrungsmässige Thatsache, dass man bei den meisten ganz unzweifelhaften Selbsterschossenen an den Händen gar keinen bemerkenswerthen Befund zu erheben findet. Hiernach bleibt zur Beantwortung der Frage 4) die Richtung des Schusscanals oft als einzige Ba- sis für die Beurtheilung des Falles bestchn, wobei ich auf die, bereits im §. 11. angegebenen Schwierigkeiten zurückweise. Allgemein bekannt ist es, dass auch solche Schüsse, wie sie die Selbstmörder, der Sicherheit halber, vorzugsweise vor Andern, ausführen, also Schuss in den Mund, in die Schläfe oder in die Herzgegend, in einigen Füllen absichtlich von Mördern gewählt wurden, um die That zu verdunkeln und den 'Schein des Selbst- mordes zu erregen. Es kann aber unter Umständen die Rich- tung des Schusses eine solche sein, dass man absolut die Un- möglichkeit eines Selbstschusses annehmen muss, z. B. wenn derselbe von hinten nach vorn und oben nach unten verlief, wenn es eine Flintenkugel war, die in den Hinterkopf eindrang u. dgl., Fälle indess, die grade die allerseltensten sind. Und so muss auch hier wieder meistens der concrete Fall als solcher gewürdigt werden. Wenn die Schussöffnung z. B. sich tief im Gaumen befindet, wo also das Pistol angesetzt worden war (vgl. 115a. Fall), wenn denatus durch Vollstopfen des Mundes mit Pulver getödtet wurde (vgl. 121. Fall), so wird man nicht anstehu, den Selbstmord anzunehmen. Tudess keinesweges im- mer ist ein so positiver Ausspruch möglich, weil demselben die mannigfachen, hier angeregten Bedenken entgegen stehn. An- drerseits können wir auch hier, so wenig als in allen andern gerichtlich medicinischen Dingen, der nur zu allgemein belieb- ten subtilen Skepsis das Wort reden, wonach man in hundert Fällen von erschossen Gefundenen neunundneunzig Mal den Richter ganz und gar im Ungewissen lassen würde, wogegen sich schon der einfache gesunde Menschenverstand sträubt. Selbstmorde ereignen sich täglich, Morde glücklicherweise nur selten. Die statistische Erfahrung lehrt ferner, dass Selbstmord durch Erschlossen bei Männern, nächst der Todesart durch Er- hängen, die beliebteste, wie andrerseits bei Soldaten, Förstern, Jägern u. dgl. zufälliges Verunglücken durch Feuerwaffen so häufig ist. Es wird nach alle diesem folglich in zweifelhaften Fällen von vorn herein die Wahrscheinlichkeit gegen fremde Schuld am Tode des Aufgefundenen sein. Durch eine zweck- mässig gewählte Fassung seines Gutachtens vermag nun der Gerichtsarzt dies auszusprechen, sein Gewissen zu wahren, et- wanigen spätem Ermittelungen noch Raum zu lassen und dem Untersuchungsrichter doch eine gewisse Handhabe für die weitere Behandlung des Fidles zu liefern. Solche Fassungen, wie wir sie, wir wiederholen es, mit Erfolg täglich wählen, wenn die Gewissheit des Urtheils pro oder contra ausgeschlossen ist, sind z. R. folgende: „dass die Obduction mit (je nach Umständen des Falles, „sehr grosser" oder mit „grosser") Wahrscheinlichkeit für Selbstmord spreche, oder: „dass die Obduction keine Ergebnisse geliefert habe, welche der Annahme, dass denatus durch Selbstmord (Ver- unglückung) seinen Tod gefunden habe, widersprächen." In ungemein zahlreichen Fällen, alle gewaltsamen Todesarten be- treffend , in welchen wir auf diese Weise geurtheilt hatten und in denen richterlicherseits sonst keine weitern Verdachtsgründe auf fremde Schuld vorlagen, wurden die Fälle mit der Obduc- tion erledigt und die Acten zurückgelegt, während bei einer in ulizurechtfertigender Skepsis ganz unbestimmt gehaltenen Fas- sung des Gutachtens, wie z. B., „dass nach der Obduction gar nicht zu bestimmen, ob denatus durch eigene oder fremde Schuld gestorben", der Richter, um nur einigen gewissen Anhalt zu haben, genöthigt wird, den kostspieligen, verschleppenden In- stanzenzug anzugehn, einen vielleicht Verdächtigen, aber that- sächlich Unschuldigen, lange in Haft zu lassen, um doch endlich nach solchen unerfreulichen Umwegen zur Reposition der Acten zu gelangen. §. 15. Casuistik. 113. Fall. Selbstmord durch Schuss in die linke Lunge. Ein junger, hier studirender Mediciner hatte in lange bestandener melancholischer Gemüthsstimmung seinen Tod beschlossen. Er setzte eine doppolläuiige, ganz neue Pistole, die er doppelt geladen hatte, an den Tischfuss seines Sophatischcs, band au das untere Ende eines Eohretook- chens ein Stückchen Fcuerschwamm, setzte sich auf den Sopha, zündete den Schwamm an und brannte nun das Pulver in der Zündpfanne los, nachdem er sich mit dem Oberleib möglichst vorn fibergebeugt hatte, um die Kugeln in das Herz zu leiten. Sie verfehlten dieses, zerrissen aber die linke Lunge, gingen in divergirender Richtung am Kücken hinaus, und blieben im weichen Sophapolster stecken, wo wir sie fanden. Der Unglückliche lebte noch fünf Stunden, und so hat man den Hergang genau erfahren. Natürlich konnte in diesem eigentümlichen Falle die Hand weder eingebranntes Pulver, noch Verletzungen n. s. w. zeigen. 114. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Schusswundc in Zwerchfell und Milz. Wieder ein Fall, der seine Eigentümlichkeiten darbot. Ein 4Sjäh- riger Mann wrurde im Januar bekleidet im Wasser todt gefunden. Sein Rock und Ueberrock waren bis an den Hals zugeknöpft, Kleider und Hemde unverletzt. Man zweifelte nicht einen Ertrunkenen vor sich zu haben, und begreiflich ist die Ueberraschung der Polizeibeamten, die nun beim Entkleiden — eine Schusswunde in der Herzgegend fanden! Bei der hierauf verfügten Obduction ergab sich, dass der Schuss in die Brust eingedrungen war, das Zwerchfell und die Milz durchbohrt hatte, und an der Wirbelsäule in den Muskeln stecken geblieben war. Die Lungen waren gesund und enthielten kein Wasser, die Luftröhre kaum etwas blutigen Schaums, das rechte Herz war überfüllt, das linke leer, der linke Pleurasack enthielt anderthalb Tassen Blut, die Zunge war eingeklemmt. Im Kopfe fand sich ein grosser Blutandrang in den Venen und sinus, im Magen eine Tasse schmutzig braunen Wassers, im Uebri- gen Alles normal, nur eine ungewöhnliche Obesität am ganzen Leichnam. Am frühen Morgen hatte man in dem, dem Teiche nahe stehendem Hause die Hunde bellen hören, und man konnte von einer, vom Teiche nicht sehr entfernten Stelle, wo der Schnee mehr aufgewühlt war, in demselben deut- lich Fusstritte bis zum Teiche verfolgen. Die Beurtheilung des sehr un- gewöhnlichen Falles war, wie man sieht, nicht ganz leicht. Es wurde im Gutachten geurtheilt, dass die Schusswunde eine absolut lethale gewesen. Diese nothwendige Tödtlichkeit sei jedoch keine nothwendig augenblick- liche gewesen, und der Geschossene habe damit füglich noch einigo Schritte bis zum nahen Wasser gehen können, und hier bald seinen Tod gefunden, wie wenigstens mehrere, im Leichnam gefundene Zeichen des Ertrinkungstodes bewiesen. Was die Frage von der Thäterschaft beträfe, so müsse Selbstmord angenommen werden, da nur so, in Betracht der Möglichkeit eines, noch kurze Zeit fortdauernden Lebens mit Besinnung nach dem Schusse, der Befund der ganz zugeknöpften Kleidungsstücke zu erklären sei. Ein Mörder hätte, da Kleider und Hemde unverletzt waren, den denatus nackt vor sich haben müssen, und dann sei wieder die volle Bekleidung, in der die Leiche gefunden worden, fast unerklär- lich. Endlich spräche auch der Umstand, dass der Tod, noch bevor die tödtliche Schusswuude ihre letzte Wirkung geäussert, durch Ertrinken erfolgt, gegen Mitwirkung dritter Thäter. Dass das abgeschossene Pistol in der Rocktasche der Leiche gefunden worden, konnte als beweisend nicht erachtet werden, da möglicherweise auch ein Mörder, um die Ver- muthung eines Selbstmordes rege zu machen, dasselbe absichtlich hinein- gesteckt und zurückgelassen haben konnte. Wohl aber sprächen endlich analoge Fälle von Selbstmördern noch für unsere Ansicht. — Später wurde ermittelt, wer der bisher Unbekannte gewesen (ein fremder Kauf- mann), und dann durch die Umstände unser Urtheil durchaus bestätigt. 115. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Tödtliche Kopf-Schusswunde. Ein junger Mann von 19 Jahren hatte sich durch den Kopf geschossen. Während die Uhr in der Tasche der Leiche gefunden worden, fehlte das Pistol, und dieser Umstand veranlasste das gerichtliche Einschreiten und die Obduction. Die Kugel war auf der Mitte der Stirn eingedrungen, wo sie die Weichtheile in Form eines M zerrissen. Kein eingebranntes Pulver zeigte sich an den Rändern der Stirnwunde. Die Ausgangs- öffnung der Kugel befand sich am Hinterhauptsbein. Die Knochenöffnung an der Stirn hatte einen Zoll im Durchmesser, während die Ausgangs- stelle kaum die Spitze des Zeigefingers durchliess. Das ganze Schädel- gewölbe fand sich abgesprengt, und hing nur am Hinterkopf noch in der Länge von zwei Zollen fest zusammen. Die ganze Oberfläche des Ge- hirns war mit Blut bedeckt und das ganze Gehirn zerfetzt. Die Um- stände des Falles sprachen für Selbstmord, und wir urtheilten, dass die Obduction keine Ergebnisse geliefert habe, die dieser Annahme wider- sprächen. 115». Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Tödtliche Kop f-S cli u ss w u n d ei Ein 3 f)j ähriger, kräftiger Mann war erschossen gefunden worden. Auffallend war die über dem Körper verbreitete, ungemein sichtbare Gänsehaut*). Sehr ungewöhnlich war die Richtung des Schussca- nals; der Schuss war mitten im Gaumen eingegangen, wo sich die scharf gerundete Oeffnung fand; von der pons Varotii ab liess sich der Canal im Gehirn in diesem Falle leicht verfolgen; da wenig oder gar kein ergossenes Blut im Gehirn vorgefunden wurde. Mitten im Hinter- hauptsbein war ein zweithalergrosses, unregelmässig rundliches Knochen- stück abgesprengt, und unmittelbar dahinter lagen zwei halbe Kugeln. An den Händen fand sich Nichts Auffallendes, aber bei einer solchen Ein- gangsöffnung des Schusses war ein Selbstmord anzunehmen. 116. Fall. Spitzkugel-Sehuss in Herz und Milz. Anderthalb Zoll von der linken Brustwarze zeigte sich bei dem 30jährigen Mann eine kreisrunde, nur einen viertel Zoll im Durchmesser haltende Oeffnung mit scharfen, weder aufgewulsteten. uocli eingestülpten und ganz glatten, trockenen Rändern, deren Umgegend in einem Kreise von zwei Zoll dunkel gefärbt ist. Die Stelle ist lederartig und ist nicht nicht sugillirt. Die Finger sind gebogen und steif. Das erste Glied des linken Zeigefingers ist gebrochen, ausserdem bemerkt man unterhalb der Bruchstelle an der Beugeseite eine erbsengrosse blutige Wunde. Die Volarfläche der Hand ist mit trocknem Blut bedeekt. Beide Hände sind sclmjarzgrau schmutzig, aber die Färbung wird durch Abwaschen leicht entfernt. Es konnte hiernach sofort auf das Gewerbe des denalus geschlossen werden und fand es sich auch, dass er — ein Klempnergeselle gewesen war. Am Rücken links, etwa drei Zoll tiefer als die vordere Wunde, am neunten Rückenwirbel, 2 Zoll von dessen Dornfortsatz, zeigte sich eine halbmondförmige, einen viertel Zoll im Durchmesser haltende Wunde mit scharfen, ganz glatten, unsugillirtcn weder auf- noch eingestülpten Rändern, ein sehr charactoristischer Spitz- kugelschuss. Hätte man mit einem scharfen Messer bei einer Leiche einen halbmondförmigen Hautlappen gebildet, so würde derselbe genau so ausgesehn haben, wie der Vorliegende. Bei der Section landen wir *) Vgl. unten: Ertrinkungstod, 6. Kapitel, §. 54. an der Eingangsöffnung die fünfte Rippe angebrochen, und liier war der Söhusa eingedrungen. Die ganze Umgegend dieser Stelle ist mit ge- ronnenem Blute infiltrirt, ein abermaliger Beweis für das oben*) be- hauptete Gerinnen des Blutes nach dem Tode. Denn der Tod musste urplötzlich eingetreten sein, da sich in der linken Herzkammer ein andert- halb Zoll langer Einriss mit ganz zerrissenen Rändern zeigte. In diesem Ventrikel fand sich noch einiges Blutgerinnsel; die rechte Herzhälfte war wie die grossen Gefässe, unverletzt und leer. Aber der ganze linke Brust- fellsack war vollständig ausgefüllt mit einem, theils flüssigen, theils ge- ronnenem Blute. Beide Lungen waren unverlezt geblieben, der Schuss war aber, nachdem er Herzbeutel und Herz getroffen, durch das Zwerch- fell in die Bauchhöhle gegangen und hatte hier noch die Milz an ihrem obern Rande durch einen Riss mit ungleichen zackigen Rändern verletzt. Denn ins hatte also mit der 1 inken Hand die Waffe in die Herzgegend ge- setzt gehabt, und die Spitzkugel war von oben nach unten und von vorn nach hinten durch den Körper gegangen. 117. Fall. Selbtmord durch K o pf-Schuss wu n d e ohne Kugel. Bei diesem 25jährigen Manne fand sich eine zweithalergrosse, runde Schussöffnung in der rechten Schläfengegend, aber keine Ausgangsöffnung. Die weichen Bedeckungen waren zerfetzt und trocken blutig; linkes wie rechtes Schläfenbein abgesprengt, und die Schädelgrundfiäche in Fissuren gesprengt. Die Richtung des Schusscanals verlief queer durch das Ge- hirn und an der innern Lamelle des linken Schlafbeins lag ein hasclnuss- grosser Papierpfropf, der hier das einzige Projectil gewesen war. Die blutbefleckte rechte Hand und Oberarm, und in diesem Falle einmal deutliche Einbrennung von Pulver in den Fingern Hessen keinem Zweifel über den Avirklichen Selbstmord Raum. Das eingebrannte Pulver er- klärte sich auch hier wieder durch die Ungeschicklichkeit des Schützen, der ein ganz altes, sehlechtes, kleines Terzerol gebraucht und offenbar uberladen hatte, denn der Lauf fand sich geplatzt. Auch in diesem Fall fanden wir eine deutliche Gänsehaut auf dem Körper. *) 8» 2ß. 118. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Schnss in Herz und Lunge. Ein 52jähriger blinder Mann war in seinem Zimmer, am warmen Ofen sitzend, erschossen und todt gefunden worden. Der Terzerols.;huss war in die linke Brustseite eingedrungen. Die äussere Wunde war drei Zoll lang und fünf Viertel Zoll breit, und hatte zerrissene, nach ober- halb einen halben Zoll breit schwarz verbrannte Ränder. Die Ku^el war zwischen der sechsten und siebenten Rippe eingegangen, hatte die linke Lunge ganz zerrissen, und das Herz so zerfetzt, dass nur ein Stück der "Wand des rechten Ventrikels erkennbar war. Im Brustfellsacke dieser Seite fanden sich acht Unzen dunkelflüssigen Blutes. Die rechte Lunge war blass und blutleer, wie überhaupt der ganze Leichnam Anämie zeigte, mit Ausnahme der Venen der pia mater, welche noch massig gefüllt waren. Der Rücken war mit Todtenflecken sehr reichlich besetzt. Der Fall musste auffallen. Denatus war ganz blind gewesen, und zwei aus- gebildete, reife Cataracten fanden sich .in den Augen der Leiche auch deutlich vor. Motive zum Selbstmorde waren seiner Familie ganz unbe- kannt. Dieselbe hatte auch gar keine Ahnung davon gehabt, dass und wo er sich das Terzerol gekauft hatte, das er früher nicht besessen hatte, und das neben der Leiche gefunden wurde. Auch wurde kein Schiess- bedarf bei ihm vorgefunden. In seiner letzten Zeit (im Herbst 1848) war er von der politischen Aufregung angesteckt Avorden, und hatte sich na- mentlich jeden Abend in die Clubs führen lassen. Dass solche spärliche Data noch nicht ausreichten, um auf Mord schliessen zu lassen, ist ein- leuchtend, wie man auch zugeben wird, dass dieser Schluss nach der Di- rection der Schusswunde nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Die Besich- tigung der Hände führte zu keinem Resultat. Beide waren, so weit es der Kerzenschein — die Obductiou musste bei Licht gemacht werden — erkennen liess, schmutzig graublau und die Fingern flectirt, aber Eine Hand unterschied sich in keiner Beziehung von der andern. Dagegen war das Hemde bei Seite geschoben, und, sowie der Schlafrock, unver- letzt. Sprach dies für freiwilligen Tod, so war doch die Möglichkeit vor- handen, dass ein Dritter den ganz blinden, auf dem Stuhle am Ofen sitzenden, vielleicht eingeschlafenen Mann, absichtlich auf so vorsichtige, den Schein des Selbstmordes erweckende Weise habe erschiessen können. Bei dieser Sachlage schlössen wir das Obductions-Protocoll mit dem sum- marischen Gutachten: „dass aus der Obduction keine Gründe zu entneh- men, die der Annahme widersprächen, dass denains seinen Tod durch Selbstmord gefunden habe". Durch spätere richterliche Ermittelungen ist denn auch der Selbstmord erwiesen, nnd der Fall deshalb nicht wei- ter verfolgt worden. — Sehr ähnlich, aber schwieriger zu beurtheilen, war der H9. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Herz-Schusswunde. Im Friedrichshain, der neuen Parkanlage vor den Thoren Berlins, wurde an einem Baume sitzend, ein 40jähriger Mann erschossen gefun- den. Seine Uhr und seine Börse, von denen man wusste, dass er sie bei sich geführt, fehlten, und neben ihm lag, ein gewiss sehr seltener und seltsamer Fall, ein scharf geladenes Pistol. Die Oberkleider der Leiche fanden sich zurückgeschlagen, das Hemde war vom Schusse durch- bohrt, der zwischen der vierten und fünften Rippe links eingedrungen war. Hier fanden wir eine rundliche, einen halben Zoll im Durchmesser haltende Wunde mit zerrissenen Rändern, die weder nach aussen, noch nach innen eingestülpt waren. Im Umkreis von zwei Zollen war die Haut gelbbraun und hart zu schneiden; aber von eingebranntem Pulver zeigte sich an den Rändern keine Spur. Innerhalb der Brusthöhle fan- den wir einen Erguss von drei med. Pfunden von theils geronnenem, theils flüssigem Blute im linken Pleurasäcke und Zerfetzung des ganzen linken Herzens durch den Schuss. Auch in diesem Falle konnte, trotz sorgfältigsten Suchens, die Kugel, die keinen Ausgang genommen hatte, im Leichnam nicht gefunden werden. Beide Hände waren, wie alle Ge- lenke, biegsam, und auch in den Händen fand sich kein eingebranntes Pulver. Lag hier Mord oder Selbstmord vor? Die Frage, die bei der Obduction an uns gerichtet ward: „ob denalus, nachdem er die vorge- fundene Verletzung erhalten, noch Einmal habe laden können"? — wo- nach der Befund des geladenen Pistols bei der Leiche erklärt wäre — konnten wir natürlich zu verneinen keinen Augenblick Anstand neh- men, da der Tud ein urplötzlicher gewesen sein musste. Weit schwieri- ger war die Beantwortung der Frage vom zweifelhaften Selbstmord. Der Verstorbene konnte, vielleicht in angetrunkenem Zustande, der Uhr und Börse beraubt und dann erschossen worden sein, und der Mörder in die- sem Falle das Pistol absichtlich noch einmal geladen und neben die Leiche gelegt haben. Bei dieser Annahme wäre aber der Befund der zurück- geschlagenen Kleider immerhin aufYalleud gewesen. Denalus konnte aber auch sich selbst erschossen, zu diesem Zweck zwei geladene Pisto- len mit hinaus genommen haben, und nach dem Tode der Uhr, Börse und einer Pistole beraubt worden sein. Der Mangel von Pulverschwärzung in den Rändern der Schusswunde konnte keine beider Annahmen unter- stützen, da jedenfalls der Sehuss nicht von fern hergekommen war, ebenso wenig, wie derselbe Mangel in den Händen, nach dem, was wir hierüber bereits (S. 310) angeführt, für beweisend erachtet werden konnte. Bei dieser schwierigen Sachlage des vorliegenden Falles mussten wir unser Gutachten dahin abgeben: „dass die Obduction keine Datazur zweifels- freien Beantwortung der Frage vom Mord oder Selbstmord geliefert habe, dass ihre Ergebnisse jedoch die Möglichkeit des Selbstmordes keineswegs ausschlössen". Auch dieser Fall ist hiernach nicht weiter verfolgt worden. 120. Fall. Schuss ohne Kugel in Herz und Lunge. In diesem Falle war der Selbstmord (eines Krankenwärters) consta- tirt. Nach der auffallend grossen Schussöffnung zu schliessen, hatte der Mensch wahrscheinlich mit Wasser geladen. Die Eingangsötfhung — eine Ausgangsöffnung' fehlte auch hier, wo wieder ohne Kugel geschossen worden war, befand sich anderthalb Zoll unter der linken Brustwarze; sie war fast zwei Zoll lang und einen Zoll breit, und hatte zerrissene, weder entschieden nach innen, noch nach aussen gekehrte Ränder. In ihrer Umgegend befanden sich mehrere blutunterlaufene, zum Theil von der Epidermis entblösste Stellen von schmutzig braunrothem Ansehn und weich zu schneiden. An und in den Händen keine Abnormität. Auffal- lend war eine Zerschmetterung der acht Rippen von der vierten (linken) bis zur elften. Im linken Pleurasack anderthalb Quart sehr dunkeln Blutes, worin Herzsubstanz und viele Blutgerinnsel schwammen. Die linke Lunge war an ihrem vordem Rande etwas eingerissen, und im zer- rissenen Herzbeutel fand sich das bis zur Unkenntlichkeit zerfetzte Herz. Im blutigen Inhalt der linken Brusthälfte fanden sich Knochensplitter von den zerschmetterten Rippen und ein Papierpfropf von starkem grauem Papier, aber keine Kugel. Alle übrigen Organe waren unverletzt. 121. Fall. Z w ei f cl h aft e r Sei b s tm o r d. Erschiessen durch Vollstopf en ;.-,o verkohlt, aber reichlich mit Brandblasen besetzt, die kleiner und grösser und zum Theil mit Serum gefüllt, zum Theil leer waren, was von allen auf dem ganzen Körper zahlreich gefundenen Phlyktänen gilt. Bemerkenswerth war noch, dass Na- tes und äussere Geschlechtstheile vollkommen verkohlt waren, so dass an letztern gar kein anatomischer Bau mehr erkannt werden konnte. Nur allein die Unterschenkel und Füsse waren ganz unversehrt. Bei der innern Besichtigung zeigte die Schädelhöhle und das Gehirn Blutleere, sonst Nichts, was für die Beurtheilung des Todes hätte erheblich werden können, weshalb wir die einzelnen Befunde liier übergehn; der Bruch der Nasenbeine konnte nun noch genauer constatirt werden; dass er im Leben entstanden, bewiesen die Sugillationen, die sich in die Knochen erstreckten. Die Schleimhaut der Luftröhre erschien, nachdem mit dem Schwamm ein schmutziger (Russ-) Niederschlag abgewaschen war, „ hell- kirschroth gefärbt, und etwas blutig-wässriger Schaum fand sich im lumeil der Luftröhre vor." Die Lungen waren „stark mit einem dunkeln Blute überfüllt", das schlaffe Herz „in seiner linken Hälfte blutleer, in der rechten mit schwarzem Blute überfüllt"; die Speiseröhre leer und normal; die grossen Venenstämme der Brust stark mit dunklem Blut erfüllt. Von der Bauchhöhle habe ich nur hervorzuheben, da alle Organe normal be- schaffen waren, dass die V. Cava viel dunkelflüssiges Blut enthielt. Nach diesen Befunden mussten wir schon im summarisch-vorläufigen Gutachten gleich nach der Obduction annehmen: dass denata den Er- stickungstod gestorben, und dass es „ sehr wohl möglich" , dass die be- deutende Verbrennung die alleinige Ursache dieses Erstickungstodes ge- wesen sei. Für den Obductionsbericht wurden uns nun folgende Fragen zur Beantwortung vorgelegt: 1) Ist gewiss, wahrscheinlich oder nur möglicherweise der Erstickungs- tod der Hake durch die ihr mit der Faust und mit dem Steine beigebrachten Schläge gegen die Stirn und auf die Nase unmittel- bar oder mittelbar herbeigeführt, oder sind diese Schläge unmög- lich die Ursache des Erstickungstodes? 2) Wenn dies der Fall, ist er dadurch, dass Fritze nach den bei- den Schlägen die Hake, welche corpulent und hoch in Jahren gewesen, auf den Leib gelegt, und sie so einige Stunden bis zu seinem Fortgehn ohne Wahrnehmung eines Lebenszeichens hat liegen lassen, herbeigeführt worden? 3) Aus welchen medicinischen Gründen lässt sich nachweisen, dass nur der Statt gehabte Dampf des angelegten Feuers den Er- stickungstod der Hake herbeigeführt habe? Der Obduetionsberieht begann nun damit nach der damaligen Anforderung des Gesetzes, da hier Tödtung nach Verletzungen vorlag, diese im Sinne des §. 169. der Criminal-Ordnung (nach ihren Lethalitätsgraden) zu würdigen. Da aber, selbst zugegeben, dass sie eine Hirnerschütterung unmittelbar zur Folge gehabt, diese Verletzungen sich nicht als Todesursache durch die Section er- wiesen hatten, die vielmehr den Tod durch Erstickung bewies, so mussten wir zunächst behaupten, dass die drei Lcthalitätsfragen auf den vorliegenden Fall o-ar keine Anwendung fänden. Nachdem nun wissenschaftlich moti- virt worden, dass und warum hier Erstickungstod anzunehmen sei, wur- den sämmtliche verschiedene mögliche Entstehungsweisen des Erstickungs- todes angegeben, und nun in Beziehung auf die erste der vorgelegten Fragen fortgefahren; „namentlich kann derselbe durch Kopfverletzungen, die an sich nicht einmal schwere und tödtliche waren, nicht etwa das ganze Gehirn, oder grosse und wesentliche Theile desselben zermalmt, und dadurch die Innervation der Lungen zerstört hatten, nicht bedingt werden. Im vorliegenden Falle ist hierbei die Zermalmving der Nase allerdings in sofern nicht ganz unberücksichtigt zu lassen, als bei einer solchen Verletzung das Athemholen mehr oder weniger erschwert werden muss. Der bei weitem wichtigere Weg aber für die Athmung, der durch den Mund, bleibt bei einem Bruch, ja bei einer völligen Zerquetschung der Nase ganz ungehindert, und es kann demnach aus einer noch so be- deutenden Beschädigung der Nase, wenn nur der Hauptweg der Luft- strömung durch die Athemwerkzeuge nicht behindert wird, Erstickung nicht entstehn." Hiernach wurde mit Bezug auf die erste Frage geant- wortet: dass jene Schläge „unmöglich die Ursache des Erstickungstodes gewesen seien." In Betreff der nicht leichten zweiten Frage wurde im Wesentlichen Folgendes gesagt: „wir müssen abermals wiederholen, dass die Hake an den Kopfverletzungen nicht gestorben ist. Sie war also noch nicht todt, als Fritze die am Boden scheinbar leblos Daliegende todt glaubte, sondern sie lag höchstens — wenn seine Aussage überhaupt Glauben verdient — in jener Betäubung, die die Kopfverletzungen aller- dings veranlassen konnten, aber noch athmend am Boden. In diesem von uns vorausgesetzten Zustande drehte Fritze sie angeblich um, und legte sie auf das Gesicht, welches allerdings, bei der durch den Knochen- bruch platt gedrückten Nase, hart auf der Diele zu liegen kommen musste. Hierdurch musste begreiflich die Athmung erschwert werden. Berück- sichtigt man hierzu, dass die Hake sehr hoch in Jahren gewesen, in welchem Lebensalter überhaupt die Athmung schon weniger häufig und 22* energisch ist, und ist es ferner wenigstens nicht actenwidrig, anzunehmen, dass sie in einem gewissen Grade von Hirnerschüttcrung dalag, bei wel- cher an sieh die Respiration selten und Gtoterdtfffckt wird, so ist es nicht unmöglich, dass durch alle diese Momente die Behinderung der Ath- mnng sich bis zur endlichen Erstickung steigern konnte. Dunkel bleibt uns jedoch bei dieser Annahme, der wir nicht einmal eine höhere Wahr- scheinlichkeit, geschweige Gewissheit beilegen, die Verkohlung des Gesichts, das als fast ganz flach auf dem Boden liegend angenommen werden muss, wahrend der Fussboden an dieser Stelle gar nicht sehr verbrannt oder verkohlt war. *) Eben so scheint gegen diese Annahme der Befund der gänzlich verkohlten rechten Hand zu sprechen, die wohl, worüber wir keine Wissenschaft besitzen, bei der am Boden bereits todt liegenden so gelegen haben kann, dass die Flamme sie besonders und vorzugsweise ergriffen haben mag, während sich die Annahme nicht ganz abweisen lässt, dass die Hake damals noch lebte, als die Flamme ihre Kleidungsstücke und das Kissen, womit ihr Rücken bedeckt gefun- den wurde, ergriffen, und dass sie nun, halb oder ganz besinnlich, mit der rechten Hand so viel als möglich sich zu retten, und die brennen- den Stoffe von sich zu reissen versucht habe. Wir können hiernach die zweite Frage nur dahin beantworten: dass der Erstickungstod dadurch, dass Fritze nach den beiden Schlägen die Hake auf den Leib gelegt, und sie so einige Stunden hat liegen lassen, möglicherweise herbei- * geführt worden sein kann." Zur dritten Frage äusserten wir uns dahin: „wie stark der Rauch und Dampf des Feuers gewesen sei, und wie sehr derselbe die beiden kleinen Zimmer der Hake'schen Wohnung erfüllt haben müsse, davon gab der starke Kohlenniederschlag einen Beweis, den wir auf allen Mö- beln und Stoffen daselbst vorfanden. Eben so beweisen dies die fast ganz verbrannten und verschwälten Kleidungsstücke, die denata am Leibe gehabt hatte, so wie endlich die Intensität des Feuers und seiner Wir- kung auf den Körper der Hake aus den Verkohlungen an ihrer Leiche, namentlich am Gesicht, rechtem Ohr, rechter Hand, den nales und Ge- schlechtstheilen deutlich hervorgeht. Dass ein solcher Brand und Rauch einen darin hülflos Verweilenden tödten müssen, bedarf keines Beweises, wie es denn auch von selbst erhellt, dass in solchem Falle die Obduction gerade die Resultate liefern wird, welche die des Körpers der Hake er- *) Ein Umstand, der in vielen Fällen der sogenannten Selbstverbrennung ähnlich beobachtet, und als einer der vielen wunderbaren Befunde dabei ge- schildert worden ist! I geben hat, nämlich Verbrennungen und Verkohlungen an der Oberfläche und Erstickungstod im Innern. — Dass aber letzterer bei der denata „nur" auf diese Weise erfolgt sei, lässt sich „aus medicinischen Grün- den" durchaus nicht erweisen. Im Gegentheile sind mehrfache, ander- artige Veranlassungen hierbei denkbar. Keine andern als die vorgefun- denen Sectionsresultate würden sich ergeben haben, wenn z. B. Fritze die durch die vorgängigen Schläge betäubte Hake mit den Händen er- würgt, oder sie mit einem Strangulationswerkzeug erdrosselt gehabt, und nachher den Hals so verbrannt und geröstet hätte, wie er von uns ge- funden worden, und woran eine etwanige frühere Strangmarke unmöglich mehr zu erkennen war — oder wenn derselbe das Kopfkissen der auf dem Boden Liegenden so lange gewaltsam auf das Gesicht oder über den Kopf hinüber gedrückt hätte, bis er sie erstickt wusste, oder vermuthen konnte und nachher den Brand angelegt hätte" u. s. w. — Hiernach be- antworteten wir die letzte vorgelegte Frage dahin: „dass aus medicini- schen Gründen sich gar nicht nachweisen lasse, dass nur der Statt ge- habte Dampf des angelegten Feuers den Erstickungstod der Hake her- beigeführt habe." Fritze ist hingerichtet worden. Wie oben schon bemerkt, so war es psychologisch höchst merkwürdig, dass er, der sehr bald im Gefäng- niss reumiithig und weich geworden war, und ein freiwilliges Geständniss des Mordes mit allen Einzelheiten abgelegt hatte, doch nicht dazu zu be- wegen war, die ohne allen Zweifel von ihm verübte Brandstiftung einzu- bekennen. Noch einen Tag vor seiner Hinrichtung, wo Nichts auf Erden mehr für ihn zu hoffen noch zu fürchten war, sprach ich ihm im Gefäng- niss zu, mir, da es mich persönlich für meine Wissenschaft interessire, nun noch zu erzählen, wie er die Hake behandelt habe. Umsonst! Er blieb dabei, dass er nicht wisse, warum er beim Weggehn das bren- nende Licht unter den Rohrstuhl und dicht neben das Bett der Ermor- deten gestellt habe! Er scheute sich nicht, von seinem Gewissen ge- peinigt, zu gestehn, dass er ein Mörder geworden, als Mordbren- ner aber wollte er nicht aus der Welt gehn. Das ist das eigenthiim- üche point d'honneur der Verbrecher, von welchem man in der Ver- brecherwelt vielfache Beweise findet. 126. Fall. Tödtliches Verbrühen im Bade. Ein 68jähriger geisteskranker Mann war in einer Krankenanstalt da- durch gestorben, dass er sich in einem heissenBade verbrüht hatte. Da eine inuthmaasslicho Fahrlässigkeit seiner Wärter vorlag, so wurde die gerichtliche Section verfügt. Wir landen die Hafte des Rückens und Unterleibs, den ganzen linken Vorderarm, die Geschlechtstheile und die ganzen Unterextremitäten so verbrannt, dass an allen diesen Theilen die Oberhaut in Fetzen über der braunrothen cutis abgelöst lag, und die Nägel an Fingern und Zehen ganz fehlten. Der Unglückliche hatte nur noch zwei Stunden nach der Verbrennung gelebt. Von den Sectionsre- sultaten musste eine sulzige Ausschwitzung auf der Gehirnoberfläche, ein sehr hartes Gehirn, die sehr grosse, rostfarbene, mürbe Leber und die musartige Milz als in Beziehung zu der anderthalbjährigen Geisteskrank- heit des denatus stehend angenommen Averden, und nur eine starke Blut- anhäufung im Gehirn und eine strotzende im rechten Herzen, und na- mentlich die Beschaffenheit des Blutes, welches dunkel, fast schwarz und musartig geronnen war, konnten auf Rechnung des Verbrennungstodes gebracht werden. Dass bei einer Verbrennung, die zwei Drittel des ganzen Körpers betroffen und den Tod in zwei Stunden bewirkt hatte, die (damals) absolute Tödtlichkeit der Verletzuug angenommen werden musste, versteht sich von selbst. 127. Fall. Tödtliche Verbrennung durch Flamme. Durch Anbrennen seiner Kleider war ein anderthalbjähriger Knabe nach zwei Tagen gestorben. Apoplectische Gchirncongestion, deutliche Entzündung der Luftröhre und rothe Hepatisation des untern Lappens der rechten Lunge waren die Ergebnisse der Autopsie. Das häufige Auftreten von Entzündungen der Athmungswerkzeuge nach ausgebreiteten Verbrennnungen ist eben so bekannt, als physiologisch bei dem Consensus der Hautathmung mit der der Lungen erklärlich. 128. Fall. Ein gerösteter Mensch. Bei einem 83jährigen Manne, der vor dem Ofen sass, hatten die Kleider Feuer gefangen, und waren spurlos zu Zunder verbrannt. Der alte, schwache und hülflose Mann wurde todtund geröstet vor dem Ofen aufgefunden. Der Körper lag in flectirter Stellung, war schwarz ver- kohlt, mit Ausnahme der stark schwarzbraun gebrannten, aber nicht ver- kohlten Unterextremitäten. Besonders zerstört war der ganze Rücken, so dass die Leiche beim Versuche sie aufzurichten — zerbrach. Auf der rechten Seite waren die äussern Bedeckungen von einander geplatzt, und man hatte durch die Risse einen Einblick in die Brust- und Bauch- hohle, in welcher letztern man deutlich den gerösteten rechten Leber- lappen unterschied. Von einer weitern Untersuchung der Leiche wurde natürlich Abstand genommen. 129. und 130. Fall. Verbrennung zweier Kinder. Ein Knabe von 6|- Jahren und seine Schwester von drittehalb Jah- ren waren in einem Brande, den angeblich die Mutter absichtlich in der Stube, namentlich im Korbe, in welchem das jüngste Kind auf Eedern und Lumpen lag, angelegt hatte, umgekommen. Am Körper des jüng- sten Kindes zeigten sich überall Brandverletzungen. Schwarz verkohlt nämlich waren die äussere Fläche der linken Oberextreniität, die Ge- schlechtstheile, nates und die Fusszehen am rechten Fusse; braun und lederartig, geröstet die linke Gesichtshälfte, die linke Rumpfseite, und endüch zeigte sich die niederere Stufe der Verbrennung, Ablösung der Oberhaut, an der rechten Oberextremität, der linken Hand und an bei- den Oberschenkeln. Der Knabe dagegen hatte gar keine Brandwunden. Auch diese beiden Kinder waren an Erstickung gestorben. Ganz vor- züglich ausgeprägt war in Beider Luftröhren eine Anfüllung mit nicht sehr schaumigem, dunkel - schmutzigem Schleim, in welchem deutlich schwarze Partikelchen (Kohle) sichtbar waren. Beider Kinder Lungen, vorzüglich die rechten, waren mit dunkelm und flüssigem Blute sehr überfüllt, eben so, besonders bei dem Knaben, die grossen Venenstämme der Brust- und Bauchhöhle. Das rechte Herz enthielt bei diesem einen halben Esslöffel, bei dem Mädchen nur einen halben Theelöffel eben solchen Blutes. Die Baucheingeweide waren bei dem Mädchen gar nicht, bei dem Knaben aber die Leber und rechte Niere hyperämiseh. Beide Mägen strotzten von Aepfel- und Kartoffelbrei. Beide Harnblasen waren leer. Die Dünn- därme hatten nur bei dem Knaben ein rosenröthliches (choleraähnliches) Ansehn, wie es sehr häufig nach dem Erstickungstode vorkommt; die Dickdärme waren bei Beiden voll Koth. Das Gehirn sah bei beiden Kindern eigentümlich rosenroth auf seiner ganzen Oberfläche aus, und auch seine Substanz war bei Beiden blutreicher als gewöhnlich, was von den Sinus nicht gesagt werden konnte. Beiläufig bemerke ich, dass die Thymusdrüse bei dem fast siebenjährigen Knaben noch wallnussgross war, und dass bei beiden erstickten Kindern die Zunge nicht eingeklemmt, sondern hinter den Zähnen liegend, gefunden wurde. (S. Erstickungstod §. 39. u. f.) 131. Füll. Tödtliche Verbrennung durch heisses Metall. Ganz eigentümlich war dieser Fall. Ein zweijähriges Mädchen war mit After und Geschlechtstheilen auf ein heisses Plätteisen ge- fallen und war nach elftägigem Leiden gestorben. Die Schaam- theile fanden sich bis nach dem mons veneris hinauf und nach unten und hinten bis zum Steissbein braunroth, lederartig hart (ge- röstet) und der Scheidenkanal grauroth, matschig, also gangränös. Der Uterus hatte an der Gangrän keinen Theil genommen, und innerlich war überhaupt nur die Flüssigkeit des Blutes und die helle Rothe der Luftröhrenschleimhaut, auf der sich sogar etwas rüthlicher Schaum vorfand, sehr auffallend, da das Kind noch elf Tage gelebt hatte, und ein suffo- catorischer Tod hiernach und auch nach der bleichen Farbe und Blut- armuth der Lungen nicht anzunehmen war. AYir mussten vielmehr im summarischen Gutachten annehmen, dass das Kind an einer innern Krank- heit gestorben war, die ohne Zweifel mit den vorgefundenen Verletzungen im Zusammenhang gestanden, und eine nähere Motivirung bis zur Kennt- niss der anteacta für den Obductionsbericht vorbehalten, der indess vom Gericht nicht gefordert wurde. 132. Fall. Verbrennung durch siedenden Kaffee. Ein sechsjähriges Mädchen war im Bette liegend durch siedenden Kaffee verbrannt worden und nach acht Tagen gestorben. Die Verbren- nungen waren vom linken Ohre an sich über den halben Rücken bis nach rechts hinüber bis in die Achselhöhle, rechte Brustseite und Ober- extremität erstreckend sichtbar. Sie bestanden theils in braungelben, weich zu schneidenden Stellen, theils in Ablösungen der Epidermis, theils in schon begonnenen Granulationen. Innerlich fand sich Pleuritis de.vtra: die rechte Lunge war durch frische Adhäsionen angelöthet, dabei com- primirt und hepatisirt. Die linke Lunge war gesund. Der Herzbeutel zeigte strotzenden Erguss von blutwässrigem Serum. Das rechte Herz war stai'k mit kirschrothem, halb geronnenem Blute gefüllt, das linke leer; der ganze übrige Körper, mit Ausnahme der grossen Bauchveuen- stämme, zeigte sich anämisch. Wir mussten hiernach urtheilen, dass das Kind an einer, durch die Verbrennung erzeugten Brustentzündung seinen Tod gefunden habe. 133. Fall. Verbrennung durch Flamme. Beim Warmen am Ofen hatten die Kleider einer 81jährigen Wittwo Feuer gefangen, und die ganzen Nates waren mit Einschluss des Damms und der Vulva verbrannt worden. Die Verletzte wurde in ein Kran- kenhaus geschafft, wo sie nach mehrtägigem Leiden starb. Ueber die Krankheit ist uns nichts bekannt geworden. Bei der Obduction fanden wir die genannten Theile mit zum Theil tiefen und schon lebhaft granu- lirenden Brandgeschwüren bedeckt, auf denen ein Wattenverband lag. Ein kirschrother, pergamentartiger Rand sonderte scharf die verbrannten von den gesunden Theilen. Der innere Befund war sehr unbedeutend, denn ausser allgemeiner Anämie fand sich als eigentliche Folge der Ver- brennung nichts als Entzündung (rothe Hepatisation) des obern Lappens der linken Lunge, während die übrigen Theile beider Lungen anämisch und nirgends, weder im Schädel, noch in den Pleuren, noch im Herz- beutel eine Spur eines etwanigen Exsudats wahrzunehmen war. 134. Fall. Verbrennung durch Flamme. Was den Fall interessant und hier der Aufnahme werth machte, war der Umstand, dass man deutlich an einer und derselben Leiche die Wir- kungen des Feuers auf den Lebenden und den Todten unterscheiden konnte. Eine betrunkene Waschfrau hatte sich in der Nähe des Feuers im Waschhause auf eine Bank gesetzt, und war eingeschlafen. Im Schlafe war sie von der Bank herunter und so gefallen, dass sie vom Feuer er- fasst werden konnte, denn man fand sie todt und verbrannt am Boden liegen. Die Verbrennung hatte die linke Gesichtshälfte, Schulter und Brust und den linken Ober- und halben Unterschenkel getroffen. Wäh- rend der linke Ober- und Vorderarm und die Hand vollkommen unver- letzt waren, fand sich die rechte Hand verbrannt, und zwar nur dieser Theil an der ganzen rechten Körperseite, ein Beweis, dass denata noch gelebt hatte und besinnlich gewesen, als sie von der Flamme erfasst wor- den war, und dass sie die brennenden Kleider wegzureissen versucht hatte. Die linke Gesichtshälfte mit Einschluss des Ohrs und der linken Nackenseite, so wie die ganze linke Schulter bis herab auf die Hälfte des Oberarms waren verkohlt. Die verkohlten Theile waren umsäumt mit schmutzig krebsrothen, trocknen, lederartigen Räudern von £ Zoll bis 2 Zoll Breite. Ganz dasselbe fand Statt auf dem linken Oberschen- kel. Am Trochanter zeigten sich zwei abgeschälte Brandblasen mit zinnoberrothom Grunde und nicht weit von demselben hing nach unten noch eine kleine, mit blutigem Serum gefüllte Blase mit hellrosenrothem Grunde, an der ein Saum in der ganz mit Russ bedeckten und halb ver- kohlten Umgegend nicht mehr zu erkennen war. Ausser diesen, noch im Leben entstandenen Blasen zeigten sich an der vordem Fläche des Unterschenkels drei thalergrosse Stellen, an denen die Epidermis abge- schunden war, und die mitten in der russigen, eingeräucherten Umgebung blendend weiss hervorstachen. Offenbar war denata schon gestorben gewesen, als die Flamme auch diese Theile erfasst und hier bald geplatzte Brandblasen (auf der Leiche) erzeugt hatte. Der Tod war durch Herzapoplexie erfolgt. Das ganze rechte Herz (und die untere Hohlader) strotzte überfüllt von auffallend schwarzrothem, flüssigem Blute, in denen schmierige Coagula schwammen. Sonst bot der Befund nichts Bemerkenswertheß. Nament- lich waren die Lungen und die Luftröhre, in der nur schwache Gefäss- injectionen sichtbar, normal, das Gehirn und die Schädelhöhle nicht hy- perämisch, und in der ganzen Bauchhöhle, mit Ausnahme dor schon er- wähnten venösen Hyperämie, nicht ein einziger auffallender Befund er- wähnun gs wer th. Zweiter Abschnitt. Dynamischer Tod. §. 20. Allgemeines. Wir fassen in diesem Abschnitt alle Todesarten zusammen, die nicht, wenigstens nicht vorzugsweise, wie die im vorigen Abschnitt, durch mechanische Verletzung der organischen Ma- schine bedingt werden, sondern auf dynamischem Wege zu Stande kommen. Hierher gehören also die anämischen Todes- arten durch Verblutung, Erhungern und Erschöpfung; die dys- ämischen durch Vergiftung und durch Pyämie; die hyperämi- schen, wohin die Mehrzahl der Ertrunkenen, Erhängten, Erstick- ten und Erfrornen gehören, und die neuroparalytischen, auf welche Weise gleichfalls eine grosse Zahl der eben genannten Verunglückten sterben. Erstes Kapitel. Tod durch Verblutung und Erschöpfung. §. 21. Entstehungsart und Diagnose. Die Diagnose dieser Todesart ist sehr leicht und nur Ein Umstand kann sie unsicher machen, die Verwesung. Bei der äussern Besichtigung findet man Lippen und Zahnfleisch schmutzig-blassröthlieh, und den Leichnam in der Mehrzahl der Fälle wachsbleich gefärbt, wovon jedoch nicht selten Aus- nahmen vorkommen, in denen auch ein geübter Beobachter bei der ganz gewöhnlichen Leichenfarbe des Körpers den in- nern Verblutungstod nicht ahnen sollte. Nach Devergie leh- ren alle neuern Handbücher, dass bei Verbluteten die Todten- flecke fehlen; ich habe schon oben (§. 8. allg. Thl. S. 23) die- sen Irrthum berichtigt, von welchem man sich an jeder Leiche eines Verbluteten sogleich überzeugen kann. - Gewöhnlich, wenn es nicht absichtlich abgewaschen war, ist der Leichnam und seine Bekleidungsstücke reichlich mit Blut besudelt, vor- ausgesetzt natürlich, dass die tödtliche Verblutung keine innere gewesen war. Die innere Untersuchung zeigt Blutleere oder mindestens auffallenden Blutmangel in allen grössern Venenstäm- men, mit Ausnahme der pia maißf-V enen, welche selten ganz leer oder auch nur auffallend anämisch, nament- lich aber (durch Hypostase) an den abschüssig gelegenen Ve- nenwindungen noch sichtlich gefüllt gefunden werden. Diese Thatsache, die uns die Naturbeobachtung constant als solche bestä- tigt hat, ist festzuhalten, damit nicht im concreten Falle Meinungs- verschiedenheiten über den Tod durch Verblutung aus dem Grunde entstehn, weil dieser Tod vielleicht grade wegen der noch sehr sichtbaren Blutfülle der Gehirnvenen angezweifelt wird. Aber ausser den Blutaderstämmen findet man auch sämmt- liche blutreichen Organe anämisch und deshalb blässcr, als nach allen andern Todesarten, eine Farbenveränderung, die kein Or- gan deutlicher zeigt, als die Lunge bei Erwachsenen, welche bei Verbluteten ganz hellgrau, mit dunkeln Flecken marmorirt erscheint. Ausserdem findet man natürlich nach innern Verblu- tungen das ergossene Blut bald flüssig, bald geronnen, bald in beider Qualität, in der betreffenden Höhle. Alle diese sichern diagnostischen Befunde aber können durch den Verwesungspro- cess verdunkelt werden, und werden es in allen Fällen, wenn derselbe bereits weit vorgeschritten ist, so dass die wachsbleiche Farbe der Oberfläche und die blasse Färbung der Organe in die Färbungen der Verwesung verwandelt ist, und die vorge- fundene allgemeine Anämie eben so gut auf Rechnung der Blut- verdunstung durch die Fäulniss, bei welcher dieselbe nie fehlt, als auf die etwanige Verblutung geschrieben werden kann. Der Körper eines Menschen aber, der die geschilderten Befunde wahrnehmen lässt, ist unzweifelhaft am Verblutungstod gestor- ben. Es entsteht dieser Tod, wenn eine grössere Menge Blut aus den Gefässen tritt und der Circulation entzogen wird, so dass Herz und Lungen paralysirt werden, mag das extravasirte Blut aus dem Körper ausfliessen, oder in den innern Höhlen verbleiben. Wie viel Blut ein Mensch verloren haben müsse, um zu sterben, ist zu ermitteln für die Physiologie eben so in- teressant, als müssig für die gerichtliche Medicin, zumal nach- dem eine allgemeine oder individuelle absolute Lethalität ge- setzlich und practisch nicht mehr in Frage kommt. Der Ge- richtsarzt muss den Verblutungstod als vorhanden an- nehmen, wenn bei einem, noch nicht durch Verwesung alte- rirten Leichnam sich die obigen Befunde ergeben, und eine an- dere Todesart nicht ermittelt werden kann. Es ist schon mehr- fach hier bemerkt worden, dass das Nichtauffinden der Quelle der Blutung bei innern Verblutungen weder die Bestimmtheit des Gutachtens erschüttern, noch den Obducenten zum Vorwurf gereichen kann. Nicht selten freilich ist es sehr leicht, diese Quelle zu ermitteln, z. B. bei innern Rupturen und Verletzun- gen von Organen und grossen Gefässstämmen; ganz unmöglich aber, wenn man nicht Proecduren anwenden will, die eben so unmöglich in einem gerichtlichen Obductionstermin auszuführen, als völlig überflüssig für das Endcrgebniss sind, ist das Auffin- den der Quelle der Verblutung, wenn dieselbe, wie so oft aus einer unscheinbaren Oeffnung in einem tief liegenden kleinern Gcfässc entstand, welche auch die sorgsamste Forschung unent- deckt lässt. Aeussere Verblutungen entstehn nach Stich-, Schnitt-, Schuss- und Hiebwunden, die mehr der Oberfläche nahe liegende Gelasse treffen, wie die der Extremitäten, des Halses, der Schläfen u. s. w. Es ist dies die Todesart durch Erstechen, durch Schnitt- und Hiebwunden, nicht selten auch die durch Erschies- sen. Von letzterer Todesart, wie von den Stich-, Schnitt- und Hiebwunden ist bereits oben die Rede gewesen (§. 35. allg. Thl. S. 139, §. 10. spec. Thl. S. 290). Zu d*n äussern Ver- blutungen gehört auch die durch die Nabelschnur bei Neuge- bornen, welche an ihrem Orte erörtert werden wird (§. 117.). Innere Verblutungen entstehn zum Theil und meistens nach den eben genannten Verletzungen, wenn dieselben Gefässe und Or- gane in den Höhlen trafen, oder nach Organenrupturen, wobei das geplatzte Organ nicht unmittelbar getroffen worden zu sein braucht. Der Befund von solchen Rupturen, die an sich schon (§. 36. S. 145) geschildert worden, setzt in allen Fällen eine sehr erhebliche äussere Gewalt voraus, die den Körper traf, wenn das geborstene Organ in der Leiche gesund befunden wurde. Denn gesunde Lungen, Herz, Leber, Milz u. s. w. ber- sten nicht und niemals freiwillig und aus innern Ursachen. Bei Hirnhämorrhagieen könnte dies zweifelhaft werden, und grade diese innere Blutung hat, wegen der so häufigen Kopfverletzun- gen, ein besondres practisches gerichtlich - medicinisches Inter- esse. Abgesehn aber davon, dass eine genauere Untersuchung bei spontanen Hirnhämorrhagieen oft Verknöcherungen oder andre Abnormitäten am geborstnen Gefäss, wenn es überhaupt aufzufinden, entdecken lassen wird, lehrt auch die Erfahrung, dass spontane Hirnblutungen in der grossen Mehrzahl aller Fälle nur den Befund einer sehr geringen Menge extravasirten Blutes in der Leiche ergeben, während bei Gehirnhämorrhagieen nach Verletzungen sich immer eine weit bedeutendere Blutmasse aus- gegossen zeigt. Man wird deshalb nicht irren, wenn man beim Befunde sehr ausgedehnter und beträchtlicher Blut- extra vasate in der Schädel höhle in zweifelhaften Fällen nicht spontanen Schlagfluss, sondern die Einwirkung einer äussern Gewalt als Todesursache annimmt. Der Tod durch Erschöpfung entsteht, wenn durch an- haltende Säfteverlus.te aller Art, wobei gleichzeitig die Neuerzeu- gung des Blutes beeinträchtigt wird, die Consumtion des Kör- pers die Production immer mehr überwiegt, bis zuletzt das Le- ben bei diesem Missverhältniss nicht mehr bestehn kann. Hier- her gehören auch alle diejenigen, nicht seltnen Fälle, in denen nach oft Wochen- ja Monatelang vorangegangenen Verletzungen der Tod durch Vereiterungen, Verjauchungen und endliches Zehrfieber erfolgt. Man constatirt diese Todesarten durch die Befunde einer auffallenden Abmagerung des Körpers, eines gänzlichen Fettmangels äusserlich, wie innerlich, einer allgemeinen Anämie, die sich ganz ähnlich wie nach dem Verblutungstode zu erken- nen giebt, und unter Umständen durch die vorgefundenen Ver- eiterungen, decubitus u. dgl. §. 22. Casuistik A. Tod durch Verblutung. 135. Fall. Verletzung der Carotis. In einer Balgerei hatte ein 30jähriger Mann einen Messerstich in den Hals bekommen. Die linke Carotis externa war in ihrer vordem Wand angestochen und die iiberliegenden Muskeln und Zellgewebe wa- ren, wie gewonlich in solchen Fälleu, ganz mit geronnenem Blute infil- trirt. Mit einem flüssigem Blute waren Magen und Speiseröhre ganz an- gefüllt, offenbar aus einer Verletzung des mit angestochenen Pharynx, die aber bei der Obduction nicht aufgefunden werden konnte, zu erklä- ren. Der Tod war drei Stunden nach der Verletzung erfolgt, ohne dass irgend ärztliche Hülfe in Anspruch genommen worden war. 136. Fall. Verletzung der Artcr. iliaca externa. Eine seltnere Gefässverletzung als die an den grossen Halsgefä war die der Arter. iliaca externa. Ein 18 jähriger Fabrikarbeiter er- hielt in einem Auflauf einen Stich, sank mit den Worten: rich bin ge- stochen — in die Brust« — zur Erde und verstarb sehr bald darauf. Der Leichnam war ganz mit Blut besudelt und zeigte eine ungewöhnliche Blutleere der Leber und Milz, völlige Leere der Unterleibsvenen, unge- wöhnliche Blutleere der Lungen, des Herzens, der grossen Venen der Brust, sehr weniges Blut in der Schädelhöhle und eine Infiltration des ganzen Bauchfellzellgewebes mit extravasirtem Blute. Es fand sich, dass die Art. iliaca externa hinter dem Poupart'sehen Ligament fast ganz, durchschnitten war, so dass nur noch eine linienbreite Brücke die hintere Arterienwand zusammenhielt. 137. Fall. Verletzung der Lunge und des Herzbeutels. Ein junger Bösewicht, dessen unheimliche Physiognomie ich nicht vergessen habe, ermordete seinen 32 Jahre alten Lehrherrn, während die- ser schlief mit zweiunddreissig in wüthiger Hast folgenden Messer- stichen! Lungenwunden waren die eigentliche Todesursache gewor- den. Im obern Lappen der rechten Lunge fand sich eine -| Zoll lange Wunde, eine zweite Zoll lange nicht weit davon entfernt, und zwei Quart Blut waren in diesem Cavum pleurae ergossen. Unter dem lin- ken Schlüsselbein ergab sich eine -| Zoll lange, weitklaffende Wunde der Pleura mit sugillirten Rändern, und eine wenig tief in die Spitze der linken Lunge eindringende, £ Zoll lange Verletzung, aus welcher ein halbes Quart rothfliissiges Blut ergossen war. Der Herzbeutel war Zoll lang angestochen*). (Im Wege der Gnade wurde die erkannte Todes- strafe gegen den jugendlichen Verbrecher in Zuchthausstrafe gemildert.) 138. Fall. Verletzung des Herzens und Zwerchfel 1 s. Eine 34jährige Frau wurde augenblicklich durch Verblutung aus einer Herzwunde getödtet, die ihr mit einem scharf geschliffenen, drei- kantigen Instrumente beigebracht Avorden war, das den linken Ventrikel ganz durchbohrt hatte. Ausserdem fanden sich der vordere Rand der linken Lunge eingestochen und das Zwerchfell durchbohrt. Auffallend war eine Einklemmung der Zunge zwischen die Zähne, die man beim *) Vgl. 40., 41. u. 43. Fall §. 33. allg. Tbl. Verblutungstod nicht hätte erwarten sollen. Wir werden auf den Werth dieses Zeichens als gerichtlichen Sectionsbefund noch unten zurück- kommen. 139. Fall. Stichwunde in Zwerchfell, Leber und Magen. Eine Verletzung dieser drei Organe tödtete nach zwölf Stunden. Die Rän- der der Stichwunde fanden sich äusserlich wie innerlieh sugillirt. Das diaphragma war in seinem musculösen Theil, dicht neben dem sehnigen Spiegel, einen Zoll lang eingeschnitten, und die Ränder dieser "Wunde zeigten sich sehr stark sugillirt. Der scharfe Rand des linken Leber- lappens war -| Zoll lang eingeschnitten und in der vordem Fläche des Magens fand sich eine |- Zoll lange Wunde, gleichfalls mit stark sugil- lirten Rändern. Die ächte Stiletwunde eines italienischen Banditen! (Eine pathologisch-anatomische Seltenheit in der Leiche bot die Schild- druse dar. In der rechten Seite fand sich nämlich eine wallnussgrosse Verknöcherung, die eine Höhl« umschloss, welche theils mit Knochen- stückchen, theils mit Speckpartikeln ausgefüllt war, also eine osteosteato- matöse Kropfgeschwulst.) 140. Fall. Verblutung aus der Vena saphaena. Wie unerwartet ein Mensch sein Leben verlieren kann, wenn er sich auch nicht im geringsten auch nur der Möglichkeit einer Lebensgefahr auszusetzen glaubt, z. B. — wenn er seinen Nachttopf nimmt, zeigte der wunderliche Fall einer 50jährigen Trompeter-Wittwe, die sich beim Urin- lassen durch ihren Nachttopf den Tod zuzog. Dies Gefäss, von soge- nanntem Gesundheitsgeschirr (einem groben Porzellan), war allerdings zerbrochen, und hatte scharfe .Ränder und Spitzen. Beim Heraufnehmen desselben unter die Röcke verwundete sich die Person, und ward später todt im Zimmer gefunden. Der vorgezeigte Nachttopf war äusserlich vol- ler Blut, und enthielt auch innen geronnenes Blut. Am linken Unter- schenkel fand sich eine lf Zoll lange, -§■ Zoll klaffende Wunde mit stumpf-scharfen Rändern, deren Umkreis äusserlich nicht sugillirt erschien, während sich allerdings im umliegenden subcutanen Zellgewebe Sugilla- tion fand. Die V. saphaena dieser Seite war erbsengross geöffnet. Die Blutleere im Leichnam war in ungewöhnlich hohem Grade vorhanden; C asper, gcrichll. Medicin. 9g nur die pia maier-Venen nahmen auch in diesem Falle wieder keinen Theil an dieser Anämie. (Vergl. S. 348.) 141. Fall. Verblutung bei der Entbindung. In diesem Falle vermischten sich die Sectionsbefunde der Verwesung mit denen der Anämie durch Verblutung, worüber oben (S. 349) ge- sprochen wurde. Unmittelbar nach einer präcipitirten Geburt im Stehen, bei welcher die Nabelschnur riss und das Kind — wie wir nach dem Befunde annehmen mussten — durch Sturz auf den Fussboden der Kam- mer getödtet wurde, starb die 24jährige uneheliche Mutter an Verblutung. Im Obduetionstermin zeigte sich die Leiche schon sehr verwest, weshalb die Wachsfarbe derselben nicht mehr ermittelt werden konnte. Der Unter- leib war ganz ungemein aufgetrieben. (Ein Experiment, das wir oft in solchen Fällen machen, gelang hier auf eine selten vollkommene Weise; das Gas, das aus einem ganz feinen Einstich in die Bauchdecken hervor- drang, wurde angezündet, und brannte z\»ei Minuten labg mit einer dritte- halb Zoll langen hellen Flamme.) Der ganze Körper war auf das aller- entschiedenste anämisch, dagegen fanden sich als Leichensymptom drei Unzen Blutwasser in jedem Pleurasack. Aus den Brüsten liess sich Co- lostrum ausdrücken. Die sehr erweiterte Vagina war ganz verwest. Der schlaffe dünnwandige Uterus war ganz leer, und (unmittelbar nach der Entbindung) neun Zoll lang und sechs Zoll breit und unverletzt. Der Damm war einen Zoll eingerissen. Auf dem Betttuch, in welches die Leiche eingehüllt war, lag eine verfaulte Placenta mit einer fünf Zoll langen, zerrissenen Nabelschnur, deren Ränder mit denen vom Nabel- strangrest des Kindes correspondirten. 142, Fall. Kindermord durch Hal#schnittwunde. Am 9. Februar (in scharfer Winterkälte) gebar die junge, unehe- liche N. zum erstenmale sehr schnell auf einem Nachttopf ein Mädchen im neunten Monat. Das Kind sc-hoss in das Gefäss und bald folgte auch die Nachgeburt. Sie räumte ein, dass sie dasselbe lebend gefunden habe. Um sein Schreien zu verhindern, steckte sie ihm den Finger in den Mund, und will sie nach einiger Zeit kein Lebenszeichen mehr wahrgenommen haben. Nur in der Besorgniss, dass das Kind wieder aufleben könne, will sie nunmehr, wie sie nach einigem Zögern beim ersten gerichtlichen Verhöre einräumte, nachdem ihr das Resultat unserer Obduction mitge- theilt worden war, dem Kinde mit einem Brotmesser in den Hals ge- schnitten haben. Erst zehn Tage später, am 19ten, wurde uns das Kind zur Untersuchung übergeben, das bei der grossen Kälte der Witterung noch vollkommen frisch war. Es war 18i Zoll lang und nur 5 Pfund schwer; die Durchmesser des Kopfes betrugen 3, 3|- und 4| Zoll, der Schulterdurchmesser 3£ Zoll, der queere Durchmesser der Brust 3 Zoll, ihr grader 2* Zoll und ^jr1 Hüftendurchmesser 3 Zoll. Auch alle übri- gen betreffenden Zeichen deuteten auf noch nicht völlige Reife. An der linken Seite des Halses fand sich eine 1£ Zoll lange und -| Zoll breit klaffende, stellenweise scharf-, stellenweise zackig-geränderte Wunde mit feuchtblutigen, nicht sugillirten Rändern, in deren Grund man den Kopf- nicker und die Hälfte der Schilddrüse sah. Von dieser Wunde durch eine linienbreite Hautbrücke getrennt, zeigte sich eine zweite schwach halbmondförmige, % Zoll lange, \ Zoll klaffende, ganz flache Hautwunde mit eben solchen Rändern; wenn man den Kopf nach dem Halse vorn- überbog, so ergab sich, dass beide Wunden in einer und derselben Linie verliefen (so dass auf nur Einen gemachten Schnitt geschlossen werden konnte). Das Zwerchfell stand zwischen der vierten und fünften Rippe. Die rechte Lunge war ziemlich weit nach vorn in der Brusthöhle sicht- bar, die linke lag ganz zurückgezogen. Beide Lungen mit dem Herzen wogen nur drei Loth, später ohne Herz nur 1|- Loth. Ihre Farbe war ein sehr helles und weissliches zinnoberroth. Sie schwammen ganz und zer- schnitten auf das Vollständigste. Bei wiederholten Einschnitten ergab sich sehr deutlich knisterndes Geräusch und viel Schaum, der aber nur sehr wenig blutig war. Die Luftröhre blass und leer. Das ganze Herz vollkommen blutleer. Bei Untersuchung der Halsschnittwunde fand sich, dass die Carotis und Ingularis unverletzt war. Geronnenes Blut fand sich in der Tiefe der Wunde nicht. Vom übrigen Befunde habe ich nur die höchst auffallende Anämie in der ganzen Leiche anzuführen. Das Gutachten konnte nicht zweifelhaft sein. Es war unbestreitbar, dass das Kind ein lebensfähiges gewesen, dass es nach der Geburt gelebt hatte, wie die Athemprobe und die Todesart erwiesen, dass es den Verblu- tungstod gestorben war (der auf Leben zurückschliessen lassen musste,) und dass die Halsschnittwunde die Ursache dieses Todes gewesen war. Es war auch leicht nachzuweisen, dass die eingeräumte Procodur des Fingereinsteckens in den Mund das Kind nicht getödtet hatte, da kein Erstickungstod, der auf diese Weise hätte entstehn müssen, in der Leiche gefunden war. Die Angeschuldigte räumte im Schwurgerichts-Termin 23* Schuld und Absicht, das Kind zu tödten, ein, und wurde zu zehnjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. B. Tod durch Erschöpfung. 143. »all. Hiebwunde in das El 1 e nb ogengele nk. Amputation. Tod. Durch einen Säbelhieb war das rechte Ellenbogengelenk eines Man- nes getroffen und verlezt worden. Zwölf Stunden nacli der Verletzung wurde er in der Charite amputirt. Bald nach der Amputation, die nach dem Charitejournal dringend indicirt war, stellten sich fieberhaft-entzünd- liche Brustzufälle ein, und vier Wochen nach der Verwundung starb der Kranke an exsudativer Pleuritis. Der Oberarmstumpf war 7 Zoll lang, seine Bänder waren theilweise vernarbt, aber zwischen ihnen noch schlech- ter, graugrüner Eiter befindlich. Die unterbundene A. brachialis war einen Zoll lang vollständig obliterirt. Den rechten Pleurasack erfüllten 1|- Quart gelbgrünen, flüssigen Eiters, und die lederartig compacte Lunge war bis auf ein Viertel ihres Volumens comprimirt. Bire Substanz war bei Einschnitten hellgrau, ohne blutigen Schaum, und an ihrer Basis fan- den sich zahlreiche, zum Theil erweichte Tuberkeln. Auch im linken Pleurasack schwammen acht Unzen blutigen Wassers, aber die linke Lunge war gesund. Dagegen war der ganze rechte Leberlappen an seiner un- tern Mäche durch sinuose Eitergänge zerstört. An der untern Fläche des linken Leberlappens fand sich ein noch geschlossener Abscess. Auch die rechte Niere war von Eitergängen durchfurcht. Höchste allgemeine Abmagerung. 144. Fall. Bruch des Unterschenkels. Amputation. Tod Am 12. December 18— Abends wurde bei einer Schlägerei die 29jährige Frau Str. von Soldaten eine Treppe hinuntergeworfen, und brach den linken Unterschenkel und zwar beide Knochen „in viele kleine Stücke-, wie das Journal des Krankenhauses sagte, in welches sie sofort gebracht worden war. Ueber dem Knöchel fand sich eine Hautzerreissnng, durch die man einsehn und die zerstückelten Knochen fühlen konnte. Man beschloss bei der gefährlichen Sachlage um so mehr eine sofortige Am- putation, „als der kräftige, gesunde Körper einen glücklichen Ausgang hoffen liess". Es wurden einfache Beruhigungsmittel und kalte Umschläge * angewandt und am andern Morgen die Amputation, nach vorheriger Chlo- roformirung der Pat., kunstgemäss verrichtet. Die Kranke erwachte nur sehr langsam aus ihrer Narcose, und fühlte sich noch Abends betäubt. (Nilrum und Natr. sulph.) Aber noch am folgenden Morgen war sie benommen, und hatte 108 Pulsschläge. Am Uten Anschwellung der Woichtheile am Stumpfe, andauernde Kopfschmerzen, geröthete Bindehaut. (Inf. Senn, comp., kalte Kopfumschläge.) Am löten „unveränderte Un- besinnlichkeit" (aus welcher sie seit der Chloroformirung nicht herausge- kommen zu sein scheint!) und Schmerz der Weichtheile, der die Appli- cation von 12 Blutegeln veranlasste. Abends hatten sich „die allgemei- nen Reactionssymptome vermehrt" , namentlich vermehrt die „ Symptome am Kopfe', der Puls 110, die Zunge trocken. Der Versuch eines Ader- lasses musste, wegen Ohnmacht, unterbrochen werden, wogegen zehn Blut- egel in beide Schläfen gesetzt wurden. Am 16ten einige Besserung. „In der linken Leistengegend war jeder Druck schmerzhaft, und dem Verlaufe der linken Schenkelvene nach, seigte sich ein stark gespannter empfindlicher Strang in der Tiefe." (12 Blutegel, Natr. nitric.) Beim Wechsel des Verbandes zeigte sich die Hälfte der Wundränder verklebt. In der Nacht blande Delirien. Am 17ten schwere Besinnlichkeit, Kopf- schmerz, Schiittelfrost, kleiner Puls von 120 Schlägen, aber noch ein „be- friedigendes" Aussehn der Wunde. Pat. erhielt eine Mixtur mit Amnion, carbonic. Nachmittags steigende Betäubung, neuer Schüttelfrost, Puls von 140. (Zweistündlich zwei Gran Calomel und zehn Blutegel hinter die Ohren,) Nach einigen Stühlen in der Nacht war sie am 18ten viel freier und „die Wundfläche ganz normal'. Am Abend bekam sie einen heftigen Schüttelfrost, wurde plötzlich ganz blass und regungslos, reagirte auf keinen Reiz, blieb beim Rufen, Schütteln, Stechen mit Nadeln unbe- weglich, aber der Anfall ging bald vorüber. Nachts laute Delirien. Am 19ten war sie wieder unbesinnlicher und unruhiger. Die profuse Eite- rung war „etwas unrein" geworden, und die verklebten Wundränder aus- einander gewichen. (Acid. Hall, und Glaubersalz.) Vom 19ten bis zum 22ten — schweigt das Journal; an diesem Tage fährt es fort: „der Zu- stand der Pat. hat sich fortwährend verschlimmert; sie liegt Tag und Nacht in einem Halbschlafe, spricht unverständlich, der kleine, fadenför- mige Puls variirt zwischen 120— 140, die Schüttelfröste kehren wieder, die Eiterung wird unreiner und profuser". (Aromatische Fomente, 13 Loth Amica-InfltS. von 3j, mit 3j Salmiak.) Am 23sten starb sie, 250 Stunden nach der Verletzung, und zwar nach der amtlichen Krankenhaus- Anzeige, „an Venenentzündung nach Amputation". Sie ist nicht an Phlebitis (Pyaemie) gestorben. Man wird aber, nacli diesem treuen Extract aus dem Journal, nicht ahnen, was die ge- richtliche) Section als tödtliche Krankheit ergeben hat. An beiden Brustseiten resp. vier frische Schröpfnarben. Sämmtliche Weichtheile am Stumpf gangränescirt und verjaucht. Die Kopfbühle zeigte durchaus Nichts von der Norm Abweichendes, desto mehr aber die Brust- höhle. Beide Lungen waren graublau, blutarm, oedematös. Die Lun- gen- und Rippen-Pleura ist, „ganz besonders an der rechten Lunge mit einem frischen Eiterexsudat reichlich bedeckt. Ein solches, an Gewicht 12 Unzen, wird als dünngelbröthliche Flüssigkeit aus der rechten Brust- hälfte ausgeschöpft. In der linken befinden sich 5 Unzen einer blutig- wässrigen Flüssigkeit. Endlich zeigten auch die Lungen einige halber- weichte Tuberkel". Im Herzbeutel die erhebliche Menge von anderthalb Esslöffeln blutiger Flüssigkeit. Das sehr schlaffe Herz enthielt in beiden Hälften massig viel braunrothes, halb flüssiges, halb geronnenes, offenbar zersetztes Blut. Der Befund in der Bauchhöhle war nicht erheblich: ich hebe uur hervor, dass alle Organe bleich und blutarm waren, und dass die genau untersuchten Venenstämme „weder eine besondere Röthung ih- rer innern Haut, noch Eiter oder dgl." zeigten. Dasselbe ergab eine genaue Untersuchung der linken Cruralvene längs ihres ganzen Verlau- fes, wie der kleinern Venen des Stumpfes und Oberschenkels. Die bei- den Knochen waren sehr glatt abgesägt, und keine Splitterung u. dgl. zu bemerken. 145. Fall. Stichwunden in Kopf und Schulter. Gehirneiterung. Ein Geselle von 25 Jahren wurde in einer Sohlägerei mit einem Messer am Kopfe etwa in die Mitte des linken Scheitelbeins zwei Mal, dann am äussern linken Augenwinkel, und.endlich am „äussern Ende des linken Schulterblattes" gestochen, und nach einem augenblicklichen vorläufigen Verbände sogleich nach der Charite geschafft. Anfangs schien im Krankenhause bei kunstgemässer Pflege Alles gut zu gehn, aber am 8ten Tage (22. Januar) stellte sich eine teigigte Geschwulst der Kopf- schwarte mit so heftigem Fieber ein, dass am 23. zwei Aderlässe nöthig wurden. Dieses Pseudoerysipelas ging schnell in Eiterung über, so dass am 25. die Wunden dilatirt werden mussten, um dem Eiter Abfluss zu verschaffen. Auch die Gesichts- und Schulterwunden wurden erweitert und wegen anhaltenden Fiebers ein dritter Aderlass gemacht. Trotz später noch wiederholter Dilatationen aber bildeten sich Eitersenkungen, die Kräfte sanken, es mussten vom 5. Februar ab stärkende Mittel ge- geben werden ein, typhöser Stupor und Durchfall traten ein, die Wun- den und das Secret bekamen ein schlechtes Aussehn, und am 8. Febr. starb der Kranke — 25 Tage nach der Verletzung — unter den Zufäl- len von Lähmung. Von den Sectionsresultaten waren folgende die we- sentlichsten. Der Körper sehr abgemagert. Am Wirbel zeigten sich die gewöhnlich dicken Schädelknochen in Zwei - ThalergrÖsse von der Kno- chenhaut entblösst und in anfangender Caries begriffen. Die dura ma- ter war an der, den Verletzungen am linken Scheitelbein entsprechenden Stelle siebförmig durchlöchert, und aus diesen Oeffnungen gelbgriiner Eiter hervorgequollen. Nach Entfernung dieser Hülle fand sich die ganze linke Hemisphäre mit einer dickflüssigen, gelbgrünen, stinkenden Eiterlage wie Übergossen, und die unter ihr liegenden Ausschwitzungeu waren mit dem Schwamm nicht zu entfernen. Das ganze Gehirn war sehr blutreich, und die ganze hintere Hälfte der rechten Hemisphäre in einen einzi- gen, mit graugrünem Eiter erfüllten Abscess verwandelt. Die Verletzung am Schultergelenk war für die Sache nicht erheblich, und auch alle übri- gen Sectionsbefunde können hier füglich übergangen werden. 146. Fall. Kopf-Hiebwunde. Gehirneiterung. Ein ähnlicher Sectionsfall betraf eine Kopfverletzung, die bei einem Gelage mit einem Stocke beigebracht worden, und wonach der Verletzte nach dreiwöchentlicher kunstgerechter Behandlung in der Charite gestor- ben war. Die bereits erweiterte Kopfwunde drang bis auf das Os pa- rietale, dessen Pericranium abgelöst war; der Schädel selbst war völ- lig unverletzt. Die Eiterung war schlecht und jauchig. Die harte Hirn- haut war an der verletzten Stelle mit dem Schädel verwachsen, und das Gehirn unter dieser Stelle oberflächlich vereitert. Der Eiter floss zwi- schen Falx cerebri und der linken grossen Hemisphäre bis auf das Ge- hirnzelt hinab. Die Substanz des Gehirns war fest und noch blutreich. Die übrigen Sectionsbefunde waren unerheblich. 147. Fall. Kopf-Hiebwunden. Gehirneiterung. Ein andrer Parallelfall war der einer Gehirneiterung, die 24 Tage nach einer Verletzung des Kopfes durch mehrere Schläge mit einer Fla- sche den Tod eines bis dahin ganz gesunden und kräftigen 34jährigen Mannes herbeiführte. Bei der Section der abgemagerten Leiche fanden sich an wesentlichen Befunden-. das SchädelgewÖlbc links, den Verletzun- gen entsprechend, von der Knochenhaut vollständig entblösst, Eitersen- kungen zwischen Galea und Schläfenmuskeln bis unter den Jochbogea, die dura maier auf der rechten Hemisphäre entzündet, auf der linken mit einer thalergrossen Eiterablagerung bedeckt, die ganze linke Halb- kugel mit einer Schicht dicklichen, grünen Eiters überzogen und die Ge- hirnsubstanz in dieser Hemisphäre an einzelnen kleinern und grossem Stellen vereitert. 148. Fall. Lungen- Stichwunde. Vereiterung. Ein Mann von 41 Jahren war mit einem Messer in die rechte Brust gestochen worden; die äussere Wunde hatte nach dem chirurgischen At- teste eine Länge von einem halben Zoll und eine Breite von zwei Li- nien. (Eine zweite Stichwunde in die Mitte des linken Oberarms blieb für die spätere Beurtheilung unerheblicb.) Ein Wundarzt hatte sogleich die Wunde trocken geheftet, kalte Ueberschläge gemacht und Nilrum und Glaubersalz verordnet. Am dritten Tage fand er den Atbem ..kurz und schnell und den Puls unterdrückt" , und veranstaltete nun einen Aderlass von vier Tassen Blut. Nachmittags wurde Dr. M. zuge- rufen, der alsbald eine zweite, eben so starke Venäsection verordnete, weil er „eine sehr bedeutende Entzündung der Lungen und der Pleura fand, beschwerte Athmung, Husten mit blutigen Spulis, Abgang von we- nig hochrothem Urin, Schmerz in der verwundeten Seite, und grosse Un- ruhe und Angstgefühl." Am andern Morgen neue Venäsection, so wie Blutegel, und eine Emulsio nitrosa. Am Abend dieses Tages schien der Kranke verloren. Er lag passiv, abgespannt, bleich, bewusstlos da, und hatte einen kleinen schwachen, aussetzenden Puls. Dr. M. verord- nete Calomel mit Goldschwefel, Nitrum und Hyoscyam. und legte ein Vesicator auf die Brust. Am folgenden Tage hatte sich Patient gebes- sert, indess traten allmälig die Erscheinungen des Exsudats ein, der ab- gesonderte Wundeiter wurde übelriechend, die Füsse ödematös, es trat hectisches Fieber ein und vier und einen halben Monat nach der Verlet- zung starb der Kranke. Bei der gerichtlichen Section fanden wir sieben- undzwanzig Unzen stinkenden graulichen Eiters im rechten Pleurasack, welcher die Intercostalmuskeln dieser Seite theilweise zerstört hatte, und es ergab sich, dass die Quelle dieser Eiterung ein Abscess war, der fast zwei Drittel der ganzen rechten Lunge umfasste; beide Lungen waren ganz frei von Tuberkeln, so dass recht eigentlich hier eine traumatische Lungeneiterung vorlag. Die rechte Lunge war stark mit der Costalpleura verwachsen, und wo sie nicht abscedirt war, grau hepatisirt. Die übri- gen Befunde boten nichts Bemerkenswerthes. 149. Fall. Ueberfahren. Amputation. Gehirnabscess. Tod. Ein 24jähriger Mann war übergefahren worden, und nach elf Tagen gestorben. Aeusserlich fand sich nichts Auffallendes, als die Am- putation des rechten Oberschenkels sechs Zoll vom Becken, die in einem Krankenhause ausgeführt worden war, und auf erhebliche Verletzung der Extremität zurückschliessen liess. Der Stumpf war schlaff und welk und die Weichtheile desselben waren vollständig verjaucht. Beim Durchsägen der Schädelknochen fand sich am linken Schlafbein in der diploe eine bohnengrosse Sugillation (ein seltner Befund!) und darunter ein wallnuss- grosser Gehirnabscess. Dazu fand sich noch Pleuritis exsudativa, denn in jedem Brustfellsack war ein halbes Quart röthlich - wässriger Eiter. Der ganze Korper war sehr anämisch. §. 23. Eigene oder fremde Schuld? Es ist bereits (§. 21. S. 350) gesagt worden, dass sehr beträchtliche Hirnhämorrhagieen fast niemals spontan entstehn und dass gesunde Organe niemals spontan bersten. Hieraus folgt, dass bei diesen Befunden in der Leiche man im erstem Falle in der Mehrzahl der Fälle, beim Befunde von Organenrupturen in allen Fällen, auf Ein wirkung einer, und zwar einer sehr erheblichen äussern Gewalt zu schliessen berechtigt ist. Eine solche wird aber wieder entweder einen unglücklichen Sturz, Fall u. dgl. oder eine fremde Schuld am Tode voraussetzen lassen. Ausnahmen, wie z. B. dass Jemand absichtlich sich hatte überfahren lassen, absichtlich oder zufällig einen harten Fall gethan, wodurch auf obigem Wege eine innere Verblutung entstand, können vorkommen, werden aber dann durch die besondern Umstände des Falles als solche ermittelt werden können. Es ist ferner gleichfalls (§. 9. S. '289) erwähnt worden, dass Hiebwunden, die ja auch durch Verblu- tung tödten können, „fast mit Sicherheit in allen Fällen auf fremde Schuld am Tode deuten, da es zu den unerhörten Sei- tenheiten gehört, dass Selbstmörder sich durch Hieb tödten. Es bleiben hiernach noch die Stich- und Schnittwunden als Veranlassungen zum Verblutungstode zu betrachten, welche al- lerdings, zumal Letztere, gar nicht selten als Todesart durch Selbstmord vorkommen. In zweifelhaften Fällen müssen auch hier, wie immer, die betreffenden, ausserhalb des Leichenbefun- des liegenden Thatsachen, die Combination aller concreten Um- stände und namentlich der Befund an und in der Leiche und ihren Umgebungen die Frage von der eigenen oder fremden Schuld entscheiden. Dass das Auffinden des zum Tödten be- nutzten Werkzeuges auf oder bei der Leiche so wenig als ihr Fehlen irgend etwas beweist, liegt auf der Hand, denn das Messer des Selbstmörders konnte dem Todten eben so gut ge- raubt, als das Messer des Mörders absichtlich neben demselben niedergelegt und belassen worden sein. In diesem Bestreben, das Verbrechen zu verdunkeln, verfahren aber Verbrecher in geistiger Beschränktheit oder Verwirrung nicht sehr selten so albern, dass grade durch ihr Verfahren die fremde Schuld augenblicklich klar werden kann. So kam es vor zwanzig Jah- ren hier vor, dass eine Frau und deren Tochter erster Ehe den gemeinschaftlich an dem Ehemann und Stiefvater durch Hals- schnittwunden mit dessen Rasirmesser während seines Schlafs verübten Mord dadurch als Selbstmord erscheinen zu lassen sich bemühten, dass sie der Leiche die Hände zusammen falte- ten, und nun das blutige Messer in diese Hände hinein steck- ten! Dieser Fall, wie der bekannte von Gruner erzählte und einige andre, zeigt aber auch, dass die Richtung der Schnitt- und Stichwunde insofern nicht entscheidend für die Frage sein kann, als Wunden, wie sie ihrer grossen Sicherheit wegen Selbstmörder vorzugsweise zu wählen pflegen, wie Stichwunden ins Herz oder Schnittwunden in die Halsgefasse, grade auch von Dritten beigebracht werden, um den Schein des Selbstmor- des zu erregen. Mit zweifelsfreier Gewissheit kann daher Rich- tung und Verlauf der Wunde nur dann gegen Selbstmord zeu- gen, wenn die eigene Hand diese, eine solche Wunde unmög- lich gemacht haben konnte, z. B. wenn die Leiche eine Stich- wunde zeigte, die im Rücken eingedrungen und von oben nach unten verlaufend bis an die vordem Theile der Lunge gedrun- gen war. Bei Halsschnittwunden durch Selbstmord verläuft die Wunde gewöhnlich allerdings von links nach rechts und von oben nach unten. Ich habe indess schon (§. 35. allgem. Tbl. S. 141) angeführt, wie schwer es gewöhnlich ist, an der Leiche zu bestimmen, wo der Anfang, wo das Ende solcher Wunde sei, von welcher Bestimmung ja eben auch die ihrer Richtung abhängt. Hierzu kommt, dass selbst wenn diese sich ganz un- zweifelhaft feststellen Hesse, sie an sich nichts beweisen kann, da denatus mit der linken Hand geschnitten haben konnte, in welchem Falle die der obigen grade entgegengesetzte Richtung erzielt wurde, und dass viele andre Zufälligkeiten hier hindernd in den Weg treten. Im Uebrigen kommt in seltnem Fällen ein ganz horizontaler Verlauf der Halsschnittwunde vor (153. und 154. Fall), der es noch schwieriger macht, Anfang und Ende des Schnittes zu bestimmen. Grade bei Halsschnittwunden end- lich beobachtet man nicht selten Fälle, wo die Zerstörung durch dreist und sehr tief geführte, und mehrfache Schnitte so fürch- terlich ist, dass der Gerichtsarzt vollkommen ausser Stande, sich selbst und Andern durch das Protocoll die Richtung der ursprünglichen Wunde klar zu machen, die übrigens noch durch Retraction der Muskeln, durch die Manipulationen der Leiche beim Entkleiden und Transportiren u. dgl. wesentlich verändert worden ist. Wenn nach alle • diesem nicht die Combination eigentümlicher Thatsachen den concreten Fall bis zur Gewiss- heit aufklären kann, so bleibt dem Gerichtsarzt weiter Nichts übrig, als seinem Gutachten eine Fassung zu geben, die entwe- der die hohe Wahrscheinlichkeit der eigenen oder fremden Schuld am Tode ausspricht, oder, wenn auch dies nicht möglich, eine Fas- sung, die in einer anscheinenden Unbestimmtheit klar genug ist, um dem Richter Andeutungen für die fernere Behandlung der Sache, und für die Ermittelung von anderweitigen Beweisen, die er von seinem Standpunkte zu sammeln hat, zu geben, z. B. „dass die Obduction keine Ergebnisse geliefert habe, welche der An- nahme, dass denatus durch eigene Schuld den Tod gefunden, widersprächen", eine Fassung, die wir hier für ähnliche Fälle bereits mehrfach empfohlen haben und sehr häufig wählen. §. 24. Casuistik. 150. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Verletzung der Carotis und Jugularis. Bekleidet und bis an die Brust im Sumpfe stehend, hatte man einen männlichen Leichnam mit abgeschnittenem Halse gefunden. Ganz durch- schnitten fanden wir Luftrohre, Speiseröhre, linke Carotis und jugula- ris und rechte jugularis externa! Natürlich war allgemeine Verblutung im Leichname, an welcher jedoch die noch sichtlich angefüllten Gehirn- venen keinen Theil nahmen. Fusssohlen und Handteller des Körpers waren weissbläulich und ganz faltig, wie bei Wäscherinnen, wenn sie eben gewaschen haben, und wie sie bekanntlich bei Wasserleichen, die längere Zeit im Wasser geblieben waren, immer gefunden werden. Die Mütze des denatus lag am Ufer und in seinen Taschen fand sich Geld. Der Selbstmord war hier zweifellos, und eine complicirte Todesart, ver- hoffentliches Niedersinken ins Wasser, wenn der Schnitt nicht ein rasches Ende herbeiführen würde, gewählt, wie Lebensüberdrüssige es so oft thun, um ganz sicher ihren Zweck zu erreichen. 151. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Verletzung der Jugularen. Sehr viel schwieriger war die Frage vom zweifelhaften Selbstmorde bei einem Hutmacher, den man gleichfalls an einer Halsschnittwunde ge- tödtet fand. Man hatte den Mann noch ziemlich spät in der Nacht im Zimmer umhergehn hören, und ihn am andern Morgen auf dem Boden desselben in Hemdsärmeln und mit Hosen und Stiefeln bekleidet, auch mit einem dünnen seidenen Halstuch angethan, gradeüber dem Spiegel todt liegend gefunden. Ringsum war Alles voll Blut; etwa zwei Fuss vom Todten lag ein zusammengeklapptes (eingeschlagenes) blutiges Rasirmesser, -welches aus einem, im Fenster stehenden offnen Rasirmes- serfutteral fehlte. Nicht weit davon lag ein frischer Haufen Menschen- koth. Diese Umstände, so wie hauptsächlich der Befund von zwei ober- flächlichen Hautwunden in beiden Ellenbogenbugen, während die Hemds- ärmel die ganzen Arme bedeckten, endlich die Verhältnisse des denntUS, der mit zwei Concubinen zusammenlebte, hatten die Vermu- thung auf eine Mordthat rege gemacht. Den Tod hatte eine Halsschnitt- wunde verursacht, die von einer Seite zur andern etwas schräg von links und oben nach rechts und unten verlief (ohne dass das Halstuch zer- schnitten war —), und welche den Kehlkopf und beide äussern Drosselvenen durchschnitten, und einen Verblutungstod verursacht hatte, der sich in der Blutleere des ganzen Körpers (mit Ausnahme der Gehirnvenen, die noch sichtlich Blut enthielten), documentirte. Aber es ergaben sich noch merkwürdige pathologische Befunde, die gleichzeitig die Beurtheilung des Falles erleichterten. Die Luftröhre war fast in ihrer ganzen Ausdeh- nung, so wie die Knorpel des Kehlkopfs verknöchert; auch die Bron- chien waren verknöchert und enthielten Eiter, das Herz war um die Hälfte seines Volumens hypertrophisch mit Erweiterung des linken Ven- trikels, und die Leber zeigte Cirrhose. Diese Krankheiten hatten den Verstorbenen, wie durch ärztliche Atteste und seine Hausgenossen fest- gestellt ward, seit Jahren sehr leidend und verstimmt gemacht, und noch am Abend vor seinem Tode hatte er geäussert: „eine Pistolenkugel, und Alles ist vorbei!" Musste man schon hiernach zu der Annahme eines Selbstmordes gelangen, so sprach noch der Umstand, dass die Thür des Zimmers von innen verriegelt worden war, dafür. Auffallend waren nur die Armschnittwunden und das eingeschlagene Rasirmesser, worüber wir uns, wie folgt, äusserten: „Diese Verletzungen müssen nothwendig zuerst beigebracht worden sein, da nicht anzunehmen, dass ein Mensch, der sich zuerst eine solche Halsverletzung beigebracht, sich dann noch zwei Schnittwunden in den Arm habe geben können. Gar nicht abzusehn ist es ferner, was etwauige Mörder veranlasst haben könnte, nachdem sie den Hals durchschnitten, noch die Arme auf die vorgefundene AVeise ein- zuschneiden, wie noch weniger anzunehmen, dass Dritte zuerst diese leichten, und dann erst die tödtliche Verletzung beigebracht hätten. Be- kannt aber ist es, wie häufig Selbstmörder zuerst vergebliche Versuche machen, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Höchst wahrscheinlich ist auch H. so verfahren, und hat sich zuerst jene leichten Schnitte beigebracht, die, da sie nur ganz oberflächlich waren, ihm nicht die Besinnung raub- ten, und ihm Zeit genug Hessen, die Hemdsärmel no<;h wieder hinunter zu ziehn, und nun einen andern und sicherern Todesweg einzuschlagen. Auffallend ist ferner das bei der Leiche gefundene eingeschlagene, blutige Kasirmesser. Aber es liegt Nichts in den Umständen, was diesen Befund mit der Annahme eines Selbstmordes unvereinbar machen müsste; denn es ist erfahrungsmässig nicht vorauszusetzen, dass der Tod durch die Halsschnittwunde etwa urplötzlich erfolgt wäre, vielmehr hat denalus nach der Analogie ähnlicher, ärztlich beobachteter Fälle zweifellos wohl noch mehrere Minuten, vielleicht noch länger gelebt, und kann sehr füg- lich unmittelbar nach dem Schnitt noch das Messer zusammengeklappt und weggeworfen haben. Wie auffallend ferner das unverletzt gefundne Tuch um den Hals auch sein mag, so spricht doch auch dieser Umstand mehr für Selbstmord, als für die That eines Dritten, da kaum anzuneh- men, dass ein etwaniger Mörder, selbst wenn er den H. im Schlafe über- fallen hätte, so behutsam und langsam zu Werke gegangen wäre, das Halstuch herabzuziehn. Endlich ist es schwer, einen blossen Zufall darin zu erkennen, dass die Stelle, an welcher der Leichnam gefunden worden, grade dem Spiegel gegenüber sich befindet, während sich die Annahme aufdrängt, dass H. diese Stelle absichtlich gewählt, Und dem Spiegel ge- genüberstehend, das Halstuch herunterziehend, den Schnitt ausgeführt habe." Diese Ansicht drang durch, und wurde noch durch spätere Ver- nehmungen zur Gewissheit erhoben. 152. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Verletzung der Carotis und Jug ularis. Mehrfache und sehr interessante pathologische Befunde, die auf lange und vielfache Leiden im Leben, welche ohne Zweifel die Veranlassung zum Selbstmorde geworden, zurückschliessen Hessen, fanden wir in einem andern Falle einer tödtlichen Halsverletzung, die die Carotis und Jugu- larvene ganz durchschnitten hatte. Das Herz war nämlich ungewöhnlich klein, und dabei in seiner linken Hälfte hypertrophisch. Der Magen lag fast vertical nach dem Becken zu, und war sehr deutlich durch zwei Stricturen in drei Taschen getheilt, wobei dessen ganze Schleimhaut verdickt war. Die rechte Niere, so wie die rechte A. und V. renalis fehlten gänzlich. Die Todesursache war natürlich Verblutung gewesen, die sich in der allgemeinen Blutleere, mit Ausnahme der noch massig angefüllten Sinus durae matris, documentirte. 153. Fall. Mord durch Halsschnittwunden. Verletzung derLuftröhre und der Carotin. Am 17. Januar 18— durchschnitt ein Vater mit seinem Rasirmesser den Hals seiner beiden leiblichen Sohne, des Paul, 3£ und des Oscar, anderthalb Jahre alt, und ^piachte gleich darauf einige Selbstmordver- suche durch Schnittwunden und Erhängen, die jedoch nicht gelangen. Die verletzten Kinder starben gleich nach der That uud wurden drei Tage später von uns obducirt. J) Bei Paul fand sich keine Wachs-, sondern die gewöhnliche Lei- chenfarbe. Am Halse eine drei Zoll lange und zwei Zoll breit klaffende scharfe Schnittwunde mit unsugillirten, trockenen Rändern, die ganz horizontal verlief. Die Luftröhre war grade unter dem Kehlkopf glatt und ganz durchschnitten, ebenso völlig zerschnitten die linke innere Ca- rotis, die Speiseröhre aber war unverletzt geblieben. Vollkommene Blutleere im Leichnam mit Ausnahme einer hypostatischen Anfüllung der hintern pia mafer-Vcnen. 2) Die Leiche des Oscar war schmutzig-bleichgrünlich (wachsartig) gefärbt. Die Halsschnittwunde, die auch hier horizontal über den Hals verlief, war 2^ Zoll lang und klaffte zwei Zoll breit von einander. Auch deren Ränder waren scharf, glatt, trocken und nicht sugillirt. Auch hier war die Luftröhre vollkommen und glatt am Kehlkopfe ab- und durchgeschnitten und die Speiseröhre unverletzt. Ein grösseres Halsge- fäss war bei diesem Kinde nicht zerschnitten worden, dessen Leiche gleich- falls, mit Ausnahme der noch mässig gefüllten Sinus dur. mat., voll- kommen anämisch war. Die Beurtheilung beider Fälle gehörte natürlich zu den einfachsten. Die schreckliche That musste bald nach der Mahl- zeit geschehn sein, denn beide Mägen waren ganz mit Kartoffelbrei angefüllt. Wir äusserten nach der horizontalen Richtung der Schnitt- wunden, dass der Vater die Kinder (etwa wie eine Bassgeige) vor sich stehn gehabt habe, als er die That vollbrachte. Beide Voraussetzungen hat der unglückliche, melancholische, geistesgestörte Mann sofort nach der Obduction als thatsächlich bestätigt. 155. und 156. F«U. Selbstmorde durch Halsschnittwunden. D u r ch 8 ch n e i d u ng der Luft- und Speiseröhre. An einem und demselben Tage obducirten wir einen 20jährigen und einen Mann von 50 Jahren, die notorisch Beide mit einem Rasirmesser, ersterer vor drei, letzterer vor zwei Tagen sii^h tüdtliche Halsschnittwunden beigebracht hatten. Ich füge diese beiden Fälle hier nur noch den obigen hinzu, weil sie zunächst das Eigenthiimliche hatten, dass bei Beiden, unzweifelhaften Selbstmördern, die Wunde vollkommen horizontal verlief, so dass es frag- lichenfalls ungemein schwierig gewesen sein würde, zu bestimmen, wo der An- fang, wo das Ende der Verletzungen zu setzen sei? Dazu kam der seltsame Umstand, dass bei dem ältern Manne die Leiche, auch die Hände, abge- waschen worden war, ehe sie zur Obduction gelangte, und bei dem jun- gem, dass die linke Hand ungemein stark blutbesudelt war, die rechte weit weniger, ferner dass die linke ganz krampfhaft zusammengeballt war, die rechte nicht. Mussten wir sonach annehmen, dass der Schnitt mit der linken Hand geführt worden, so bestätigte sich auch später diese Annahme durch die polizeilichen Ermittelungen. Beide Leichen hatten die ganz gewöhnlichen Todtenflecke, wie ich sie bei allen Verbluteten stets finde, worüber bereits oben (S. 348) gesprochen worden. Aber der Jüngere hatte eine vollkommen leichenblasse, ungefleckte Rückenfläche, dagegen Todtenflecke auf dem Bauch und der vordem Fläche der Ober- schenkel, dazu pergamentartige, gelbbraune Flecke am Kinn. Hiernach musste man schliessen, dass er beim tödtlichen Umsinken auf den Bauch gefallen und so liegen geblieben war. Damit übereinstimmend war es, dass wir die Hypostase der Venen der pia mater, die auch bei diesen beiden Verbluteten nicht fehlte, und die Hypostase beider Lungen in sehr seltner Weise nach vorn fanden. In der That ermittelte sich spä- ter, dass die Leiche auf einem Schutthaufen mit Gesicht und Bauch auf- liegend gefunden worden. Beide Selbstmörder hatten kein Hauptgefäss am Halse, beide aber Luft- und Speiseröhre ganz durchschnitten, der Junge den Kehlkopf mitten durch, der Acltere die Luftröhre zwischen Zungenbein und Kehlkopf. Allgemeine Anämie. Im Uebrigen war nur der Kopf des Jüngern gelbschmutzig weiss, beide Leichen aber hatten sonst keine eigenthiimliche, sondern nur die ganz gewöhnliche Leicheu- farbe. Zweites Kapitel. Tod durch Erhungern. §. 25. Allgemeines. Fall von zehntägigem Hungern ohne Tod. Es ist über diese Todesart nur wenig Zuverlässiges be- kannt. Hunderte von Menschen, die in Kerkern verschmachte- ten, als Schiffbrüchige auf einem AVrack im Meere umhertrie- ben, verschüttet wurden, ohne zu ersticken u. s. w. sind un- zweifelhaft den Hungertod gestorben; aber wer hat sie beobach- tet? Die ziemlich zahlreichen Fälle bei den alten Schriftstellern von einem Wochen-, ja Monate-, selbst Jahrelang fortgesetztem Fasten bei gesunden Menschen sind unzAveifelhaft als absicht- liche oder unabsichtliche Täuschungen anzusprechen. Aber auch die spärlichen Krankheits- und Sectionsberichte über angeblich wirklich Erhungerte aus neuerer Zeit verdienen wenig Ver- trauen, da sie noch aus einer Epoche datiren, in welcher na- mentlich die grade hier sehr einflussreiche Frage von den blos- sen Leichensymptomen in Obductionslällen gar nicht angeregt und bekannt war, und ferner weil die Fälle zum Theil auch von an sich unzuverlässigen Beobachtern und blossen Buchmachern erzählt sind. Bei solcher Sachlage zeugt es gewiss nicht von der nö- thigen wissenschaftlichen Kritik, wenn selbst Männer wie Or- fila, dessen Behauptungen in die spätem Lehrbücher überge- gangen sind, Bedingungen aufstellt, wie die: dass Frauen spä- ter den Hungertod sterben, als Männer; dass Kälte und Feuch- tigkeit eine längere Abstinenz von Nahrung gestatten, als Wärme lind Trockenheit u. s. w. Denn wie viele verarleichönde Beob- O achtnngen würden dazu gehören, um solche Sätze thatsächlich zu begründen, und wo sind diese Beobachtungen? Auch meine eigne Erfahrung ist auf diesem Felde äusserst dürftig, und wenn ich ihre wonigen Ergebnisse hier mittheile, so bin ich weit ent- Casper, gcricliil. Eedlcin. 94- fei nt davon, daraus allgemein gültige Regeln abstrahiren zu wol- len, die der Zukunft der Wissenschaft vorbehalten bleiben müs- sen. Gewiss ist und allgemein bekannt, dass es zwei Arten des Hungertodes giebt, den langsamen und den schnellen. Je- ner entsteht durch allmälige Entziehung nahrhafter Kost, durch Beschränkung der Ernährung auf das allernothdürftigste Maass, wodurch Krankheiten aller Art, namentlich Atrophieen und Phthisen erzeugt werden, und dann der endliche Tod durch Er- schöpfung erfolgt. (Vgl. Ii Kap.) Dieser, der eigentliche Hun- gertod, erfolgt rascher bei gänzlicher und absoluter Enthaltsam- keit von allem und jedem Nahrungsstoffe. Da nur ganz isolirte Fälle das Urtheil leiten konnten, so ist es erklärlich, wenn über die Frage: wie lange eine solche Abstinenz dauern könne, be- vor der Hungertod eintreten müsse? die Meinungen so abwei- chen, dass man diesen Termin bei den Schriftstellern von drei bis zu mehr als sechszig Tagen (!) gesteckt hat. Die folgende Beobachtung, von der ich wenigstens sagen kann, dass ich sie mit lebhaftestem Interesse und gänzlicher Unbefangenheit ge- macht, rechtfertigt wenigstens den Ausspruch, dass ein kräfti- ger, gesunder Mensch wohl wahrscheinlich nicht vor zwölf bis vierzehn Tagen einem gänzlichen Enthalten von aller Nah- rung erliegen werde, so dass umgekehrt, wenn der Hungertod erfolgt war, mit Wahrscheinlichkeit auf einen solchen vorange- gangenen Hungertermin zurückgeschlossen werden könnte. Ein gesunder, 36 Jahre alter Goldarbeiter war wegen Betruges zu einer mehr als siebenjährigen Zuchthausstrafe verurtheilt worden, woge- gen er appellirt hatte. Seit einem Jahre bereits in Haft, fasst er den Vorsatz, Hungers zu sterben, und beginnt am 17. Februar 18— früh da- mit, sein Friihstücksbrod unberührt zu lassen, isst jedoch noch Etwas (wie viel konnte später nicht mehr festgestellt werden) zu Mittag von der gewöhnlichen dickflüssigen, vegetabilischen Mittagsmahlzeit der Gre- fangenen. Am 18. verzehrt er Morgens eine Suppe, von nun ab aber verweigert er jede Nahrung. Zu meinem Bedauern kam der Fall erst am 23. zu meiner Kenntniss, da man meinen Rath begehrte, während die beiden Hausärzte bis dahin den N. sorgfältig beobachtet, und, in Simu- lationen der Gefangenen sehr erfahren, sich vor Betrug möglichst zu wahren gesucht hatten. Zunächst musste ich die bereits getroffene Maass- regel billigen, wonach man zwei ziemlich gebildete Männer, die nur we- gen leichter Polizeivergehn verhaftet waren, zur Beobachtung und zur Sicherung des N. gegen Selbstmord zu ihm ins Gefängniss gelegt hatte. Diesen nun fand ich am 23. Vormittags, nachdem er seit bereits fünfmal vierundzwanzig Stunden gar Nichts über seine Lippen gebracht hatte, auf dem Strohsacke liegend. Er sah sehr bleich, doch nicht viel anders aus, als fast alle so lange wie er Verhaftete, war aber im Gesicht etwas eingefallen; der Blick erschien matt, die Temperatur der Haut war ganz normal, die Zunge war weiss-schleimig belegt, und beim Sprechen horte man ein gewisses Schnalzen von dem klebrigen Schleim im Munde. Der Klang der Stimme war nicht dumpf, kein übler Geruch aus dem Munde wahrnehmbar; das Zahnfleisch bleich, die Respiration normal, der Puls 88 Schläge zeigend, sehr regelmässig, weich, aber noch wahrnehmbar ge- füllt, der Bauch eingefallen, aber viel Darmgas beim Druck fühlbar. Der Kopf war vollkommen frei, und auf mein Befragen erwiederte er, dass er keine Gesichtstäuschungen, wohl aber zuweilen Sausen vor den Ohren empfinde. Er gab an, dass er gut und viel schlafe, und festgestellt wurde, dass er seit dem 18. früh keine Kothentleerung mehr gehabt habe. Er klagte weder über Hunger, noch auch über Durst (wie doch gewöhnlich angegeben wird), hatte angeblich nur wenig Urin gelas- sen, und war endlich so wenig zu bewegen, eröffnende Mittel u. s. w. zu nehmen, als geistlicher Zuspruch ihn bisher hatte bewegen können, von seinem schrecklichen Vorsatze abzustehn. Am 24. war der Zustand vollkommen unverändert. Der Hauswundarzt hatte ihm einige Tropfen Spiritus aethereus aufgedrungen. Auch am 25. war noch keine Darm- entleerung erfolgt. Es war Sontag. Der Hausgeistliche hatte dem N. das heilige Abendmahl angeboten, das er aber verweigerte. Gegen mich äusserte er: er hätte Gott ein Gelübde gethan, im Gefängniss Nichts mehr zu essen, es gehe, wie es wolle. Auf meine Frage, ob, wenn er jetzt zu den Seinigen entlassen würde, er sogleich wieder essen werde, erwiderte er rasch: ja wohl. Dabei stand das Sontagsessen, Kartoffel- suppe mit Gekröse, dampfend und unberührt neben ihm. N. ist jetzt bleicher und magert sichtlich ab. Beim Lesen der Bibel kann er es nicht lange aushalten, weil es ihm vor den Augen flimmert. Auch das Ohrensausen findet sich etwas häufiger ein. Die Zunge zeigt sich in der Mitte purpurroth und etwas trocken , an den Rändern mit noch zäherni Schleim als früher belegt, der auch beim Sprechen noch mehr Schnalzen erzeugt. Jetzt ist auch deutlich ein übler Geruch aus dem Munde wahr- nehmbar. Der Bauch erinnerte mich durch das teigigte Gefühl beim 24* Druck an den Unterleib der Cholerakranken. Die Haut schwitzt geliiid einen normalen warmen Schweiss, Urin ist :,eit 24 Stunden nicht, Koth noch gar nicht gelassen. Der Puls ist unverändert wie früher; die Gei- steskräfte sind ungetrübt. Das Fasten dauert nun sieben Tage! Am 26. — N. hat etwas wenigen dunkel-saturirten Urin gelassen, konnte aber dazu nicht mehr allein zum Nachtstuhl gelin, sondern musste geführt werden. -Seine Stimme hat nunmehr den dumpfen Klang angenommen, den man so häufig bei chronischen Abdominalleiden hört. Der Puls ist heute auf 96 beschleunigt, die Zunge wieder feuchter, sonst der Zustand wie gestern. Bei diesem gänzlichen Mangel aller irgend bedrohlichen Erscheinungen musste ich mich fragen, wie lange wohl dies, noch so gar nicht gefährdete Leben bei hartnäckigem Beharren noch fortgesetzt wer- den könne? Es lag gewiss kein Grund zürn Bezweifeln der Annahme vor, dass N. nicht noch mindestens weitere acht Tage werde leben kön- nen. Am 27. fand ich wieder das Brod und Essen unangerührt. Hun- ger verspürte N. — der von seinen Mitgefangenen unausgesetzt beobach- tet wurde — gar nicht mehr, nur ein Bedürfniss, den trocknen, klebri- gen Mund anzufeuchten, was er seit heute früh mittelst reinen, kalten Wassers gethan hat, ohne zu trinken. Der Bauch erscheint sehr einge- fallen. Zum Stuhl hat er nicht das geringste Bedürfniss, so wenig als er Ekel, Würgen, Erbrechen oder Schinerzen gehabt hat. Der Kopf aber ist ihm „dumpf" und besonders schwer beim Aufrichten von seinem La- ger. Der Geruch aus dem Munde ist jetzt merklicher. — Der Tag des 28. war merkwürdig. Der Puls hatte heute nur 76 und war sehr gesun- ken. Früh Morgens hatte N. über Doppeltsehn und auch von Zeit zu Zeit über Magenkrämpfe geklagt, die ein starker Druck erleichterte. Ge- stern Nachmittags und heute früh hatte er aus wirklichem Bedürfniss ab und zu etwas Zuckerwasser angenommen und im Ganzen etwa sechs Un- zen verbraucht. Hunger habe er, wie er meinte, gar nicht, und hatte er auch wieder nicht das Geringste gegessen. Dagegen äusserte er: es röche ihm heute Alles nach Milch, und in der Nacht von heute zum 29. hat ihn plötzlich der Hunger erfasst und bewältigt, und er ass von dem Brode, das noch von gestern her vor seinem Lager lag. Auf seine gestrige Aeusserung war ihm heut früh ein Viertel Quart Milch gebracht worden, das er verzehrt hatte. Bald darauf sah ich ihn, verordnete unter seiner Zustimmung eine Milch - Mehlsuppe ihm zu bereiten, die er nun endlich mit Gier genoss, wie er von jetzt an dann auch täglich seine Mahlzeiten machte. Er erhielt nun die bessere Selbstbeköstigung. Zwei Monate später sah ich ihn vollkommen gesund und in früherer Frische wieder. Er versicherte mich, dass er nur in den ersten drei Tagen gehungert habe. Später hätte er das „Schönste und Beste" sehn können, und es würde ihn nicht gereizt haben. Aehnliches ist in allen beschriebenen Fällen beobachtet worden. Bomerkenswerth bleibt der Geruchs-Ap- petit, der zuerst wieder erwachte, und grade auf das reizloseste Nah- rungsmittel, das Erste, Avas der Mensch im Leben geniesst, auf Milch gerichtet war. Die hier angeführten Krankheitserscheinungen sind im We- sentlichen dieselben, die in allen beschriebenen Fällen bei Er- hungernden beobachtet worden sind. Der Urin des N. mitten aus seiner Fastenzeit ist auf meine Bitte von meinem berühm- ten Collegen Mitscherlich analysirt worden. Es war mir namentlich wichtig, den etwanigen Mangel des Harnstoffs darin zu ermitteln. Der Urin hat indess Nichts von der Norm Ab- weichendes gezeigt, was die Behauptung Lassaigne's bestä- tio-L der gleichfalls im Urin von Hungernden den Harnstoff nicht vermisst hat. Gern hätte ich ermittelt, ob das Blut dieses Menschen in der Hungerperiode wohl eine Abnahme von Blut- roth und Albumine ergeben hätte, wie wohl wahrscheinlich und auch von Andral, Gavarret und Fr. Simon behauptet wor- den ist. Aber ich habe mich nicht berechtigt gehalten, einem solchen Menschen, «wie dieser, der in seiner Ernährung bereits so heruntergekommen war, nur aus Liebe zur Wissenschaft noch, wenn auch nur weniges, Blut zu entziehn. §. 26. Fortsetzung. Diagnose. Der Umstand, dass ein irgend zuverlässiger Termin betref- fend die Notwendigkeit des Eintretens des Hungertodes nach den bisherigen spärlichen Erfahrungen nicht anzugeben ist, wird in vorkommenden Fällen dem gerichtsärztlichen Gutachten nicht wesentlich störend entgegentreten. Denn es kommt auch hier, wir wiederholen es, im concreten Falle nicht mehr darauf an zu bestimmen, ob der Tod durch Erhungern eintreten musste, sondern vielmehr darauf, ob er dadurch erfolgt ist. Zur Fest- stellung dieses Thatbestandes werden die, wenn zu ermittelnden, Erscheinungen im Leben während der Fastenzeit des denatus, * 374 BrUunger». §• 36. Allgemeines!. Diagnose. §. '27. Casuistik. 1.07. Fall. und jedenfalls die Sectionsbefundc in dessen Leiche zu benutzen sein. Die erstem haben sich in den bekannt gewordnen Fällen fast genau eben so verhalten, wie in dem so eben geschilderten. Gewöhnlich, aber nicht bei unserm Kranken, machte der zu- erst eingetretene Hunger bald einem brennenden Durste Platz. Der Körper magerte rasch ab und die Kräfte sanken eben so schnell. Ohnmächten, Sinnestäuschungen, Schwindelgefühle, als Folge des gesunkenen Nervenlebens, traten ein. Die Auslee- rungen geriethen ins Stocken; Ekel, Würgen, auch Erbrechen von Schleim oder weniger Galle, Ractus, übler Geruch aus dem Munde traten ein, und unter den Zeichen höchster Er- schöpfung erfolgte der Tod. — Die Leichen werden geschildert als höchst abgezehrt und ganz anämisch, der Magen ganz leer, angeblich zuweilen auch von seinem eigenen, scharfen Magen- safte corrodirt (die „Selbstverdauung" der Engländer, die viel- leicht nichts Anders war, als Leichensymptom), der Magen ferner zusammengeschrumpft, der Darmtract, stellenweise veren- gert, ganz leer, oder höchstens einzelne, verhärtete Kothreste enthaltend, die Gallenblase mit einer zähen, dunkeln Galle strotzend angefüllt. — Es ist einleuchtend^ dass unter diesen Lebens- und Todeserscheinungen keine ganz speeifische, keine solche ist, die ausschliesslich nur dem Hungertode vindicirt werden könnte. Desto nothwendiger wird es sein, im vorkom- menden Falle auch den negativen Beweis durch Untersuchung und Feststellung der Abwesenheit jeder anderweitigen Todesart zu führen, womit allein in zweifelhaften Fällen die Sache auf- geklärt werden kann, wie die hier folgenden Beispiele sogleich zeigen werden. §. 27. Casuistik. 157. Fall. Wirklicher Hungertod. Vor dreissig Jahren hat uns, als damaligem Mitgliedc des Medici- nal-Collegii für dio Provinz Brandenburg, ein seltner und unerhörter Fall von, unter eigeuthümlichen Umständen erfolgtem, wirklichem Erhungern Ver- anlassung zu einem Gutachten gegeben, den ich hier nicht ans der Erinnerung, sondern nach dem mir vorliegenden amtlichen Obductionsprotocolle schildere. Per in erster Instanz verurtheilte Angeschuldigte hatte appelürt, und so Veranlassung zu dem obigen Superarbitrium gegeben. Derselbe war ein, zur innern Praxis nicht befugter Wundarzt, welcher eine Frau die damals hier sehr beliebte Quecksilber-Inunctionskur hatte brauchen las- sen, und dieselbe so leichtsinnig geleitet hatte, dass Verwachsungen der Kiefer entstanden, und die unglückliche Patientin den eigentlichen und wirklichen Hungertod starb! Die Section ist mit der grössten Genauig- keit ausgeführt worden, und hat Folgendes als die wesentlichsten Ergeb- nisse oeliefert. Der Leichnam war sehr abgezehrt. Der Unterkiefer raste stark vor dem Oberkiefer hervor, und konnte nur mit- grosser Ge- walt ein klein wenig von demselben entfernt werden. Die meisten Zähne fehlten in beiden Kiefern. Nachdem in den Mundwinkeln bis zu den Ohren eingeschnitten war, zeigte es sich, dass im Unterkiefer noch sechs Backzähne vorhanden waren, die aber nicht vertical, sondern horizon- tal standen. Vier von diesen Zähnen waren so locker, dass sie sich leicht ausziehn Hessen. Im Oberkiefer steckten noch vier Zähne, von denen drei gleichfalls ganz locker waren. In der Gegend des dritten rechten Backzahns im Unterkiefer war die Beinhaut und die Schleimhaut der Mundhöhle schwarz von Farbe, und der obere Kand des Unterkie- fers war, nachdem das Periost abgeschabt worden, rauh anzufühlen. Der Ober- und Unterkiefer waren rechts durch eine abnorme, feste und starke Membran verbunden. Links war diese widernatürliche Verwachsung zwar auch vorhanden, aber weniger beträchtlich. Die Zunge war mit den un- ter ihr liegenden Weichtheilen völlig verwachsen, und bildete mit densel- ben nur Eine Masse, so dass die Zungenspitze durchaus nicht in die Höhe gehoben werden konnte (!!). Der vordere Theil der Zunge war einen Zoll lang von der Schleimhaut entblösst, und das Muskelfleisch lag nackt da. Was nun die eigentliche innere Besichtigung betrifft, so war der Magen so weit verengert, dass sein Lumen kaum dem des Colons gleich kam. Uebrigens war er ganz normal beschaffen. Sein Inhalt be- stand in einem Esslöffel voll gelblich-trüber Flüssigkeit ohne auffallenden Geruch. Der Dünndarm war gleichfalls so verengt, dass sein Durchmes- ser kaum die Hälfte des gewöhnlichen betrug. Seine Farbe war die ge- wöhnliche, was auch von den dicken Därmen gilt, die gleichfalls sehr verengt waren. Der ganze Darmcanal war völlig leer. Die Leber war blass und missfarben, sehr blutleer, und ihr Gewebe etwas härter als ge- » wohnlich, die Gallonblase voll dunkler Gallo. Die Milz war klein, welk, mürbOj blutleer, zum Theil mit dem Bauchfell verwachsen. Die übrigen Unterleibsorgane waren normal. In Brust- und Kopfhühle war nur Anä- mio liervorzuheben; das wenige Blut im Herzen war scliwarz und dick- flüssig. Das war also ein wirklicher Hungertod, und die Seetionsresul- tate stimmen auch, wie man sieht, genau mit denjenigen überein, die von den wenigen bekannt gewordenen Fällen berichtet worden sind. (Beiläufig bemerke ich, dass der fahrlässige Wundarzt zu Festungsstrafe und zum gänzlichen Verluste des Rechtes zur Praxis verurtheilt worden ist.) 158. Fall. Angeblicher Hungertod. Ein 48jähriger Schneidergeselle sollte angeblich erhungert sein. Der Fall wurde sofort Stadtgespräch, und gab natürlich Veranlassung zu den schönsten Humanitätsphrasen. Bei der gerichtlichen Obduction fanden wir äusserlich einen allerdings sehr abgezehrten Leichnam, innerlich aber Herzhypertrophie und Hypertrophie der Harnblasenwände als Todesur- sache, und den Magen strotzend mit Kartoffelbrei angefüllt! Hier- nach mussten wir natürlich annehmen: dass denatus an einer innern Krankheit, nicht aber den Hungertod gestorben sei. 159. Fall. Angeblicher Hungertod eines Kindes. Ausgrabung der Leiche nach zwölf Tagen. Ein neun Monate altes, uneheliches Mädchen, das am 12. Mai (Tem- peratur -f- 12—15° R.) gestorben, wurde am 24. dess. M. wieder aus- gegraben, da sich das Gerücht verbreitet hatte, dass die Frau, welche dasselbe um Lohn in Pflege gehabt (in Berlin: Päppelfrau genannt), es hatte verhungern lassen. Die Leiche lag in einem Kiehnsarge und war leicht mit einem Hemde und einem sogen. Sterbehemde, einem Uebenvurf von Baumwolle, bekleidet, als sie uns fünf Tage nach der Ausgrabung zur Obduction übergeben wurde. Das ganze Gesicht, die Unterextremi- täten und der rechte Vorderarm waren mit Schimmel bedeckt, die Aug- äpfel ausgeflossen. Der Geruch war noch nicht der gewöhnliche dumpf- käseartige der später ausgegrabenen Leichen, vielmehr war der Fäulniss- geruch vorstechend. Die Hautdecken waren am ganzen Körper, mit Aus- nahme der Untcrextremitäten, dunkelgrün gefärbt. Auffallend war so- ' OD gleich die höchste Abmagerung, wie sich denn auch später innerlich, beim Abtrennen der Hautdecken, so wie in den Netzen u. s. w. nicht die ge- ringste Spur von Fett zeigte. Spuren von Verletzungen oder Misshand- lungen fanden sich nicht. Die Schädelknochen und dura maier sehr bleich und anämisch; in der pia malcr Hypostase; das Gehirn war zu einem dicklichen röthlichen Brei, wie gewöhnlich, erweicht; die Sinus blutleer. Bedeutende Anämie in den ganz bleichen', vollkommen tuber- kelfreien Lungen, Aveniger in den grossen Gefässen. Im Heizen, in bei- den Atrien und in der rechten Kammer etwas weniges Blut, ohne her- vorstechende Eigenthümlichkeit, die linke Kammer war leer. Eben so die Luft- und Speiseröhre. Der Magen — ich schildere nicht weiter die Verwesungssymptome in den einzelnen Organen — enthielt mehr als zwei Esslöffel voll gekäste Milch. Leber, Milz, Nieren und Vena Cava ungemein blutarm. Die Därme bleich und ganz leer; im Tractus keine Geschwüre, noch sonstige Anomalie, so wenig als im Gekröse. Die Harnblase leer. Wir nahmen an : dass das Kind an einer innern Krank- heit gestorben, nicht aber erhungert sei, dass jedoch wohl angenommen werden könne, dass die innere Krankheit aus allgemeinem Mangel an hinreichender Pflege und Ernährung entstanden sei. Ausser den hier ge- schilderten DatlS, die eine solche Annahme rechtfertigten, erwähne ich noch, dass das bereits neun Monate alte Kind nur 21J- Zoll lang, und dass nur erst ein einziger Schneidezahn mit der Spitze im Durchbrechen begriffen war. Dazu kommt, dass der Knochenkern in der Schenkelepi- physe (s. §. 97.) nur genau drei Linien im Durchmesser hatte, Beweise genug für eine sehr zurückgebliebene Vegetation. Diese musste um so mehr auf Rechnung eines allgemeinen Verkümmerns durch mangelhafte Verpflegung gesetzt werden, als eine eigentliche Phthise, beim Mangel jeglichen Eiterheerdes, nicht angenommen werden konnte. Unser Gut- achten wurde durch die spätere Untersuchung bestätigt, die u. A. ergab, dass ein Arzt schon einen Monat vor dem Tode des Kindes darauf an- getragen hatte, dasselbe seiner Ernährerin zu entziehn, die ihm täglich nur ein halbes Quart der schlechtesten Milch als einzige Nahrung gege- ben hatte. 160. Fall. Angeblicher Hungertod. Ein fünf Monate altes Mädchen, das von der unverehelichten Mutter einer Lohnfrau in Kost und Pflege gegeben worden war, starb, nachdem es längere Zeit krank und elend gewesen war, und namentlich, nach De- position des behandelnden Wundarztes, an „langwieriger Diarrhöe" ge- litten hfitte. Die Pflegerin wurde angeschuldigt, das« sie das früher ge- sunde Kind habe verhungern lassen, was Veranlassung zur gerichtlichen Obdnction wurde. Die kleine Leiche war sehr abgezehrt und in der Brustgegend etwas durchgelegen. Die blutfuhrenden Hirnhäute waren ungewöhnlich blutreich, und in der linken Hemisphäre fand sich ein boh- nengrosses Blutextravasat. Die Ventrikel enthielten viel Wasser. Grosses und kleines Gehirn sehr blutreich. Auch säinmtliche Si?lliS waren mit dunklem, ziemlich flüssigem Blute überfüllt. Lungen und Herz zeigten sich sehr blutarm Die blasse Milz und Leber waren gleichfalls anä- misch, die Gallenblase enthielt nur wenig hellgrüne, dickflüssige Galle. Der Magen zeigte die bekannte gallertartige Erweichung sehr ausgeprägt; er zerriss bei der leisesten Berührung und entleerte zwei Unzen mil- chigten Speisebreies. Der Darmkanal war vollkommen leer, Nieren und Venen der Bauchhöhle blutarm. Dieser Befund rechtfertigte, wie im vorigen Falle, das Gutachten: dass nicht gänzliche Entziehung der Nahrung sondern eine innere Krankheit den Tod des Kindes veranlasst hatte. Drittes Kapitel. Tod durch Vergiftung. Gesetzliche Bestimmungen. Strafgesetzbuch. §. 197. Wer vorsätzlich einem Andern Gift oder andre Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Hat die Handlung eine schwere Körperverletzung zur Folge gehabt, so besteht die Strafe in Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren. Hat die Handlung den Tod zur Folge gehabt, so tritt lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. Diese Be- stimmungen berühren nicht den Fall, woderThäter die Absicht zu tödten hatte. Eben das. §. 304. Wer vorsätzlich Brunnen oder Wasserbehälter, welche zum Gebrauche Anderer dienen, oder Waaren, welche zum öffent- lichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, vergiftet, oder denselben Stoffe beimischt, von denen ihm bekannt ist, dass sie die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet sind, imgleichen wer solche vergiftete oder mit gefährlichen Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Ver- schwoigung dieser Eigenschaften verkauft oder feilhält, wird mit Zucht- haus von fünf bis zu fünfzehn Jahren bestraft. Hat in Folge der Hand- lung ein Mensch das Leben verloren, so tritt die Todesstrafe ein. Liegt der Handlung eine Fahrlässigkeit zum Grunde und ist dadurch ein Scha- den entstanden, so ist auf Gefängniss bis zu sechs Monaten, und wenn in Folge der Handlung ein Mensch das Leben verloren hat, auf Gefäng- niss von zwei Monaten bis zu zwei Jahren zu erkennen. Eben das. §. 345. Mit Geldbusse bis zu fünfzig Thalern oder Gefängniss bis zu sechs Wochen wird bestraft: 1) u. s. w., 2) wer ohne polizeiliche Erlaubniss Gift oder Arzneien, so weit deren Handel nicht durch besondere Erlaubniss freigegeben ist, zubereitet, verkauft oder sonst an Andere überlässt; 3) u. s. w.: 4) wer bei der Aufbewahrung oder bei dem Transport von Giftwaaren (u. s. w.) oder bei Ausübung derBe- fugniss zur Zubereitung oder Feilhaltung dieser Gegenstände, so wie der Arzneien, die deshalb ergangenen Verordnungen nicht befolgt. Criminal-Ordnung. §. 167. Ist Verdacht vorhanden, dass der Verstorbene durch Gift ums Leben gekommen sei , so müssen von dem Arzte die etwa gefundenen Ueberbleibsel des vermeintlichen Giftes, so wie die in dem Magen und Speisekanal angetroffenen verdächtigen Substanzen nach chemischen Grundsätzen geprüft werden, wobei jedoch vom Richter mit grösster Vorsicht dahin zu sehn ist, dass die zu unter- suchenden festen und flüssigen Körper nicht vertauscht oder verwechselt werden, sondern deren Identität ausser Zweifel gesetzt sei. Zu diesem Ende müssen, wenn der chemische Prozess nicht in Gegenwart des Rich- ters abgemacht werden kann, den beiden Sachverständigen diese Substanzen versiegelt, mittelst gerichtlichen Protocolls übergeben, und in eben der Art zurückgeliefert werden. Regulativ vom 21. October 1844. §. 15. Bei vorhandenem Ver- dacht einer Vergiftung müssen um den untern Theil der Speiseröhre und etwa den mittlem Theil des Dünndarmes doppelte Ligaturen gelegt und Speiseröhre und Dünndarm zwischen den Ligaturen durchschnitten wer- den. Demnächst wird der Magen mit dem obern Theile des Dünndarmes aus der Bauchhöhle herausgenommen, nach vorgängiger anatomischer Un- tersuchung in ein Gefäss von Porzellan oder starkem Glase gethan und den Gerichtspersonen zur weitern Veranlassung übergeben. Auch die Speiseröhre, nachdem sie nahe am Halse unterbunden und über der Li- gatur durchschnitten worden, ist aus der Brusthöhle herauszunehmen und gleichfalls in das gedachte Gefäss zu legen. §. 28. Begriff: Gift und Einteilung der Gifte. Die Lehre von den Vergiftungen ist noch jetzt und trotz der grossen Fortschritte der Chemie und Physiologie die schwächste Seite der gerichtlichen Medicin sowohl in theoreti- scher, wie in practischer Beziehung. In ersterer hat der neue Preussische Strafgesetzgeber auf eine sehr einfache und glück- liche Weise die Schwierigkeiten in der Definition des Begriffes: „Gift" beseitigt, wenigstens so weit die Zwecke des Strafrechts, die einzigen, die die gerichtliche Medicin bei dieser Frage in- teressiren, hier in Betracht kommen. Ob die Substanz sich im Körper reproducirt oder nicht, ob sie heimlich beigebracht wer- den kann oder nicht, ob sie schon in kleinen Gaben (ein viel- deutiger Begriff!) schädlich oder tödtlich wirken kann oder nicht, ob sie nicht auch als Heilmittel angewandt wird, und dennoch nicht aus der Reihe der „Gifte" gestrichen werden kann u. s. w. u. s. w., ob demnach schliesslich im concreton Falle nicht darüber gestritten werden kann: ob denn eben diese Substanz nun wirklich ein Gift sei? dies Alles braucht jetzt nicht weiter erwogen zu werden, wenn nur feststeht, dass die- ses x eine Substanz, „die die (menschliche) Gesundheit zu zier- stören geeignet ist". Dies aber ist das Criterium, das unbe- stritten allen sogenannten Giften ohne Ausnahme gemeinschaft- lich zukommt, und das der Branntwein mit dem Arsenik, der Mohnkopf mit dem Phosphor gemein hat. Natürlich ist nun hiernach Vergiftung diejenige „Handlung" (§. 197. Strafgb.), durch welche eine solche Substanz „vorsätzlich einem Andern beigebracht", d. h. eben so wohl an — wie eingebracht wird. Unlösbar scheint noch auf lange Zeit das Problem einer genü- genden Eintheilung der Gifte. Wenn gleich eine solche für die forensische Praxis vollkommen entbehrlich ist, da diese, zumal nach den zur Geltung gekommenen Grundsätzen des neuern Strafrechts, immer nur den einzelnen, concreten Fall im Auge hat, so wird dennoch das wissenschaftliche Bedürfniss immer wieder nach einer allgemeinen Classification drängen. Zu einer solchen aber liegen, wie nicht in Abrede zu stellen, die Erfah- ruRgstaatsachen noch gar nicht ausreichend vor. Als solche müssen gelten die Reactionen der Gifte auf den lebenden Ver- gifteten (die pathologischen Erscheinungen) und der Sections- befimd. Nicht als ob Krankheits- und Sectionsgeschichten von mit den verschiedensten Stoffen Vergifteten nicht in genügend grosser Anzahl vorlägen, um eine wissenschaftliche Classification darauf zu begründen; es ist des Materials an Quantität in den Toxicologieen, Zeitschriften, Acten u. s. w. genug angehäuft; aber leider! ist die Qualität des Stoffes nicht wissenschaftlich brauchbar genug zu diesem Zweck. Hunderttausende von Cho- lerakranken und Todten sind vom ersten Augenblicke des Er- krankens an streng wissenschaftlich beobachtet und verfolgt worden, und das Dunkel der Krankheit ist noch nicht gelöst. Dagegen ist unter der weit geringem Anzahl von vorgekomme- nen, bekannt gewordenen Vergifteten ein grosser Theil im Le- ben gar nicht, oder, was gleichbedeutend, nur von den umge- benden Laien ganz oberflächlich, oder nur in später und letzter Zeit der Krankheit noch von Aerzten beobachtet worden. Dazu kommt die Erwägung der nothwendigen Verschiedenheit in den Krankheitssymptomen, je nachdem dasselbe Gift hier in flüssi- ger Form, dort eingehüllt in Erbsen- oder Mehlbrei, hier con- eentrirt, dort in schleichenden Gaben gegeben war, je nachdem hier Gegenmittel angewandt worden, dort nicht. Daher die un- genügende Seltenheit reiner wissenschaftlicher Beobachtungen des ganzen Verlaufes der Vergiftungs - Krankheiten. Hinsicht- lich der Unterlage, die ein ausreichendes Material guter Sec- tionsgeschichten geben würde, ist zu erwägen, dass die grosse Mehrzahl derselben aus einer Zeit herrührt, in weh/her die blos- sen Leichenphänomene als solche noch gar nicht gekannt und gewürdigt waren, was erst in unsern Tagen geschehn, und selbst jetzt noch von den wenigsten Aerzten und Gerichtsärzten ge- schieht, und dass ferner bei Würdigung der Sectionserscheinun- gen nach Gifttod im concreten Falle den individuellen, von der Giftreaetion ganz unabhängigen Befunden meistens gar nicht gehörige Berücksichtigung zu Theil geworden. Daher der Wirr- warr der widersprechendsten Angaben, der Mangel an Ueber- einstimmung, den man finden wird, wenn man sich, wie der Verfasser gethan, die Mühe giebt, unzählige Sectionsberichte aus älterer und neuerer Zeit über Vergiftungen mit Kritik zu prüfen. Hier wird von blauen oder blaurothen Flecken an der Leiche berichtet, die gar nicht weiter geprüft worden, aber ohne allen Zweifel nur gemeine Todtenflecke gewesen; die Compila- toren nahmen sofort blaue Flecke als Sectionsbefund der quäst. Vergiftung auf! Dort haben, nach einer Blausäurevergiftung, blaue Venenstränge die äussere Magenfläche durchfurcht, und der Obductionsbericht legt Werth auf diese „Stasen", ohne zu ahnen, dass hier nur ein ganz alltägliches Verwesungsproduct vorliegt. Hier wird nach einer chronischen Vergiftung ein schlaffes Herz, eine grosse Milz, ein sehr kleiner, zusammenge- schrumpfter Magen gefunden, und es werden Schlüsse aus die- sen Befunden gezogen, die wahrscheinlich nur rein individuell und von der Vergiftung ganz unabhängig waren. §. 29. Fortsetzung. Trotz dieser, für jetzt nicht zu beseitigender Mängel wird zugegeben werden müssen, dass eine irgend brauchbare Classi- fication der Gifte sich nur auf die pathologischen und patholo- gisch-anatomischen Befunde stützen kann; denn eine Einthei- lung, wie jene ältere, in Gifte aus dem Mineral-, Pflanzen- und Thierreich ist gut für Schulkinder, aber nicht für die Wissen- schaft, und die ganz allgemeine in organische und unorganische Gifte eben in ihrer Allgemeinheit nichtsbedeutend. Aber bei jenen, allein brauchbaren Criterien tritt die neue, erhebliche Schwierigkeit entgegen, dass die eigentliche An - Sich-Wirkung der Gifte so gut wie unbekannt ist, dass die Toxicologie erst in der allerneusten Zeit durch Erkenntniss des Uebcrganges der Gifte in das Blut, ihres chemischen Verhaltens zu den festen und flüssigen Theilen u. s. vv. einen Anfang zu einer wirklich wissenschaftlichen Lehre gemacht hat, und dass, wenn wir uns an die Wirkungen der Gifte halten müssen, wie sie in die äus- sere Erscheinung treten, dieselben bekanntlich wieder ungemein verschieden sind je nach den verschiednen Dosen, Präparaten, Oxydationsstufen u. s. w. eines und desselben Giftes, das hier- nach nothwendig in mehrere Klassen zugleich aufgeführt wer- den muss. Wir dürfen nach Beispielen nicht weit suchen, denn grade die gewöhnlichen Gifte bieten sie dar. Die Mineralsäu- ren, z. B. Schwefelsäure, in verdünnter Form oder mässiger Dose, bewirken nur eine leichte Phlogose der Magen - mueosa, oder in schon höhearm Grade flache Exfoliationen; conc'entrirt und in grosser Dose genommen bewirken sie rasche brandige, vollständige Desorganisation sämmtlicher Magenhäute u. s. w., Erscheinungen, die einzig und allein nur ihnen zukommen, und es rechtfertigen würden, aus ihnen eine eigene Classe von Gif- ten zu constituiren. Quecksilberbichlorüre ist, nach den Er- scheinungen im Leben wie im Tode, ein ganz andres Gift als Quecksilberdämpfe es sind; Bleiacetat ein andres als Bleidämpfe; Zinkoxyd ein andres als Chlorzink; die iSchwefelquecksilber- Präparate können in Betreff giftiger Wirkungen kaum zu den Mercurialgiften gezählt werden u. s. w. Nach allen diesen Schwierigkeiten kann die folgende Ein- theilung keinen Anspruch auf Vollgültigkeit machen; wir legen selbst keinen erheblichen Werth darauf, da unser Endziel in Bearbeitung der gerichtlichen Medicin die Praxis ist, für wel- che, wie schon bemerkt, eine Classification überhaupt entbehr- lich Wir nehmen an: 1) Aetzgifte, irritirende, inflammatorische Gifte; sie be- wirken primär Irritation bis zur Entzündung und allen ihren Folgen, Exulcoration, Brand, Desorganisation in den Haut- oder Schleimhautflächen, mit denen sie in Berührung kommen, und consecutiv, höchst wahrscheinlich, wie von mehrern schon jetzt bekannt, durch Blutvergiftung (Dysämie), Irritation des Nerven- systems. Von den in der Praxis vorkommenden Giften gehö- ren hierher: die Mineralsänren, die Arsenicalien, die Mercuria- lien (mit Ausnahme der Mcrcurialdämpfe und der Schwefel- quecksilber-Präparate), die Zink- und Antimongifte, die Klee- säure, Aetz-Kali und Natron, Chrom- und Bichromkali, Phos- phor, die ätherischen Oele, die narcotischen Gifte: Colchicum, Coloquinten, Gutti und Croton-Oel, die giftigen Pilze und?die Q an th ariden. 2) Hyperämisirende, narcotisirende Gifte; sie tödten durch Blutüberfüllung bald des Gehirns> bald der Lungen, bald des Herzens, bald des Rückenmarkes, aus welcher Wirkung sich, wie wir dies überall bei dieser Eintheilung annehmen, die Erscheinungen im Leben und die Sectionsbefunde ungezwungen erklären lassen. Unter den in der Praxis vorkommenden, der- artigen Giften sind zu nennen: die Opiate, die Belladonna, Nun vomica, Strychnin, Veratrin, Brucin, Ilyoscyamus, Conium, Ci- cuta, Digitalis, Stramonium, Nicotiana, so wie deren betreffende Alcaloide und der Alcohol. 3) Neuro-paralysirende Gifte. Sie wirken und tödten durch Lähmung des* Central - Nervensystems, vermittelt durch Blutvergiftung; daher der urplötzliche Tod oder der Tod unter gleich anfänglich auftretenden Erscheinungen von Lähmung und Krampf, und der mehr negative Obductionsbefund. Es gehören hierher: die Blausäure, das Cyankalium, das blausäurehaltige (nur dieses) Bittermandelöl, das Mutterkorn (?) und das Chloro- form. 4) Tabificirende Gifte. Sie kommen gewöhnlich nur in Form chronischer Vergiftungen vor, und wirken Gesundheit zerstörend und tödtend, indem sie die Verdauung langsam aber tief und sicher stören und untergraben, wodurch eine mangel- hafte Körperernährung, höchste Abmagerung, und cönseoutiv Nervenlähmungrsr-,Erscheinungen und Zehrkrankheiten herbeige- fuhrt werden. Es sind zu dieser ('lasse von Giften zu zählen: das Bismuthuni hydrico-nitricum, das Bleiweiss, die Blei-, Queck- silber-, Arsenikdämpfe, und wahrscheinlich die meisten metalli- schen Dämpfe. 5) Septische Gifte; Substanzen und Krankheitsstoffe, die ursprünglich eine Blutverderbniss bewirken und dadurch tödten. Hierhin gehören: die Wurst-, Käse-, Fisch-, wie überhaupt die so zu nennenden Speise-Gifte, die sich nicht selten in ganz un- schädlichen Nahrungsmitteln auf eine noch nicht aufgeklärte Weise entwickeln, und von Krankheitsstoffen: das Rotzgift, das Milzbrandgift und die Pyämie. §. 30. Feststellung des Thatbestandes. Das frühere Preussische Strafgesetzbuch verlangte (§. 858. Tit. 20. Thl. II. des allg. Landr.) zur Feststellung des That- bestandes einer zweifelhaften Vergiftung, wenn das post hoc feststand, d. h. „wenn es gewiss, class der Entleibte nach bei- gebrachtem Gifte gestorben", in Betreff des propter hoc, des Causalzusammenhanges zwischen der Vergiftung und dem nach derselben eingetretenen Tode nicht mehr als einen Nachweis darüber, dass der Tod eine wahrscheinliche Wirkung des Giftes gewesen. Diese, bei der frühern Lage der Criminal- rechts - Wissenschaft und der Strafgesetzo-ebuno- weise Bestim- mung des Gesetzgebers, ohne welche zahlreiche Giftmorde nie- mals als solche hätten anerkannt und bestraft werden können, weil bei einer strengen Beweistheorie hundert Ausflüchte, Mög- lichkeiten, Zweifel, merkwürdige Erfahrungsthatsachen von nicht tödtlich gewordenen Vergiftungen durch die entschiedensten Gifte u. s. w. dem Richter entgegengehalten worden wären, diese gesetzliche Bestimmung erleichterte auch den preussischen Sachverständigen ihr Urtheil. Denn wenn es, sei es durch die dem Richter als solchem zu Gebote stehenden Beweismittel, sei es, Seitens der Sachverständigen, durch die Krankheitssymp- tome, Leichenbefunde und chemischen Untersuchungsei gebnisse festgestellt war, „dass wirklich Gift beigebracht worden", so Casper, gerichll. Heilicin. 25 war der Gerichtsarzt berechtigt, die tödfcliche Wirkung dieses Giftes im concreten Falle als ..wahrscheinlich" anzunehmen, wenn Krankheitssymptome und Leichenbefund selbst nur in den wichtigsten Einzelheiten dem entsprachen, was die ärztliche Er- fahrung in Betreif der verschiedenen Gifte kennen gelehrt, und der Sectionsbefund eine andre Todesursache nicht nachgewiesen hatte. — Ganz anders gestaltet sich die Sachlage bei der ge- genwärtigen Strafgesetzgebung, welche in jedem Falle vermu- theter tödtlicher Vergiftung, nach der nicht zu deutelnden kla- ren Fassung des oben citirten §. 197., nichts weniger als Ge- wissheit darüber (natürlich vom Sachverständigen) verlangt, dass der Tod eine Folge des beigebrachten Giftes gewesen sei. Wir haben hier nicht zu untersuchen, wie weit reine Rechts- ansichten den neuen Strafgesetzgeber bei dieser wichtigen Aen- derung geleitet haben, oder wie weit dieselbe vielleicht nur eine logische Folge war der Aenderung in den Ansichten über die frühern allgemeinen Lethalitäts-Categorieen. Denn wenn jetzt jeder gewaltsame Todesfall als ein rein concreter aufgefasst wer- den soll (s. oben S. 264), so ist zu begreifen, dass der Gesetz- geber auch den einzelnen Vergiftungsfall als Specialfall aufge- fasst, und eben so ermittelt wissen will, ob die Beibringung dieses Giftes diesen Tod, wie ein andermal: ob diese Ver- letzung diesen Tod zur Folge gehabt habe? Wenn es nun freilich nicht zu verkennen, dass die Schwierigkeit des gerichts- ärztlichen Urtheils jetzt eine weit erhöhte gegen früher ist, da er „gewiss" aussprechen soll, wo er früher unbedenklich we- nigstens „wahrscheinlich" sagen konnte, und Gewissheit gar nicht verlangt wurde, so liegt doch, nach der hier gegebenen Darstellung der Sachlage, eine Beruhigung für das Gewissen des Sachverständigen in dem Umstände, dass er ganz zu ab- strahiren hat von den Erfahrungen von Vergiftungen mit Le- bensrettung durch dieselbe Dosis desselben Giftes wie im vor- liegenden Falle, von der Möglichkeit der Erhaltung des vergif- tet Gewesenen durch andere ärztliche Behandlung, von der möglichen Mitwirkung concurrirender, schädlicher Einflüsse u.s. w.« und dass er vielmehr ausschliesslich nur zu erwägen hat, ob die Substanz x. die Folgen haben könne, um die es sich handelt, und ob aus allen Umständen, die die Untersuchung des concreten Falles darbietet, angenommen werden könne, dass x. hier jene Folgen wirklich gehabt hat? Der Sachverstän- dige halte sich den §. 185. des Strafgesetzbuchs vor dem Gedächtniss, und er wird auch hier, in dieser dazu am meisten verführendenFrage, fortan nicht mehr jener übertriebenen Skepsis huldigen, die namentlich in Betreff der Feststellung des Thatbestandes einer vermutheten Ver- giftung bei den Gerichtsärzten und Schriftstellern so gewöhnlich ist. — Zur Begründung seines Urtheils darüber: ob dem dena- tus „Gift oder andre Stoffe beigebracht worden, welche die Ge- sundheit zu zerstören geeignet sind", wenn er darüber befragt wird, und die „Handlung" der Beibringung des Giftes nicht für den Richter etwa schon anderweitig festgestellt ist, hat der Arzt vier Criterien. Nämlich 1) die Krankheitserscheinungen, welche der Verstorbene im Leben nach der muthmaasslichen Vergiftung gezeigt hatte; 2) den Sectionsbefund in der Leiche; 3) die Ergebnisse der chemischen Analyse des Leicheninhaltes und 4) endlich die Combination aller äussern Umstände, die das Erkranken und Sterben des denatus begleiteten. §. 31. Fortsetzung, a) Die Krankheitserscheinungen. Es wird zugegeben werden müssen, dass dies Criterium an und für sich eine wenig sichere Unterlage für das Urtheil giebt. D enn einmal ist es bekannt, wie häufig grade in den gericht- lichen Fällen von Vergiftungen, bei diesem Verbrechen, das sich durch die grosse Heimlichkeit, mit der es verübt werden kann, vor allen andern Verbrechen auszeichnet, Zeugen, nament- lich Medicinalpersonen, den Vergifteten vor dem Tode gar nicht gesehn, geschweige genauer beobachtet hatten, so dass nach- träglich über die Krankheit nichts, oder nur ganz Unzuverlässiges 25* und Oberflächliches zu ermitteln ist. Zweitens, und dies ist noch nicht genug hervorgehoben worden, muss man behaupten: dass im Grossen und Ganzen genommen alle Gifte — mit Ausnahme derjenigen, die einen ganz plötzlichen oder sehr speeifischen Tod herbeiführen, wie Blausäure, Schwefelsäure u. s. w. — so ziemlich dieselben pathologischen Erschei- nungen hervorrufen, wie Erbrechen, Purgiren, rasches Verfallen, Circulationsstörungen, sensorielle und motorische Anomalieen u. s. w. Drittens endlich giebt es bekanntlich mehrere Krank- heiten, die ganz unabhängig von ingerirten Giften entstehn, welche wieder im Grossen und Ganzen ganz dieselben, oder mindestens sehr ähnliche Erscheinungen, wie die genannten, hervorrufen, so dass eine diagnostische Verwechslung sehr wohl möglich ist. Sind hiernach die Zweifel an sich gerechtfertigt, welche in Betreff des Thatbestandes der angeblich Statt gehab- ten Vergiftung aus Erwägung der (wenn bekannt gewordnen) Krankheitssymptome erhoben werden, so ist doch andrerseits daran zu erinnern, dass in der ganzen allgemeinen medicinischen und so auch am allerwenigsten in der gerichtlich-medicinischen Diagnostik niemals aus Einem Symptom oder nur aus Einer Gruppe von Symptomen auf irgend einen eigenthümlichen Le- benszustand zurückgeschlossen werden darf, sondern dass hierzu der ganze Gesammt-Complex der Zeichen zusammen und ver- eint in Erwägung gezogen werden muss. Nicht aus dem täu- schenden Exanthem allein diagnosticirt der Arzt die Masern, auch nicht aus der Gruppe der Catarrh-Symptome allein; nicht aus der Wölbung des Unterleibes und der Cessation der men- ses allein die Schwangerschaft; nicht aus der Anämie allein den Verblutungstod u. s. w., und so ist es auch vollkommen zu billigen, wenn er nicht aus den pathologischen Erscheinungen allein die Vergiftung gerichtsärztlich diagnosticirt. Indess ist es je- denfalls ein nicht zu rechtfertigender logischer Sprung, wenn man hiernach behauptet, nur die Auffindung des Giftes gäbe die Sicherheit der Diagnose, indem man hiernach die Zwischen- momente und unterstützenden Beweise ausser Erwägung liisst, (für welche an sich wieder ganz dasselbe wie in Betreff der Krankheitssymptome gilt,) und so hinsichtlich der Vergiftung ein Verfahren lehrt, wie es in der ganzen übrigen medicinischen Diagnostik mit Recht verworfen wird. Und während diese in der neuem Wissenschaft sich noch nicht einmal mit der Summe der, den Aeltern bekannt gewesenen Symptome be- gnügt, und zur immer genauem Feststellung wichtiger Krank- heitszustände noch die physicalischen, chemischen, microscopi- sehen u. a. Hülfsmittel ersann und anwendet, um wieder diese noch grössere Summe aller Befunde als Grundlage für das Urtheil zu benutzen, wird in der Lehre von den Vergiftungen der Satz festgehalten, dass nur die einzige Befundgruppe der chemischen Analyse den Thatbestand vollständig constatire! Es ist diese traditionelle Lehre die Folge der tadelnswerthen Eman- cipation der gerichtlichen von der allgemeinen Medicin, wonach man jene zu einem Stück Rechtswissenschaft, zu einer „Juris- prudentia medica" machen wollte, und die unumstösslichen stren- gen Beweistheorieen, von denen selbst das neuere Strafrecht sich frei gemacht, in einer Wissenschaft aufstellte, die nur eine Wissenschaft der Combination, nicht der mathematischen That- sachen ist. *) Wir werden bei den folgenden Criterien hierauf zurückkommen, und haben nur zunächst die allgemeinen Krank- heitserscheinungen nach der obigen Classification der Gifte an- zugeben. 1) Aetzgifte erzeugen im Allgemeinen: Hitze und Bren- nen im Munde und Schlünde, Brennen und heftigen Schmerz im Magen, auch wohl im ganzen Unterleibe, Würgen, Erbre- chen, lebhaften Durst, Purgiren, Kälte der Haut, kalten Schweiss, *) Unter den neusten Handbüchern macht das von Kr ahmer (Halle, 1851. S. 362, 364) hierin eine anerkennungswerthe Ausnahme von der ganz allgemeinen Regel. Der Verfasser nennt mit Recht die hier bekämpfte Be- hauptung aller forensischen Schriftsteller eine „kecke". beschleunigten, unterdrückten Puls, Empfindlichkeit der Bauch- decken gegen Berührung, rasches Sinken der Kräfte, Tod. 2) Hy per ämisir ende Gifte: Erweiterung der Pupillen, Bewusstlosigkeit, Sopor, langsame, unregelmässige Respiration, Erbrechen, Obstruction, Coäapsus, chronische oder tonische Krämpfe, Paralysen, Tod. 3) Neuro-paralysirende Gifte: urplötzlicher Tod oder, wenn dieser nicht sofort erfolgt, Würgen, Aufstossen, Erbre- chen, Blässe des Gesichts, kalter Schweiss, gesunkener, langsa- mer Puls, Erweiterung oder Contraction der Pupille, tetanische Krämpfe, Schaum vor Mund und Nase, beschwerte Respira- tion, Tod. 4) Tabificirende Gifte: allmälige Abmagerung, cachec- tisches Ansehn, bei Blei- und Quecksilber-Vergiftungen livides Zahnfleisch, Zungenbelag, Verlust des Appetits, Stuhlverstopfung (Bleicolik), Gliederzittern, Lähmungen, Tod unter den Erschei- nungen des hectischen Fiebers. 5) Septische Gifte: allgemeine Abgeschlagenheit, Ueb- ligkeit, Erbrechen, örtliche Symptome einer speeifischen Ent- zündung (beim Milzbrand), allgemeine Erscheinungen eines pu- triden Fiebers, Tod. Die Symptome der Vergiftung durch die einzelnen, haupt- sächlichsten Gifte s. §. 34. §. 32. Fortsetzung, b) Der Leichenbefund. Isolirt betrachtet gestattet das Criterium der Sectionsergeb- nisse leichter Rückschlüsse auf den Thatbestand, als das der Krankheitserscheinungen, und es giebt Eine Classe von Giften, bei welcher die Leichenerscheinungen allein schon so bewei- send sind, dass gar kein Zweifel über das Factum entstehn kann, und sogar die weitere chemische Analyse überflüssig wird, die rasch tödtlich werdenden Vergiftungen durch Mineralsäuren (Schwefelsäure) in grössern Dosen. Keine denkbare andre To- desursache bietet die eigenthümlichen Gewebszerstörungen dar, wie diese Gifte und nicht einmal werden dieselben in dem Grade erzeugt, um zu Verwechslungen Anlass zu geben, wenn Schwefelsäure in einen todten Magen gebracht wird, wie unsre Versuche gelehrt haben. (S. unten §. 34. S. 399.) Es kommen aber auch noch andre specifische Sectionsergebnisse vor, die eine Sicherheit des Urtheils gestatten, ohne dass es des „einzig und allein beweisenden" Criterii der chemischen Analyse weiter be- dürfte. Wenn im Magen der Leiche noch weisse körnige Reste gefunden werden, die, aus den Schleimhautfalten entfernt, ge- trocknet und auf Kohlen geworfen einen deutlichen Knoblauchs- geruch entwickeln, ebenso wenn amorphe, gelbliche Körnchen, die aus dem Magen der Leiche entnommen worden, im Dunkeln leuchten und beim Reiben verbrennen, so kann, so muss man auf Arsenik-, auf Phosphorvergiftung schliessen. Dasselbe tritt ein, wenn alle Umstehende deutlich und unzweifelhaft im Ge- hirn, in der Brust und mehr noch im Magen einen Geruch nach bittern Mandeln wahrnehmen, wenn man botanisch nachweisbar Stechapfelsaamen, Belladonnabeeren u. dgl. im Magen findet, in welchen Fällen man die betreffende Vergiftung ohne Weiteres als constatirt annehmen kann. Ich führe solche Fälle nach eigener Erfahrung an, um zu beweisen, wie unrecht man ge- than, den Sectionsbefund zu unterschätzen, und allen Werth ausschliesslich und zu einseitig auf das chemische Criterium zu legen. In der grossen Mehrzahl aller Fälle wird indess aller- dings der Sectionsbefund an sich nicht entschiedene Sicherheit gewähren. Denn blosse rein örtliche Entzündungsproducte in Schlund, Speiseröhre, Magen u. s. w., wie sie nach Aetz- giften vorkommen, konnten auch einen andern Ursprung haben. Dasselbe gilt von Hyperämieen nach den betreffenden Giften, die ganz unter denselben Formen auch anderweitig und viel zahlreicher vorkommen. Die Mehrzahl aller Gifte ferner liefert so unbeständige Producte auf den Sectionstisch, und ist auch bis jetzt nur noch in so ungenügender Anzahl beobachtet wor- den, dass es mehr als gewagt wäre, im concreten Falle auf die gefundenen Alterationen in der Leiche an sich einen entschei- denden Werth zu legen. Dazu kommt endlich der Feind jeder wissenschaftlichen Prüfung und Erwägung von Sectionsergebnifi- sen überhaupt, der Verwesungsprocess, der dies Criterium gar nicht selten der Beobachtung ganz entzieht. Denn wenn einer- seits viele Gifte eine so ungewöhnlich rasch eintretende Verwe- sung begünstigen, dass sie schon zur gewöhnlichen Zeit der Obductionen störend wird, so kommt dazu, dass, wie die Na- tur der heimlichen That es mit sich bringt, der Verdacht der Vergiftung nicht selten erst rege gemacht wird, wenn die Lei- che schon beerdigt, und dass nach Wochen oder Monaten an der wieder ausgegrabenen Leiche operirt werden muss, in wel- cher die Gewebe dann schon so zerstört sein können, dass eine genauere Beobachtung gar nicht mehr möglich, dass das Blut so verdunstet ist, dass frühere, etwanige Hypcrämieen nicht mehr constatirt werden können u. s. w. Nichtsdestoweniger hat dennoch, im Allgemeinen betrachtet, der Sectionsbefund in Verbindung mit den Krankheitserscheinungen einen sehr ho- hen Werth, und er verdient in dieser Verbindung nicht so an- gezweifelt zu werden, als es gewöhnlich geschieht. Endlich darf zur richtigen Schätzung des Werthes des Leichenbefundes als Criterium zur Feststellung des Thatbestandes einer noch zweifelhaften Vergiftung nicht übersehn werden, dass der- selbe negativ ganz allein entscheiden und jeden Zweifel lösen kann. Ich meine die gar nicht seltnen Fälle, in denen, wegen vielfacher verdächtiger Umstände, namentlich wenn der Tod un- ter auffallenden Krankheitserscheinungen, die bald nach dem Genüsse von Nahrungsmitteln auftraten, rasch erfolgt war, oder wenn ein Mensch auf auffällige Weise verstarb, an dessen Tod seinen anderweitig schon verdächtigen Umgebungen viel gele- gen sein musste u. dgl. m., die Vermuthung einer Statt gehab- ten Vergiftung auftauchte, welche dann durch den Sectionsbe- fund einer Bruchincarceration, eines perforirenden Magenge- schwürs u. dffl. gänzlich beseitigt wurde. Wir werden auch hier- für unten tatsächliche Beläge liefern (193. und 194. Fall). Was die Classification der Obductionsergebnisse betrifft, so findet man im Allgemeinen: 1) nach Aetzgiften Entzündung oder Verbrennung der unmittelbar berührt gewordnen Schleimhautflächen, Längsfaltung und gegerbtes Aussehn der Speiseröhre, Erosion, Exulceration, Brand, Perforation, oder Verdickung und Aufwulstung der Ma- genschleimhaut, die auch da, wo sie noch fest scheint, leicht mit dem Scalpellstiel zu trennen ist, nicht selten consecutive Entzündungsspuren in den Lungen und im Herzen, wie nament- lich auch noch in den tiefern Darmparthieen; 2) nach hyperämisirenden Giften: zuweilen in der Leiche, namentlich im Magen, sinnlich wahrnehmbare Reste des Giftes, die. sich durch Geruch, Form, botanische Beschaffenheit u. s. w. als solche zu erkennen geben; ausgedehnte Hyper- ämieen im Gehirn, in den Lungen, dem Herzen, dem Rücken- mark, den grossen Venenstämmen des Körpers, und vereinzelte Hyperämieen, inselartig auftretend, die sich in schwarzrothen Flecken (Stasen) auf der Magen- und Darmschleimhaut hier und da zeigen. Was die Leichenbefunde nach den vorzüglichsten einzelnen Giften aus diesen Categorieen betrifft, so kommen wir darauf (§. 34.) zurück. Was aber diejenigen nach den Giften aus den übrigen Classen betrifft, so sind dieselben noch wenig und nur unsicher bekannt, und man wird wohl thun, in einem con- creten Falle sich nach Analogieen umzusehn. Wir werden zu diesem Zwecke aus eigener Beobachtung unten eine möglichst reiche Casuistik liefern. §. 33. Fortsetzung, c) Der chemische Befund. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass der chemi- sche, und was hierhin gehört, auch unter Umständen der bota- nische Befund von Giften in der Leiche an sich ein genügen- der Beweis der wirklich Statt gehabten Vergiftung sein kann, was dem oben bestrittenen Satze nicht entgegensteht, dass nur dieser Beweis zulässig sei. Jener oft erhobene Einwand, dass das Gift erst dem Todten beigebracht worden sein konnte, hat gar keine practische Bedeutung, denn wie solches Verfahren im practischen Leben gar nicht vorkommt, so könnt^ auch, bei dem dann nothwendigen Mangel aller Reactionserscheinungen, im denkbar-möglichen Falle nur ein sehr unachtsamer Gerichtsarzt getäuscht werden. Dagegen kommt es in der Gerichtspraxis recht häufig vor, dass wirklich sogenannte Gifte in der Leiche durch den chemischen Process aufgefunden werden, ohne dass man deshalb berechtigt wäre, auf geschehene Vergiftung zurück zu schliessen. Das Gift war dann entweder in Form und Dose eines Arzneimittels in den Körper gekommen, wobei nicht ein- mal der Umstand, dass der etwa behandelnde Arzt davon Nichts wusste, und seine Thätigkeit hierbei in Abrede stellt, einen Ge- genbeweis geben kann, da bekannt genug ist, wie oft Menschen heimlich Mercurial- (Laxir-) Pillen, Arsenik- (Fieber-) Tropfen u. dgl. nehmen, — oder selbst Nahrungsmittel konnten das Gift in den Körper abgesetzt haben. Wackenroder *) hat sehr merkliche Mengen von Kupfer und Blei im Blute des Menschen und der, von gemischter Nahrung lebenden Hausthiere gefun- den, die, abgesehn von andern Zufälligkeiten, nur in kupfer- und bleihaltigen Nahrungsmitteln gesucht werden können. Un- gemein häufig ist es uns selbst bei unsern gerichtlichen Obduc- tionen begegnet, dass man neben dem vermutheten, auch wohl aufgefundenen Gifte noch kleine Mengen oder „Spuren" von giftigen oder nicht giftigen Metallen in den Contentis der Lei- che fand, die auf diese, oder andre zufällige Weise in den Kör- per gelangt sein mussten. Es kann also in dieser Beziehung nur die aufgefundene Quantität des betreffenden Giftes entschei- den, und die diesfallsige Entscheidung ist sehr leicht. Soge- nannte homöopathische Mengen von Gift im Magen, Blut u. s. w. sind keine Gifte mehr. Aber bekanntlich tritt hier die Erwä- gung ein, dass die chemisch aufgefundene Menge z. B. des Ar- seniks, die botanisch aufgefundene Menge z. B. der Stechapfel- saamen nicht den Rückschluss gestattet, dass nur diese Menge ingerirt gewesen, da das Doppelte und Zehnfache im Leben ausgeleert worden sein konnte. In andern Fällen vollends wurde alles Gift wirklich vollständig ausgeleert, der Mensch starb nur an den Folgen der Vergiftung, und das chemische (botani- sche) Criterium lässt uns aus diesem Grunde ganz in Stich, wenn es nicht, was noch bis jetzt nicht überall möglich, gelingt, das Gift noch in den zweiten Wegen aufzufinden. Das chemi- sche Criterium wird aber auch unverlässlich, wenn das Gift durch Gegengifte oder durch den Verwesungsprocess zerstört war. Die Cyanwasserstoffsäure, ziemlich leicht in ganz frischen Leichen nachweisbar, ist schon mehrere Tage nach dem Tode in der Regel gar nicht mehr aufzufinden, da sie sich in Verbin- dung mit organischen Stoffen so ungemein leicht zersetzt. Der Phosphor, der sich so leicht oxydirt, ist eben deshalb in Sub- stanz in der Leiche nicht mehr aufzufinden, wenn der damit Vergiftete mehrere Tage gelebt hatte. Endlich bedarf es in Betreff der Würdigung der chemischen Leichen - Analyse nicht der Bemerkung, dass auch die vorgeschrittene Chemie der Neu- zeit noch immer viele Räthsel ungelöst lassen muss, und dass es noch immer nicht wenige Gifte giebt, z. B. Alcaloide, welche die chemische Prüfung nicht auffinden kann. Zum Glück für die Praxis incless kommen (in Deutschland) die seitnern Vergif- tungsfälle kaum vor das Forum des gerichtlichen Arztes und Chemikers. Dagegen kann ich es nicht unterlassen, der ge- wöhnlichen Meinung, die das chemische Criterium in der That überschätzt, noch ein andres Bedenken entgeirenzustellen. Schon das Studium der chemischen Schriften wird Jeden über- zeugen, wie verschieden die Ansichten der besten Autoritäten über die resp. zweckmässigsten Prüfungsmethoden sind; wer aber, wie der Verfasser, sich viel und täglich im practischeü Leben bewegt, und mit vielen und berühmten Chemikern, wie Berlin sie zu besitzen so glücklich ist, verkehrt, der weiss, wie jene Ansichten sich auch im Leben und in der gerichtlichen Praxis geltend machen, wie die von dem Einen gelobte Methode von einem Andern als unzuverlässig bezeichnet wird u. s. w. Alle diese Gründe müssen auch den erfahrensten Gcrichtsarzt, der in dieser Materie immer nur ein halber Laie bleiben kann, bedenklich machen, und sie sind es, die mich veranlasst haben, zu den drei besprochenen Criterien noch das oben schon ange- gebene vierte, die Combination aller äussern Umstände, die das Erkranken und Sterben des denatus begleiteten, hinzuzufügen, worauf noch zurück zu kommen sein wird (§. 35.). Da die Technik der forensich - chemischen Untersuchungen, die ohnedies dem zugezogenen chemischen Sachverständigen an- heimfällt, den chemischen Schriften, so wie die speciellern An- gaben über alle einzelnen bekannten Gifte den eigentlich toxi- cologischen Werken überlassen bleiben muss, so folgt hier nur noch eine Angabe der Wirkungen der gewöhnlichsten oder wich- tigsten in der Praxis vorkommenden Gifte, wofür ich, so weit meine eignen Beobachtungen nicht ausreichten, die zuverlässig- sten Quellen benutzt habe. §. 34. Fortsetzung. Specielle Gifte. 1) Arsenige Säure. Die Geruch- und Geschmacklosig- keit, die ziemlich leichte Löslichkeit im Wasser und wässrigen Flüssigkeiten und die Farblosigkeit, endlich die zerstörende Wirkung auf alles organische Leben machen dies Gift so bequem als gefährlich. Bei der chronischen Arsenik-Vergiftung sind die Symptome die einer allgemeinen Cachexie und Dysämie bis zum endlichen tödtenden Zehrfieber. Nach acuter Vergiftung ent- stehn: Uebligkeit, Erbrechen, nicht selten Blutbrechen, Piä- cordialangst, Magenschmerz, oft, aber nicht immer, Coliken, leb- hafter Durst bei Trockenheit des Schlundes, Diarrhoeen, feuchte Haut, zuweilen beobachtetes kieselartiges Exanthem, injicirtes Gesicht, Gefässfieber, grosse Abgeschlagenheit, nicht selten zu- letzt noch convulsivische Zufälle. Es fehlt indess nicht an Beobachtungen von tödtlichen Arsen-Vergiftungen ohne alle vor- hergehenden Erscheinungen so sinnenfälliger Art, wie die ange- gebenen. — Section. Stellenweise Hyperämie, Entzündung, Excoriation, hämorrhagische Erosionen der Schlund-, Speise- röhren- und Magenschleimhaut, Auflockerung derselben und leichte Trennbarkeit. Die Entzündung, die sich bis zur brandigen steigern kann, setzt sich wohl bis ins Duode- num, ja bis in den Anfang des Dünndarmes fort. Das Blut dunkel, theilweise im Herzen und in den grossen Venenstäm- men gallertartig, nicht fest coagulirt, wie überhaupt das Blut nach acuten Arsenikvergiftungen keinen dichten Blutkuchen bil- det, und an Gerinnungsfähigkeit verliert. Zuweilen finden sich ecchymotische Flecke in den Herzventrikeln, und häufig Hirn- hyperämie. Aber auch diese Sectionsbefunde sind keineswegs feststehend. Eine specifische Wirkung des Giftes ist die Mu- mification des Körpers (vergl. §§. 14. 21. allg. Tbl.). Sie scheint in allen Fällen zu entstehn, wo bedeutendere Dosen von Arsenik beigebracht und nicht ganz vollständig im Leben ent- leert waren. Ein „sicheres Merkmal der Arsenikvergiftung, auch wenn diese sich nicht anderweitig nachweisen lasse", (Bur- dach), kann diese Mumification nicht genannt werden. Denn auch Leichen von nicht so Vergifteten mumificiren in Moor- und Torfboden, der viel Humussäure enthält, auch im heissen Sand- boden der Wüste, in welchem man ganze Caravanen mumifi- cirt gefunden haben soll, endlich auch unter noch ganz unbe- kannten Bedingungen, wie die Leichen im Bleikeller in Bremen, in einem Gewölbe in Charlottenburg bei Berlin und in andern Gewölben beweisen. Bei einem vierjährigen Kinde, das nicht durch Arsenikvergiftung, sondern durch Auffallen eines Thor- flügels auf seinen Kopf gestorben und nach neun Monaten aus- gegraben war, habe ich sehr deutliche Mumification, namentlich an den Oberextremitäten und im Gesicht gefunden. Wenn indess die übrigen Unistände den Verdacht einer geschehenen Arsenik- vergiftung begründen, so wird derselbe durch die aufgefundene Mumification der Leiche wesentlich und um so mehr begründet werden, wenn die dann noch mögliche chemische Analyse der Contenta die Spuren des Arseniks nachweist. Dies ist in nicht wenigen Fällen, in Einem Falle (der späteste bis jetzt be- kannte Termin) noch nach zehn Jahren möglich gewesen*). — Die Mumification indess tritt nicht sofort nach dem Tode ein, vielmehr erst ganz allmählig, während in der ersten Zeit (viel- leicht bevor die arsenige Säure im Leichnam sich in Arsenik- *-Wasserstoff- Gas umgesetzt und den Körper durchtränkt hat?) die Fäulniss wie gewöhnlich, ältere Beobachter behaupten selbst schneller als gewöhnlich, vor sich geht. Hieraus folgt, dass Ab wes enheit von Mumification der Leiche, zumal in der ersten Zeit nach dem Tode des Verstorbenen, nicht beweisen oder auch nur vermuthen lassen kann, dass keine Arsenikvergiftung vor- liege. Man findet Schimmelbildung auf der Leiche als charac- teristisch die Arsenikvergiftung bezeichnend aufgeführt, weil die Compilatoren diesen Befund in einzelnen Fällen beschrieben fan- den. Allein Schimmelbildung findet sich bei allen, einige Zeit nach der Beerdigung wieder ausgegrabenen Leichen ohne Aus- nahme, ist also keineswegs hier characteristisch. — Das von Couerbe, Raspail und Devergie behauptete normale Vor- kommen von Arsenik in den Knochen hat sich nicht bestätigt. 2) Schwefelsäure. Zu Giftmorden wird diese Säure und kann sie nur, wegen ihrer bekannten, so äusserst heftigen, augen- blicklich ätzenden Wirkung, benutzt werden bei Vergiftung von kleinen Kindern, von denen uns selbst fast alljährlich einige Fälle vorkommen, oder bei bewusstlosen Menschen. Dagegen kommen Vcrgiftungszufälle und tödtliche Vergiftungen mit diesem Gifte durch Selbstmord oder Zufall mehr als mit irgend einem andern o-it'tio-en Stoße vor. Die unmittelbar betroffene Sehleimhaut wird sofort weiss, (bei Salpetersäure unter Bildung von Xanthopro- teinsäure gelb,) die äussere davon betroffene Haut gelbbraun, lederartig hart — Färbungen, die noch an der Leiehe sichtbar sind — es entsteht heftigstes Brennen im Munde, Schlünde (gern mit Constrictions-Empfindung) und Magen, lebhafter Durst, Erbrechen, Blutbrechen und bei irgend grösserer Dose des verschluckten Giftes baldiger Tod. Bei derSection findet man nur in den seltensten Fällen die Speiseröhre verbrannt, wie den Magen, vielmehr nur hart, wie gegerbt, zu schneiden und grau gefärbt, und kann man in ihrer Schleimhaut noch in- jicirte Gefässe erkennen. Der Magen dagegen ist nach irgend intensiven Vergiftungen ganz eigenthümlich und diagnostisch un- verkennbar schwarz, wie verkohlt, seine Gewebe durchweg wie gallertartig erweicht, und es ist fast nie möglich, ihn zu exen- teriren, da er bei der leichtesten Berührung fetzenweise in der Pincette bleibt*). Lässt man Schwefelsäure auf Capillargefässe einwirken, so dauert es sehr lange, bis sie zerstört werden. Aber schon nach einigen Stunden ist das Gewebe derselben so erweicht, und wahrscheinlich theilweise aufgelöst, dass sie bei jeisem Drucke in detritus zerfallen. Die Wandungen werden also so weich, dass sie beim lebenden Menschen dem andringen- den Blute nicht hinreichend widerstehn, sondern zerreissen und Blutaustritt veranlassen. Diese Extravasate von Blut, das nun- mehr noch direct der Wirkung der Säure ausgesetzt bleibt, er- klären die schwarze Färbung der Häute und des Mageninhaltes. Zugleich ist dadurch erklärt, warum, wie ich es bei Versuchen an Leichen gefunden, Schwefelsäure in einen todten Magen ge- bracht, keineswegs eine Reaction, wie die geschilderte, bewirkt, sondern den Magen nur anätzt und endlich auflöst und zerstört, wobei aber die Farbe nur eine hellgrau-schwärzliche bleibt, weil Ii ir r keine Blutkörperchen extravasiren können. — Wenn die *) S. die Abbildung Taf. IX. Fig. 26. Schwefelsäure in geringerer Intensität wirkte, oder sogleich durch Absorbcnticn neutralisirt wurde, so kann das Leben ganz oder in andern Fällen wenigstens wochenlang erhalten werden, und man findet dann in der Leiche nur irn Magen die Spuren einer acutem oder chronischen Entzündung, namentlich Verdickungen der Schleimhaut oder Schleimhautgeschwüre, ein Befund, der dann die Sicherheit des Urtheils, dass eine Schwefelsäure-Ver- giftung vorangegangen, ausschliesst. — Das Blut in den Leichen nach acuten Schwefelsäure-Vergiftungen habe ich niemals dünn — sondern vielmehr mindestens syrupsflüssig, und wohl noch dickflüssiger gefunden. Es hat eine kirschrothe Färbung und reagirt sauer; ja ich werde unten (Fall 174) einen Fall an- führen, in welchem ich die Pericardial-Flüssigkeit und das Fruchtwasser bei einer, mit Schwefelsäure vergifteten Schwan- gern sauer reagirend fand. — Eine auffallende, noch nirgends erwähnte Wirkung der Schwefelsäure (vermuthlich auch aller andern Mineral-Säuren, worüber mir die Beobachtungen fehlen) ist die fäulnisswidrige. Die Leichen so Vergifteter bleiben cae- teris paribus sehr lange frisch und pflegen bei der Section gar keinen üblen Geruch zu verbreiten. Der Grund kann wohl kein andrer sein als der, dass die Säure das Ammoniak des Verwesungsprocesses so lange sättigt, bis sie selbst neutralisirt ist. Die Richtigkeit der Erklärung dahin gestellt, wird sich die Richtigkeit unsrer Beobachtung an jeder derartigen Leiche be- stätigen lassen (§. 14. allg. Tb.). 3) Phosphor. Die Necrotisirung der Kiefer in den Streichholz-Fabriken, deren Entstehung durch den Phosphor an- gezweifelt wird, ist Gegenstand der Medicinal-Polizei, nicht der gerichtlichen Medicin. Dagegen können ihre Untersuchungs-Ob- jecte die mehrere Male vorgekommenen Vergiftungen von Kin- dern durch die Streichhölzchen selbst werden, und ganz beson- ders sind es die eigentlichen und tödtlichen Vergiftungen, die als Giftmorde in neuster Zeit mehr und mehr vorzukommen be- ginnnen, seitdem durch die officinelle Einführung der Phos- phorpaste als Ratten-Vertilgungs-Mittel, das fürchterliche Gift, von dem schon 1—2 Gran anf Einmal genommen, vollständig zur Tödtung hinreichen, dem Publikum bekannt geworden. Die Wirkungen sind sofortiges heftiges Brennen im Magen und Un- terleibe, häufiges Aufstossen von, nach Knoblauch riechenden Gasen, Erbrechen von eben so riechenden Massen, die wohl, wie die flüssigen Darmabgänge, im Dunkeln leuchten, grosse Angst und Unruhe, kleiner, kaum fühlbarer Puls, kalter Schweiss, später eine eigenthümliche Prostration, bei Männern zuweilen priapische Erscheinungen, und rascher Tod, der nicht selten ganz ruhig, in andern Fällen unter convulsivischen Symptomen er- folgte. — Section. Ruhiger Gesichtsausdruck; leichte Exco- riationen in Mund- und Rachenhöhle; deutlichen Phosphorgeruch aus dem Munde der Leiche und Ausströmen von Phosphor- dämpfen aus dem offen stehenden After, die am Tage wie dün- ner Rauch aussahen, am Abend im Finstern leuchteten, habe ich selbst beobachtet (Fall 180); zuweilen, aber eben nicht constant, petechienartiges Exanthem, das dann schon in der letzten Zeit des Lebens auftrat; das Bauchfell entzündlich geröthet; zuwei- len der Magen von nach Knoblauch riechendem Gas ausgedehnt, und nicht selten in den Schleimhautfalten Phosphorstückchen enthaltend, die, leicht getrocknet und gerieben, verbrennen*). Der ganze Mageninhalt leuchtet im Dunkeln, zumal, wenn er gelinde erwärmt" wird; die Magenschleimhaut stellenweise asch- farben oder dunkelpurpur geröthet, auch wirkliche, tief in die Muskelhaut dringende Brandgeschwüre zeigend; dieselben Ano- malien zeigten das Duodenum und selbst tiefere Theile des Dar- mes; Pancreas und Nieren stärker geröthet; starke Anfullung der Bauchvenen mit dunkelm, etwas dickflüssigem Blute, womit auch die Lungen stark angefüllt sind; das Herz schlaff, seine Kranzvenen und rechte Hälfte hyperämisch, die Schleimhaut der *) Die neuste und empfindlichste Methode um Phosphor zu entdecken von Mitscher lieh s. m. Vierteljahrsschrift Bd. VIII. S. 6 u. f. Caaper, gerichil. Medicin. OC Speiseröhre stark geröthet, stellenweis erodirt. Die Befunde in der Kopfhöhle haben nichts Eigentümliches. Aber wie bei andern Vergiftungen mit unorganischen Giften, so kann auch nach Phosphorvergiftungen der Sectionsbefund ganz oder mehr oder weniger negativ sein, wofür ich zwei lehrreiche Fälle (F. 179 und 180) anführen werde. Der Tod erfolgt hier dann, und wahrscheinlich öfter nach Vergiftungen, als bis jetzt ange- nommen wird, auf dynamischem Wege durch Ertödtung des Blutlebens. In unsern erwähnten Fällen waren die Blutbläs- chen ihres Farbestoffs beraubt und farblos durch- sichtig, der Blutfarbestoff aber war im ungeronne- nen Plasma aufgelöst, wodurch das üanze eine syrups- artige, kirschroth durchscheinende Flüssigkeit bildete. Durch solche Veränderungen wird das Blut seiner Lebens - und Er- nährungsfähigkeit beraubt*). 4) Colchicum und Colchicin. Die uns geboten gewe- sene seltene Gelegenheit, die gerichtliche Obduction von vier gleichzeitig durch dasselbe Colchicum-Pr'äpsirat (Tinct. Sem. Col- chic. Ph. Borr.) tödtlich vergifteten Männern anstellen zu kön- nen, und die sorgfältigen Untersuchungen, an denen sich die ausgezeichnetsten Chemiker betheiligten, und zu denen diese Fälle Veranlassung gaben, haben nicht nur zur Entdeckung einer Prüfungsmethode auf Colchicin geführt*), sondern auch gelehrt, dass das Colchicin eines der allerheftigsten Gifte ist, und unter den bei uns vorkommenden Giften höchstens und kaum mit dem Phosphor in Betreff seiner Tödtlichkeit zu ver- gleichen ist. Denn unsere vier Vergifteten (Fall 185 —188.), Männer von 15 bis 40 Jahren, hatten Jeder höchstens zwei Fünftel bis einen halben Gran Colchicin auf Einmal ge- nommen, und diese Gabe war hinreichend, um einen schnellen *) Vgl. die eben so merkwürdige Zerstörung der Blutkörperchen durch Erstickung in kohlensaurem und Schwefelwasserstoffgas im 221. Fall. **) S. m. Vierteljahrsschr.ft 1855. S. 1 u. f. Tod zu bewirken. — Die Wirkungen der Colchicum-Präparate waren in den von uns geschilderten, und in den wenigen andern bekannt gewordnen Fällen: Beklemmung und Angstgefühl, Brennen im Munde und Schlünde, heftige Schmerzen im Leibe, die nicht immer durch äussern Druck vermehrt wurden, stürmi- sches, anhaltendes Erbrechen von grünlichen oder orangegelb- lichen Gallenmassen, eben solche stürmische Durchfälle, lebhaf- tester Durst, Collapsus, bleiches Gesicht, normale Pupille, feucht- klebrige Haut, krampfhafter Puls von 80 — 90 Schlägen, Harn- verhaltung, und rascher Erschöpfungstod. Section. Constant waren in unsern vier Fällen: nicht ungewöhnlich rascher Ein- tritt der Verwesung; saure Reaction der Magenflüssigkeiten und des Urins; die dickflüssige, dunkelkirschrothe Beschaffenheit des Blutes, ganz ähnlich wie nach Schwefelsäure - Vergiftungen, höchst auffallende Hyperämie in der Vena cava; erhebliche Blut- menge in den Nieren; mehr oder weniger gefüllte Harnblase; hyperämische Anfüllung des rechten Herzens und des grossen Gehirns, und mässige Blutanfüllung der Lungen. Abweichende Befunde dagegen lieferten die Mägen; bei Einem netzartige Blutgefässe an der Aussenfläche, innerlich gleichförmiges, schar- lachrothes Aussehn der Schleimhaut, also ächte Entzündung: bei einem Andern strotzende Anfüllum? der Blutgefässe an der kleinen Curvatur, dagegen die Schleimhaut blass und nur nach hinten ecchymosirt; bei einem Dritten und Vierten, ganz norma- ler Befund im Magen. Auch in den von Andern geschilderten Fällen ist einigemal Magen und Darmcanal ganz ohne Spur von Entzündung, und in zwei Fällen überhaupt bei der Section gar nichts Abnormes gefunden worden. 5) Giftige Pilze, wohin namentlich Agaricus phalloides, muscarius, integer und Boletus luridus als die unzweifelhaft gif- tigsten gehören, während die giftige Wirkung andrer berüch- tigter Pilze noch zweifelhaft ist. Sie erregen: Kratzen im Halse, Ekel, Uebelkeit, Erbrechen, Schwindel, Mattigkeit, Co- liken, Diarrhoe mit Tenesmus, heftigen Durst, erschwertes Ath- 26* ' men, convulsivische Zufalle, Tod. S ectionsberichte sind noch in zu geringer Anzahl vorliegend, um diagnostische Schlüsse zu rechtfertigen. Man fand Magen-Darm-Entzündung, eine dunkle Farbe des sehr flüssigen Blutes, womit das rechte Herz strotzend gefüllt war, und Hyperämie der Lungen. 6) Kleesäure (und Kleesalz). Dass dies sehr heftige Gift, womit wohl durch Verwechslung Vergiftungen vorkommen, bei Selbstmördern besonders beliebt, und den Arbeitern in Kat- tundruckereien, wo dasselbe als Aetze gebraucht wird, beson- ders zugänglich sei (K rahm er), kann ich aus eigner Erfah- rung nicht bestätigen, da mir noch niemals ein einziger Fall von Vergiftung durch Oxalsäure vorgekommen, obgleich grade Berlin die grössten Kattunfabrikerf in Deutschland hat. Auch in der ganzen Monarchie kommen Vergiftungsfälle mit Klee- säure, wie mir aus amtlicher Wissenschaft bekannt, nur sehr selten vor, wogegen sie in England recht häufig sein sollen. Die Berichte über ihre Wirkungen sind ziemlich übereinstim- mend. Das Gift erzeugt: Uebligkeit, häufiges Erbrechen, hef- tige Coliken, Laxiren, sehr rasche Prostration, Krampfzufälle und sehr schnellen tödtlichen Ausgang. Section. Die Schleimhaut des Schlundes und der Speiseröhre geröthet; die des Magens und duodeni hellroth gefärbt, fleckenweise aschgrau gangränescirt und in Falten erhoben; das Blut dunkel und dickflüssig; Hyperämieen in Gehirn, Lungen, rechtem Herzen und den grossen Brust- und Bauchvenen. In verdünntem Zu- stande durch Absorption wirkend hat das Gift bei Thieren hef- tigen Tetanus und Herzparalyse veranlasst. 7) Sublimat. In der Praxis gleichfalls kaum vorkom- mend. Er erzeugte nach den Beobachtungen: widerwärtigen metallischen Geschmack, heftiges Brennen im Schlünde, Ent- zündung und Erosion an Gaumen und Mandeln, Blutbrechen, heftigen Durst, blutige Stühle, keine erhebliche Pulsverände- rung, Unterdrückung der Nierensecretion, weder besondre Auf- getriebenheit noch besondre Schmerzhaftigkeit des Bauches und Tod, der selbst nach einer Dosis von drei Drachmen doch erst am sechsten Tage erfolgte. Section. Die Magenschleimhaut hypertrophisch, exulcerirt, brandig; die Darmsehleimhaut in grosser Ausdehnung entzündet und mit blutigem Schleim be- deckt; der Dickdarm zusammengezogen; die Nieren etwas ge- röthet; die Harnblase klein und contrahirt; violette Färbung des Gaumens und Zäpfchens; Injection der Luftröhre und Bron- chien. 8) Cy an wasserstoffsäure (und Cyankalium, Lorbeer- kirschwasser und blausäurehaltiges Bittermandelöl). Ein Krank- heitsverlauf tritt hier gar nicht ein, denn wo Blausäure als Gift, d. h. in irgend grösserer Dose genommen ist, tritt unter kurz dauernden Motilitäts-Lähmungen, wenn nicht augenblicklich, der Tod ein. Section. Was den behaupteten und bestrittenen Geruch des Innern der Leichen nach bittern Mandeln betrifft, so hängt derselbe lediglich von der Zeit ab, in welcher die Ob- duetion nach dem Tode angestellt wird. Ist, was so rasch bei der Berührung der Blausäure mit organischen Substanzen ge- schieht, das Gift im Leichnam bereits zersetzt, dann wird man keinen Geruch wahrnehmen, den man nie, und zwar in allen Höhlen, am durchdringendsten aber im Magen selbst, nie ver- missen wird, wie wir und alle Umstehenden ihn stets wahrge- nommen haben, wenn die Section möglichst bald nach dem Tode geschah. Das Blut der Leichen ist constant sehr dunkel und ganz flüssig; bedeutende Hyperämie im Schädel; Lungen und Herz waren nicht immer überfüllt, wogegen hyperämische Anf'üllung der Leber, der Nieren und der Hohlader nicht feh- len. Der Magen zeigt in noch frischer Leiche, mit Ausnahme des Mandelgeruchs, nichts Constantes; „dunkelrothbraune Fär- bung" des ganzen Organs, äusserlich, wie innerlich, mit „sicht- licher AnfTillung einzelner Venenstränge", wie sie nach solchen Vergiftungen gesehn worden, sind characteristische Verwesungs- symptome, nicht aber Folgen der Vergiftung. 9) Opium und seine Bestandteile und Präparate (auch Mohnküpfc). Die Wirkung kleiner Dosen ist vom Krankenbette bekannt. In vergiftender Dose erzeugt Opium zunächst Uebel- keit, Brechreiz und wirkliches Erbrechen, ohne dass dasselbe leicht stürmisch würde; Pupillenerweiterung; zuweilen heisses und aufgetriebenes Gesicht, wie namentlich bei kleinen Kindern, die durch Abkochung von Mohnköpfen vergiftet wurden (um sie zu beruhigen), zuweilen grade umgekehrt ein bleiches, zu- sammengefallenes Gesicht, kalten Schweiss, Schlafsucht bis zu wirklichem Sopor, harten, schnellen Puls, spastische Zufälle bis zu allgemeinen Convulsionen; langsame, schnarchende Respira- tion, Schaumbildung vor dem Munde, gänzliches Sinken der Empfindungsfähigkeit, so dass selbst heftige Reize nicht em- pfunden werden, Stuhlverstopfung und Urinverhaltung (nach Morphiumacetat angeblich constant (?) Jucken in der Haut nnd ein petechienähnlicher Ausschlag); Tod unter diesen Erschei- nungen, der jedoch nicht selten durch energisches Heilverfahren selbst noch unter den drohendsten Erscheinungen abgewehrt wurde. Und es giebt wohl kein Gift, nach welchem die Krank- heitssymptome so verschiedentlich modificirt beobachtet worden wären, als nach Opiatgiften, die sich noch weniger als die mei- sten andern Gifte in ein bestimmtes semiotisches Schema brin- gen lassen. Dasselbe gilt in Betreff der Section. In frischen Fällen und nach grossen Opiumdosen, z. B. der officinellen Tincturen, ergab der Magen deutlichen Opiumgeruch. Dieser und die chemische, Opiumgehalt bestätigende Analyse würden beweisend sein, während andre beobachtete Leichenbefunde: ec- chymotische Flecke in der Magenschleimhaut, Hyperämie in den Magen- und grossen Bauchvenen, in Lungen und Herzen, und vorzugsweise bedeutende Hyperämie in der Schädelhöhle, so wie bemerkbare Flüssigkeit des dunkel gefärbten Blutes zu häufig auch nach andern Giften, ja nach ganz andern Todesar- ten vorkommen, um diagnostisch von erheblichem Werth zu sein. — Die Haare bei Leichen Vergifteter, namentlich nach narcotischen Vergiftungen, sollen sehr leicht ausgehn, und man hat allgemein dies Zeichen als mitbeweisendes zur Feststellung des Thatbestandes zweifelhafter Vergiftungen angeführt. Nun ist es aber thatsächlich ganz richtig, dass zumal nach narcoti- sehen, mehr als nach andern Vergiftungen, die Haare an der Leiche so leicht ausgehn, dass bei dem losesten Griff hinein man gleich einen Büschel in den Fingern behält. Ganz irrig aber ist es, dies als ein diagnostisches Sectionsresultat für Ver- giftungen zu erklären, da es nichts Andres ist, als Resultat der Fäulniss, die nur nach Vergiftungen, vorzugsweise nach narcotische'n, caeteris paribus sehr rasch eintritt. Man kann sich bei jeder in vorgeschrittener Verwesung begriffenen Leiche von dei Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen. Noch auf einen wichtigen Umstand, betreffend die Opium - Vergiftungen, habe ich aufmerksam zu machen. Die chemischen Bestandteile die- ses Giftes sind nämlich im Allgemeinen die unsrer Nahrungs- mittel; daher ist es zu erklären, dass zuweilen Opiat-Präparate auch in grössern Dosen ganz in die Verdauung Übergehn, und deshalb in der Leiche auf chemischem Wege nicht mehr aufge- funden werden können, ein Umstand, der die Schwierigkeit der Feststellung von Opium-Vergiftungen noch erhöhen kann. (Vgl. Fall 192.) 10) Alcohol. Die Symptome der Alcohol - Wirkung am Lebenden sind zu bekannt, als dass wir sie zu schildern hätten. Wir haben mehrere Male Leichen von Menschen zu untersuchen gehabt, die im heftigsten Rausche todt umgefallen, also an einer wirklichen Blutvergiftung durch Alcohol gestorben waren. Die Sectionen ergaben als specifisch hauptsächlich den langsamen Fortschritt in Verwesung, wie sich dies nicht bloss im Mangel der äussern Verwesungsspuren zeigte, zu einer Zeit nach dem Tode, in welcher dieselben zu erwarten gewesen wären, sondern auch an und in den Organen selbst, die nicht im Geringsten einen cadaverösen, sondern den Geruch des frischen Fleisches, ja einen schwachen Branntweingeruch wahrnehmen Hessen, wel- cher nach Duchek's neuen Untersuchungen (Prager Viertel- jahrssohrift 1853. III.) von der schnell vor sich gehenden Oxy- dation des Alcohols in Aldehyd, das beim Tode im Rausch noch dem Blute beigemischt bleibt, herrührt.*) Constant waren: Hirnhyperämie, selbst Hämorrhagie, Hyperämie der venösen Bauchstämme, oder Hyperämie der Lungen und des Herzens, und stets sichtliche Flüssigkeit des dunklen Blutes. Einige andre als die hier erwähnten Gifte werden in der unten folgenden Casuistik erwähnt werden. • §. 35. Fortsetzung, d) Die jedesmaligen besondern Umstände. Wir haben (§. 30.) als viertes Criterium zur Feststellung des Thatbestandes einer zweifelhaften Vergiftung die Combina- tion aller äussern Umstände, die das Erkranken und Sterben des Menschen im concreten Falle begleiteten, bezeichnet, und in der That lehrt die Praxis, dass die Erwägung dieser Um- stände für die Begründung des Urtheils, auch des gerichtsärzt- lichen, gar nicht zu umgehn ist. Auch der Arzt am Kran- kenbette kann sich bei zweifelhaften Diagnosen der Erwägung solcher Umstände nicht entziehn, und es ist nicht abzusehn, warum der Gerichtsarzt anders verfahren, und den Combinatio- nen des gesunden Menschenverstandes sich verschliessen sollte, zumal in einer Frage, in welcher ihn, und weit mehr als in der Frage vom zweifelhaften Selbstmord, für welche man die Erwä- gung solcher äussern Umstände doch mit Recht von jeher em- pfohlen hat, die reine, exacte Wissenschaft so häufig so gut wie ganz in Stich lässt. Beispiele aus eigner Erfahrung mögen zei- gen, was hier gemeint ist. Ein Mann sollte von dem Zuhälter seiner Ehefrau in Einverständniss mit derselben, und zwar mit Phosphorlatwerge auf Butterbrod, vergiftet worden sein. Er hatte das Brod nur halb verzehrt, weil es ihm nicht mundete, *) Die Duchek'sche Ansicht ist indess von R. Masing, Diss. inang. de mutationibus Spiritus vini in corpus ingesti, Dorpat 1854, nach eignen Un- tersuchungen und Experimenten als irrig widerlegt worden. Vgl. Beiträge (rigaischer Aerzte) zur Heilkunde. III. 3. Riga 1855. S. 331. aber bald heftige Vergiftungszufälle gezeigt, und war nach kur- zer Krankheit gestorben. Die Leiche wurde nicht secirt, son- dern erst später, nach aufgetauchtem Verdacht, ausgegraben, und die weit vorgeschrittene Fäulniss hatte natürlich die Sec- tionsergebnisse sehr unsicher gemacht, dennoch aber noch deut- liche Entzündungsspuren im Darm nachgewiesen. Die chemi- sche Analyse dagegen blieb ganz erfolglos, wobei zu bemerken, dass sie an Genauigkeit viel zu wünschen übrig gelassen hatte. (Sie war in einem kleinen Landstädtchen angestellt worden.) Die Voruntersuchung ergab nun unter vielen andern, den Ge- richtsarzt allerdings gar nicht tangirenden höchst verdächtigen Umständen, auch die merkwürdigen, übereinstimmenden Aussa- gen mehrerer Zeugen, einfacher Landleute, Knechte u. dg]., dass die Finger des denatus, womit er das Butterbrod verzehrt, nachdem er gleich darauf Abends in den finstern Stall gegan- gen, im Dunkeln geleuchtet hätten, und dass das übrig geblie- bene Stück Brod noch am andern Tage nach Streichhölzchen gerochen habe, was die Zeugen sich nicht zu erklären wussten! Hatte dieser Mann Phosphor bekommen? gehörte die Erwägung dieser Umstände, der Eigenthümlichkeiten des Phosphors, vor das Forum des Arztes? — In einem andern Falle, wo das Verbrechen ganz dieselben Motive gehabt, und ein Mann aus höhern Ständen seinen Freund, mit dessen jungen und hübschen Frau er ein Liebesverhältniss unterhielt, mit Arsenik vergiftet haben sollte, ermittelte es sich, dass so oft der Angeschuldigte, der nicht im Orte wohnte, zu seinem Freunde hinausgekommen und gastlich aufgenommen worden war, jedesmal der Letztere, ein stets gesund und rüstig gewesener Mann, nach der Mahl- zeit heftig erkrankt war, und zwar unter Symptomen, die auf ein Aetzgift deuteten, woran unter den obwaltenden Verhältnis- sen Niemand denken konnte. Endlich starb der Ehemann und der Hausfreund heirathete die Wittwe. Nach langer Zeit wurde die Leiche ausgegraben. Sie zeigte sehr auffallende Mumifica- tion, aber die chemische Analyse konnte arsenigte Säure nicht mehr nachweisen. Dagegen fand man, bei der nun angestellten Haussuchung, versteckt in einem Eofier bei dem Angeschuldig- ten eine Büchse mit weissem Arsenik, an welchem, nach Ver- gleichung des von ihm darüber ausgestellten Giftscheins, eine erhebliche Menge fehlte. War diesem Verstorbenen Arsenik beigebracht worden? — Ich erinnere an den oben (§. 28. S. 81) mitgetheilten Fall einer zweifelhaften Arsenik Vergiftung aus einer frühern Zeit meiner amtlichen Praxis, in welchem so viele äussere Umstände für die wirkliche Vergiftung sprachen, die der Angeschuldigte, durch Selbstmord im Gefängniss bald nach Eröffnung der Untersuchung gleichsam eingestanden hat, die aber nach der gebräuchlichen gerichtlich-medicinischen Skep- sis nicht bewiesen werden konnte. Dergleichen Krankheit und Tod begleitende äussere Umstände werden fast bei jeder heim- lichen Vergiftung im Laufe der Untersuchung ermittelt, und sie für gerichtsärztliche Gutachten ganz bei Seite liegen lassen, heisst sich eines werthvollen Adjuvans für dasselbe berauben. Ein Adjuvans! Denn ich bin weit entfernt, den Satz aufstellen zu wollen, dass der gerichtliche Arzt, beim Mangel aller und jeder anderweitigen Criterien, aus obigen und ähnlichen Um- ständen allein eine Handhabe für sein Urtheil entnehmen solle oder könne, was er den Geschwornen überlassen möge; allein die Ueberzeugung habe ich durch eine lange Erfahrung gewon- nen, dass die theoretischen Subtilitäten, die Wenn's und Aber's der Mehrzahl der Lehrbücher über Medicina forensis in vielen Fragen derselben, namentlich in der von den zweifelhaften Ver- giftungen, nicht zum Ziele führen und zu einer Incompetenz- Erklärung Seitens der Gerichtsärzte verleiten, die verderblich für die Praxis, und wirklich unbegründet ist, so lange man zu- geben muss, dass Umstände, wie ein Leuchten der Finger im Dunkeln, ein jedesmaliges periodisches Erkranken unter ganz denselben und höchst verdächtigen Symptomen nach Mahlzeiten in verschiednen Terminen, eine Aeusserung des Erkrankten, wie z. B. „das schmeckte so stark nach Knoblauch" u. dgl. m. im- merhin Data sind, die einer medicinischen Beurtheilung unter Heeren. Und worauf denn beruht jene subtile Zweifel- sucht? Dass die Erscheinungen mancher Vergiftungen z. B. mit denen der asiatischen Cholera Aehnlichkeit haben, was also den Werth der Krankheitssymptome als Beweismittel trüben muss. Aber die Cholera herrschte zur Zeit nicht im Orte, und kein Mensch hatte sie vor dem Erkranken und nach dem Tode des Verstorbenen! Es konnte aber dennoch ein sporadischer Fall derselben gewesen sein!! Wird dann, frage ich, die Leichenöff- nung dies nicht klar machen? In andern Fällen erinnert man sich der richtigen Thatsache, dass nach vielen Giften der Sec- tionsbefund sich ziemlich negativ, oder so zeigt, wie er auch nach andern Todesarten ähnlich beobachtet wird, z. B. narcoti- sche Vergiftung und Erstickung. Also: es ist nicht bewiesen, dass denatus einer narcotischen Vergiftung erlegen; er könnte auch erstickt sein! Aber woran, worin ist er erstickt? Nicht die geringste positive Thatsache, ausser der Aehnlichkeit des Sectionsbefundes mit andern Befunden spricht dafür. Ja selbst in Fällen, in denen es positiv feststand, dass Menschen giftige Substanzen genossen hatten, z. B. mehrere Kinder aus Nasch- haftigkeit von demselben, mit Rattengift und Butter bestriche- nen Brod, und wo dieselben kurz darauf unter denselben Krank- heits-Erscheinungen erkrankten und nach kurzer Krankheit star- ben, und in andern eben so klaren Fällen, die ich aus eigener Erfahrung anführen könnte und werde, machte sich die her- kömmliche Zweifelsucht geltend, und obgleich die Todesfälle unter so eigenthümlichen, so in die Augen springenden Umstän- den nach aller medicinischen Erfahrung auf gar keine andre Weise zu erklären waren, so wurde doch nur, gleichfalls mit Widerstreben, mit „Wahrscheinlichkeit" eine Vergiftung als To- desursache angenommen, „weil der einzige sichere Beweis einer Vergiftung, die chemische Darstellung des Giftes aus dem In- halt der Leiche", den Umständen nach nicht geführt werden konnte! Wir bekämpfen diese gefährliche, wie so viele andre aus aprioristischcn Ansichten entsprungene und durch Tradition festgewurzelte Lehre, mit der wir selbst in die Praxis eingetre- ten sind; denn wir haben uns in derselben und durch dieselbe von deren gänzlicher Unhaltbarkeit vergewissert, weil wir uns durch die, in der Natur der Sache selbst liegenden Mängel und die wissenschaftlichen Lücken und Schattenseiten der che- mischen Untersuchung hinreichend genug haben davon überzeu- gen können, dass es durchaus unthunlich ist und dass es der allgemeinen ärztlichen Erfahrung über Entstehung und Verlauf von tödtlichen Krankheiten und dem gesunden Menschenver- stände Gewalt anthun heisst, wenn man den letzten, den einzi- gen Beweis ausschliesslich und allein nur im Reagenzglase des Chemikers sucht. §. 36. Fortsetzung. Schlusssätze. In Berücksichtigung der vorstehenden Erörterungen be- treffend die Feststellung des Thatbestandes bei zweifelhaften Vergiftungen gelangen wir zu folgenden Schlusssätzen: Zeigt die chemische Untersuchung Gift in der Leiche auf, so ist dies ein sicherer Beweis der Statt gehabten Vergiftung, selbst wenn Krankheitserscheinungen und Sectionsbefund dafür weitere Beweise nicht liefern. Aber nicht gilt der umgekehrte Satz, wofür oben (§. 33.) die Gründe bereits angegeben worden. *) Weiter darf in Betreff des Beweises durch die chemische Analyse nicht gegangen werden. Wenn bei Abwesenheit des chemischen Beweises die Krank- heitserscheinungen, der Leichenbefund und die ermittelten äus- sern Umstände übereinstimmend auf geschehene Vergiftung deu- ten, und die Erscheinungen im Leben und nach dem Tode eine *) Ich wiederhole nicht, dass hier nicht „Spuren" von Gift gemeint sind, die der Chemiker vielleicht fand, die nicht als vergiftende Substanz aner- kannt werden können, und von denen bereits S. 394 die Rede war. andre Todesart in keiner Weise annehmen lassen, dann ist der Gerichtsarzt berechtigt, mit Gewissheit den Thatbestand einer Vergiftung anzunehmen. Wenn bei Abwesenheit des chemischen Beweises und bei gänzlich mangelnder oder ganz ungenügender Kenntniss der Krankheitserscheinungen nur der Sectionsbefund mit den ermit- telten äussern Umständen übereinstimmt, und dieser Befund un- ter den obwaltenden Verhältnissen eine andre Todesart in kei- ner Weise annehmen lässt, so ist der Gerichtsarzt berechtigt, mit grösster oder mit hoher Wahrscheinlichkeit den Thatbestand einer Vergiftung anzunehmen. — Die concreten Verhältnisse des Einzelfalls müssen hier maassgebend sein. Der Arzt kann in solchen Fällen viel thun durch blosse zweckmässige Formu- lirung seines Gutachtens, z. B. „dass nach allen im Vorstehen- den erörterten Umständen die Annahme einer Vergiftung als Todesursache des denatus sich als die wahrscheinlichste ergiebt, und dass keine andre Annahme in den Umständen des Falles so viele Begründung findet, als die genannte" u. dgl. Dass es endlich Fälle giebt, in denen es weder der chemi- schen Prüfung, noch irgend einer andern Belehrung bedarf, als der, welche der Sectionsbefund als solcher liefert, um die Ver- giftung mit Sicherheit als geschehn annehmen zu können, ist bereits (S. 391) angeführt worden. Was nun endlich die Frage betrifft, ob nach festgestelltem Thatbestande der geschehenen Vergiftung dieselbe den Tod wirklich zur Folge gehabt habe (§. 197. Strafgesetzbuch)? so kann ihre Beantwortung nicht zweifelhaft sein. Denn erwägen wir, dass die Wirkung aller Gifte bis jetzt nur und kaum in ihren allgemeinsten Ergebnissen, aber gar nicht in ihren Modi- ficationen nach den einzelnen Individualitäten bekannt ist, dass daher auch die Thatsachen wohl bekannt, aber nicht erklärt sind, dass bei A. zehn und zwanzig Gran des Giftes x. den Tod nicht, bei B. und C. dagegen schon zwei und vier Gran desselben Giftes ihn zur Folge hatten, dass ein und dasselbe Gift in verschiedenen Formen beigebracht, einen ganz verschie- denen Krankheitsansgang bedingen kaun, dass die Therapie der Vergiftnngs-Krankheiten noch eine höchst schwankende ist, dass endlich der §. 185. des Strafgesetzbuches alle allgemeinen Tödt- lichkeits - Categorieen ausdrücklich ausschliesst, und nur den concreten Fall als solchen erwogen wissen will, so gelangen wir nothwendig zu folgendem Schlussatz: wenn nach einer Statt gehabten Vergiftung der Tod des Vergifteten unter Vergiftungs- Erscheinungen erfolgt ist, und der Leichenbefund keine andre To- desart nachweist, so ist der Tod als eine wirkliche Folge der Vergiftung zu erachten. — Unter besondern Umständen indess können Zweifel im Einzelfalle allerdings gerechtfertigt erschei- nen; es werden sich dieselben aber dann durch eben diese be- sondern Umstände im Gutachten unschwer begründen lassen. §. 37. Eigene oder fremde Schuld? Es entsteht nach Vergiftungen selten ein Zweifel darüber, ob der Tod durch eigene Schuld oder durch verbrecherische Absicht Dritter veranlasst worden. Denn nur solche Substan- zen, die als sicher wirkende Gifte allgemein bekannt sind, wie z. B. Schwefelsäure, Arsenik, Blausäure werden zu Selbstmorden ge- braucht. Andrerseits schliessen Gifte, die äusserst widerlich schmecken oder augenblicklich im Munde die lebhaftesten Schmerzen verursachen, z. B. Schwefelsäure, Sublimat, Höllen- stein, die ungemein bittern (giftigen) Alcaloide u."A. jeden Ver- dacht auf Mord aus, denn solche Substanzen verschluckt kein besinnlicher Mensch. Kleine Kinder jedoch werden nicht gar selten von ihren unnatürlichen Müttern durch Schwefelsäure vergiftet. Gifte, die zur Hand sind, indem sie in den Haushal- tungen gebraucht werden, wie z. B. Schwefelsäure, oder Arse- nik, Phosphor und Krähenaugen als Rattengifte, oder die zu technischen Zwecken in Fabriken u. dgl., oder zu gewissen Be- schäftigungen dienen, wie alle zahlreichen giftigen Farben, ge- ben zu unfreiwilligen Vergiftungen Anlass. Hiernach wird im eoncreten Falle die Entscheidung nicht schwer sein. §. 38. Casuistik. 161. und 162. Fall. Zwei Vergiftungen durch Arsenik. Nach einer polizeilichen Anzeige sollten der 6jährige Knabe Feld^ und der 5jährige Knabe Massow am 13. Juni 18— in Folge des Ge- nusses von Rattengift verstorben sein. Es wurde constatirt, dass der Kammerjäger Arsenik auf Zwieback ausgelegt und dass die Knaben davon gegessen hatten. Feld war nach sechs, Massow nach vierundzwanzig Stunden, unter anhaltendem Erbrechen (weiteres war über die Krankheit nicht ermittelt!) gestorben. Die wesentlichen Befunde bei der, schon am löten verrichteten Obduction waren 1) bei Feld: nur erst anfangende Verwesung an den Bauchdecken; der Magen äusserlich bleich, zehn Loth gelbgrünlicher Speiseflüssigkeit enthaltend; seine Schleimhaut zeigte auf der hintern Wand zahlreiche ecchymotische Flecke, an mehrern Stellen ist sie excoriirt, und deutliche Körnchen sind an diesen Stellen fühlbar; der leere Darmkanal ist bleich und zeigt nirgends Gefässinjection; das Blut in den grossen Venen ist dunkel und dickflüssig; das Bauchfell und alle Bauchorgane sind normal. Lungen und Herz zeigen weder auffal- lenden Blutgehalt, noch sonst etwas Abnormes; die grossen Gefässstämme enthalten wenig dickflüssiges dunkles Blut; die Schleimhaut der Speise- röhre ist bleich. In den blutführenden Hirnhäuten und in den Sinus macht sich eine nicht ganz gewöhnliche Blutfülle bemerkbar; das Gehirn zeigt nichts Auffallendes. 2) Bei Ma ssow: der Leichnam ist noch ganz frisch; die Därme sind ganz leer und zeigen die normale Leichenfarbe ohne irgend bemerkbare Injection; der Magen zeigt dergleichen äusser- lich etwas mehr: er entbält 6 Loth blutiger Flüssigkeit; seine ganze Schleimhaut ist purpurröthlich, und fast durchweg mit purpurroten Su- gillationen unterlaufen; Geschwürsbildung finden wir nicht. Die Hohlader enthält ziemlich viel dunkles, dickflüssiges Blut, die Bauchorgane bieten in keiner Beziehung etwas Bemerkenswerthes dar. Die Schleimhaut der leeren Speiseröhre ist bleich; sämmtliche Brustorgane sind in jeder Be- ziehung normal. Die Hirnhäute zeigen grossen Biutreichthum, ja auf der hintern Hälfte der linken Hemisphäre liegt ein liniendickes Blutextravasat von 3 Zoll Länge und anderthalb Zoll Breite; auch die plexus, nicht die Substanz des Gehirns und die sinus, sind ziemlich blutreich. — Wir untersuchten mit unserm vereidigten Chemiker die Mägen und ihren In- halt, so wie das Blut aus beiden Leichen. Es wurde zunächst Magen und Inhalt, sowie die Speiseröhre des Massow in eine Porzellanschaale entleert, die Eingeweide zerschnitten, die grössern Stücke abgespült und herausgenommen, die kleinern nebst dem flüssigen Inhalte in ein Becher- glas gethan, umgerührt und- absetzen gelassen. Dann wurde abgegossen, der Rückstand mit destillirtem Wasser abgeschlämmt, bis ein pulverfor- miger, weisslicher Rückstand blieb, der mit Fettkügelchen gemischt und von ihnen bedeckt war. Wir schüttelten ihn mit Aether, gössen diesen ab, rührten das nun zurückbleibende, weissliche Pulver mit Wasser an, gössen das Gemisch auf ein Uhrglas und Hessen es auf diesem eintrock- nen. Der Rückstand betrug einige Gran und zeigte sich unter dem Mi- croscop als ein crystallinisches Pulver. Ein Theil davon wurde in eine Reductionsröhre gebracht, ein Kohlensplitter darauf gesehoben und die Röhre lege artis erhitzt: es entstand ein deutlicher Metallspiegel; bei der Verflüchtigung desselben entstand ein Geruch nach Knoblauch. Die zerschnittenen Eingeweide nebst dem Abspülwasser wurden in zwei gleiche Theile getheilt a und ß. Der Theil a wurde mit verdünnter Schwefel- säure gemischt, das Gemisch bis zur Hälfte seines Volumens an einem dunkeln Orte abgedampft, wobei kein Funkensprühen, welches auf An- wesenheit von Phosphor in Substanz hingedeutet haben würde, bemerk- bar war, und nach dem Erkalten filtrirt. Darauf wurde der Marsh'sehe Apparat nach der Construction der Königl. wissenschaftlichen Deputation etc. zusammengestellt, das angewandte Zink und die verdünnte Schwefel- säure, welche aus demselben Gefäss, wie die zur Vermischung mit den COntentis entnommen war, durch den Apparat auf ihre Reinheit geprüft und dann die oben genannte filtrirte Abkochuug in den Apparat gebracht. Es entstand beim Erhitzen der Leitungsröhren sogleich ein starker Me- tallspiegel. Auf diese Weise wurden in 4 verschiedenen Röhren Metall- spiegel erzeugt; die zweite wurde an der Stelle des Spiegels erhitzt, wodurch der bekannte Knoblauchsgeruch entstand; aus der dritten Röhre wurde der Spiegel mittelst einer Feile herausgeschnitten und das Röhrstück in rauchende Salpetersäure gebracht und der Spiegel löste sich beim Erwärmen leicht und vollständig auf; die Lösung wurde auf ein Uhrglas vorsichtig zum Trocknen verdampft, nach dem Erkalten einige Tropfen Wasser zugesetzt, worin der Rückstand sich leicht löste und dann der Lösung je 1 Tropfen Aetzammoniakflüssigkeit und Silbersalpe- tersolution zugefügt: es entstand ein ziegelrother Niederschlag von arsensaurem Silberoxyd. Aus der vierten Röhre wurde eben- falls das den Spiegel enthaltende Stück herausgeschnitten, dieses Rühr- stück in eine etwas weitere, an beiden Seiten offene Glasröhre gescho- ben und iu dieser stark erhitzt. In dem obern Theil der weitern Röhre setzte sich ein weisses Sublimat ab, welches in salzsaurem Wasser gelöst wurde. Die Lösung gab 1) mit Schwefelwasserstoff einen gel- ben Niederschlag; 2) mit schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak einen zeisiggrünen Niederschlag. Der Theil ß der zerschnittenen Einge- weide nebst Abspülwasser wurde in einer Porzellan-Casserolle mit 1 Loth reiner Salzsäure und 24 Gran chlorsaurem Kali £ Stunde gekocht, die gröbern Stücke durch ein weitläufiges Seihetuch abgesondert und die durchgelaufene Flüssigkeit ferner unter Zusatz von 24 Gran chlorsaurem Kali so lange gekocht, bis aller Chlorgeruch verschwunden, und das Ganze in eine trübe, gelblich weisse Flüssigkeit verwandelt war. Diese wurde nach dem Erkalten filtrirt. Den Rückstand Übergossen wir in einer zu verschliessenden Flasche mit Aetzammoniak, digerirten einige Zeit und fil- trirten dann ab; das Filtrat zeigte mit Schwefelwass'erstoffwasser keine Färbung. In das Filtrat der Abkochung mit chlorsaurem Kali wurde ein Strom gewaschenen Schwefelwasserstoffgases geleitet, welcher nach und nach einen hellgelben Niederschlag erzeugte. Das Präcipitationsgefäss wurde an einen warmen Ort gestellt, bis der Geruch des Inhalts verschwunden war, letzterer nach dem Erkalten filtrirt und das Filtrat (mit ß I. be- zeichnet) bei Seite gestellt. Der Rückstand auf dem Filter wurde ge- waschen, mit destillirtem Wasser in eine Porzellancasserolle gespült und unter Zusatz von i Loth Salzsäure und 12 Gran chlorsaurem Kali ge- bracht, bis kein Chlorgeruch mehr wahrzunehmen war, und sich Schwe- felklümpchen auf der Oberfläche der Flüssigkeit angesammelt hatten. Das erkaltete Filtrat versetzten wir mit flüssiger schwefliger Säure, er- wärmten bis der Geruch der letztern verschwunden war und setzten nach dem Erkalten 2 Volumina frisches Schwefelstoffwasser hinzu- es entstand sogleich ein gelber Niederschlag. Dieser wurde nun durch Ab- setzen und Abspülen mit Wasser gereinigt und in breiiger Form in 4 Theile gethe.lt. Den einen Theil desselben vermischten wir mit schwarzem Fluss trockneten das Gemisch bei 100« C. ein, brachten den schwarzen Ruckstand in eine Kugelröhre und glüthen ihn in derselben: es entstand ein lebhafter Metallspiegel. Der zweite Theil des gelben Nieder- schlages wurde in S eh wef el wa s s ers t of f - Am m o u i ak , der dritte IheU ,n Aetzammoniak, der vierte Theil in kohlensaure Amine- makflussigkeit gebracht. In sämmtlichen drei Flüssigkeiten löste er sich vollständig auf; die Lösungen gaben durch Zusatz von Salz- saure wiederum gelbe Niederschläge. Das Filtrat ßl. WUrde mit Ca»per, gerichtl. Medicin. ^ Aetzammoniak gesättigt und Schwefelwasserstoff-Ammoniak zugesetzt: es erstand ein schwarzer Niederschlag. Nach dem Absetzen und Abwaschen wurde derselbe in Salzsäure gelöst, die iiltrirte Lösung unter Zusatz von rauchender Salpetersäure gebracht und nach dem Erkalten mit Aetz- ammoniak übersättigt. Es setzte sich ein gelblich weisser Niederschlag ab,-welcher abhltrirt wurde; das Filtrat gab mit Schwefelwasserstoff k ei n e Reaction. Da aus der Untersuchung des M as so wachen Magens die An- wesenheit von Arsen hervorgegangen, so wurde das Blut nur auf dieses Gift geprüft. Zu dem Ende wurde es mit einem gleichem Volumen ver- dünnter Schwefelsäure gemischt, das Gemisch einmal aufgekocht und nach dem Erkalten filtrirt. Das braunrothe Filtrat wurde unter den oben ge- nannten Vorsichtsmaasregeln in dem Marsh'sehen Apparat der Prüfung unterworfen. Es zeigte sich keine Spur von einem metallischen Anflug in der erhitzten Leitungsröhre. 2) Der Inhalt der Töpfe Ferdinand Feldt I und II, resp. Ma- o-en und Blut enthaltend, wurde genau auf die so eben angegebene Art und Weise der chemischen Untersuchung unterworfen, welche durch- aus dieselben Resultate ergab. Es war hiernach festgestellt, dass Mägen und Contenta beider Kin- der weissen Arsenik, sowohl in Substanz, wie in aufgelöster Form, jedoch keine andern giftigen metallischen Substanzen enthalten hatten, und dass das Blut beider Leichen nicht die geringste Spur von Arsenik enthielt, das folglich während der nur sehr kurz dauernden Krankheit noch nicht in die Blutmasse aufgenommen worden war. Wir konnten hiernach kei- Anstand nehmen, den Tod der Kinder als durch Arsenikvergiftung wirk- lich erfolgt anzunehmen. 163. Fall. Vergiftung durch Arsenik. Am 4. Juli 18— wurde der zwanzigjährige Klempnergeselle E. unter anhaltendem Erbrechen und Laxiren in die Charite aufgenommen. Er konnte nicht mehr sprechen und sich verständigen, aber die Anamnese ergab sich durch einen Zettel, den man in seiner Westentasche fand, und auf dem geschrieben war: „ich habe Arsenik genommen." Er erhielt Eisenoxydhydrat in grosser Menge, der Tod erfolgte indess dennoch nach 24 Stunden. Bei der am 7. ausgeführten Obduction fanden wir: bläu- lich-rothes Gesicht und anfangende Verwesung der Bauchdecken; der Magen zeigte auf seiner äussern Fläche auf der hintern Wand einen rundlichen, schwarzblauen Fleck, zwei Zoll im Durchmesser und einen silbergroschengrossen an der vordem Wand, zwei Zoll vom obern Ma- genmunde; die ganze vordere Wand ist mehr oder weniger hellröthlich gefärbt: im Mao-en befindet sich noch ein Pfund chocoladenbrauner, homo- gener Flüssigkeit (Eisenoxyd); au den vorhin beschriebenen Stellen zei- gen sich correspondirend an der innern Schleimhaut sehr deutlich strei- fig-inselartige schwarze Flecke in ungemein grosser Anzahl (haemorrha- gische Erosionen), und mit der Lupe lassen sich zahllose weisse Körn- chen, die fest auf der Schleimhaut ansitzen, erkennen. Eines derselben getrocknet und verbrannt, lässt deutlichen Knobrauchgeruch wahrnehmen. Das Bauchfell ist nicht entzündet. Die stahlgraue (Säufer-) Leber ist ziemlich gefüllt mit dunkelflüssigem Blute; die Gallenblase ist voll, die Milz weich, die Harnblase leer; die Darme sind leer und zeigen nichts Ungewöhnliches; die Vena Cava enthält wenig Blut. Die Lungen sind normal; das rechte Flerz strotzt von dunklem, musartig geronnenem Blut, das linke enthält nur einen Esslöffel eines mehr flüssigen Blutes; auch die grossen Brustgefässe enthalten viel musartiges Blut; Kehlkopf und Luftröhre sind blass und enthalten etwas schwärzlichen Schleim; die Speiseröhre ist bleich und leer, jedoch mit einer Menge kleiner -weisser Körnchen besetzt. Im Kopfe nur die gewöhnliche Blutmenge und sonst kein der Aufzeichnung werther Befund. Es wurden der Magen und sein Inhalt, die Speiseröhre, Stücke der Leber und Blut aus der Leiche der chemischen Untersuchung unterworfen, die genau wie im vorigen Falle ausgeführt wurde. Magen und Speiseröhre, so wie der Absatz des Ma- geninhalts ergaben arsenige Säure und Eisenoxyd; auch im flüssigen Theile des Mageninhaltes wurden beide Substanzen leicht nachgewiesen; dagegen enthielten weder die Leber, noch das Blut Arsen.*) 164. Fall. Angebliche Vergiftung durch Arsenik. Kann Arsenik in die Haare Übergehn? Eine sehr reiche alte Frau war nach langer Krankheit an einer Bla- sen-Mastdarmfistel und deren endlichen Folgen, Zehrlieber und Wasser- sucht gestorben. Wegen ihres bedeutenden Nachlasses erhoben sich Fa- milienzwistigkeiten, und namentlich trat eine weibliche Seitenverwandte mit der Behauptung auf, denata sei heimlich und langsam mit Arsenik vergiftet worden, und ging sogar in ihren Denunciationen so weit, ge. achtete Familienmitglieder als „Mörder" zu bezeichnen. Immer Avieder auf Grund der geschehenen Ermittelungen zurückgewiesen, drängte sie die Staats-Anwaltschaft immer wieder mit neuen Anträgen, bis sie endlich *) Vgl. 182 -184. Fall. 27 mit der Anzeige hervortrat, dass sie die von ihr der denata im Sarge noch abgeschnittenen Haare dem Apotheker H. in X. zur Untersuchung übergeben, und dass dieser in denselben Arsenik aufgefunden habe! Auf Grund dieser Entdeckung forderte sie die Wiederausgrabung und gerichtsiirztliche Untersuchung der Leiche. Die Staats-Anwaltsehuft for- derte mein Gutachten über diese merkwürdige Behauptung und über den Antrag. „Ich kann, äusserte ich mich in meinem Gutachten, die Be- merkung nicht unterdrücken, dass 1) nirgends in den Acten feststeht, dass die untersuchten Haare wirklich die der denata gewesen seien. Es geht aber auch 2) aus der eigenen Angabe der Denunciantin hervor, dass dieselbe dem Apotheker die Haare erst zur Untersuchung übergeben, nachdem sie in einem Buche gelesen hatte, dass man bei mit Arsenik vergifteten Thieren das Arsen in den Haaren derselben gefunden, was um so auffallender, wenn man 3) erwägt, dass die eigene Schwester der Denunciantin in einem Schreiben an eines der Familienmitglieder letztere auf eine, die ganze Sachlage in ein richtiges Verhältniss stellende Weise eine Person nennt, „der jedes Mittel zur Erreichung ihres Zweckes recht sei." Hiernach würde die angebliche Thatsache, dass H. in gewissen Haaren, die ihm von der Denunciantin „zur Prüfung auf Arsenik" über- geben worden, wirklich Arsen gefunden habe, gerichtlich-medicinisch schon gar keinen Werth mehr haben. Aber auch die Untersuchung selbst ist nicht mit der Vorsicht angestellt, die erforderlich gewesen wäre, um ein Urtheil darauf zu basiren, indem weder der gebrauchte Marsh'sehe Apparat vorher an sich darauf geprüft worden : ob derselbe frei von Ar- senik gewesen? noch auch der gewonnene Metallspiegel auf Antimon ge- prüft worden, mit welchem er die grösste Aehnlichkeit hat, so dass nur eine chemische Analyse hierüber Gewissheit geben kann. Hierzu kommt fer- ner, dass mein berühmter College, Herr Geh. Rath Mitscherlich, dem von den übrigen Erben wirkliche Haare der denata, die gleichfalls nach deren Tode abgeschnitten waren, zur Prüfung übergeben worden, in den- selben keine Spur von Arsenik aufzufinden vermocht hat. AVenn ich endlich anführe, dass kein Beispiel von Auffinden von Arsen in den Haa- ren von Menschen, die damit vergiftet worden, bekannt ist, und dass Arsenik, der doch dann schon im Leben in den Haaren vorhanden ge- wesen sein musste, nothwendig lleactionen in der Kopfhaut verursacht gehabt haben würde, dergleichen bei der denata niemals beobachtet worden, so glaube ich es hinreichend motivirt zu haben, wenn ich mein Gutachten dahin abgebe, dass auch nach der jetzt vorliegenden chemi- schen Untersuchung der angeblich vom Kopfe der N. N. entnommenen Haare, so wenig als früher der geringste Grund zu dem Verdachte vor- liest, dass dieselbe durch Arsenik vergiftet worden sei, und dass hier- nach eine Wiederausgrabung der Leiche jetzt, ein Jahr nach deren Be- erdiguno-, wegen der nothwendig anzunehmenden völligen Zersetzung der Leiche, gar kein Resultat mehr ergeben würde-" — Die Angeberin wurde mit ihrem Antrage abgewiesen. 165. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure acht Tage vor dem Tode. Einem sieben Wochen alten unehelichen Mädchen war von seiner Mutter, was dieselbe später eingestand, acht Tage vor seinem Tode con- centrirte Schwefelsäure in den Mund eingegossen worden. Es entstanden die bekannten Symptome. Bei der Leichenöffnung fiel zunächst der Hals auf, an dessen linker Seite sich handtellergross die ganze cutis abgelöst, und die lederartig harten Muskellagen unter ihr blossliegend fanden. Die Ränder dieser Stelle granulirten bereits, und ein schmaler rother Hof umo-ab dieselben. Die Speiseröhre, etwas grauschwarz gefärbt, war so mürbe, dass sie beim leichtesten Anfassen zerriss. Der Magen war ganz (auffallend) bleich, und ein Schleimhautgeschwür, d. h. eine Zerstörung der Schleimhaut fand sich in Thalergrösse auf der vordem Magenwand. Das Blut war dunkel und dickflüssig. Wirkliche Blutgerinnsel fanden sich nur einige in der rechten Herzkammer und in den sinus der harten Hirn- haut. Der übrige Befund war unerheblich. Die in Beschlag genommene Flüssigkeit ergab sich deutlich als rohe Schwefelsäure. Die contenta des Magens und duodenum dagegen liessen keine Spur von dieser Säure mehr entdecken, wobei indess zu erwägen war, dass das Kind bald nach der Vergiftung kohlensaure Magnesia erhalten hatte. 166. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure drei Tage vor dem Tode. Am 9. Juli 18— trank der 2£ Jahre alte Knabe S. aus einer Flasche käufliche Schwefelsäure in ein^r nicht ermittelten Menge, bekam sogleich von der Mutter, die Lippen, Zunge und Schlund weiss fand, Milch, die ge- käst ausgebrochen wurde, sodann von einem Wundarzte ein Brechmittel, wonach „eine schwarze Masse" entleert wurde, kam hierauf in ärztliche Behandlung, über welche die Acten nichts ergaben, und starb am 11. Juni nach drei Tagen. Fünf Tage nach geschehener Vergiftung geschah die Obduction, deren wesentliche Ergebnisse folgende waren. Die Verwe- sung war weit vorgeschritten. Die Zunge lag ungeschwollen zwischen den Zähnen eingeklemmt. Der Magen war im Ganzen bleich, nur an der hintern Wand befand sich eine, einen lialben Zoll grosse, purpur- rote Stelle, welche sogleich beim vorsichtigen Aufheben einriss. An derselben Wand zeigte sich bei der innern Besichtigung ein eirundes, zwei Zoll langes, einen Zoll breites, flaches Geschwür, dessen Farbe sich nicht von der des Magens unterschied, d. h. eine Erosion der Schleim- haut, wie im vorigen und in fast allen solchen Fällen von Schwefelsäurever- giftungen, in denen der Tod nicht schnell erfolgte, sondern passende ärztliche Hülfe angewandt worden war. Die Schleimhautfläche der Speise- röhre zeigte zahlreiche schwarze Punkte, aber keine Erosion. Sonst war nur die allgemeine Blutleere im Leichnam auffallend, die aber nichts An- dres als Product der hohen Verwesung war. Die sorgfältige chemische Analyse der Leichen-Contenta wies keine freie anorganische Säure, also auch keine Schwefelsäure nach. Nichtsdestoweniger nahmen wir keinen Anstand zu erklären: dass das Kind an einer Verschwärung des Magens gestorben, und dass diese durch den Genuss von käuflicher Schwefelsäure entstanden sei. Es sprachen dafür, wie man einsieht, die characteristische Verbrennung der Mundhöhlen- und Rachen-Schleimhaut, das sofortige Er- brechen von gekäster Milch und von „schwarzen Massen", das, wie schon oben erwähnt, in ähnlichen Fällen ganz characteristische Magen- geschwür bei einem, bis zum Augenblick der Vergiftung ganz gesunden Kinde, und es konnte das Nichtaufiinden von Schwefelsäure in der Leiche keinen Gegenbeweis liefern, da notorisch das Kind ärztlich behandelt worden war, folglich sogenannte Gegengifte erhalten hatte. Die Summe der Befunde liess keine andere Annahme zu. 167. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure zwei Stunden vor dem Tode. Die schrecklichste Wirkung dieser, allem Organischen so feindlichen Substanz, die man sich nur denken mag, fand ich bei einem 30 Jahre alten Hutmacher. Derselbe war Morgens früh im Dunkeln aufgestanden uud hatte — man hat nicht erfahren: ob absichtlich oder zufällig — einen tüchtigen Schluck roher Schwefelsäure, wie er sie in seinem Ge- werbe brauchte, getrunken. Auf sein Geschrei eilte seine Frau herbei, und schaffte sogleich Hülfe. Der zugerufene Arzt venäsecirte, und das Blut soll „syrupsartig" geflossen sein. Nach Milch und Seifenwasser er- folgte noch einigemale Erbrechen, aber schon nach zwei Stunden trat der Tod ein. — Wir fanden die ganze Zunge von der äussersten Spitze an weiss sphacelirt, die Schleimhaut stellenweise abgelöst. Der Oeso- phagus zeigte auf seiner Aussenfläche noch nichts Abnormes, auf der in- nern aber war er, wie die ganze Rachenhöhle, grauschwarz. Der Ma- gen dagegen war äusserlich wie innerlich kohlschwarz von Farbe und na- türlich so mürbe und macerirt, dass er wie nasses Löschpapier an der Zange hängen blieb, wenn diese nur versuchte, ihn hervorzuheben. Von einer (vorschriftsmässigen) Unterbindung desselben musste deshalb noth- wendif ab"-esehn und sein Inhalt vielmehr aus der Bauchhöhle entnom- men werden. Das grosse Netz war gleichfalls zum grössten Theile schwarz verbrannt, ohne Zweifel weil schon im Leben, oder wenigstens bald nach dem Tode das Aetzgift den Magen perforirt und das Netz unmittelbar sphacelirt hatte. Duodenum und die Anfänge des Dünn- darms zeigten nur eine grauschwärzliche Färbung. Die Schleimhaut, die hier noch untersucht werden konnte, zeigte sich stark aufgewulstet, er- härtet und wie gekocht. Das Blut hatte durchweg eine Kirschsuppen- ähnliche Färbung; seine Consistenz war die eines sehr dünnflüssigen Syrups, und es fanden sich einzelne Coagula darin, von der Härte eines nassen Thons. Alle übrigen Baucheingeweide, ausser den genannten, waren noch von der Zerstörung nicht ergriffen worden und ganz natür- lich beschaffen; ein Beweis, dass das ätzende Gift in den zwei Lebens- stunden namentlich noch gar nicht bis in die untern Därme gedrungen war. Eben so normal fanden sich Lungen und Herz, welches, wie die Sinus, ziemlich stark mit Blut gefüllt war. Obgleich die chemische Un- tersuchung der Contenta hier überflüssig, da der Thatbestand einer Schwefelsäure-Vergiftung durch den Sectionsbefund allein schon unzweifel- haft festgestellt war, so wurde erstere dennoch, weil vorschriftsmässig, angestellt, und zwar auf folgende Weise, nachdem in einem Topfe A zu diesem Behufe der Mageninhalt, in einem zweiten B der Magen selbst, Speiseröhre und Duodenum zu diesem Zweck bei Seite gestellt worden waren. Im Topfe A zeigte sich bei der Herausnahme eine schwarzbraune dicke, mit zusammengeballten Stücken gemischte Flüssigkeit. Auf ein Filtrum gebracht, schied sich nur eine geringe Menge einer klaren, etwas gelbgefärbten Flüssigkeit ab, welche stark sauer gegen blaues Lacmus- papier reagirte, mit salpetersaurem Baryt einen nicht sehr bedeutenden, in verdünnter Salpetersäure unauflöslichen, und mit essigsaurem Bleioxyd einen eben solchen Niederschlag erzeugte. Es wurde demnächst ein Theil der schwarzbraunen Flüssigkeit in eine porzellanene Schaale gegossen, der- selben eine Drachme Salpetersäure hinzugethan, während einer Viertel- stunde damit gekocht, und dann liltrirt. Die abliltrirte Flüssigkeit war weingelb, klar und verhielt sich gegen Reagentien, wie folgt : 1) Schwefelwasserstoffwasser erzeugte keinen Niederschlag, weder in der sauren, noch in der neutralen Flüssigkeit, und wurde überhaupt nicht verändert. 2) Schwefelwasserstoff-Ammoniak wurde dunkelgrün gefärbt; nach dem Erwärmen setzte sich ein flockiger schwarzer Nieder- schlag ab. 3) Chlorbaryum und salpetersaurer Baryt gaben einen reichlichen, in überschüssiger Salpetersäure unauflöslichen Niederschlaff. 4) Essigsaures Bleioxyd erzeugte einen bedeutenden Niederschlag, der in verdünnter Schwefelsäure sich nicht aufloste. 5) Salpetersaures Silberoxyd erzeugte eine opalisirende Färbung, ein Niederschlag bildete sich nicht. 6) Schwefelsaures Kupferoxyd zu der neutralen Flüssigkeit hinzu- gesetzt blieb unverändert. Bei einem Ueberschuss von Ammo- niak und durch Hinzugiessen von Alcohol bildete sich ein reich- licher blauer crystallinischer Niederschlag. 7) Kalkwasser wurde schwach getrübt. 8) Aetzerde und kohlensaure Alkalien veränderten die Flüssigkeit gar nicht. 9) Kaliumeisencyanür zu der neutralen Flüssigkeit hinzugesetzt, er- zeugte einen hellblauen Niederschlag. Da durch diese Reagentien ad 3), 4) und 6) die Gegenwart der Schwefelsäure nachgewiesen war, so wurden die Substanzen, welche in dem andern Topfe eingeschlossen waren, der Untersuchung unterworfen. Der darunter befindliche Magen war kaum erkenntlich, indem die Wände desselben ganz schwarz, wie verkohlt waren; die Speiseröhre hatte das Ansehn , als ob dieselbe der Länge nach gefurcht sei. Die sämmtlichen Substanzen wurden demnächst mit einem Messer zerschnitten, in eine porcellanene Schaale gethan, mit destillirtem Wasser, dem eine Unze verdünnter Schwefelsäure hinzugesetzt war, Übergossen und auf einer Spirituslampe eine Viertelstunde hindurch gekocht. Nach dem Kochen wurden die festen Theile mittelst eines Colatoriums von der Flüssigkeit getrennt, und letztere auf ein Filtrum gebracht. Die abliltrirte klare weingelbe Flüssigkeit wurde, wie die in dem Topfe A. enthalten gewe- sene , mit den oben angegebenen Reagentien geprüft, welche sich gegen dieselbe eben so, wie bereits angeführt, verhielten, nur dass die Reagentien ad 3), 4) und 6) noch bedeutendere Niederschläge erzeugten. — Um nunmehr die Ueberzeugung zu erhalten, ob die ermittelte Schwefelsäure im freien Zustande vorhanden sei, wurden vier Unzen der letztern Flüssigkeit, welche im Ganzen 20 Unzen wog, in eine glühende Retorte gegossen, und einer Destillation bis zur Trockne unterworfen. Das über- gegangene Destillat war gelblich gefärbt, reagirte gegen Lacmuspapier stark sauer und hatte einen scharfen stechenden Geruch. Salpetersaurer Baryt und essigsaures Bleioxyd erzeugten einen bedeutenden, in verdünn- ter Salpetersäure unauflöslichen Niederschlag. Durch Schwefelwasser- stoffwasser erzeugte sich ein milchicht-weisser Niederschlag von ausgeschie- O DO denem Schwefel. Hierdurch war nun die Gegenwart der Schwefelsäure in ungebundenem Zustande nachgewiesen. Um nun noch zu ermitteln, wie viel Schwefelsäure wohl in den un- tersuchten Substanzen enthalten sei, obgleich das Resultat keinen sichern Anhaltpunkt über die wirklich verschluckte Säure gab, da ein Theil der- selben durch Erbrechen, welches dem Tode vorangegangen war, entfernt worden ist, wurde zu 4 Unzen der Flüssigkeit, die 20 Unzen gewogen hatte, so lange Chlorbaryum hinzugegossen, als noch ein Niederschlag sich bildete. Dieser wurde auf einem Filtrum gesammelt, mit destillir- tem Wasser, dem etwas Salpetersäure zugesetzt war, sorgfältig ausgewa- schen, getrocknet, und dann in einem Platintiegel geglüht. Der hier- durch erhaltene schwefelsaure Baryt wog 36 Gran; es wären also aus den 20 Unzen 180 Gran gewonnen worden, welche gleich sind 77,26 Gran concentrirter Schwefelsäure. Die Untersuchung hat also nachgewiesen, dass in den Substanzen 1 Drachme 17| Gran freier Schwe- felsäure enthalten waren. 168. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure eine Stunde vor dem Tode. Der Fall verdient hier aufgenommen zu werden, weil das vergiftete Kind die Vergiftung nur Eine Stunde überlebt hatte, und die Obduction uns eine, durch Verwesung noch gar nicht alterirte Leiche überlieferte. Auch hier war es die verbrecherische Mutter, die ihr anderthalb Jahre altes Töchterchen mit Schwefelsäure vergiftet hatte, und das Kind ver- schied schon nach kaum einer Stunde der gereichten Gegenmittel ungeachtet. Die Zunge war weiss-pelzig, nicht sauer reagirend; auch hier zeigte sich wie so gewöhnlich der pergamentartige schmutzig gelbliche Streifen vom linken Mundwinkel bis zum Ohre vom herabgeflossenen Aetzgift, und Flecke ähnlicher Beschaffenheit fanden sich auf beiden Armen und Händen des Kindes, offenbar von verspritzt gewesener Säure. Der äusserlich wie in- nerlich ganz graue Magen war mit einer schwarzblutig-schleimigten, sauern Flüssigkeit angefüllt, und sein Gewebe zerfetzte sich bei der Berührung; die Vena cava war mit einem kirschrothen, syrupsartigen, sauer reagi- renden Blute massig, wie Leber und Milz, angefüllt. Eben solche mäs- sige Anfüllung zeigten die bleichen Lungen; das ganze Herz in allen Hohlen enthielt nur wenige Tropfen Blut, und auch nur massig angefüllt waren die Venenstäinme der Brusthöldo. Luftröhre und Kehlkopf waren leer und normal. Das Gewebe der Speiseröhre war auch in diesem Falle, wie in der Mehrzahl der Fälle, noch fest und ihre Schleimhaut graulich gefärbt und sauer reagirend. Die Kopfhöhle bot keine bemer- kenswerthen Befunde. 169. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure. Ein sehr eclatanter Fall von Schwefelsäure - Vergiftung betraf ein (bereits deflorirtes) Dienstmädchen von 13 Jahren, von welchem ich gleitet! voraus bemerken will, dass nach den spätem richterlichen Ermittelungen der von Hause aus höchst wahrscheinlich gewesene Selbstmord als gewiss constatirt wurde, weshalb die chemische Untersuchung der Contenta der Leiche, welche schon begonnen hatte, auf amtliche Anordnung, als uniiö- thige Kosten verursachend, unterblieb. Bei der äussern Besichtigung der Leiche fielen die eine Linie lang vor den Zähnen ragende Zunge, und zwei von der Mitte der Unterlippe bis zum Kinn parallellaufende £ Zoll breite dunkelbraune, hart zu schneidende Streifen auf, welche offenbar von der herabgeflossenen Schwefelsäure herrührten. Bei der Section fand sich der Magen durchweg ganz schwarz aussehend. Nachdem derselbe mit dem duodenum unterbunden und exenterirt war, fanden wir im Ma- gen ein Quart schwarzbrauner, auf Lacmuspapier sauer reagirender Flüs- sigkeit, und nun zeigte sich auch die Schleimhautfläche des Magens überall kohlschwarz und die Schleimhaut aufgelockert. Auch die Netze erschienen von schwarzer Farbe — obgleich der Magen nicht perforirt war. Leber, Pancreas, Milz, Darmkanal, Nieren, Harnblase, und der ungeschwängerte Uterus ergaben nichts von der Norm Abweichendes. Aus der Bauchhöhle wurden neun Unzen eines dunkeln dünnflüssigen Blutes geschöpft. Die Hohlvene enthielt nur weniges dunkles, dünn- flüssiges, sauer reagirendes Blut. Am Zwerchfell fiel eine schwarze Färbung seiner ganzen linken Hälfte auf, wie ich sie in keinem ähnlichen Falle wieder gesehn habe. Der Blutgehalt der gesunden Lungen war der ganz normale. Das schlaffe Herz war fast blutleer. Die Luftröhre war leer, und so war folglich kein einziges Zeichen von Erstickung vorhan- den, und dennoch war die Zunge (Fall 166) zwischen den Zähnen eingeklemmt und hervorragend. Sehr unerwartet war der Befund an Zunge und Gaumen. Sie zeigten nämlich gar keine ungewöhnliche Färbung noch Textur- Veränderung. Dagegen fand sich die Speiseröhre auf ihrer ganzen Schleimhaut grauschwarz gefärbt, und wie gegerbt anzufühlen. Das Blut in den Gelassen der Brusthöhle verhielt sich wie das schon oben geschilderte. Die blutführenden Hirnhäute und das Gehirn selbst erschienen in ganz ungewöhnlichem Maasse mit dunklem, ganz flüssigem Blute überfüllt. Ebenso strotzend zeigten sich das kleine Gehirn und sämmtliche sinilS. 170. Fall. Vergiftung durch Schwefelsäure, nicht Strangulation. Der Fall war eigenthümlich (aber nicht schwer zu entscheiden), da, aus mir unbekannten Gründen, der Verdacht vorlag, dass das Individuum desselben, eine 70jährige Frau, erdrosselt worden sein sollte. Um den Hals der Leiche lag ein weiches Tuch, in welchem Löcher eingefressen waren, die sich sogleich nach Geschmack und Ansehn, wie Anätzungen durch Mineralsäure verhielten. Der Unterleib war bereits grün von Ver- wesung. Die Mund- und Zungenschleimhaut war nicht entfärbt, aber sehr leicht ablösbar; vom rechten Mundwinkel verlief bis zum Schlüssel- bein hinunter ein braunrother, lederartiger Streifen von Zoll Breite, das characteristische Zeichen dafür, dass hier eine Aetzflüssigkeit herab- geflossen sein musste. Am Halse zeigte sich weder Anschwellung der Venen, noch irgend eine Spur einer Strangulationsmarke. Im Gehirn und Schädel keine Hyperämie; die Lungen normal; das Herz vollkom- men blutleer; Kehlkopf und Luftröhre ganz frei von Schaum, Schleim u. dgl. und die Schleimhaut nur die gewöhnliche (bräunlich - rothe) Ver- wesungsfarbe zeigend; die Schleimhaut der Speiseröhre grau gefärbt; die Leber stahlgrau und blutarm; die Gallenblase strotzend von Steinen; die Aussenfläche des Magens durchweg schwarzgrau, derselbe ohne Inhalt, seine Schleimhaut überall grau gefärbt und der ganze Magen äusserst mürbe. Auf Lacmuspapier reagirte derselbe sauer. Nieren, Milz, Darm- venen blutarm; die Hohlader fast leer; das Blut reagirt sehr schwach säuerlich. (Die Blutarmuth der Leiche war offenbar schon Verwesungs- product.) Die chemische Untersuchung bestätigte, dass die Löcher im Halstuche von Schwefelsäure herrührten, und wies im Magen und in der Speiseröhre freie Schwefelsäure nach, I 428 Vergiftung. §. 38. Casuistik. 171. u. 172. Fall. 171. Fall. Geläug neter Selbstmord durch. Schwefelsäure. Der starke und gesunde, sechszehnjährige Lehrbursche hatte in sei- ner Krankheit ausgesagt (man weiss nicht warum?), dass ihm Jemand, unter dem Anerbieten eines Schnapses, Schwefelsäure zu trinken gegeben habe. Der Umstand, dass an den Lippen sich gar keine Verbrennungs- spuren zeigten, und dass die Zerstörungen in der Leiche bewiesen, dass eine nicht unbedeutende Menge des Giftes verschluckt worden sein musste, bewiesen unzweideutig, dass jene Aussage unwahr, und freiwilliger Selbst- mord Ursache des Erkrankens und Todes gewesen war. Die Zunge war weiss, und das Epithelium leicht abzuschaben. Pharynx und Speise- röhre waren grau, aber noch von festem Gewebe. Der Magen war äus- serlich rothbraun, an der untern Curvatur schwarz, gallertartig, und hier zeigte sich ein Silbersechser grosses Loch, aus welchem ein Pfund schlei- migt-blutiger Flüssigkeit in die Bauchhöhle geflossen war. Innerlich ent- hielt der ganz schwarz aussehende Magen noch vier Unzen schwarzen, musartigen Blutes. Das Mesocolon am Colon iransversum war gleich- falls schwarz; die Gedärme röthlich, die Harnblase leer, Leber, Lungen und Herz auffallend blutleer, dagegen hier wieder deutliche Congestion in den Hirn- und Schädelvenen. Das Blut, im ganzen Körper sauer rea- girend, war dunkel und syrupsartig. m. lall. Freiwillig erduldeter Mord durch Schwefelsäure. Der Fall war psychologisch nicht minder interessant, wie als Sec- tionsfall, und wohl nur grosse Städte liefern Beobachtungen, wie diese. Ein zwanzigjähriges Mädchen war von ihrem Liebhaber mit Schwefelsäure vergiftet worden. Ersterer, ein verheiratheter Mann, hatte mit seiner Frau und dieser seiner Geliebten in der letzten Nacht in Einem Bette geschlafen (!), und Beide hatten am Morgen verabredetermaassen das Aufstehn der Frau benutzt, um gemeinschaftlich Schwefelsäure zu trin- ken. Das Mädchen sollte, ihrer Aussage nach, zwei Esslöffel, der Mann weniger getrunken haben. Er hatte das Aetzgift auch sogleich ausge- spieen und wurde hergestellt; das Mädchen aber starb nach fünftägiger Behandlung in einer Clinik, in welcher sie Magnesia usta und Blutegel an Hals und Oberbauchgegend bekommen, und aus welcher Zeit wir er- fuhren, dass sie wiederholt Blut gebrochen hatte. Die Zunge war voll- kommen normal, offenbar nämlich in den Tagen der Krankheit es wieder geworden. Der Schlund und Oesophagus waren auch hier wieder grau, aber fest, der leere Magen schwarz, an der grossen Curvatur zerreisslich. Die allgemeine Anämie im ganzen Körper erklärte sich hier durch das stattge- habte Blutbrechen und die mangelhafte Ernährung in den letzten Le- benstagen. Das Blut war dunkelkirschroth und dickflüssig syrupsartig, und reagirte auch hier in allen, übrigens gesunden Organen sauer. Auch in diesem Falle war es sehr auffallend, wie energisch die Schwefelsäure den Verwesungsprocess aufgehalten hatte, denn die bei milder Witterung 2—4° R. über 0 erst acht Tage nach dem Tode des Mädchens secirte Leiche war noch ganz frisch. Sie war übrigens — nicht entjungfert. Also: platonische Liebe bis zum Doppelselbstmorde! — Die" chemische Analyse der Contenta musste in diesem Falle interessant sein. Es wur- den derselben der Magen, die Speiseröhre, und Stücke der Leber, Milz und Nieren unterworfen. An und für sich rötheten diese Organe zur Zeit der Analyse, die erst wieder sechs Tage später geschehn konnte, das blaue Lacmuspapier nicht mehr, im Gegentheil war jetzt eine geringe Bläuung des rothen Lacmuspapiers zu bemerken, weil schon überschüssi- ges Ammoniak in den faulenden Organen vorhanden war. Da es noto- risch war, dass denala bedeutende Dosen von Magnesia usla und viel- leicht auch von andern, freie Säuren neutralisirenden, alcalischen Erden erhalten hatte, so versuchten wir, eine etwanige auffallend bedeutende Menge von schwefelsauren Neutralsalzen in den Eingeweiden nachzuwei- sen. Zu diesem Zwecke wurden die zerschnittenen Eingeweide wieder- holt mit destillirtem Wasser ausgezogen und der Auszug durch Abdam- pfen im Wasserbade concentrirt. Es wurde Salpetersäure hinzugesetzt, filtrirt, und nun durch eine Auflösung von salpetersaurer Baryterde ge- prüft. Es entstand ein geringer weisslicher Niederschlag; derselbe wurde auf einem Filtrum ausgewaschen, getrocknet, geglüht und gewogen; sein Gewicht betrug nur £ Gran. Die diesem Niederschlag entsprechende Menge von Schwefelsäure war daher so geringe, dass sie durchaus kei- nen Beweis einer Statt gefundenen Schwefelsäure-Vergiftung liefern konnte, die doch notorisch und durch den Sectionsbefund bewiesen, vorlag! Die Analyse zeigte nur die zufällige Anwesenheit akalischer schwefelsaurer Salze in den Contenlis der Leiche. 173. und 174. Fall. Selbstvergiftung zweier Schwangern durch Schwefelsäure. Mit Uebergehung einer grossen Reihe von Fällen von Schwefelsäure- Vergiftungen, die sich den voranstellenden ganz ähnlich verhielten, will ich nur nocli der folgenden beiden erwähnen, beide Schwangere betref- fend, die sich mit der Aetzsäure selbst vergiftet hatten. Heide Fälle boten wieder die schon oben bewiesene, .uso gar nicht mehr zu bestrei- tende saure lleaction der ganzen Blutmasse dar, der zweite die bemer- konswerthe Entdeckung, dass auch das Fruchtwasser sauer reagirend wird, woran wir im zuerst vorgekommenen Fall gar nicht dachten, und deshalb die Prüfung leider! unterliessen. a) Eine 40jährige Person, über deren Krankheit und Todeszeit wir Nichts in Erfahrung gebracht haben. Aus beiden Brüsten lässt sich Milch ausdrücken. Die Lippenschleimhaut ist zum Theil abgelöst, die Ober- lippe schmutzig gelbbraun und hart zu schneiden; die Zunge weisslich und unversehrt. Die blaurothen Lungen sind gesund und blutarm; das ganze Herz fast blutleer. Das Blut ist auch hier wieder kirschroth ge- färbt, aber flüssiger als gewöhnlich in solchen Fällen: es reagirt im gan- zen Körper sauer. Die grossen Venenstämme der Brust sind stark an- gefüllt; die Luftröhre ist leer, die Speiseröhre unversehrt, aber von grauer Färbung. Der Mageu ist grauschwarz, strotzend mit einer schwarz- braunen Flüssigkeit angefüllt; an seiner vordem Fläche linden sich viele, erbsengrosse, schwarzgeränderte Löcher; die Schleimhaut des Magens ist kohlschwarz und leicht ablösbar, im Uebrigen das Gewebe des Organs noch ziemlich fest. Das Duodenum verhält sich ganz wie der Magen, wogegen die Dünn- und Dickdärme nichts Auffallendes zeigen. Die Le- ber ist blass und blutleer, die Gallenblase strotzt von dunkler Galle. Die übrigen Bauchorgane sind nur etwas anämisch, auch in der V. cava findet sich nur wenig Blut. Die Gebärmutter, nach der Entwicklung der Frucht zu schliessen, im sechsten Monat schwanger, ist sechs Zoll lang und fünf Zoll breit; ihre Wände sind einen halben Zoll dick. Die Frucht hat elf Zoll in der Länge, ist männlich und wohlgebildet, die Pu- pillarmembran ist noch vorhanden und das Scrotum noch leer. Die um den Hals geschlungene Nabelschnur ist 19 Zoll lang. b) Das zwanzigjährige Mädchen war vor sieben Tagen im Juni ge- storben; wie lange sie nach der Vergiftung noch gelebt, haben wir nicht erfahren; die Section aber ergab, dass der Tod sehr schnell erfolgt sein musste, denn die Vergiftung war sehr intensiv. Auch hier war die Ver- wesung noch so wenig vorgeschritten, dass nur erst die Bauchdecken eine grünliche Färbung zeigten. Aus beiden Brüsten lässt sich eine wässrige Milch ausdrücken. Die hart zu schneidenden Lippen sind, wie die Zähne, schwarz gefärbt, die grauschwarze Zunge ist wie gegerbt. An beiden Mundwinkeln war die Säure hinabgeflossen, wie die gewöhnlichen, schmutzig - gelbbraunen , lederartigen Streifen bewiesen. Die normalen Lungen sind blutarm; im Herzbeutel finden sicli Ii- Esslöffel dunkel- bräunliche, sauer reagirende Flüssigkeit; das linke Herz ist massig ge- füllt mit auffallend festen und schwarzen, sauer reagirenden Blutcoagulis; im strotzend angefüllten rechten Herzen ist mit diesen Gerinnseln mehr flüssiges Blut gemischt. Kehlkopf und Luftröhre sind leer, die Speise- röhre noch fest, aber grau gefärbt. Der Magen ist in seiner Continuität ganz zerstört und in einen mehr grauen als schwarzen Brei verwandelt. Sein sehr sauer reagirender, die Hand ätzender Inhalt, theils Speisebrei, theils eine schmutzige Flüssigkeit ist in die Bauchhöhle ergossen. Die Leber ist blutarm, die Gallenblase leer. Auch Milz, Nieren und Netze sind anämisch. Die (von Einwirkung des ergossenen Mageninhalts) grau gefärbten Därme sind leer. Die grauschwarze Gebärmutter enthält eine Frucht im vierten Monat, deren Geschlecht durch die Lupe schon deut- lich als männlich erkannt werden konnte. Das Fruchtwasser reagirt auf Lacmuspapier entschieden sauer. Die Blase ist leer. Die V. caoa enthält sehr wenig geronnenes Blut. Die Hirnhautgefässe waren mit halbgeronnenem Blute stark gefüllt; die Sinus aber zeigten sich fast blutleer, obgleich wir absichtlich die Leiche 24 Stunden lang vor der Obduction, die keine gerichtliche war, mit tief nach unten hängendem Kopfe hatten lagern lassen. 175. Fall. Vergiftung durch L o r b e e r ki r sch wa s s e r. Ich bedaure, dass mir die genauem und ausführlichen Data über den Fall nicht mehr vorliegen, und dass mir nur wenige Notizen über den Sectionsbefund zur Hand sind, während ohne Ausnahme alle andern hier geschilderten Fälle den amtlichen Obductionsprotocollen entnommen wor- den und werden. Ein Mann von 60 Jahren hatte aus Lebensüberdruss, und zwar wie man aus einem vor seinem Sopha stehenden Fläschchen schliessen musste, etwa zwei Unzen unserer officinellen Aq. Laura - Ce- rasi am Vormittage genommen. Gleich darauf fiel er, wie von Schwin- del befallen, um, und wurde sofort gepflegt und beobachtet. Er brach einen Apfel aus, den er kurz vorher genossen hatte, wurde aufs Sopha gelagert, und eine Stunde später sah ich den Vergifteten. Er lag sehr ruhig in einer halbsitzenden Stellung mit ganz nach unten hängendem Kopfe, so dass man sich bücken musste, um ihm in das Gesicht zu sehn. Es war bleich, und, wie der ganze Körper, kühl; die Pupillen sehr er- weitert. Der Puls war langsam, weich, ganz unregelmässig. Das Auf- fallendste war eine durchaus allgemeine motorische Paralyse, so dass auch kein einziger willkürlicher Muskel bewegt werden konnte. Das Bewusstsein schien nicht geschwunden zu sein, was aber mit Sicherheit nicht zu ermitteln war, da Tat. weder pprechen, noch die Zunge hervor- strecken, die Hand geben, noch irgend ein Minenspiel machen konnte. Von Zeit zu Zeit traten an diesem leblos da liegenden Körper entsetz- lich anzusehende Facialconvulsionen, Verzerrungen auf, die das Gesicht auf das Unkenntlichste entstellten. Jedes Schlingen war unmöglich, und nur Hautreize anwendbar. Nachmittags, etwa fünf Stunden nach der Vergiftung, starb der Unglückliche. Bei der nach 24 Stunden angestell- ten Section fiel der rasche Fortschritt der Verwesung (im Mai) auf, 60 wie auch uns und allen Umstehenden in der ganzen Leiche ein merk- licher Geruch nach bittern Mandeln unzweifelhaft war. Das Blut der Leiche war dunkel und auffallend flüssig und eine Hyperämie des Ge- hirns und rechten Herzens der auffallendste Sectionsbefund. m. Fall. Vergiftung durch Blausäure. Ein Pharmaceut hatte sich durch Bläusäure, gemischt mit Salpeter- äther, vergiftet. Ob starke Plattfüsse und ein tumor albus am rechten Knie, die bei der Section gesehn wurden, oder welche Gründe sonst den Selbstmord veranlasst haben mochten, blieb unbekannt. Die Pupillen fielen durch ihre Contraction auf. Die Verwesung war im December nach zwei Tagen schon bis zur Ablösung der Oberhaut, also höchst ungewöhn- lich rasch, vorgeschritten. An einzelnen Theilen war noch Leichenstarre bemerkbar. Der Magen zeigte von aussen die gewöhnliche schmutzig- röthliehe Verwesungsfarbe; er enthielt vier Unzen einer blutig - rothen, dünnen, entschieden alkalisch reagirenden Flüssigkeit; seine Schleimhaut- fläche war am fundllS kirschbraunroth (Verwesungssymptom!) und in den weniger gefärbten Stellen Hessen sich einzelne hellrothere Punkte wahr- nehmen. Die Magenmündungen waren ganz normal. Die Magenflüssig- keit und der Magen selbst ergaben unverkennbar einen ätherischen Ge- ruch mit Beimischung des Geruchs nach bittern Mandeln. Die normale Leber enthielt mässig viel flüssig dunklen Blutes; die Gallenblase war gefüllt. Dünndärme, Gekröse und Nieren waren sehr blutgefüllt, noch stärker die V. Cava, und mit demselben Blute. Die Harnblase enthielt! einen Esslöffel Urin, die Milz war ganz normal. Lungen und grosse Gefässe in der Brust waren nur mässig blutreich. Das Herz enthielt nur: in dem rechten Ventrikel einen Esslöffel jenes Blutes und war sonst: leer. Kehlkopf und Luftröhre normal. Auch die normal gefärbte: Speiseröhre zeigte auf ihrer Schleimhaut einige hellroth gesprenkelte Flecke und liess gleichfalls den geschilderten zweifachen Geruch deutlich wahrnehmen. Im ganzen Schädel fand sich in diesem Falle Anämie. 177. Fall. Vergiftung durch Blausäure. Man hatte in einem hiesigen grossen Gasthofe einen Fremden Mor- gens in seinem Bett todt gefunden, vor ihm ein Arzneiglas von 4 — 6 Unzen Grösse mit Blausäure, das nach Vorschrift der Preussischen Me- dicinalgesetze mit einem „Gift" und Todtenkopf signirt war. Wie viel davon genossen worden uud ob Denatas gleich todt geblieben war, ist nicht bekannt geworden, da man den ursprünglichen Inhalt der Flasche nicht kannte. Am dritten Tage nach dem Tode, im November bei 0 bis 4- 5° R., verrichteten wir die interessante Obduction des 4Sj ährigen Verstorbenen. Es war noch Leichenstarre bemerkbar und die Leiche ganz frisch (deshalb (s. S. 107) auch die Haarzwiebeln noch fest!); nur allein die Nabelgrube war grün gefärbt. Gleich nach Entfernung der (äusserst dünnen) Schädelknochen bemerkten alle meine anwesenden Zuhörer mit mir den deut- lichen Geruch nach bittern Mandeln. Die blutführenden Meningen und die Si- nus waren auffallend anämisch. Dagegen zeigten sich die Lungen mit dun- klem, fast schwarzrothem Blut sehr . überfüllt, das von Leichenödem schaumig war. In der sehr stark angefüllten rechten Herzhälfte war das Blut syrupsartig flüssig. Microscopisch zeigten die Blutkörperchen nichs Abnormes. Die linke Herzhälfte war leer, dagegen die Lungenarterie strotzend. Luft- und Speiseröhre waren leer und zeigten keine Ano- malie. Leber gesund und anämisch; Gallenblase gefüllt; Milz mürbe, leicht zerreisslich. Der leider! ganz leere Magen (so dass ein Versuch der chemischen Analyse etwaniger Contenta in diesem Falle nicht an- gestellt werden konnte), entwickelte einen starken Geruch nach bittern Mandeln. Seine Schleimhaut zeigte eine schmutzig-braune Verwesungs- färbung und Leichenhypostase, welche frühe Verwesung des Magens bei der Abwesenheit derselben in andern, sonst früher faulenden Organen bemerkenswert!] war. Auch hier, wie im vorigen Falle, waren beide Magenmündungen ganz normal. Noch auffallender als die frühe Verwe- sung des Magens war die der gewöhnlich noch später faulenden Nieren, welche homogen dunkelbraun - schmutzig gefärbt waren. Netz, Gekröse und Bauchdecken waren in seltnem Grade fett. Der Darmcanal noch massig gefüllt, ergab durchaus nichts Abweichendes. Die Harnblase war leer, die V ccwa ganz strotzend mit dem geschilderten Blute gefüllt. Casper, gerichtl. Jlcdicin. 90 Dasselbe wurde einer chemischen Analyse unterworfen, es gelang jedoch diesmal nicht, Blausäure darin nachzuweisen. Der Tod durch dieses Gift konnte aber ganz allein wegen des speeifisch und ganz unzweifelhaften Geruches in der Leiche mit Bestimmtheit angenommen werden, weil der- selbe, wie in allen ähnlichen Fällen, die Ingestion einer solchen Menge der giftigen Substanz voraussetzte, wie sie etwa . als Arzneimittel nicht gegeben werden kann, und als nothwendig tödtend vorausgesetzt wer- den nmss. 178. Fall. Vergiftung durch Blausäure und ätherische Oele. Eine wohl- riechende Leiche! Die durchaus wahrheitsgemässe Ueberschrift zeigt, dass wir hier einen der seltensten Fälle zu schildern haben, den merkwürdigsten unter Allen, die mich jemals am Sectionstisch beschäftigt haben. Wenn schon Blausäure-Vergiftungen zu den seitnern gehören, so ist Vergiftung durch ätherische Oele vollends fast unerhört, zumal in Maass und Mischung wie in diesem, in dieser Hinsicht ganz einzig dastehendem Falle. Aber auch das erhöht das Interesse desselben, dass er unserm geschickten Chemiker, Herrn Apotheker Schacht, Veranlassung ward, Blausäure im Blute nachzuweisen. Nach alle diesem wird eine ausführliche Mit- theilung gerechtfertigt sein. Die 43 Jahre alte verehelichte S., deren Mann ein Essig- und Branntwein-Geschäft hatte, war seit vielen Jahren dem Trunk in hohem Grade ergeben, und es hatte sich bei ihr die Form der wirklichen „Trunksucht" entwickelt. Denn sie war, nach Aussage der Zeugen. „Wochen- ja Monate lang ganz vernünftig", und fing dann wieder an zu trinken, so dass sie dann Tagelang unausgesetzt betrunken war. Eine solche Periode trat um den 6. Juli 18— wieder ein, an welchem Tage sie schon betrunken gesehn worden war. Sie blieb dies auch an allen folgenden Tagen. Am 11. verliess ihr Mann früh die Wohnung, und empfahl einer Hausgenossin, die Aufsicht über seine betrunkne Ehefrau zu führen. In einem Pulte und auf dem Tische stehend, befanden sich fünfzehn Flaschen, welche verschiedene ätherische Oele enthielten und zwar solche, wie sie S. zu seinem Destillationsgeschäfte gebrauchte, na- mentlich Nelkenöl, Kümmelöl, Pfeffermünzöl, Citronöl u. A. Auch eine Flasche mit Bittermandelöl befand sich darunter, die vorschriftsmässig als ..Gift" etikettirt war. Die genannte Hausgenossin, welche an jenem Tage bereits mehrere Male zu der S. hinüber gegangen war, sie immer noch stark betrunken gefanden, und ihr Verlangen, ihr Schnaps zu holen, abgelehnt, wohl aber ihr eine saure Gurke „zum Durstlöschen" darge- reicht hatte, kam um drei Uhr Nachmittags wieder in die Wohnung hin- über, und fand die S. jetzt — todt in der Küche liegen, eine halbe Gurke in der einen, und eine Wasserschopf kelle in der andern Hand. Am 13., also zwei Tage nach dem Tode (im Juli) verrichteten wir die gerichtliche Obduction. Der Unterleib war leicht grünlich gefärbt. Die Zunge lag über die Zahnreihen mit der Spitze hervorragend; die Haare gehn leicht aus. Keine Leichenstarre. Ganz auffallend war uns, wie den Geriehtsdeputirten und unsrer umstehenden, zahlreichen Zuhörerschaft der Wohlgeruch, den die ganze Leiche verbreitete, und der sogleich während man im Augenblicke der Obduction nur erst wusste, dass de- Tiata mehrere kleine Flaschen, die ihrem Manne gehört, ausgetrunken, darauf schliessen liess, dass sie wohlriechende Flüssigkeiten in grossem Maassc oder in concentrirter Form getrunken haben musste. Nach Ent- fernung der Schädelknochen drang sogleich ein, allen Anwesenden deut- lich wahrnehmbarer Geruch nach bittern Mandeln hervor. Die blutfüh- renden Hirnhäute zeigten einen mässigen Blutinhalt. Nach Beseitigung der dura maier hatte sich ein Geruch von bittern Mandeln, Nelken und ähnlichen Gewürzen leicht wahrnehmen lassen. In den einzelnen Theilen des Gehirns fand sich nichts Abnormes; die Sinus enthielten nur sehr wenig Blut. Auch die geöffnete Brusthöhle entwickelte einen deutlichen Geruch nach Mandeln und Gewürzen, namentlich war unter den ver- schiedenen wahrnehmbaren Aromen das der Nelken überall im Körper vorherrschend. Beide Lungen adhaerirten mit alten Verwachsungen; sie waren ödematÖs und mit einem kirschrothen, dickflüssigen Blute sehr stark angefüllt. Im Herzbeutel nur die gewöhnliche Menge Wasser; das schlaffe Herz strotzte in der rechten Hälfte von kirschrothem, dünnflüssi- gem Blut; das linke war fast leer; dasselbe Blut staute auch die grossen Venenstämme an. Die Schleimhaut der Luftröre zeigte eine leichte braunröthliche (Verwesungs-) Farbe. In der normalen und leeren Speise- röhre war der Geruch nach Mandeln auf die auffallendste Weise bemerk- bar. Der Magen zeigte sich äusserlich nicht von der Norm abweichend. Bei seiner Eröffnung drang ein, Alle fast betäubender, ungemein starker Geruch nach bittern Mandeln hervor. Er enthielt sechs Loth einer röthlichen Flüssigkeit. Seine ganze Schleimhaut war mit purpur- roten, inselartigen Flecken durchsprenkelt; Einschnitte darin ergaben keine Sugillationen. Die fette (Säufer-) Leber war blutarm, die Gallen- blase strotzend. Sehr hyperämisch war die V. cava; die Harnblase 28* war strotzend voll, alle übrigen Bauchorgane boten nichts Bemerkens- wertes. Betreffond die chemische Untersuchung der Magen-Contenta und des Blutes, so wird es, ihrer interessanten und wichtigen Ergebnisse halber, da sie Blausäure im Leichnam und namentlich auch im Blute, so unzwei- felhaft nachgewiesen hat, gewiss nicht überflüssig sein, den amtlich von Schacht und mir erstatteten Bericht, der ohnedies einen Auszug nicht gestattet, wörtlich folgen zu lassen: „In der oben genannten Sache wurden uns am 13. Am/., folgende Ge- fässe übergeben: I. Ein Medicinglas, etwa 8 Loth haltend, mit einem Etikett als „Bittermandelöl" nebst den Giftzeichen bezeichnet. Es enthielt etwa ein Loth einer klaren gelblichen Flüssigkeit und war durch ein Po- lizei-Commissariatssiegel verschlossen. II. Ein Topf durch eine Papiertectur verschlossen und mit dem Siegel u. s. w. versehn, mit der Aufschrift: Speiseröhre, Magen und Contenta aus dem Magen der verehelichten S. III. Ein Topf durch eine Papiertectur verschlossen und mit dem Siegel u. s. w. versehn, mit der Aufschrift: der in der S.'sehen Wohnung in der Wohnstube unter dem Sopha gefundene Topf mit einer sauern Gurke. IV. Ein Medicinglas, etwa 12 Loth haltend, mit einem Etikett versehn, worauf die Worte: Blut aus der Leiche der S. Es enthielt etwa 2 Loth hellrothen dicken Blutes und war durch das Siegel u. s. w. verschlossen. V. Ein Medicinglas, etwa 16 Loth haltend, mit dem Siegel u. s. w. Es enthielt etwa 1£- Loth einer schwach gelblichen, fast klaren Flüssigkeit. Beim Eröffnen dieser Gefässe fanden wir sämmtliche Siegel unver- letzt. Die uns gewordene Aufgabe lautet dahin: 1) festzustellen, ob der Inhalt der Flasche ad I. blausäurehaltiges Bittermandelöl sei? 2) ob in dem Inhalt des Topfes ad IL Bittermandelöl, event. Blau- säure aufzufinden sei? 3) ob die in dem Topfe ad III. enthaltene saure Gurke nebst Lake schädliche mineralische Substanzen enthalte? 4) ob in dem in der Flasche ad IV. befindlichen Blut Blausäure nach- zuweisen sei? 5) über den Inhalt der Flasche ad V. wo möglich Auskunft zu geben. Dieser verschiedenen Aufträge haben wir uns durch folgende Ver- suche zu entledigen gesucht: ad I. Durch den Geruch, das Ansehn, den Geschmack und das specitlsche Gewicht, der in dieser Flasche enthaltenen Flüssigkeit konn- ten wir erkennen, dass sie ätherisches Bittermandelöl sei. Wir schüttel- ten etwas davon mit einer verdünnten Kalilauge, Hessen absetzen und fügten der abgegossenen Flüssigkeit eine schwefelsaure Eisenoxydul- Oxydlosung und dann Salzsäure hinzu: es entstand ein starker, schön blauer Niederschlag als Beweis für die Anwesenheit von Blausäure (event. des Cljans) in dem fraglichen Oele. ad II. Der Inhalt des Topfes bestand aus den genannten Einge- weidetheilen und einer trüben röthlichen Flüssigkeit, welche beide einen starken Geruch nach Bittermandelöl verbreiteten. Wir trennten das Flüssige von dem Festen, brachten ersteres in eine tubulirte Retorte, zerschnitten den Magen nebst Speiseröhre in kleine Stücke, rührten diese mit destillirtcm Wasser an, pressten das Flüssige ab und verfuhren 3mal auf dieselbe Weise, nur dass wir das 2te Mal ein wenig Weingeist, das 3te Mal mehr von demselben zusetzten. Hierdurch wurde den Einge- weiden der starke Bittermandelgeruch zum grössten Theil entzogen. Die abgepressten Flüssigkeiten wurden zu dem Contentum des Magens in die Retorte gegossen, etwas officinelle Phosphorsäure zugesetzt und das Gemisch der Destillation unterworfen. Diese geschah aus einem Chlorcalciumbade unter Anwendung eines Lieb ig'sehen Kühlapparates bis 7 Loth einer farblosen, klaren, nach Bittermandelöl riechenden Flüs- sigkeit übergegangen waren. Diese zeigte folgende Reactionen : a) Mit Kalilauge, einer Auflösung von Eisenoxydul-Oxyd und Salzsäure behandelt, entstand eine dunkelgrüne Flüssigkeit, welche nach kurzer Zeit einen rein blauen Niederschlag absetzte; b) nach Hinzufiigung von 2 Tropfen schwefelhaltigem Schwefel-Ammo- nium und 1 Tropfen Aetzammoniak zu etwa 2 Drachmen des Destil- lats, Erwärmen bis zur Färb- und Geruchlosigkeit und Zusatz von ein wenig Eisenchlorid, enstand eine starke, blutrothe Färbung durch erzeugtes Rhodaneisen; c) salpetersaures Silberoxyd und Salpetersäure verursachten einen weissen, sich nach starkem Schütteln allmählig absetzenden Nieder- schlag. Das Destillat enthielt daher Blausäure. ad III. Die saure Gurke nebst der Lake wurde nach den Regeln der analytischen Chemie auf schädliche Metalle und Erden geprüft, je- doch durchaus rein gefunden. Des negativen Resultates Avegen, glauben wir der Anführung des analytischen Weges uns enthalten zu können. ad IV. Das Blut wurde unter Zusatz von etwas Weingeist und Phosphorsäure in einem ähnlichen, jedoch kleinern Apparate wie ad IL der Destillation aus dem Chlorcalciumbade unterworfen, bis 2 Drachmen eiuer farblosen, klaren, ein wenig nach Bittermandelöl riechenden Flüs- sigkeit übergegangen waren. Diese wurde in 2 Theilen und wie in ad II. a) und b) geprüft. Beide Reactionen traten deutlich, wenngleich viel schwächer hervor. ad V. Die in diesem Glase enthaltene Flüssigkeit reagirte stark alkalisch, roch ziemlich kräftig nach Ammoniak, verdampfte auf Platin- blech unter Zurücklassung eines geringen schwärzlichen Anfluges, der durch stärkeres Erhitzen sogleich verschwand und keine Spur von Asche zurückliess. Sie gab weder mit Schwefelwasserstoff noch mit Schwefel- ammoniak Reactionen und ist für einen verdünnten Salmiakspiritus, der durch den Pfropfen oder andere organische Substanzen ein wenig gefärbt war, zu halten. Die Resultate unserer Untersuchung sind: ad I. Der Inhalt dieser Flasche ist blausäurehaltiges Bitter- mandelöl. ad H. Die Contenta des Magens der denala enthielten Blau- säure und zwar diese in Bittermandelöl enthalten, da Blausäure allein einen so starken Geruch nicht besitzt. ad III. Die saure Gurke nebst Lake enthielt keine schädlichen organischen Substanzen. ad IV. In dem Blut der denala war Blausäure deutlich nach- zuweisen. ad V. Der Inhalt dieser Flasche ist mit grosser Wahrscheinlich- keit schmutziger, verdünnter Salmiakgeist gewesen.« Das Gutachten unterlag in diesem merkwürdigen Falle keinen Schwierigkeiten. Ks wurde darin hervorgehoben, dass die Entzündungs- producte im Magen auf ingerirte scharfe, brennende, reitzende Stoffe deu- teten, und dass der unerhörte Befund eines Wohlgeruches nach verschie- denen Gewürzen, den die ganze Leiche auf das Unzweideutigste erwie- sen, darauf schliessen lasse, dass jene Stoffe wohlriechende, ätherische Oele gewesen. Diese gehörten unzweifelhaft zu den „Substanzen, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind« (§. 197. Strafgesetzbuch) also zu den Giften, und zwar erfahrungsgemäss zu den stärksten Gifte Es sei demnach anzunehmen, dass denala durch diese Gifte xhren lo gefunden haben würde. Allein ein andres, noch heftigeres Gift, die na gewiesene Blausäure, habe die bereits Vergiftete wirklich getodtet, un zwar ohne Zweifel sehr schnell, wie der Befund der Leiche m der Kuch mit der Trinkkelle in der Hand erweise. Hiernach sei anzunehmen, dass die S. theils durch ätherische Oele, theils durch Blausäure vergiftet werden sei, und dass die letztere Vergiftung ihren Tod zur Folge ge- habt habe. 179. Fall. Vergiftung durch Phosphor. Die Anschuldigung lautete auf Giftmord. Eine sechszehnjährige Schauspielerin hatte beschlossen, mit ihrem Geliebten, von dem sie sich schwanger glaubte, aber uicht war, gemeinschaftlich zu sterben, und Beide hatten von der officinellen Phosphorlatwerge, die ihr Geliebter H. sich verschafft und ihr eingegeben hatte, genossen. Sie starb sehr bald, H. erkrankte fast gar nicht, vermuthlich weil er nur wenig oder nichts ver- schluckt hatte, und wurde unter Anklage gestellt. Ueber die Krankheit der denata wurde nur ermittelt, dass sie am 4. Dec. früh erkrankt war und sich mehreremale erbrochen hatte, und dass es einer Zeugin, die, um ihr warme Milch zu bringen, zu ihr eingetreten war, im Zimmer „wie nach dem Feuerzeuge roch«; in ihrer Gegenwart brach die Kranke einen Theil der genossenen Milch sofort wieder aus, und Nachmittags vier Uhr fand erstere dieselbe bereits todt. Am dritten Morgen nach dem Tode verrichteten wir die gerichtliche Obduction. Am Unterleibe schon beginnende Verwesung. Leber, Milz, Pancreas vollkommen nor- mal; die Netz- und Gekrösvenen ziemlich gefüllt; die Farbe der Dünn- därme von sichtlicher Injection ihrer Gefässe eine hellröthliche; die Nie- ren, die leere Harnblase und die ungeschwängerte Gebärmutter vollkom- men normal; die V. cava mit einem dunklen, dickflüssigem Blute nicht aussergewöhnlich angefüllt. Der Magen ist äusserlich bleich und bietet gar nichts Bemerkenswertes; er ist ganz leer; seine Schleimhaut, auf welcher sich nur einige wenige, gelbliche kleine Körnchen befinden, ist nirgends geschwürig oder zerstört, oder abgelöst, oder aufgelockert,' am wenigsten durchlöchert, und zeigt durchweg eine gelbröthliche Färbung. Die Lungen sind vollkommen gesund und normalmässig blutgefüllt; die grossen Aderstämme enthalten nur wenig des beschriebenen Blutes; von der Thymusdrüse ist noch ein Zoll grosser Rest vorhanden;*) das'Herz *) In folgenden Fällen habe ich die Thymusdrüse, oder grössere Ueberbleibsel derselben, noch in spätem Lebensaltern beobachtet: ]) bei einem fünfjährigen, angeblich durch Wasserschierling vergifteten Knaben die Thymusdrüse noch „sehr gross"; 2) bei einem sechsjährigen, durch ist in seinen Kranzadern und sämmtlichen Höhlen fast vollkommen blut- leer; die Schleimhaut der Luft- und Speiseiöhre ist durchaus normal. Die blutführenden Gehirnhäute, die Hirnsubstanz und die Sinus zeigen Hyperämie. — Man dürfte einen so negativen Sectionsbefund nach einer so rasch tödtlichen Phosphorvergiftung wohl nicht erwartet haben. Die chemische Analyse hat aber die Gegenwart des Giftes in der Leiche un- zweifelhaft dargethan. Der Magen, in eine Porzellanschaale geschüttet und erhitzt, zeigte beim Umrühren an einem dunklen Orte glitzernde Funken, wodurch allein schon die Gegenwart von Phosphor in Substanz im Magen nachgewiesen war. Wir versuchten aber noch, den Phosphor auf mechanischem Wege abzuscheiden, was auf folgende Weise gelang- Magen und Speisebrei wurden zerschnitten, die einzelnen Stücke sorgfäl- tig in destillirtem Wasser abgewaschen und das Waschwasser gesammelt. Es hatte sich ein geringer Bodensatz von Fett und Fleischklümpchen und von einem gelblich weissen Pulver abgesondert, welches letztere beim Reiben auf einem harten Gegenstande Phosphorgeruch und Phosphor- dämpfe entwickelte. Durch Schlämmen schieden wir die leichtern Fett- theile und Fleischstücke von dem nun übrigbleibenden Bodensatz, sam- melten endlich letztere nebst etwas Flüssigkeit in einem Glascylinder, er- hitzten diesen in kochendem Wasser, Hessen erkalten und gössen dann den ganzen Inhalt in eine kleine flache Schaale aus. Das Fett hatte sich zu talgartigen Scheibchen auf der Oberfläche der Flüssigkeit gesam- melt, während sich am Boden der Schaale eine kleine, durchsichtige, gelbliche Kugel vorfand. Wir erkannten dieselbe an ihren physicalischen Eigenschaften als Phosphor. Obgleich hierdurch die Anwesenheit des Phosphors in Substanz in den untersuchten Eingeweiden ausser allem Zweifel gesetzt war, setzten wir dennoch die Untersuchung noch folgen- dermaassen fort. Die zerschnittenen Eingeweide nebst dem Spülwasser wurden in eine tubulirte Retorte gebracht und aus dem Sandbade etwa drei Loth Flüssigkeit abdestillirt. Während der Destillation entwickelten Kopfverletzungen s;etödteten Knaben, zwei Zoll lang; 3) bei einem sieben- jährigen verbrannten Knaben, wallnussgross; 4) bei einem verschütteten neunjährigen Knaben gleichfalls noch „sehr gross"; 5) bei einem, von sei- nem geisteskranken Vater erschlagenen Knaben von vierzehn Jahren, 1^ Zoll lang; 6) bei einem fünfzehn Jahre alten Knaben, der beim Schei- benschiessen erschossen wurde, 1 Zoll lang; 7) bei der oben angeführten sechszehn Jahre alten Schauspielerin; 8) bei einem ertrunkenen Jüngling von sechszehn Jahren, 1| Zoll lang; 9) bei einem erhängten jungen Men- schen von achtzehn Jahren, zwei Zoll lang; 10) bei einem ertrunkenen Mädchen von zwanzig Jahren noch sehr wahrnehmbare Reste. sich aus der Flüssigkeit fortwährend -weisse Dämpfe; das farblose De- stillat roch leichenartig. In einer Auflösung von Silbernitrat erzeugte es sogleich keinen Niederschlag, nach dem Erwärmen bräunte sich die Flüs- sigkeit und setzte allmälig einen geringen braunen Niederschlag ab. Auf Quecksilberchloridlosung zeigte das Destillat keine Einwirkung. Den Rest desselben, etwa 6 Quentchen, vermischten wir mit Salpetersäure, erhitzten das Gemisch in einer Porzellanschaale und theilten es dann in 2 Theile. Den einen Theil dampften wir zur Trockne ab, glühten den Rückstand, lösten ihn in einigen Tropfen Wasser, brachten ihn auf ein Uhrglas und setzten je einen Tropfen Aetzammoniak und Silbernitratlö- sung zu: es entstand ein geringer weisser Niederschlag. Den andern Theil dampften wir ebenfalls zur Trockne ab, lösten ihn — ohne vorhe- riges Glühen — in Wasser auf und behandelten die Lösung auf gleiche Weise: es entstand ein gelber Niederschlag. Durch alle diese Versuche war die Gegenwart des Phosphors in Substanz in den untersuchten Ein- geweiden auf ganz unzweifelhafte Weise dargethan. Der grösste Theil des zur Untersuchung zurückgestellten Blutes war leider durch Zufall ausgeflossen. Das noch übrige Blut zeigte aber einen ähnlichen Geruch, wie das Blut der mit Phosphor gefütterten Thiere, und auch die Verän- derungen der organischen Bestandtheile des Blutes, namentlich des Blut- plasma und der Blutkörperchen, waren denen ähnlich, wie man sie im Blute mit Phosphor vergifteter Hunde und Kaninchen gefunden hat. Es war ohne alle Gerinnung und Gerinnsel, das Blutplasma also gelähmt, kirschroth, der Farbstoff ganz arteriell, gegen das Licht gehalten nicht trübe, wie normales Blut, sondern durchscheinend, wie überall, wo der Farbstoff sich aus den Blasen im Plasma aufgelöst hat, wodurch die Bla- sen durchsichtig werden. Es war ferner syrupsartig von der Menge des nun im Serum chemisch aufgelösten Farbstoffs. Das Microscop zeigte aufs Deutlichste ganz entfärbte crjstallhelle Blutkörperchen, aus denen die Kerne sämmtlich aufs Reinste und Schönste durchschimmerten, wie wenn man den Farbstoff künstlich ausgewaschen hätte. Der Phosphorbrei aus der betreffenden Apotheke enthielt in den verabreichten sechs Loth: zehn Gran Phosphor. Im zehnten Theil desselben, d. h. in zwei aufge- häuften Theelöffeln würde also Ein Gran Phosphor enthalten gewesen sein. Da aber denala ihren Tod beschlossen hatte, so war wohl anzu- nehmen, dass sie mehr als nur zwei Theelöffel von dem Brei genommen haben mochte, jedenfalls also eine Dose, die, auf Einmal genommen, voll- kommen genügte, um den raschen Tod der jungen und gesunden Person zu erklären. Wir konnten nach allen diesen Ermittelungen den That- bestand der tödtlichen Phosphorvergiftung als gewiss annehmen. ISO. Fall. Vergiftung durch Phosphor. Sowohl wegen des Verhaltens der, durch ein so fürchterliches Gift Vergifteten noch während der kurzen Zeit des Lebens, wie wegen der an der Leiche hervorgetretenen Erscheinungen einer der interessantesten Sectionsfälle! Eine zwanzig Jahre alte, gebildete Polin hatte am 10. Au- gust Abends sechs Uhr in der officinellen Phosphorlatwerge mindestens drei Gran Phosphor eingenommen. Sie fiel ihren Umgebungen in kei- ner Weise auf, und schrieb noch Abends im Auftrage eine Eingabe an den König!! Erst später schien es der Familie, als röche sie nach „Schwefel" aus dem Munde (offenbare Verwechslung der Schwefel- und der Phosphor-Zündhölzchen) und sie klagte, dass das Licht sie blende. Im Uebrigen klagte sie über Nichts, namentlich nicht über Schmerzen, verbrachte aber die Nacht schlaflos, fortwährend läugnend, dass sie -Et- was genommen" habe, erbrach sich aber in der Nacht E i n m al, und starb ganz ruhig am folgenden Morgen um sechs Uhr, genau nach zwölf Stun- den. Bei -f- 15° R. machten wir 48 Stunden nach dem Tode die Ob- duetion. Am Abend vorher war die Leiche nach dem Obductionshause geschafft worden, und wie gross war das Erstaunen, als man hier leuch- tende Dämpfe aus der Vagina strömen sah! Vor der Section am Mor- gen fiel uns und allen Umstehenden es eben so auf, sehr deutlich nach Phosphor riechende grau-weissliche Dämpfe fortwährend aus dem After strömen zu sehn! Auch aus dem Munde entwickelte sich sehr deutlicher Phosphorgeruch, aber ohne sichtbare Dämpfe. Leichenstarre war noch in geringem Grade vorhanden, der Bauch verwesungsgrün. Am Magen verliefen an der kleinen Curvatur die livide rothen Venenstränge als Fäulnisssymptom. Der Magen selbst entwickelte keinen Phosphorgeruch. Seine Schleimhaut war an keiner einzigen Stelle weder aufgelockert, noch corrodirt. Aber am fundus, so wie in der Gegend der Mitte der klei- nen Curvatur zeigten sich sehr zahlreiche, an einander gedrängte, einzeln stecknadelkopfgrosse hämorrhagische Ergüsse, im Ganzen an der obern Stelle Ii- Zoll, an der untern i Zoll im Umfange betragend. Den Ma- geninhalt bildeten 6-8 Unzen einer hellblutigen, gekäst-milchigen Flfie- sigkeit. Phosphorfrusteln waren auch mit der Lupe im Magen nicht zu linden. Die Därme waren bleich und zeigten weder äusserlich, noch in- nerlich etwas Abnormes; der Dickdarm enthielt Koth. (Notorisch hatte die Vergiftete nicht mehr Ausleerung gehabt, geschweige laxirt.) Das Blut war schmutzig-roth, von syrupsartiger Consistenz und verhielt sich unter dem Microscop genau wieder, wie oben beschrieben. Die Leber hvperämisch, die Gallenblase halb gefüllt. Milz sehr blutreich. Beide Nieren schon etwas braunroth von beginnender Verwesung und auffallend hvperämisch. Die auffallender Weise etwas livide gefärbte Harnblase enthielt einen Esslöffel voll molkigen Urins. Die mit jungfräulicher Queerspalte versehene Gebärmutter war menstruirend. Nur wenig Blut enthielt die V. Cava. Die Lungen waren sehr hell marmorirt, wenig blutreich, aber stark hypostatisch. Im Herzbeutel ein Esslöffel voll blu- tiges Wasser. Das ganze Herz war fast vollkommen blutleer, die gros- sen Gefässe aber enthielten viel Blut. Kehlkopf und Luftröhre waren leer, ihre Schleimhaut aber nicht verwesungs-schmutzig-braun, sondern hellpurpurröthlich gefärbt, und die Lupe zeigte feine lineare Gefässüber- füllungen. Speiseröhre leer und ganz normal. Die Meningen ziemlich gefüllt, auch das Gehirn blutreicher, als gewöhnlich; die Plexus livide; die einzelnen Gehirntheile normal und die Sinus fast leer. Bei jenen Erscheinungen der ausströmenden Phosphordämpfe und des Phosphorgeruchs lag also auch hier wieder ein Fall vor, der, auch ohne alle chemische Analyse, den gewissesten Ausspruch gestattete. Nicht möglich dagegen war eiu solcher in folgendem 181. VaII Vergiftung durch giftige Pilze. Eine ganze Familie war nach einem Hochziiitsmahle, bestehend aus einem Fischgericht mit Champignons, Gänse- und Kalbsbraten an Bre- chen und'Laxiren erkrankt, aber alle bis auf eine 70jährige Frau sämmt- lich hergestellt worden. Letztere starb, nach der Aussage des behan- . delnden Arztes, nach drei Tagen „unter den Erscheinungen der Gastro- enteritis-. Wir fanden als von der Todesursache unabhängige Sections- befunde eine alte Verwachsung beider Lungen mit der Rippenpleura und einen faustgrossen Hydrops ovarii dextri. Sonst fand sich als auffal- lend nur eine röthliche Farbe der Dünn- nicht der Dickdärme, zahlreiche Ecchymosen unter der Magenschleimhaut am fundus und in der hintern Wand, und eine dunkle Farbe des sehr flüssigen Blutes. Der Magen enthielt drei Loth röthlicher Flüssigkeit. Das rechte Herz war strotzend, das linke stark gefüllt. Alle übrigen Befunde waren durchaus normal. Die chemische Analyse ergab nur die Abwesenheit aller schädlichen me- tallischen und erdigen Substanzen und der auffindbaren vegetabilischen Gifte. Das etwa wirksam gewesene Pilzgift konnte natürlich nicht nach- gewiesen werden; zweifelhaft musste es indess immerhin bleiben, ob Pilze, oder die genossenen Fische oder Braten, oder irgend andere bei der Mahlzeit genossene Substanzen die giftigen Wirkungen hervorgerufen hatten. 182., 183. und 184. Fall. Drei Vergiftungen durch Arsenik und Brucin. Die folgenden interessanten Fälle waren grade recht schlagend sol- che, wie ich sie oben bezeichnet habe, in denen nämlich alle Umstände dafür sprachen, dass die drei Kinder (durch Rattengift) vergiftet worden, in denen aber die Unbekanntschaft mit den, und das Schwankende in den Symptomen des wenig gekannten Giftes, die wenig hervorgetretenen pathologisch-anatomischen Alterationen in den Leichen nnd die Abwesen- heit eines nachweisbaren Giftes in den Leichencontentis nach den bis jetzt geltenden Lehren nicht hätten berechtigen können, „mit Gewissheit" den Thatbestand einer Statt gehabten Vergiftung anzunehmen. Aus die- sen Gründen finde ich es sehr erklärlich, wenn ein, auf Antrag der Ver- teidigung noch eingeholtes anderweites Gutachten die Vergiftung nur als „wahrscheinlich" annahm, nachdem ich aus Gründen, die ich hier mitzutheilen habe, „Gewissheit" angenommen hatte. In den Tagen vom 4. bis 7. Mai 18— waren nach einander die drei Kinder des hiesigen Thierarztes E., Alma, 3 Jahre alt, Herrm;inn, 1 Jahr alt, und Margarethe, 8 Jahre alt, angeblich in Folge einer Vergiftung durch Wurst und Brodstücke, die der Kammerjäger W. im Hause auf den Flur zur Vergiftung der Ratten ausgelegt hatte, gestorben. W. räumte ein, dass sein Gift in einer Salbe bestehe, deren Bestandteile Butter, ge- hacktes Fleisch, Arsenik und Kienruss seien. Brucin und Krähenpul- per dagegen, deponirt er, seien in seinem Gifte nicht enthalten gewesen. Der Dr. L., zuerst zu dem erkrankten jüngsten Kinde gerufen, hielt die Krankheit, die aber schon eine Viertelstunde nach seinem ersten Besuche mit dem Tode endete, für eine „Gehirnentzündung". Die Gründe für diese seine Diagnose theilt dieser Arzt nicht mit, der nur noch hinzu- fügt, dass Erscheinungen einer Vergiftung von ihm durchaus nicht wahr- genommen worden seien. Am folgenden Tage fand derselbe die Marga- rethe E. erkrankt, und hielt auch diese Krankheit für eine „Gehirnent- zündung", was er endlich auch in Betreff des am nächsten Tage erkrank- ten Knaben Herrmann annimmt, bei denen er gleichfalls Erscheinungen, die auf eine Vergiftung hätten schliessen lassen, nicht wahrgenommen ha- ben will. Bei Margarethe beobachtete der Dr. L.: Betäubung, Krämpfe, Erbrechen und Fieber". Beide Kinder starben gleichfalls in kurzer Zeit. Die verordneten Mittel hatten in versüsstem Quecksilber und Blutegeln bestanden. — Auch der Dr. F. hat die Kinder Margarethe und Herrmann beobachtet, und gleichfalls bei Ersterer heftiges Er- brechen und Durchfälle, Fieber, Betäubung, und eingefallenen, etwas schmerzhaften Unterleib, so wie Erweiterung der Pu- pille, bei dem Knaben namentlich Erbrechen wahrgenommen. Dr. F. ist seinerseits der Ansicht, dass die Kinder möglicher- ja wahrschein- licherweise in Folge einer Vergiftung, namentlich durch sog. Wurstgift, gestorben seien. Der Vater der Kinder endlich deponirt, dass er bei seiner Tochter Alma schon am 2. Mai eine grosse Neigung zum Schlaf und Neigung, den Kopf hängen zu lassen, bemerkt habe. Schon in der Nacht ward sie sehr unruhig, verlangte wiederholt auf das Nachtge- schirr gebracht zu werden, und trank viel. Am folgenden Morgen hatte sie stiere Augen, war schwer besinnlich, war appetitlos, knirschte öfter mit den Zähnen, und starb am Abend. — Am Abend des 3. Mai bemerkte er, dass Margarethe sehr blass aussehe. Um 10 Uhr trat Erbrechen ein, worauf anscheinend ruhiger Schlaf erfolgte. Am Morgen des folgenden Tages fand sich jedoch, dass das Kind in der Nacht im Schlaf Durchfall gehabt hatte. Gegen 7 Uhr bekam es die „heftigsten Krämpfe", die Stunde währten, und worauf zum Arzt gesandt wurde. Nachmittags erfolgte noch mehrmaliges Erbrechen, und schien das Kind „ab und zu" sein Bewusstsein zu verlieren. In der Nacht vom 5. bis 6. starb das Kind. —■ Am 4. Mai wollte auch der Knabe Herrmann nicht wie gewöhnlich essen. Er schien Hitze zu ha- ben, die Augen wurden stier, es stellten sich Zuckungen und Erbre- chen ein, und schon am 5. Morgens verstarb das Kind. Am 7. Mai wurden von uns die drei Leichen obducirt. Alles irgend Wesentliche entnehmen wir den Obductionsprotocollen im Folgenden: L Alma. Die Zunge schwach weisslich belegt, nicht geschwürig; die Augen liegen sehr tief; die Leiche ist noch frisch. Der Magen ist äusserlich wie gewöhnlich bleich, sein Inhalt besteht in einer Unze eines grüngelblichen Schleims; der fundus zeigt eine bräunlich-rothe Färbung, während der übrige Theil der Schleimhaut grünlich gefärbt ist. Körner, Crjstalle u. dgl. finden sich weder im Magen, noch im duodenum, noch weniger eine Entzündung oder Verschwörung des Magens; der ganze Darmkanal ist bleich und leer. Das Bauchfell ist nicht geröthet, die Harnblase ist leer, Leber, Milz und Nieren anämisch, und auch die V. Cava enthält nur wenig ganz gewöhnliches Blut. Die Lungen sind bleich und blutarm; das Herz, dessen Kranzadern fast leer, enthält in der rech- ten Hälfte ziemlich viel schäumiges, dickflüssiges Blut, weniger in seiner linken. Luftröhre und Kehlkopf enthalten eine geringe Menge eines blu- tigen Schaums; die grossen Stämme enthalten wenig Blut, die Speiseröhre ist leer und ganz normal. Die pia mater und das Gehirn selbst sind sichtlich blutreich, ohne eigentlich hyperämisch zu sein, dagegen sind die Sinus mit einem dunklen, dickflüssigem Blute stark gefüllt. II. Herrmann. Die Zunge ist weisslich bestrichen, nicht erodirt. Die Augen liegen tief. Auch diese Leiche ist noch frisch. Magen und duodennm sind bleich. Der Inhalt des erstem besteht in zwei Loth einer hellgrün - gelblichen, mit käsigter Milch untermischten schleimigen Flüssigkeit. Auf seiner Schleimhaut sind weder Körner, noch Crystalle, noch Röthung, noch eine Spur irgend einer Abnormität wahrzunehmen. Leber, Milz und Nieren sind blutarm; das Bauchfell ist nicht geröthet, die Harnblase leer; der ganze Darmcanal ist bleich und leer; die auf- steigende Hohlader ist mit einem dunklen, dickflüssigem Blute angefüllt. Dagegen zeigt sich Anämie in allen Brustorganen; Luftröhre und Kehl- kopf sind leer und gesund; die Speiseröhren - Schleimhaut zeigt eine schwache, helle. Röthung. Dura und pia mater sind sichtbar blutreich; auch das Gehirn ist nicht blutarm, sehr gefüllt aber auch in dieser Leiche die Sinus. III. Margarethe. Die Augen liegen sehr tief. Beide Füsse sind anscheinend durch Krampf etwas nach innen gezogen; die Leiche ist nicht mehr so frisch, wie die vorigen, sondern zeigt schon einen grün- lichen Unterbauch. Magen und duodenum sind sehr bleich, und drei Loth einer weissschleimigen Flüssigkeit enthaltend. Die Magenschleim- haut ist auffallend faltig; am Magengrunde zeigt sich eine nicht umschrie- bene, einen Zoll im Durchmesser haltende helle Röthung; Körner, Ge- schwüre u. dgl. zeigen sich nirgends in beiden genannten Organen. Das Bauchfell ist ganz normal, der ganze Darmtract bleich und leer. Leber, Milz und Nieren sind anämisch, die Harnblase ist gefüllt, die V. cava enthält mässig viel dunkles, dickflüssiges Blut. Die Lungen enthalten nur wenig Blut, ziemlich viel aber die grossen Venenstämme der Brust- höhle. Das Serum im Herzbeutel ist blutig, das Herz hat in allen vier Höhlen etwas Blut. Luft- und Speiseröhre sind leer und ganz normal. Die blutführenden Hirnhäute erscheinen sichtlich gefüllt; auffallend stark gefüllt die Sinus; auch das Gehirn ist ziemlich blutreich. In Betreff der chemischen Untersuchungen, deren Resultat unten an- gegeben werden wird, will ich nur diejenige des Brodes und gehackten Fleisches, wovon die Kinder genossen hatten, und worauf das Rattengift gestrichen war, auf einen etwanigen Inhalt auf Krähenaugen näher angeben, welche Substanz die Kammerjäger bei ihrem Gewerbe häutig gebrauchen. (Eine chemische Untersuchung auf Arsenik ist bereits oben S. 416) mitgetheilt.) Die Substanzen wurden zerkleinert, mit Alcohol, dem einige Tropfen Essigsäure zugesetzt waren, übergössen, und das Ge- misch unter öfterm Umrühren mehrere Tage lang in Digestion gestellt. Nach dem Abfiltriren wurde die Digestion mit angesäuertem Spiritus wie- derholt, und beide erhaltene Tincturen im Wasserbade bis zur Extract- dicke verdunstet. Das Extract wurde in so viel kaltem, etwas angesäuer- tem Wasser gelöst, dass die Lösung filtrirt werden konnte, und dem Fil- trat gebrannte Magnesia im Ueberschuss zugemischt. Das Gemisch wurde unter öfterm Umrühren fünf Tage lang an einen mässig warmen Ort ge- stellt, dann auf ein Filtrum gebracht, der schmutzig-weisse Niederschlag mit kaltem Wasser fleissig ausgewaschen und dann scharf im Wasserbade getrocknet. Nach dem Zerreiben wurde er mit höchst rectificirtem Wein- geist wiederholt ausgezogen, und die Tincturen zuerst in einer Porcellan- schaale, dann auf einem Uhrglase im Wasserbade zur Trockniss verdun- stet. Als nun einige Tropfen Salpetersäure zugesetzt wurden und das Uhrglas gelinde erwärmt ward, entstand eine deutliche rothe Färbung, welche auf die Anwesenheit von Brucin deutete. In den Mägen aller drei Leichen wurden weder Brucin, noch Phosphor, noch Arsenik (die gebräuchlichen Rattengifte) aufgefunden.— So lagen die Fälle! Wie sollte das Urtheil lauten? „Was die Krankheitssymptome betrifft, die bei den drei Kindern beobachtet worden", sagten wir im Obductionsbericht, „so bestanden diese ziemlich übereinstimmend bei Allen vorzugsweise in Af- lection des Gehirns, Erbrechen, Durchfall und Zuckungen. Wenn diese Symptome allerdings auch namentlich bei Gehirnentzündungen der Kinder beobachtet werden, so werden sie auch nach Vergiftungen durch scharfe Gifte, namentlich durch Arsenik, gewöhnlich wahrgenommen. Ob auch nach dem Gifte der Krähenaugen (Brucin oder Strychnin) kann nicht mit derselben Sicherheit behauptet werden, da beide äusserst giftige Substan- zen noch viel zu wenig als vergiftende Momente in der Erfahrung vor- gekommen sind. Nu£ das steht unzweifelhaft fest, dass Krähenaugengift Zuckungen und Krämpfe, so wie Erbrechen erregt. Wenn demnach bei den Kindern Symptome vorgekommen, wie sie nach Vergiftungen mit Ar- senik, resp. Brucin, wahrgenommen werden, so wird die Annahme, dass ein gemeinschaftliches Gift auf die Kinder gewirkt, unterstützt durch den Umstand, dass alle drei kurz hinter einander an denselben Symptomen erkrankten und rasch starben, was wohl bei einigen wenigen innern Krankheiten, wie namentlich bei der asiatischen Cholera, auch der Fall hätte sein können, von welcher Krankheit aber hier nicht die Rede sein kann, während eine Gehirnentzündung, wenn dieselbe auch, wie zuzuge- ben, ähnliche Erscheinungen hervorrufen kann, nicht drei Kinder kurz hinter einander ergreift, da diese Krankheit nicht ansteckend ist." „Was die Sectionsresultate in den drei Leichen betreffend zu be. merken, ist, dass die Obductionen im Ganzen ein nur negatives Ergeb- nies geliefert haben. Kein einziges Organ hat eine irgend besonders auf- fallende Veränderung von der Norm ergeben, wohin wir auch nicht ein- mal die in den Mägen resp. der Leichen der Alma und Margarethe vor- gefundene bräunlich - rothe und röthliche Färbung rechnen, ein Befund, der nichts anders ist, als Product der beginnenden Verwesung des Magens. Aber ausdrücklich ist in den Protocollen bemerkt, dass in den Mägen der drei Kinder eine Entzündung, Verschwärung u. dgl. nicht vorgefunden worden. Hiernach kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Sec- tionen an sich einen Beweis für Statt gehabte Vergiftung nicht geliefert haben. Andrerseits steht aber auch wissenschaftlich fest, dass nach Ar- senikvergiftungen gar nicht selten, namentlich dann, wenn das Gift durch Resorbtion auf dynamische Weise tödtet, die Leiche gar keine auffallen- den Zerstörungen darbietet, und ebenfalls, wie bei diesen Kindern, nur negative Sectionsresultate liefert. Ganz gleiches gilt unstreitig von dem, noch so wenig bekannten Brucin und Strychnin, von welchen Giften we- nigstens das allgemein anerkannt ist, dass sie recht eigentlich dynami- sche, d. h. solche Gifte sind, die eben durch das Nervensystem tödten, folglich wahrnehmbare Zerstörungen des Körpers bei der Section nicht zeigen können. Hiernach stehn folglich selbst die negativen Obductions- ergebnisse im vorliegenden Falle der Annahme einer Statt gehabten Ver- giftung der Kinder nicht entgegen." „Betreffend endlich die chemischen Untersuchungen, so haben die- selben ergeben: 1) dass das Brod und das gehackte Fleisch, von welcheu die Kinder genossen, weder metallische Gifte (Arsenik) noch Phosphor (das jetzt ge- wöhnliche Rattengift) enthielten; 2) dass diese Substanzen dagegen Brucin enthielten, was auf eine Beimischung mit Krähenaugenpulver zu schliessen vollkommen berechtigt; 3) dass der Magen der Alma weder metallische Gifte noch Phosphor, 4) dass der Magen der Margarethe, mit Ausnahme von Spuren von • Quecksilber und Zinkoxyd (Arzneimittel), ebenfalls weder metallische Gifte, noch Phosphor enthielt, welches 5) ebenmässig von dem Magen des Herrmann gilt; 6) dass Brucin in den Mägen der drei Kinder nicht aufgefunden werden konnte, so wie 7) dass, nach dem Berichte vom 28. v. M., in den später untersuch- ten Substanzeu (Brod) deutliche Spuren von Arsenik, aber kein Brucin, enthalten waren." „In Erwägung nun, dass, wie im Vorstehenden nachgewiesen: das gelegte Rattengift (Brod und Fleisch), von welchem die drei Kinder genossen, theils Arsenik, theils Krähenaugengift (Brucin) enthielt; dass bei den drei Kindern Krankheitserscheinungen eingetreten, wie sie in andern Fällen nach den genannten Giften beobachtet worden; dass diese Krankheitserscheinungen kurz nach einander bei allen drei Kindern aufgetreten; dass Gleiches nicht bei innern, nicht ansteckenden Krankheiten be- obachtet wird; dass die Krankheiten aller Kinder in sehr kurzer Zeit mit dem Tode endigten, was in demselben Maasse nur bei Krankheiten vorkommt, für deren Existenz im vorliegenden Falle nicht der geringste Beweis vor- liegt; dass die Leichen der Kinder Erscheinungen gezeigt haben, die we- nigstens der Annahme, dass eine Vergiftung bei ihnen Statt gefunden, nicht entgegen stehn ; dass aus dem Nichtaufftnden von Gift in diesen Leichen selbst, kein Schluss auf eine nicht Statt gehabte Vergiftung gezogen werden kann, da beide genannten Gifte schon, zumal Kinder, in den kleinsten Dosen tödten, diese geringen Quantitäten aber durch Erbrechen und Laxiren vollständig ausgeleert worden sein konnten und wahrscheinlich ausgeleert worden sind, urtheilen wir schliesslich, dass alle drei Kinder in Folge einer Ver- giftung ihren Tod gefunden haben." 185., 186., 187. und 188. Fall. Vier Vergiftungen durch Colchicin. Die ungemeine Seltenheit von tödtlichen Vergiftungen durch Col- CÄicww-Präparate — vorübergehende Vergiftungszufälle durch unvorsich- tige Arzneidosen kommen bekanntlich nur zu häul'g vor — und die noch grössere Seltenheit genauer Leichenöffnungen veranlassten mich, bald nachdem ich die belehrende Gelegenheit gehabt hatte gleichzeitig vier solcher Obductionsfälle zu beobachten, um so mehr darüber (am S. 402 a. 0.) eine ausführliche Mittheilung zu machen, als die Fälle Veranlas- sung wurden zur Entdeckung einer Prüfungsmethode auf Colchicin, die als eine wesentliche und nützliche Bereicherung der gerichtlichen Medicin Casper, ferichll. Medicin. 29 erachtet werden muss. Nach jener Mittheilung, in welcher ich zugleich Alles, was mir bis jetzt von tödtlichen Colchicum - Vergiftungen bekannt geworden, zusammengestellt habe, wird hier eine gedrängte Schilderung unserer vier Fälle geniigen. — Vier Schuhmacher hatten sich am 20. Fe- bruar 18— durch Einbruch in den Besitz einer grossen Flasche mit Tincl. Semin. Colchici gesetzt, und da sie die Flüssigkeit für bittern Schnaps hielten, Jeder ungefähr ein Weinglas davon getrunken. Der Geselle Schönfeld starb schon an demselben Abend unter heftiger Diarrhoe, der Lehrbursche Müller am Abend des 22., nachdem er an- haltend gebrochen, laxirt und heftige Colik gehabt hatte, aber besinnlich geblieben war, der Lehrbursche Habisch am 22. früh und der Geselle Them am 22. Mittags unter ganz ähnlichen Symptomen. Die vier Sectioncn wurden seb^on am 23. verrichtet und wir hatten den Vorzug durch die Verwesung noch gar nicht alterirte Leichenbefunde zu er- heben. I. Schönfeld, 30 Jahre alt. Der Magen ist strotzend mit einer grünlichen, sauer reagirenden Flüssigkeit angefüllt; seine Schleimhaut zeigt ein gleichförmiges scharlachrothes Aussehn, in welcher Rothe aber einzelne Gefässentwiekelungen nicht bemerkbar sind. Die Dünndärme, mit der- selben Flüssigkeit gefüllt, zeigen äusserlich zahlreiche rosenrothe Flecke, ihre Schleimhaut nichts Auffallendes, eben so wenig wie die Leber, Milz, Pancreas, Netze, Gekröse und Harnblase; der Urin reagirt sauer, die Gallenblase ist leer. Die Nieren sind ungewöhnlich blutreich, die V. cava ist mit einem sehr dickflüssigen, dunkelkirschrothem Blute au- gefüllt. Dasselbe Blut findet sich in strotzender Fülle im rechten Her- zen, das linke enthält nur wenig Blut, was auch von den Lungen und den grossen Gefässen gilt. Die ganz gesunde Speiseröhre ist, wie Kehl- kopf und Luftröhre, leer. Die blutführenden Hirnhäute sind strotzend gefüllt und viel Blut enthalten auch die Sinns. Auch die Substanz des grossen Gehirns ist überall ganz ungewöhnlich blutreich. II. Müller, 15 Jahre alt. Die Augen liegen sehr tief. Die Blut- gefässe an der kleinen Magencurvatur strotzen; der ganze Magen ist vollkommen durch eine hellblutige, säuerlich reagirende Flüssigkeit gefüllt; seine Schleimhautfläche ist blass, die hintere Wand aber fast ganz mit kleinen purpurroten Flecken bedeckt. Die Leber ist ziemlich blutleer, die Gallenblase in dieser Leiche sehr stark angefüllt. Milz, Pancreas, Netze und Gekröse bieten gar nichts Auffallendes. Die Nie- ren sind hyperämisch, die Därme normal und leer, die Harnblase mit säuerlich reagirendem Harn strotzend gefüllt, und ganz gefüllt mit einem Blute, ganz wie das in der vorigen Leiche ist die V. caoa. Lungen I normal. Die Kranzadern des Herzens stark, seine rechte Hälfte auffal- lend strotzend, seine linke ziemlich stark angefüllt, wie es in eben die- sem Maasse in den grossen Gefässen der Fall ist. Luft- und Speise- röhre sind leer und gesund. Die Hyperämie im Schädel ist dieselbe wie im vorigen Fall. III. Habisch, 16 Jahre alt. Die Augen liegen sehr tief. Der Magen ist mit einer gelblichen sauren Flüssigkeit gefüllt, äussörlich wie innerlich normal (!); an der obern Magenöffnung aber lässt sich die Schleimhaut leicht mit dem Finger abstreifen. Die Gallenblase ist ge- füllt; Leber, Milz, Netze, Gekröse und Pancreas sind in keiner Bezie- hung auffallend, wogegen beide Nieren hyperämisch sind. Die Harnblase strotzt von säuerlichem Harn. Der Darmtract ist leer und natürlich be- schaffen, die aufsteigende Hohlader wurstartig mit einem sehr dickflüssi- gen, dunkelkirschbraunrothem Blute gefüllt. Die Lungen sind nur mässig blutreich, der Herzbeutel enthält kein Serum, das Herz zeigt durchaus strotzende Anfüllung seiner rechten und nur mässige Anfüllung seiner linken Hälfte; auch die grossen Gefässe sind sehr stark gefüllt. Die Speise- röhre ist vollkommen normal und, wie Luftröhre und Kehlkopf, leer. Die blutführenden Hirnhäute strotzen von Blut, auch die Sinus und das grosse Gehirn sind ungewöhnlich blutreich. IV. Them. Auch bei dieser Leiche liegen die Augen sehr zurück- gezogen. Der Magen, der äüsserlich Avie innerlich nichts Auffallendes zeigt, ist vollkommen mit einer, wie gekäste Milch aussehenden, sehr sauren Flüssigkeit angefüllt. Seine Gefässe sind stark gefüllt; die blei- chen Därme sind leer, die Gallenblase gefüllt; Milz, Pancreas, Netze, Gekröse, Leber und Nieren, welche letztere nur sehr hyperämisch gefun- den werden, und die mit saurem Urin halb gefüllte Harnblase sind nor- mal. Grade wie im vorigen Falle ist auch hier die V. Cava asc. wurst- artig mit einem sehr dickflüssigen, dunkelkirschrothem Blute gefüllt. Die Lungen (des einige 40 Jahre alten Mannes) sind ödematös, die Höhle des Herzbeutels fast trocken, das Herz hat in den Kranzadern wenig, in der linken Hälfte mässig viel, in der rechten bis zum strotzen viel des geschilderten Blutes. Speiseröhre, Luftröhre und Kehlkopf sind leer und normal; im Schädel dieselbe Hyperämie wie im vorigen Falle. Was an Sectionsbefunden in diesen vier Fällen gemeinschaftlich, was abweichend war, habe ich bereits oben (S. 403) angeführt. In Be- treff der chemisch en Ermittelung desColchicin bemerkeich, dass der Mageninhalt der Leichen mit grossen Mengen Alcohol, dem einige Tropfen Salzsäure zugemischt waren, gut durchgeschüttelt, die Flüssig- 29* keit abliltrirt und diese bei einer Temperatur von 30 0 II. zur dünnen Syrupsdicke abgedunstet wurde; dieser Rückstand wurde in destillirtem Wasser gelöst, wobei sehr viel Fett abgeschieden wurde, iiltrirt, vorsich- tig eingedunstet und dem Rückstände so länge Alcohol zugesetzt, als noch Absonderung fremder Materien eintrat, hierauf filtrirt und das Filtrat der obigen Temperatur bis zur dünnen Syrupsdicke abgedunstet. Die erhaltene Masse wurde in destillirtem Wasser gelöst, iiltrirt, bis auf etwa eine Unze abgedunstet, 3ß Magnesia usla hinzugesetzt, um das etwa noch vorhandene Colchicin frei zu machen, hinreichende Zeit in Berüh- rung gelassen und dann dem Gemenge gjjj Aether hinzugefügt. Nach hinreichender Einwirkung des Aethers filtrirte man die ätherische Flüs- sigkeit ab und liess diese an der Luft freiwillig verdunsten. Der Rück- stand wurde in Wasser aufgenommen, wobei eine in Alcohol leicht lös- liche Fettsubstanz abgeschieden wurde, und nun wurde die fdtrirte, wäss- rige Lösung in einem Uhrglase abgedunstet. Der nun erhaltene Rück- stand in wenigem Wasser gelöst, gab mit Gerbsäurelösung einen weissen, voluminösen, leicht in Alcohol löslichen, mit Platinchloridlösung nach kurzer Zeit einen gelben, mit Jodtinctur einen kermesartigen Nieder- schlag, alles Reactionen, die das Colchicin anzeigten, und ebenso war der Geschmack späterhin scharf. 189. Fall. Vergiftung durch Alcohol. Schwer betrunken war am 31. October ein 40jähriger Mann nieder- gestürzt und todt geblieben. Vier Tage später untersuchten wir die Leiche. Auffallend war äusserlich die noch vorhandene Leichenstarre, die grosse Frische der Leiche (s. S. 407), eine sehr stark ausgesprochene Gänsehaut über dem ganzen Körper, und eine Einklemmung der Zunge zwischen den Zähnen. Die harte Hirnhaut war stark injicirt, die weiss- liche, sulzige Exsudation, wie talgartig über das Gehirn ausgegossen, wie man sie bei allen vieljährigen Säufern findet, fehlte nicht. Die Gefässe der pia mater waren stark, aber nicht übermässig gefüllt. Auf der rech- ten Hemisphäre fand sich ein drachmenschweres Extravasat von flüssigem Blut. Beide Gehirne, die Plexus, die Sinus boten nichts Bemerkens- wertes. Auffallend aber unverkennbar war der Geruch nach Alcohol in der Schädel-, wie in der Brusthöhle. Die Lungen hatten den normalen Blutgehalt, die grossen Gefässstämme enthielten ziemlich reichlich dunklos und flüssiges Blut, das Herz aber war ganz blutleer. Von den Befunden in der Bauchhöhle hebe ich, da dieselben im Uebrigen durchaus die ge- wohnlichen waren, nur hervor, dass die V. Cava strotzend mit sehr dun- klem, flüssigem Blute angefüllt war. 190. Fall. Vergiftung durch Alcohol. Ein ganz ähnlicher Fall, wie der vorhergehende. Auch dieser 30jäh- rige Mann war schwer betrunken auf der Strasse niedergestürzt und todt geblieben. Erst sieben Tage nach dem Tode, im December, aber bei fortwährender Temperatur über 0 R., sahen wir die Leiche;'sie war noch sehr frisch und zeigte kaum die ersten Verwesungsspuren. Auch hier war in der Schädel- wie Brusthöhle ein, wenn gleich schwacher Geruch nach Branntwein unverkennbar. Hyperämie im Gehirn (aber ohne Hä- morrhagie) war die Todesursache gewesen. Das Herz war nicht so blut- leer, wie im vorigen Falle, das Blut aber wie dort dunkel und flüssig. Der übrige allgemeine Befund bot gar nichts Auffallendes dar. 191. Fall. .Vergiftung durch Alcohol. In diesem Falle war der 26jährige, sehr kräftige Arbeiter Nachts schwer betrunken nach Hause gekommen, und am folgenden Morgen todt im Bette gefunden worden. Ich konnte die Leiche noch lange nach dem Tode des Menschen beobachten. Zwar im Januar war jedoch die Luft- temperatur fortwährend + 2 bis 5° R. bei milden West- ja Südwinden. Nichtsdestoweniger blieb die Leiche bis zum 9ten Tage ganz frisch und nun erst fingen am lOten Tage sich grüne Verfärbungen am Bauche zu zeigen an. Am Ilten Tage wurde die Obduction gemacht. Der ganze Kopf war von Todtenflecken roth gefärbt; die Zunge zwischen den Zäh- nen eingeklemmt. Wenig oder gar kein Verwesungs- aber auch nirgends ein Alcoholgeruch. Hyperämie in der dura und pia mater, nicht in den Sinus. Kein Extravasat in der Schädelhöhle. In den Lungen viel Leichenödem. Das rechte Herz fast bis zum Bersten angefüllt mit ganz dunklem, sehr flüssigem Blute, dessen Blutkörperchen sich unter dem Microscop ganz unverändert zeigten. Das linke Herz fast leer; aber die grossen Gefässe ganz schwappend gefüllt. Der Magen enthielt noch viel Speisebrei. Vom übrigen nicht bezeichnendem Befunde erwähne ich nur noch der Harnblase, die, wie nach anderweitem Hirndruck, z. B. nach Kopfverletzungen, strotzend voll war und über den Schambogen hinaufreichte. 192. Fall. Ob Vergiftung durch irgend ein Nurcoticum? Ausser den sieben Fällen bloss vermutlieter, aber durch die Leichen- untersuchung nicht bestätigter Vergiftungen, welche in den ersten beiden Centurien der „gerichtlichen Leichenöffnungen" mitgetheilt und von denen drei unten wiederholt sind, sind uns fortwährend und zahlreiche ähn- liche Fälle vorgekommen. Aus irgend welchen Umständen war der, unter alltäglichen und dem Laien auffallenden Erscheinungen schnell erfolgte Tod für Folge einer Vergiftung gehalten worden. Es ergaben 6ich aber incarcerirte Brüche, innere Darmeinschnürungen, Apoplexieen, sog. Ro- kitansky'sehe Magengeschwüre (zweimal), asiatische Cholera (bei drei Familienmitgliedern, die eine angeblich durch Kupfer vergiftete Pflaumen- suppe genossen haben sollten) u. s. w. als Todesursachen. Solche Fälle an sich bei der Section immerhin lehrreich, boten für eigentlich gericht- lich-medicinische Zwecke indess kein besonderes Interesse, und wollen wir mit deren Schilderung die ohnehin grosse Zahl der Fälle in diesem Werke nicht vermehren. Dagegen verdient der nachfolgende, aus Grün- den, die sich sogleich ergeben werden, unbestreitbar eine Aufzeichnung. Er bildete einen wahren, medicinisch-forensischen Roman. Der Vater eines 44jährigen Mannes hatte 15,000 Thaler und ein Testament hinterlassen, in welchem er eine sog. Substitution zu Gunsten der künftigen Descendenz dieses seines Sohnes verordnete, der liederlich, ein starker Säufer und zur Zeit des Todes des Vaters noch unverhei- ratet war. Am 20. April 18— bekam der Sohn angeblich einen „Starr- krampf" und die neunzehnjährige Concubine und deren Mutter, mit denen er lebte, extrahirten ein ärztliches Attest, dass er sterbend sei, worauf er noch am genannten Tage, wozu die Gesetze dem Geistlichen bei Ster- benden die Befugniss geben, mit dem jungen Mädchen getraut wurde. Am folgenden Tage, den 21sten, kam der neue Ehemann wegen „ Deli- rium potaiorum« in die Charite und erhielt hier, nach Ausweis des mir vorgelegten Krankenjournals, bis zum 23sten, an welchem er starb, Ziil- cum aceticum und im Ganzen einen und drei Viertel Gran Mor- phium acetienm. Gleich nach seinem Tode trat nun die Schwester des- selben gegen die junge Wittwe denuncirond dahin auf: dass sie dem denatus „ein Narcoticum" gegeben, in Folge dessen der Starrkrampf entstanden und ihr Bruder indispositionsfähig geworden sei, weshalb sie die Nichtigkeits-Erklärung der Ehe verlangte. Die Wittwe ihrerseits reichte sogleich eine Erklärung ihrer Schwangerschaft ein! Bei dieser richterlich sehr complicirten Sachlage, wegen behaupteter Vergiftung einer- seits, wie andererseits wegen des vorauszusehenden Civilprocesses und wegen der Legitimität und Erbschaftsfähigkeit des eventuellen Leibeserben des Verstorbenen wurde die gerichtliche Obduction verfügt, bei welcher u. A. uns, als gewiss unerhörte, aber hier sehr natürliche Frage die vor- fielest wurde: ob sich aus der Leiche erkennen lasse, dass denatus am 20. d. M. zeugungsfähig gewesen?! Die am 28. verrichtete Obduc- tion selbst, war insofern ohne Interesse, als sie ganz negative Ergebnisse namentlich gar keinen Befund lieferte, der auch nur den Verdacht einer Vergiftung irgend einer Art hätten erregen können. Wir mussten daher zu Protocoll erklären, dass denatus an einer innern Krankheit gestor- ben, und dass erst durch chemische Analyse der Darmcontenta etwas Näheres betreffend den Verdacht einer Vergiftung zu ermitteln sei. Diese Analyse hatte die schwierige Aufgabe zu ermitteln, und die uns vom Richter vor- gelegte Frage zu beantworten; „ob denatus vor seiner am 21. erfolg- ten Aufnahme in die Charite ein Narcoticutn erhalten, welches ihn in einen Zustand von Indispositionsfähigkeit versetzt hat?", wobei ich daran erinnere, dass die Darreichung eines Narcotici (Morphium) nach dem 21sten und bis zum Tode ja unzweifelhaft war und erwartet werden konnte, dass man Letzteres noch in der Leiche finden werde. Es ist nicht gefunden worden! Die Untersuchung wurde folgendermaasen ausgeführt: Die Eingeweide wurden in eine neue Porzellanschaale ge- schüttet, sorgfältig zerschnitten, die Stücke gut unter einander gemischt und das Ganze in drei Theile getheilt: I. Zwei Dritttheile Übergossen wir in einem Cylinderglase mit starkem Alcohol, der mit ein wenig Essig- säure angesäuert war, verschlossen das Gefäss mit Schweinsblase und di- gerirten mehrere Tage bei einer Temperatur von 60—70° C. Dann wurde das Flüssige nach dem Erkalten abfiltrirt, und der Rückstand noch zweimal auf gleiche Weise mit angesäuertem Alcohol behandelt. Die Tincturen wurden bei gelinder Wärme zur Syrupsdicke eingedampft und der Rückstand in so viel kaltem destillirtem Wasser gelöst, dass die Lö- sung iiltrirt werden konnte. Dem Filtrat setzten wir, nachdem es mit Aetzammoniak neutralisirt worden, einen frisch bereiteten Gallaepfelauf- guss zu, so lange ein Niederschlag entstand. Von diesem wurde, nach- dem er sich vollständig abgesetzt, die überstehende Flüssigkeit durch Abgiessen getrennt und letztere mit einer Auflösung von Chlorbaryum vermischt, so lange diese einen Niederschlag hervorbrachte und die Mi- schung bei Seite gestellt. Der durch die Galläpfelinfusion erzeugte Nie- derschlag wurde auf einem Filtrum vollständig ausgewaschen und noch feucht mit so viel frisch bereitetem Kalkhydrat, dass letzteres etwas in Uebcrschuss vorhanden war, gemischt, und soviel destillirtes Wasser zu- gesetzt, dass ein dünner Brei entstand. Nach längerm Reiben wurde der Brei im Wasserbade zur Troclcniss verdunstet, der Rückstand zu Pulver gerieben und 3nial mit starkem Alcohol ausgekocht. Die farblo- losen Abkochungen wurden liltrirt und bei sehr gelinder Wärme bis auf 2 Drachmen verdunstet. Nach dem Erkalten hatte sich nichts crystalli- nisches ausgeschieden. Die Flüssigkeit wurde nun vollends bei gelinde- ster Wärme zur Troclcniss verdunstet, der geringe weissliche Rückstand in einigen Tropfen essigsauren Wassers gelöst und Aetzammoniak im Ueber- schuss zugesetzt. Nach 24 Stunden und nachdem letzteres sich verflüch- tigt hatte, fanden wir keine crystallinische Abscheidung, die auf die An- wesenheit eines Pflanzenalcaloides hätte schliessen können. Der dnreh Chlorbaryum erzeugte Niederschlag, welcher eine gelb- braune Farbe besass, wurde auf einem Filtrum vollständig ausgewaschen noch feucht in ein Digerirkölbchen gebracht, in demselhen mit verdünn- ter Schwefelsäure Übergossen und mehrere Tage digerirt. Dann wurde liltrirt und die klare gelbliche Flüssigkeit mit einer verdünnten Eisen- chloridlosung gemischt, so dass letztere an Intensität der Farbe der zu unter- suchenden Flüssigkeit gleich kam. Durch die Vermischung beider Flüs- sigkeiten entstand keine rothe Färbung (Opium). II. Das eine Dritt- theil der Eingeweide wurde in eine tubulirte Retorte gebracht, und nach Zusatz einer verdünnten Aetz-Natronlauge, und, nachdem die Vor- lage mit einem Gemisch von gestossenem Eis und Kochsalz umgeben war, so lange bei gelindem Feuer destillirt, bis etwa 1£ Unzen übergegangen waren. Das ammoniacalische, farblose Destillat wurde mit verdünnter Schwefelsäure neutralisirt und bei sehr gelinder Wärme bis auf etwa 1 Drachme verdunstet. Dieser Rückstand wurde in einem Digerirkölb- chen mit seinem fünffachen Volumen eines Gemisches aus Alcohol und Aether Übergossen, tüchtig geschüttelt und die Mischung bei Seite ge- setzt. Die ätherische Flüssigkeit wurde abgeschieden und in einer flachen Porzellanschaale der Selbstverdunstung überlassen. Der geringe fast farblose Rückstand wurde mit verdünnter Aetznatronlauge behandelt: es entwickelte sich ein geringer Leichengeruch, aber durchaus kein Ge- ruch, der an Schierling erinnerte. Was sich in dem Gemisch von Aether und Weingeist nicht gelöst hatte, wurde mit ein wenig Aetznatronlauge vermischt und mit reinem Aether, wie oben gesagt, behandelt. Der ab- geschiedene Aether wurde in gleicher Weise der Selbstverdunstung auf einem Uhrglase überlassen, bis der Geruch nach Ammoniak gänzlich verschwunden war. Der geringe gelbliche ölige Rückstand hatte einen Leichengeruch ohne die geringste Aehnlichkeit mit Nicotin. — Man sieht also nach den Ergebnissen dieser Untersuchung, dass in den Con- lentis der Leiche weder Meconsäure (also auch kein Opium), noch Mor- phium, noch Atropin, noch Coniin, noch Nicotin aufgefunden worden. Es musste folglich die Frage: ob dem Verstorbenen überhaupt ein „Nar- COticum* gegeben worden, soweit dieselbe durch die chomische Unter- suchung gelöst werden konnte, verneint werden. Nichtsdestoweniger — worauf es freilich dem Richter in diesem Falie nicht ankam — Avar es iranz o-ewiss, dass denatus noch kurz vor dem Tode eine erhebliche Menge CD7 Morphium ingerirt, aber verdaut hatte, so dass die genaue chemische Analyse keine Spur davon entdecken konnte. Ein neuer Beweis da- für, dass nicht die ganze Beweisführung bei zweifelhaften Vergiftungen ausschliesslich in die Hand des Chemikers gelegt werden darf! — Was übrigens die in concreto so seltsame Frage von der Zeugungsfälligkeit betrifft, so beantworteten wir dieselbe dahin: dass die Obduction Thatsachen für die Zeugungsunfähigkeit des denatus am 20sten (drei Tage vor dem Tode) nicht geliefert habe, (Missbildungen der Geschlechtstheile u. dgl.), dass jedoch ein genaueres Urtheil vorbehalten bleiben müsse bis zur Kenntniss des Gesundheitszu- standes des Verstorbenen am ganzen genannten Tage. Der Fall wurde indess nicht weiter verfolgt, da ein Verbrechen nicht ermitttelt war, und es wurde die junge Wittwe als Erbin anerkannt. (Ob sie später nieder- gekommen, ist mir unbekannt.)*) 193. Fall. Angebliche Vergiftung durch Leberwurst. Ein junger Handwerksgesell war unmittelbar nach dem Genüsse einer Leberwurst erkrankt. Die Krankheitssymptome, die uns bekannt geworden, sollten Erbrechen, kein Purgiren, Schmerz im tiefen Unter- leibe, rascher Collapsus, und „matschiger" (!weicher?) Puls gewesen sein. Der Tod erfolgte schon in 10—12 Stunden, so dass der Arzt beim zweiten Besuch den Patienten bereits verstorben fand. Die Vor- aussetzung einer Wurstvergiftung veranlasste die gerichtliche Obduction der Leiche, welche vier Tage nach dem Tode im November (bei -|- 2 bis 4° R.) verrichtet wurde. Auffallend war bei dieser kühlen Herbst- witterung die vorgeschrittene Verwesung (deshalb allein auch das leichte Ausgehn der Haare!), die fast den ganzen Rumpf bereits grün gefärbt und die Genitalien stark aufgebläht hatte. Aber jeder Verdacht einer •) Vgl. zwei Fälle von Vergiftung durch Kupfer und Zink, und durch Chloroform §. 74. Fall 277. und 280. Vergiftung wurde durch die Section entfernt. Sie wies eine hypertro- phisch-scirrhöse thalergrosse Entartung der Magenhäute in der vordem Wand, einen Zoll unter der kleinen Curvatur, nach, in deren Mitte sich ein perforirendes Magengeschwür von °, Linien Durchmesser mit nicht verfärbten, wallartig umgelegten, harten Rändern zeigte, aus welchem sechs Unzen Magenfliissigkeit in die Bauchhöhle ausgeflossen waren. In Folge dessen war namentlich die vordere Wand des Bauchfells lebhaft entzündet, und eine grosse Dickdarmschlinge durch eitrige Exsudate da- mit verklebt, wie denn auch mehr als ein Theelöffel gelben Eiters sich in die Bruchpforte eines rechten Inguinalbruches eingesackt hatte. Klei- nere Exsudatinseln fanden sich noch zahlreich vor. Hiernach konnte mit Gewissheit der Tod unabhängig von jeder Vergiftung durch die genannte innere Krankheit angenommen und von jeder chemischen Untersuchung (die ohnehin bei eventuellem Wurstgift ganz fruchtlos geblieben sein würde) abgestanden werden. 194. Fall. Angebliche Vergiftung. Auch in diesem, dem vorigen ganz ähnlichen Falle, war, aus uns unbekannten Gründen, eine unter auffallenden Symptomen tödtlich ver- laufende Krankheit für Folge einer Vergiftung gehalten, und deshalb die gerichtliche Section veranlasst worden, die den Ungrund des Verdachtes klar machte. Ein zehnjähriger Knabe sollte nach dem Genüsse einer Mehlsuppe Erbrechen bekommen haben, und bald gestorben sein. Die Section ergab an Hauptresultaten: 22 Unzen blutiger Flüssigkeit in der Bauchhohle, allgemeine Peritonitis und Enteritis, die dünnen wie die dicken Därme mit lymphatisch-eitrigen Ausschwitzungen überzogen, und überall unter einander verklebt; die Ursache dieser heftigen Entzündung war aber keine andere als die Einschnürung einer 6 Zoll langen (ganz brandig befundenen) Darmschlinge durch das Netz. Pathologisch interes- sant war noch, dass selbst die obere Fläche der Leber fest am Zwerch- fell durch Exsudate adhärirte. Magen und duodenum hatten an der Entzündung keinen Theil genommen. Das Gehirn war sehr blutreich. Lungen und Herz aber ganz normal. Die chemische Untersuchung der Darmcontenta, die an sich nach solchem Befunde ganz überflüssig war, aber dennoch, da einmal der Verdacht einer Vergiftung sich erhoben hatte, verlangt und deshalb nicht unterlassen wurde, ergab keine Spur von Gift. In wenigen andern, als grade solchen Fällen feiert die gericht- liche Medicin einen so entschiedenen Triumph. Jeder Verdacht der Ur- h heberschaft des schändlichsten Verbrechens gegen einen ganz Unschuldi- gen wird, wie in diesen beiden vorliegenden Fällen, so in jedem ähn- lichen,' nur allein, aber unwiderleglich, durch die gerichtlich-medicinische Aufhellung des Thatbestandes niedergeschlagen ! 195. Fall. Angebliche Vergiftung durch Belladonna. Weniger entschieden konnte das Urtheil in diesem Falle abgegeben werden. Ein Mann von 50 Jahren hatte sechs Monate vor seinem Tode einen Thee aus Belladonna-Blättern genommen, war in eine Krank- heit verfallen, und nach viermonatlicher Behandlung in der Charite ver- storben. Im Obductionstermine wurden uns nur diese oberflächlichen Data überliefert. Wie viel Belladonna-Blätter der Mann bekommen, wie sich seine lange Krankheit gestaltet hatte, darüber blieben wir vollstän- dig in Ungewissheit. Die Leiche war aufs Höchste abgemagert, zeigte oedema pedum, den höchsten Grad von decubitus, allgemeine Anämie, und an innern auffallenden und abnormen Befunden nur einen kleinen und ganz zusammengeschrumpften Magen. Nach diesen Ergebnissen glaubten wir nach der Leichenöffnung kein andres vorläufiges (summari- sches) Gutachten abgeben zu können, als das Urtheil: dass denatus an einer langwierigen, innern Krankheit gestorben sei, deren Zusammenhang mit der Vergiftung nur als möglich gesetzt werden könne, und dass eine chemische Untersuchung der conle/ita bei der Länge der Zeit und der Natur des concreten Giftes nicht mehr für fruchtbringend erachtet wer- den könne. In Folge dieses Gutachtens wurden die Acten reponirt und ein Obductionsbericht nicht erfordert. 196. Fall. Vermuthete Vergiftung durch Wasserschierling. Ein fünfjähriger Knabe war nach sehr kurzer Krankheit, über welche ich nichts erfahren habe, Ende Aprils angeblich durch Wasserschierling vergiftet gestorben. Am 1. Mai, drei Tage nach dem Tode, geschah die gerichtliche Obduction, wobei es zunächst auffiel, dass bei + 10 —12° R. die Leiche noch frisch, und nur erst der Bauch grünlich gefärbt war. Die Gelenke waren biegsam. Der blasse Magen enthielt etwas röthlich flüssigen Brei und einige Flocken gekäster Milch, sonst nichts Auffallen- des, namentlich keine Pflanzenreste. Der Dünndarm war von sichtlicher Gefässinjection geröthet, der Dickdarm enthielt Koth. Leber und Nieren waren ziemlich stark mit Mut angefüllt, das überall im Körper, nament- lich aucli in den grossen Venenstämmen, sehr dunkel und flüssig war. Nirgends zeigten sich im Magen und Darmtractus Ecchymosen. Die ge- sunden Lungen waren stark blutgefüllt. Das rechte Herz enthielt etwas dunkelflüssiges Blut, das linke war leer. In jedem Pleurasack ein Ess- löflei voll Blutwasser. Die Thymusdrüse noch sehr gross. Die Luft- röhrensehleitnhaut war röthlich gefärbt. Die blutführenden Hirnhäute zeigten sich stark injicirt, die Sinus überfüllt, und auch das Gehirn war blutreicher als gewöhnlich. Die chemische Untersuchung des Magens und seines Inhaltes ergab Abwesenheit jeder schädlichen mineralischen Sub- stanz, und in Betreff der muthmaasslichen Vergiftung durch Wasserschier- ling wurde im Berichte gesagt: „dass diese Vermuthung bei der Unbe- kanutschaft mit den Antecedentien deshalb nicht zur Gewissheit, ja nicht einmal zur Wahrscheinlichkeit erhoben werden könne, weil sich im Ma- gen keine erkennbaren Pflanzenreste vorgefunden hätten, und die Chemie kein Mittel besitze, im thierischen Körper nach stattgefundener Verdauung das Gift des Wasserschierlings nachzuweisen." Viertes Kapitel. Tod durch Erstickung. §. 39. Allgemeines. Der Erstickungstod ist eine negative Blutvergiftung. In- dem auf irgend eine der vielfachen Arten und Weisen dem Blute der Sauerstoffreiz der atmosphärischen Luft plötzlich ent- zogen wird, kann dasselbe das Nervensystem nicht mehr zu seinen Functionen anregen und beleben. Das ganze Nerven- system wird entweder plötzlich gelähmt: es entsteht durch das anatomische Messer nicht nachweisbare Neuroparalyse (Nerven- schlag), oder es werden die Lungen- und Herznerven ursprüng- lich gelähmt, der Kreislauf stockt, und man erkennt diese Hem- mung des Kreislaufes deutlich in der Leiche. Ob die Paralyse der Lungen oder die des Herzens das primäre sei, wie über- haupt die ganze, schwierige Theorie des Erstickungstodes, hat die gerichtliche Medicin der Physiologie zur Entscheidung zu überlassen. Die Ansichten der letztem wechseln; die erstere hält sieh an die bleibenden Thatsaehen. Im engern Sinne des Wortes und in der Sprache des Laien (Richters) ist aber „Er- stickung" nicht jede tödtliche Hemmung des Kreislaufs, son- dern nur die durch fremde, die Luftwege verstopfende Körper und diejenige, welche durch Einathmen irrespirabler Gasarten be- dingt wird. Alle denkbaren Erstickungen entstehn auf mecha- nische oder auf mehr dynamische Weise; mechanisch, indem die Maschinerie der Athemwerkzeuge erheblich gestört oder zerstört wird, so dass die Lungen ihre Function nicht mehr verrichten können. Jede erhebliche Verletzung des Brustkastens bewirkt auf diese Weise Erstickungstod; so namentlich Ueberfahren, Auf- fallen schwerer Lasten auf die Brust, Zerdrücken im Gedränge, Eindrücken Neugeborner in Kisten, Betten n. dgl., ferner auch Zu- sammendrücken der Nase und Lippen von Neugebornen bei und nach der Geburt durch die Schenkel oder andre Körpertheile der Mutter, oder bei Säuglingen Nachts im Schlafe an der Brust oder sonst am Körper der Stillenden, wie denn endlich auch der Tod durch Verschüttetwerden durch einstürzende Ge- bäude, Mauern, Schachte u. dgl. gewöhnlich ein Tod durch Er- stickung und zwar meist grade dieser Art \>on Erstickung ist. Die Diagnose derselben ist gewöhnlich leicht, da man ausser den allgemeinen Leichenerscheinungen des suffoeatorischen To- des die örtlichen Spuren der Insultation*an den betreffenden Körper- theilen findet. — Oder mechanisch entsteht ferner der Erstik- kungstod durch Zusammendrücken und Verschliessen der Luft- wege von aussen beim Erwürgen, Erdrosseln und Erhängen, oder von innen durch Verstopfen derselben mit jedem denkba- ren fremden Körper. *) Die Diagnose jener Todesarten wird im folgenden Kapitel erläutert werden; die fremden Körper fin- *) Fremde Körper: denn das immer wieder citirte „Zurückschlagen der eigenen Zunge" als Selbsterstickungsart hat wohl Niemand gesehn. det man entweder ganz oder theilweise noch in den Luftwegen der Leiche, oder man findet Reactionsspuron in Zerkratzungen, Verwundungen, Sugillationen oder ihnen ähnlichen Erscheinun- gen an den betheiligten Organen, als Beweise, dass diese Ursache, der fremde Körper, den Erstickungstod veranlasst hatte, der als solcher durch seine allgemeinen Zeichen in der Leiche sich nachweisen lassen wird. Auf mehr dynamische Weise erfolgt Erstickung, wenn ohne Beeinträchtigung des Mechanismus der Respirationsorgane bloss durch Entziehung des Sauerstoffreizes das Blut vergiftet, der Stoffwechsel an seiner Quelle plötzlich und gewaltsam gestört, das Nervensystem gelähmt wird. Dies geschieht, wenn nicht- athembare Medien in die Luftwege einströmen, Wasser oder ir- gend wässrige Flüssigkeiten, oder irrespirable Gase. In der Wirkung kommen freilich alle diese Arten der Erstickung auf dasselbe hinaus. §. 40. Diagnose. Selbst die bessern Handbücher behaupten, dass es charac- teristische Zeichen des Erstickungstodes nicht gebe. Ist damit o-emeint, dass die Leiche Eines Erstickten nicht genau diesel- ben Sectionsresultate liefere, wie die eines oder vieler Andern, so ist der Satz allerdings ganz richtig. Die Leichenerscheinun- sen äussern sich nämlich verschieden, namentlich je nachdem der Tod durch Neuroparalyse oder durch Hyperämie der Brust- organe, ferner je nachdem er während der Exspiration oder In- spiration erfolgte, in welchem letztern Falle die Lungen immer blutreicher bleiben mussten, oder je nach der verschiedenen In- dividualitat, hier bei einem blutreichen, dort bei einem blutar- men Subjecte, oder endlich und namentlich, je nachdem der Er- stickungstod plötzlich oder langsamer und allmäliger erfolgte. Plötzlich erstickt der Mensch in den meisten Fällen beim Er- würgen und Erdrosseln, so wie im Wasser, allmäliger in den meisten irrespirablen Gasarten, namentlich in der am häufigsten vorkommenden des Kohlenoxydgases, beim Verscliüttetwerden und in allen Fällen, wobei die Lungen noch eine Zeitlang Zu- fuhr von mehr oder weniger, oder mehr oder wenig reiner at- mosphärischer Luft erhalten können. Nichtsdestoweniger und abgesehn von Variationen in den einzelnen Erscheinungen, so wie vom neuroparalytischen Erstickungstode, der wenig oder gar nichts Nachweisbares darbietet, sind indess die Sectionsre- sultate beim Erstickungstode in ihrer Gesammtheit aufgefasst so characteristisch, dass es keinesweges schwierig ist, denselben (in einigermaassen frischen Leichen) festzustellen. Es sind fol- gende: Was 1) das Nichterscheinen oder die. ungewöhnlich kurze Dauer der Leichenstarre nach dem Erstickunestode betrifft, so habe ich bereits §. 12. S. 32 bemerkt, wie irrig diese allgemeine Annahme ist. Die Leichenstarre tritt bei Er- stickten unter denselben Verhältnissen und in derselben Dauer ein, wie nach allen andern Todesarten. (s. die Casuistik.) 2) Verhältnissmässig lange andauernde Wärme in den innern Organen der Brust- und der Bauchhöhle. (s. §. 7. S. 20.) 3) Allgemeine ungewöhnliche Flüssigkeit des Blutes; sie rindet sich bei sämmtlichcn Erstickungsarten ohne Ausnahme, freilich aber auch nach einigen andern Todesarten, putriden Fie- bern, narcotischen Vergiftungen u. s. w. Von der besondern Flüssigkeit des Blutes sind Sectionserscheinungen abhängig, die man bei Uebersehn dieses Umstandes irrig gedeutet hat, na- mentlich die mehr als gewöhnlich zahlreichen Blutpünktchen, die sich in den zerschnittenen Gehirnschichten zeigen, und kei- nesweges immer besondere Hirnhyperämie bedeuten; dasselbe gilt vom Ausfliessen von Blut aus den durchsägten Schädelkno- chen, das Pyl mit Unrecht als ein specifisches Zeichen des Er- trinkungstodes deutete, und das man, wie jenes erste Zeichen, in allen Leichen findet, in denen das Blut wässrig - flüssig ist. Im Uebrigen bemerke ich, dass man trotz der allgemeinen dün- nen Consistenz des Blutes doch auch in den exquisitesten Er- stickungsfällen gar nicht selten im Herzen recht ansehnliche Gerinnsel findet, die sonach nicht irre leiten dürfen, indem sie für sich keineswegs gegen den Erstickungstod sprechen. 4) Dunkle Farbe des Blutes. Die Carbonisation desselben findet sich nach allen Erstickungen.*) 5) Hyperämie der Lun- gen (Lungenschlag, Pulmonal-Apoplexie), einer derjenigen Be- funde, die nur selten fehlen, aber doch fehlen können. Ge- Avöhnlich sind beide Lungen, seltner eine mehr als die andre, mit dem geschilderten Blute mehr oder weniger strotzend an- gefüllt; die Hypostase an den unten aufliegenden Lungenthei- len, die in allen Leichen vorkommt (vgl. §. 9. S. 25), darf nicht täuschen. 6) Hyperämie des rechten Herzens, wäh- rend das linke entweder ganz leer, was selten ist, oder nur einige Drachmen Blut enthält. Um eine reine Beobachtung über den Blutgehalt des Herzens zu machen, ist es erforderlich, zu allererst das Herz, am allerbesten nach der §. 48. (S. 225) empfohlenen Technik zu öffnen, dann erst die Lungen und zu- letzt 7) die Lungenarterie, die gleichfalls aus bekannten anatomischen Gründen bei Erstickten überfüllt angetroffen wird. Ich habe bereits früher **) auf einen höchst interessanten Sec- tionsbefünd aufmerksam gemacht, den ich in gar nicht seltnen Fällen nach Erstickung von Neugebornen (s. 203 — 205., 209., 210., 213. Fall), aber nur zweimal bei Erwachsenen (verglJ 231., 244. Fall) beobachtet habe, der auch von Andern, na- mentlich Michaelis, Bayard, Krahmer, Elsaesser, Hec- ker, Hoogeweg, Tardieu u. A. gefunden worden ist, und der gewiss künftig häufiger gesehn werden wird, wenn man danach forscht. Es sind dies capillare Ecchymosen, den Petechien sehr ähnliche kleine Sugillationen unter der Lungen- pleura, auf der Aorta und auf der Oberfläche des Herzens *) Ob die von uns entdeckte (221. Fall) gänzliche Zerstörung der Blut- körperchen bei Erstickung in Schwefelwasserstoffgas sich danach beständig findet, müssen weitere Beobachtungen lehren. (Vergl. Anmerkung zum 221. Fall.) **) Gerichtliche Leichenöffnungen. 1. Hundert. 3. Aufl. S. 84. welche den Theilen ein gesprenkeltes Anselm geben, als wären sie gleichsam mit kleinen Tröpfchen einer pnrpnrrothen Flüssig- keit bespritzt worden. Die Abbildung (Taf. VI. Fig. 15.) ver- sinnlicht diesen Befilöd sehr naturgetreu. Wie dies Kind ein todtgebornes, so waren auch die Mehrzahl der von Elsaesser angeführten Fälle, so wie der Fall von Krahm er und sämmt- liche Fälle von Hecker und Hoogeweg*) todtgeborne Kin- der betreffend. Dies fordert allerdings zu besonderer Vorsicht bei Beurtheilung des zweifelhaften Erstickungstodes NeuQ-ebor- ner auf. Wenn aber ein solcher, ein Erstickungstod, vorliegt, d. h. wenn ein lebend gewesenes Kind durch Erstickung seinen Tod gefunden hat, so wird die sorgfältige Leichenuntersuchung Data genug an die Hand geben, um den Fall nicht mit Erstik- kung in utero verwechseln zu können. Welcher Gerichtsarzt wollte denn auch wohl auf das blosse Vorhandensein der hier besprochenen Petechial-Sugillationen allein seine Diagnose und sein Gutachten gründen? Im Uebrigen ist ihre Entstehung kei- nem andern, als dem Vorgang bei jeder Erstickung zuzuschrei- ben. Als Ursache derselben nämlich hat Michaelis**) zuerst die gehemmte Circulation in der Nabelschnur geltend gemacht. Neuerlichst haben Kr ahm e r ***), H e c k e r f) und Hohl ff) diese Ansicht mit den treffendsten Gründen und wirklichen Thatsachen weiter ausgeführt und zu einer wissenschaftlichen Wahrheit erhoben. Hiernach ist die Entstehung dieser Ecchy- mosen zunächst mit der Dünne der Capillarwandungen bei neu- gebornen und kleinen Kindern (die auch wohl ausnahmsweise bei Erwachsnen vorkommen kann,) in Verbinduno- zu bringen. Athmung ist, hat man sehr treffend gesagt, Gasaustausch; die- *) Verhandlungen der geburtsh. Gesellschaft. Berlin 1853. 7 Heft und m. Vierteljahrsschrift 1855. L S. 40. **) Pfaff's Mittheilungen. VI. 9. u. 10. Heft. Altona 1840. ***) Deutsche Clinik. Jahrg. 1852. IV. S. 289. \. +) a. a. 0. tt) Lehrbuch der Geburtshülfe. Leipzig 1855. S. 837. C aiper, gerichcl. Medicin. CJQ sen vermittelt im ungebornen Kinde die Placenta, und in die- sem Sinne athmet das Kind schon im Uterus. Wird nun die- ser Austausch unterbrochen durch vorzeitige Lösung der Pla- centa oder Druck der Nabelschnur, die Hohl in diesem Sinne „gewissermaassen die Luftröhre des Foetus" nennt, wie schon die Aeltern die Placenta die Lungen des Foetus nannten, oder endlich durch den Tod der Mutter, so macht das Kind instinc- tive Athembewegungen, um den Gasaustausch zu unterhalten, und so kommen die genannten Congestionen und Sugillationen schon in Utero zu Stande. Sehr beweisend für die Richtigkeit dieser Ansicht sind Heck er's vierzehn Fälle und Hooge- weo-'s Fall, in welchem die Kinder ganz unzweifelhaft vor der Geburt abgestorben waren, und alle Zeichen des Erstickungs- todes, namentlich zahlreiche Petechial - Sugillationen auf Herz und Lungen hatten, folglich bei instinetiven Athmungsversuchen im Uterus erstickt waren. Wir werden übrigens auf das Thema beim Vagitus uterinus zurückkommen.*) — 9) Ein sehr charac- teristisches Zeichen jedes Erstickungstodes, das unbegreiflicher- weise die meisten Lehrbücher theils gar nicht, theils nur beim Erstickungstode durch Ertrinken erwähnen, bietet das lumen des Kehlkopfes und der Luftröhre. Man findet nach jeder Art von Erstickung die Schleimhaut dieses Canals mehr oder we- niger injicirt, d. h. der Farbe nach zinnoberroth, von einzelnen dendritischen Stellen an bis zu ganz gleichmassiger derartiger Färbung der gesammfen Schleimhaut. Diese zinnober- oder krebsrothe Färbung ist nicht zu verwechseln mit der schmutzig kirschrothen, oder braunrothen Farbe, die jede Luftröhrenschleim- haut durch dieVerwesungs-Imbibition bekommt, worauf schon oben aufmerksam gemacht worden (§. 22. allg. Tbl. S. 51). Ausser- dem pflegt nicht zu fehlen der Befund von mehr oder weniger ♦) Vgl § 83. im spec. Theil. Mehrere neuste Obductionsfälle, Kinder betreffend, bei denen diese Petechial-Sugillationen gefunden wurden, s. bei Tardieu, Annales d'Eyg. 1855. Octoberheft. flüssigem Inhalt der Luftröhre, bestehend aus einem Gemenge von Luft, Schleim (Wasser) und Blut, in der Form einzelner kleiner Schaumbläschen bis zu der eines weisssehaumigen oder blutigschaumigen Gischts, der die Luftröhre ganz ausstopft. Die grössere oder geringere Menge dieses Inhaltes hängt na- mentlich davon ab, ob die Erstickung plötzlich oder allmälig erfolgte; in ersterm Falle, daher bei Strangulirten oder Erwürg- ten, findet man weniger, in letzterm, wo ein längerer Athem- kampf dem Tode vorangeht, wie nach Erstickungen in Kohlen- oxydgas oder unter Wasser, findet man reichlichere Schaummas- sen. Im Uebrigen mache ich darauf aufmerksam, dass man diesen Befund, auch wenn man ihn nicht im Canal der Luftröhre selbst findet, doch nicht gar selten in ihren Verästelungen antreffen wird, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man auf die noch unberührten Lungen drückt, wobei man den Schaum aus den Bronchien in die Luftröhre hinaufsteigen sehn wird. Doch giebt es Fälle, in denen die Luftröhre leer ist und leer bleibt, wenngleich sie die seitnern sind. §. 41. Fortsetzung. Zu diesen primären Sectionsresultaten gesellen sich anatomisch nothwendig die secundären, die Hyperämie in den Bauch- organen und in der Schädelhöhle. 10) Erstere kommt na- mentlich stark ausgeprägt in der aufsteigenden Hohlader vor, die sich ihres Blutes in das schon überfüllte und gelähmte Herz nicht entleeren konnte, und die man immer stärk, nicht selten wurstartig angefüllt findet. Aber auch alle übrigen Venen, na- mentlich die der Netze und Gekröse, sind hyperämisch. Be- treffend die Eingeweide habe ich in keinem, selbst nicht in der gewöhnlich sehr blutreichen Leber, die Hyperämie so beständig gefunden, als in den Nieren, deren Blutgehalt in allen andern Leichen nur ein sehr mässiger zu sein pflegt, bei Erstickten aber so stark ist, dass er der Aufmerksamkeit nicht entgehn wird. 11) Zu den secundären Sectionsergebnissen gehört fer- 30* ner eine Hyperämie in der Schädel höhle, in den Blutleitern sowohl als in den Gefässen der blutfiihrenden Hirnhäute und in den Gehirnen selbst, wegen gehinderten Rückflusses, also Schlagfluss zum Stickfluss gesellt. Aber diese Hyperämie kommt in sehr verschiedenen Graden vor, und ist oft sein we- nig in die Augen fallend. — AVeit weniger beständig als die angegebnen sind die Zeichen, welche die äussere Besichtigung für die Feststellung des zweifelhaften Erstickungstodes bietet. Wenn allgemein 12) das Gesicht der Leichen als mehr oder weniger blauroth, gedunsen, die Augen aus ihren Höhlen her- vorgedrängt geschildert werden, so versichern wir, dass dies Bild nur in den wenigsten Fällen den Originalen gleicht. In den bei weitem häufigsten unterscheidet sich Gesicht und Phy- siognomie der Leichen nach allen Arten des Erstickungstodes, und nicht bloss, wenn derselbe neuroparalytisch erfolgte, durch- aus in nichts von denen nach andern Todesarten! Was 13) die Vorlagerung und Einklemmung der Zunge zwischen den Zäh- nen oder Kiefern betrifft, die man überall als characteristisches Zeichen des Erstickungstodes aufgeführt findet, so habe ich be- reits früher*) darauf aufmerksam gemacht, dass dies Zeichen nichts weniger als dem Tode durch Suffocation eigentümlich ist ._ wenn gleich ich nicht läugne, dass es häufig danach ge- funden wird — denn es kommen sehr exquisite Fälle von Er- stickung vor, bei welchen man die Zungenspitze wie gewöhn- lich hinter den Zähnen findet, und andrerseits findet man sehr häufig Zungeneinklemmung auch nach ganz andern Todesarten, Verblutungen, Vergiftungen u. s. w., wofür die Casuistik in: diesem Buche Beweise genug liefert. Es ist deshalb auf dieses- Zeichen kein erheblicher Werth zu legen, eine Bemerkung, die bei zweifelhaftem, schwierig zu beurtheilenden Fällen, z. B, von Strangulation, ob vor, ob nach dem Tode erfolgt? grosser Wichtigkeit werden kann. Endlich U) ist des Schaum* von *) Gericht!. Leichenöffnungen, 3. Aufl. S. 155. vor dem Munde zu erwähnen, der allerdings recht oft an den Leichen von Erstickten aller Art wahrgenommen wird. Allein keinesweges ist dies immer der Fall, wie auch andrerseits all- bekannt ist, wie täglich man nach den allerverschiedensten, selbst ganz natürlichen Todesarten, und zwar durch den eintretenden Verwesungsprozess, als reines Leichenphänomen, Schaum vor den Mund treten sieht. Wenn es, wir wiederholen es, bei sorgfältig angestellter Section, nach den aufgezählten Befunden nicht schwierig ist, den Erstickungstod zu diagnosticiren, so gilt dies indess nur in Betreff von Leichen, die noch frisch oder nur erst ganz im Beginn der Verwesung begriffen sind. Ist letztere sehr vorge- schritten, wohl gar vollendet, so wird grade dieser Tod mehr als jeder Andere diagnostisch verdunkelt. Denn die Hyperä- mieen, wo sie auch Statt hatten, verschwinden mit dem sich An- fangs zersetzenden, später verdunstenden Blute; die überfüllt gewesenen Lungen, Herzhöhlen, Venen u. s. w. sind leer, und in dem hier so wichtigen Organ der Luftröhre verdeckt die chocoladenbraune oder kupferbraunrothe Verwesungsfarbe ihrer Schleimhaut die Gefässinjectionen, und ihr früherer schaumiger oder anderweitig flüssiger Inhalt ist gleichfalls verdunstet, und das Litmen ist leer, die Schleimhaut trocken. Aus diesen Grün- den ist es oft in der That bei sehr verwesten Leichen gar nicht mehr möglich, auch nur mit einiger Sicherheit festzustellen, ob der vermuthete Erstickungstod wirklich Statt gefunden hatte, oder nicht. §. 42. Eigene oder fremde Schuld? Wenn fremde Körper in die Luftwege gelangt und Ursache des Erstickungstodes geworden waren, so kann wohl der Lei- chenbefund, aber nur in den seltensten Fällen, Aufschluss dar- über geben, ob ein unglücklicher Zufall (z. B. eine Bohne tief in der Luftröhre bei einem Kinde steckend, eine im Schlaf auf den Kehldeckel hinunter gefallene künstliche Gaumenplatte und dergl.), oder selbstmörderische oder verbrecherische That eines Dritten den Tod veranlasst habe. In den meisten Fällen aber wird auch hier wieder, wie überall bei dieser Frage, die Goin- bination aller äussern Umstände, die dem Tode vorangingen, mehr Lieht geben müssen, als der Obductionsbefünd es ver- mag*). Die Erfahrung lehrt, dass in allen Ländern Selbstmord durch Verstopfen der Luftwege mit fremden Körpern zu den unerhörtesten Ereignissen gehört, und Selbstmord wird daher schon deshalb im vorkommenden Falle nur unter etwanigen ganz eigenthümlichen Umständen anzunehmen sein. Kindermord (an Neugebornen) auf diese Weise verübt, gehört dagegen kei- nesweges zu den seltensten Erscheinungen, wenn gleich jede andre Tödtung weit häufiger vorkommt. Wie schwierig die Entscheidung in solchen Fällen werden kann, dafür giebt der 201. Fall ein redendes Beispiel. — Ganz ähnliches gilt in Be- treff der zweiten, hier betrachteten Erstickungsart durch irres- pirable Gasarten. In Frankreich gehört der auf diese Weise ausgeführte Selbstmord, vorzüglich durch Kohlenoxyd- und durch schwefelsaures Gas zu den recht häufigen Selbstmordsarten, während er in Deutschland (und andern Ländern) fast gar nicht vorkommt. Die Art des tödtlichen Gases, wenn sie zu ermit- teln ist, was aus der blossen Leichenöffnung gewöhnlich nicht möglich, der Ort wo, und die Umstände, unter denen man die Leiche fand, die Verhältnisse des Menschen im Leben u. s. w. müssen zur Entscheidung der Frage herangezogen werden. In der gerichtsärztlichen Praxis kommen fast nur als tödtliche Gase vor: das Kohlenoxydgas, das sich beim Verbrennen der Mineral- wie der vegetabilischen Kohle entwickelt, das Stickstoff- und Wasserstoff-Gas, die nicht positiv schädliche Gase sind, sondern nur durch Sauerstoff-Mangel beim Athmen schaden, und das positiv schädliche, augenblicklich tödtende Schwefelwasserstoff- Gas (in alten Brunnen und in Cloaken, Abtrittsgruben u. dgl.). *) Vgl. spec. Thl. §§. 9., 14., 23., 37. Das kohlensaure durch Glottis-Krampf tödtende Gas, (in allen Gasbädern, in Räumen, in denen sich grosse Mengen gäh- render Flüssigkeiten befinden,) das Chlor-Gas, das Phosphor-, das Arsenik-Wasserstofi-Gas und ähnliche werden den Gerichts- arzt nicht leicht beschäftigen. Ich selbst habe nur Erfahrungen über Kohlenoxydgas, Schwefelwasserstoff- und kohlensaures Gas zu machen Gelegenheit gehabt. §. 43. Casuistik. 197., 198. und 199. Fall. Erstickung durch Einsturz eines Gebäudes. Drei Männer waren, in einer Kellerstube sitzend, durch das über ihnen plötzlich zusammenstürzende, so eben neu gebaute dreistöckige Haus getödtet worden. Nur Einer hatte eine eigentliche Verletzung, einen Bruch des rechten Oberschenkels, davon getragen, und die ge- meinschaftliche Todesursache war Erstickung gewesen. Der Aelteste von ihnen, G., 36 Jahre alt, war ein Mann von toroser Constitution. Die Leiche hatte ein zinnoberrothes, stark gedunsenes Gesicht; die Zunge lag hinter den Zähnen. Beide Lungen waren stark mit dunklem, flüssigem Blute gefüllt, das rechte Horz aber enthielt nur mässig viel, das linke noch weniger. Dagegen war der Erstickungstod in der Luftröhre exquisit ausgeprägt: denn die Schleimhaut des Kehlkopfs und der Luftröhre war durchweg hochroth gefärbt und der Canal fast ganz mit einem dunkel- blutigem Schaum ausgestopft. Ausserdem waren Leber, Milz und Gehirn ansehnlich congestiv mit Blut erfüllt, aber höchst auffallend beide Nieren, die von der strotzenden Anfüllung mit dunklem Blute fast schwarz an- zusehn waren (vergl. S. 467). Auch bei der zweiten Leiche, dem 25jäh- rigen Bruder des G. waren beide Nieren so strotzend mit flüssigem Blute angefüllt, dass dasselbe bei Längsschnitten in dieselben förmlich ausfloss. Die Zunge lag bei diesem Erstickten einen halben Zoll weit aus dem Munde vorgedrängt. Das Gesicht war blutroth und gedunsen. Im lumen der Luftröhre fand sich kein blutiger Schaum, aber eine leichte, helle Röthung der Schleimhaut. Hier waren aber die rechte Hälfte des Her- zens und die Kranzvenen sehr stark überfüllt, weniger die Lungen und die grossen Venenstämme des Unterleibes. — Der jüngste und schwächste der drei Körper, ein 20jähriger Geselle, zeigte gleichfalls ein blauroth gedunsenes Gesicht, und ebenfalls eine dunkle, geschwollene, drei Linien vor dio Ziihno gedrängte Zunge. Die Luftröhre war von derselben Be- schaffenheit, wie in der eben geschilderten Leiche, aber am meisten unt«;r allen drei Leichen waren hier die Lungen blutüberfüllt, und die Venen .des Unterleibs waren wahrhaft wurstartip; blutstrotzend. Beide Nieren, besonders aber die rechte, waren gleichfalls strotzend von Blut und eine Congestion im Gehirn sichtbar. 200. Fall. Tod durch Einstürzen einer Zimmer-Decke. Der folgende war ein.Fall, wo die Erstickung durch Neuroparalyse geschah (s. S. 460). Ein neunjähriger Knabe war in seinem Bette schlafend verschüttet worden, durch die über ihn einstürzende Decke, welche der Fussboden einer obern Kammer war, in welcher nasse Borke in Masse auf- geschichtet lag, mit welcher die Leiche vier Fuss hoch bedeckt gefunden ward. Kopf, Ohren und Backen waren blauroth, die Augen nicht promi- nirend, die Zunge aber mit der Spitze eingeklemmt. Die Hirnhäute und Gehirn waren nicht hyperämisch, am wenigsten fand sich Hirnhämorrhagie, aber die' Sinus waren ziemlich stark gefüllt. Die Lungen (der von Ver- wesung — im Juli — bereits an den Bauchdecken grün gefärbten Leiche) waren blutleer; im rechten Herzen fanden sich nur zwei Drachmen eines halbcoagulirten Blutes, das linke und die Kranzadern waren blutleer. Die Lungenarterie war nur massig gefüllt. (Die Thymusdrüse bei dem neunjährigen Kinde war noch sehr gross.) Die von der Verwesung schon kupferbraunrothe Luftröhre war leer. Bemerkenswerth aber war noch eine strotzende Anfüllung der grossen Bauchvene mit flüssigem, dunklem Blute. Es fanden sich also nur einige Zeichen des Todes durch Er- stickung, die nicht vollständig zu Stande gekommen war, wahrscheinlich weil allgemeine Neuroparalyse dem Leben noch plötzlicher ein Ende ge- macht hatte. 201. Fall. Erstickung eines Neugebornen durch Torf. Ob Zufall, ob Absicht? Wenn dieser Fall schon sehr denkwürdig ist, weil Erstickungen durch pulvrige Substanzen zu den allergrössten Seltenheiten gehören, so müssen wir auch deshalb noch ihn ausführlicher schildern, weil die Frage: ob Zufall oder absichtliche Tödtung vorlag? sehr schwierig zu entscheiden ■war. "Wie die Gesclvwornen ihrerseits dieselbe beantworteten, werde ioh unten mittheilen. — Am G. Juni Abends hatte die unverehelichte G. im Keller heimlich geboren, und sollte nach der polizeilichen Anzeige das Kind erstickt und dann verscharrt, und eine Kiste mit Kartoffeln darüber gesetzt haben. Die Hebamme A. hatte das Kind in der etwa 6 Zoll tiefen Grube mit dem Gesicht nach unten gekehrt und die Kiste darüber gestellt gefunden. Die Grube beschrieb dieselbe als mit lockerer Erde, Holzspähnen und Torfabgang angefüllt. Die Angeschuldigte räumte ein, dass das Kind nach der Geburt zwar gelebt, indem es mit den Händen und Füssen gezuckt, behauptete aber, dass es nicht geschrieen habe. Gleich nach der Entbindung wurde sie von ihrer Dienstherrschaft abge- rufen. „Ich legte deshalb, sagte sie, das Kind auf eine Stelle, wo sich kleiner Abgang von Torf befand, und zwar in eine kleine Vertiefung in der Nähe eines Kartoffelkastens, schob den Kasten zu und ging fort. Ich habe daher das Kind, weder eingegraben, noch mit irgend etwas be- deckt, noch weniger habe ich die Absicht gehabt, das Kind zu tödten." Sie wollte übrigens von der Geburt überrascht worden, und sollte dabei die Nabelschnur gerissen sein. Sie behauptete auch, das Kind „auf den Rücken, zum Theil etwas von der Seite1' in die Grube gelegt zu haben. Indess hatte auch ihr Dienstherr, der später das Kind herausnahm, das- selbe „auf dem Bauche liegend und Bauch und Gesicht von Erde ge- schwärzt" gefunden. Ein Arzt, der dasselbe gleichfalls an Ort und Stelle liegend gesehn, fand dasselbe „und meistentheils am ganzen Körper von Erde geschwärzt; der Mund des Kindes war etwas geöffnet und be- merkte man darin ein Stück schwarzer Erde oder Torf". Ausserdem wurde noch andre Erde in dem Munde des Kindes wahrgenommen. Am 9. verrichteten wir die gerichtliche Obduction der Leiche. Es war unzweifelhaft ein reifes und lebensfähiges (männliches) Kind gewesen. In der Mundhöhle fanden wir ein Stück Torf von der Grösse einer Hasel- nuss; die Zunge lag mit der Spitze anf den Kiefern. Bei der weitern Untersuchung ergab sich, „dass die ganze Mund- und Rachennöhle mit einem braunschwarzen Pulver, anscheinend ebenfalls Torf, vollständig aus- gefüllt war. Die Schleimhaut dieser Theile, wie die der Zunge, war weder geröthet, noch geschwollen, noch sugillirt". Auch beide Lippen waren schwarz von jenem Pulver. Die Todtenflecke fanden sich auf der Vorderfläche der Leiche, deren ganzer Körper übrigens mehr oder we- niger mit dem Pulver bedeckt war. Die pulvergeschwärzte Nabelschnur war nicht unterbunden und offenbar nicht zerschnitten, sondern zerrissen gewesen. Mitten auf der Stirn zeigte sich eine schwache, aber ächte, | Zoll lange, 3 Linien breite Sugillation. An der linken Halsseite fan- den sich mehrere einzelne, in einander fliessende, rothbräunliche, unsugil- lirto Flecke. Das Zwerchfell stand an der fünften Rippe. Die Bauch- organe zeigten keine irgend auffallende Blutmengc, auch die V. cava war nur massig gefüllt und die Harnblasr- vvar leer. Die Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes war hell geröthet und zeigte sich in letzterm „unter dem Kehldeckel eine schwarz-schmierige Masse von Hirse- korngrosse." Die Lungen füllten das Cavum fast aus und wogen mit dem Herzen 4 Loth £ Quentchen; ihre Farbe war durchweg hell zinno- berroth, hier und da bläulich marmorirt, Sie schwammen auf das Voll- ständigste, und ergaben bei Einschnitten deutlich knisterndes Geräusch und blutigen Schaum. Die Bronchien waren leer und vollkommen nor- mal. Das Herz 1 Loth und anderthalb Quentchen schwer, war in Kranz- venen und sämmtlichen Höhlen ganz blutleer. In den Choanen fand sich hier und da auf der Schleimhaut etwas schwarz-schmieriger Schleim. Die hintere Hälfte der Kopfschwarte war mit einer liniendicken Blut- sulze bedeckt; ähnliche inselartige Flecke fanden sich auf beiden Schei- telbeinen. Die unverletzten Schädelknochen waren ungewöhnlich blut- haltig, nicht aber die Hirnhäute und die Hirnsubstanz. Die Plexus wa- ren sehr bleich, die Sinus nur massig gefüllt. Die Reife des Kindes und sein Leben nach der Geburt konnten unzweifelhaft angenommen werden. Als Todesursache nahmen wir eine „plötzliche Hemmung des Blutumlaufes und zwar durch Verstopfen der Luftwege mit einem fremden Körper" an, und hoben die Wichtigkeit jenes Befundes hervor, der jenes Pulver, mit dem natürlichen Schleim gemischt, noch unter dem Kehldeckel und in den Choanen ergeben hatte. „Keineswegs, bemerkten wir weiter, macht sich in allen Fällen eine solche Hemmung durch Stick- oder Schlagfiuss geltend, wie es die ungemein zahlreichen Fälle von Erhän- gungstod beweisen, bei denen, bei unbezweifelter Hemmung des Luft- stromes weder suffocatorische, noch apoplectische Leichenbefunde ange- troffen werden*), sondern nur mehr negative Sectionsresultate, wie bei die- sem Kinde, aus denen man auf einen sogen. Nervenschlagfluss schliesst. Es könnte hier dem Zweifel Raum gegeben werden, ob nicht das Kind an einem solchem Nervenschlag anderweitig, z. B. durch den Eindruck der Kälte im Keller, bereits gestorben gewesen, und erst nach seinem Tode das Torfpulver irgendwie in dessen Luftwege gerathen sei. Eine solche Annahme aber wird vollständig widerlegt durch den Befund von solchem Pulver in den Choanen und im Kehlkopfe, wohinein dasselbe nur unbe- streitbar durch eine und zwar tiefere Einathmung gelangt sein konnte, *) Vgl. §. 49. sp. Tbl, so dass das Kind noch gelebt haben inusste, als die Luftwege mit dem fremden Korper in Berührung kamen. Schwieriger aber ist die Bestim- mungu (wonach wir ausdrücklich gefragt waren), „ob das Pulver durch Absicht oder durch Zufall in die Luftwege gelangt sei? Spuren, die auf eine gewaltsame Behandlung des Kindes deuten, sind wenig oder gar nicht vorgefunden worden. Der Befund von blutiger Sülze an der Kopf- schwarte und auf den Scheitelbeinen kann hierhin nicht gerechnet werden, da er sehr häufig als blosses Product der Entbindung bei Neugebornen vorkommt. Eben so legen wir keinen Werth auf den schwach sugillirten Fleck an der Stirn, da derselbe aus der Lage des Kindes mit dem Ge- sicht in der kleinen Grube, wie es unverdächtige Zeugen gesehn haben, leicht erklärlich ist, wie seinerseits dieser Befund die Aussagen der Zeu- gen bestätigt und die der Inculpatin widerlegt, wenn sie behauptet, das Kind auf den Rücken gelegt zu haben. Verdächtiger sind die rothbräun- lichen Flecke an der linken Seite des Halses, die allenfalls von Finger- eindrücken herrührend gelten könnten, während aber auch die Annahme, dass harte Torfstückchen, Sägespäne u. dgl. hier eingewirkt, vollkommen haltbar ist. Es bedarf indess aller solcher Spuren gar nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, dass nicht durch blossen Zufall das Aus- stopfen des Muudes u. s. w. geschehen sei. Es ist nämlich nicht zu läugnen, dass das Kind sterben konnte, wenn es bloss in eine Grube, wie die ge- schilderte, gelegt worden und liegen geblieben wäre, nicht zu läugnen, dass in diesem Falle etwas weniges Erde, Torfpulver u. dgl. durch die letzten Athemzüge habe in den Mund gelangen können. Es ist aber nicht anzunehmen, dass eine so vollständige, und so tief hinein bis in die Choanen, ja bis in den Kehlkopf dringende Anfüllung mit dem fremden Körper auf eine blos zufällige und gleichsam negative Weise habe erfolgen können. Vielmehr zeigt letzterer Befund, dass Erde bereits bis hinten in die Rachenhöhle^ wohin sie eben nicht zufällig gelangen konnte, gedrungen gewesen war, als vom Kinde noch Athmungs- versuche gemacht wurden, durch welche nunmehr noch das Pulver bis in den Kehlkopf hineingezogen wurde." Hiernach nahmen wir an: dass das Verstopfen nicht auf negativ-zufällige, sondern auf absichtliche Weise herbeigeführt worden sei. — Die Geschwornen sprachen auch hier wie- der ein merkwürdiges Verdict. Sie bejahten die- Schuldfrage, unser Gut- achten annehmend, bejahten nämlich, dass die Angeschuldigte absichtlich dem Kinde Erde u. s. w. in den Mund gestopft habe, aber — sie ver- neinten die Absicht, das sie das Kind dadurch habe tödten wollen, und sie wurde freigesprochen! Das Urtheil wurde vernichtet, die Sache vor ein neues Schwurgericht gebracht, und von diesem die Thäterin zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurtheilt. 202. Fall Erstickung eines Kindes durch einen Zulp. Ob Zufall, oder Absicht, oder Fahrlässigkeit? Auch der folgende war einer der seltnen Fälle von Ersticken durch Ausstopfen der Luftwege mittelst eines fremden Körpers. Das höchst abgezehrte und bereits durchgelegene drei Monate alte (weibliche) Kind einer unehelichen Mutter, das diese selbst verpflegte, war im August todt im Bette gefunden worden, nachdem die Mutter, auf ihre Arbeit gehend, dasselbe allein im Zimmer zurükgelassen hatte, und die gericht- liche Obduction wurde verfügt. Bei Untersuchung der Mundhöhle fanden wir einen 1£ Zoll langen und einen halben Zoll dicken sog. Lutschbeutel (Zulp), der mit Semmelbrei gefüllt war, die ganze Rachenhöhle ausfül- lend. In Form eines spitzen Winkels zeigte sich an der Zungenwurzel eine schmutzig-livide, rothbläuliche, weich zu schneidende, und nicht su- gillirte Marke, und genau eiue eben solche fand sich über ihr auf der Schleimhaut des harten Gaumens. Zunge und Lippen waren nicht ge- schwollen, erstere nicht hervorragend, und auch im Schlundkopf wie in den Choanen, fand sich nichts Abnormes. Die Luftröhre und der Kehl- kopf waren in der noch recht frischen Leiche bleich, nur hier und da schwach dentritisch injicirt, und ganz leer, beim Druck auf die Lungen liess sich aber etwas grossblasiger, schleimiger Schaum (nicht Gischt oder blutiger Schaum) in die Trachea hinaufdrücken. Die dem Aeussern nach nicht auffallenden Lungen waren blutarm, ebenso die Lungenarterie und das rechte Herz, dessen linke Hälfte und Kranzvenen ganz blutleer erschienen. Auch im ganzen Unterleibe, wie in der Schädelhöhle, war ein anämischer Zustand das einzige Bemerkenswerthe. Die Farbe des ziemlich flüssigen Blutes war dunkel. Wir nahmen Tod durch Neuroparalyse an, und dass dieser Nervenschlag ■ in Folge einer Erstickung durch den vorgefundenen fremden Körper bedingt worden sei. Die Frage : ob an- zunehmen, dass der Zulp durch Zufall oder absichtlich an den Ort ge- langt sei, an welchen er gefunden worden ? konnten wir nicht anders, als da- hin beantworten: dass kein Beweis für ein absichtlich tiefes Hineinstecken vorliege, und dass es sehr wohl möglich, dass das fettig-schleimige Säck- chen, das Anfangs nur zwischen die Lippen des Kindes in die vordere Mundhöhle gesteckt worden, durch Saugbewegungen desselben und seine eigene Schwere nach hinten hin gelangt sei. Dass durch den Druck des fremden Körpers keine eigentliche Sugillation zu Stande gekommen, war aus dem, nothwendig als plötzlieh erfolgt anzunehmenden Tode erklär- lich o-enu>T. Aber so wie die Marke erschien, war sie dennoch ein deut- licher Beweis dafür, dass das Säckchen nicht etwa erst nach dem Tode hineingestopft gewesen sein konnte, eine Annahme, die ohne diesen Be- fund bei dem ganz negativen Resultat der Obduction nicht hätte von der Hand gewiesen werden können. Es war uns aber noch die Frage vor- gelegt worden : ob die Angeschuldigte durch Fahrlässigkeit den Tod des Kindes herbeigeführt gehabt habe? „Es könnte dies, sagten wir, bezo- gen werden a) auf die Einbringung des Lutschbeutels, aber auch b) auf die allgemeine Behandlung und Verpflegung des Kindes. Ad a ist nicht in Abrede zu stellen, dass bei einer Lagerung des Kindes zwischen einem zusammengeklappten Kopfkissen unter ein über den Kopf weggehen- des Laken, wodurch das Athmen nur noch mehr erschwert wurde, nach- dem dem Kinde vorher ein Lutschbeutel in den Mund gelegt worden, die Angeschuldigte sich die Möglichkeit einer Verunglückung des Kin des während ihrer Abwesenheit hätte vorhalten müssen. Es ist indess zu erwähnen, dass ein Verfahren, wie dieses, sich täglich hundertfältig, ohne solche Folgen zu haben, ereignet, und da es sich hiernach nur um Charactereigenthümlichkeiten, Leichtsinn u. dgl. der Inc. handelt, so müssen Obducenten diesen Theil der Frage anderweitiger Beurtheilung anheim- geben. Ad b steht es unzweifelhaft fest, dass die W. das Kind höchst unreinlich gehalten, und somit eine Hauptbedingung zum Gedeihen des Kindes vernachlässigt habe. Weniger constirt über das Maass seiner Er- nährung, wobei wir besonders darauf aufmerksam machen, dass die De- position, dass das Kind Nachts nichts Warmes bekommen habe, ganz un- erheblich ist, da es durchaus nicht nöthig ist, dass kleine Kinder auch Nachts grade warme Milch bekommen, und dies auch in unzähligen Fäl- len und bei der besten Pflege nicht geschieht. Gewiss aber ist, dass das Kind von uns ,, „sehr abgemagert" " und mit durchgelegenen Stellen gefunden worden ist. In Betreff des ersten Befundes ist nicht zweifellos auf eine ungenügende Ernährung zu schliessen, weil auch bei einer sorg- fältigem, durch innere, durch die Obduction nicht nachweisbare Krank- heitsursachen, ein Zustand schleichender Abzehrung gesetzt worden sein konnte, wie dies die ärztliche Praxis in den Häusern der wohlhabend- sten Klassen beweist; dagegen beweist das Durchliegen einen hohen Grad von, auch anderweitig festgestellter Vernachlässigung der allgemeinen Pflege, namentlich und vorzugsweise der Reinlichkeit und des oft wieder- holten lange Liegenlassens des kleinen Kindes auf einer und derselben Stelle, auch in seinem Unrath u. s. w., unter welchen Umständen, zumal bei magern Körpern gern Durchliegen entsteht. An diesen Ursachen, einer, wenn auch nicht nothwendig anzunehmenden, aber doch -wahr- scheinlichen, mangelhaften Ernährung und an der festgestellten Vernach- lässigung der Reinlichkeitspflege, resp. dorn, dadurch mitbedingten Durch- liegen, würde das Kind ohne Zweifel in nicht ferner Zeit zu Grunde ge- gangen sein, wie die statistische Erfahrung die unverhältnissmässige Sterb- lichkeit von Kindern grade dieser Art und dieses Ursprungs zur Genüge darthut. Da aber der wirkliche Tod des Kindes auf andre Art erfolgt ist, so müssen wir die Frage, mit Rücksicht auf alle vorstehenden Er- örterungen dahin beantworten: dass aus medicinis chen Gründen nicht anzunehmen, dass der Tod des Kindes (an Nervenschlag durch Erstik- kung mittelst des Lutschbeutels) durch Fahrlässigkeit der Angeschuldig- ten herbeigeführt worden sei." 203. bis 214. Fall. Zwölf Fälle von Erstickung von Säuglingen im Bette. Nach unserm frühern Strafrecht war es Müttern und Ammen bei Ge- fängnissstrafe verboten, Kinder unter zwei Jahren Nachts zu sich ins Bett zu nehmen. Contraventionen gegen dies eigenthümliche Gesetz kamen natürlich häufig vor. Das neue Strafgesetzbuch kennt dies Vergehn nicht mehr. Die Staatsanwaltschaften verfolgen aber tödtlich gewordene Un- vorsichtigkeiten dieser Art als Tödturigen durch Fahrlässigkeit (nach §. 184 des Strafgesetzbuchs) und auf diese Weise haben wir jetzt, wie früher, immer wieder von Zeit zu Zeit derartige gerichtliche Obductions- fälle zu behandeln. Die Kinder sterben in solchem Falle entweder, indem sie an der Brust der stillenden Mutter oder Amme einschlafen, oft noch die Warze im Munde haltend, oder sie drücken sich im Schlafe an der Brust oder au andern Körpertheilen der Mutter, oder sie gerathen, wäh- rend auch die Mutter einschlief, unter die Betten und ersticken auf die verschiedenen, beim Erstickungstode vorkommenden Arten um so leichter, als sie sich gewöhnlich erst noch satt und voll getrunken hatten. — 203) Ein drei Monate altes Mädchen war des Morgens im Bette der Mutter todt gefnnden worden. Ausser den gewöhnlichen Zeichen des Erstickungs- todes fanden sich die oben (S. 464) geschilderten Petechial-Sugillationen in unzähliger Menge auf Herz, Aortenbogen und rechter Lunge, die das Aussehn hatten, als wären Schreibfedern darauf ausgesprützt worden. Die Zunge lag zwischen den Kiefern, der Magen war halb mit gekäster Milch angefüllt und die Luftröhre enthielt blutigen Schaum. — 204) Auch bei einem einen Monat alten Mädchen, das, ohne Tille Spuren äusserer Gewalt, im Bett der Amme todt gefunden worden war, waren die Er- stickungsbefunde sehr deutlich ausgeprägt. Das ganze Herz hatte sogar eine dunkelblaue Färbung und in dieser waren noch zahlreiche Petechial- Sugillationen auf der Oberflache des Organs, so wie auch unter beiden, besonders unter der linken Lungenpleura wahrzunehmen. Die Milz war bedeutend hyperämisch, die Nieren aber in diesem Falle weniger. Die Lungen waren mit dunklem, dickflüssigem Blute strotzend, die Luftröhre sehr mit einem blutigen Schaum angefüllt. Die Zunge lag drei Linien weit vor den Kiefern. Auch in diesem Falle enthielt der Magen ge- ronnene Milch. — 205) Ganz ähnliches ergab die Section eines zwei Mo- nate alten Mädchens, das im Bette seiner Mutter erstickt war. Ich führe, mit Uebergehung der übrigen suffocatorischen Zeichen, nur an, dass auch hier die Oberfläche des Herzens wie gesprenkelt erschien. Das Lumen der Luftröhre war mit hellröthlichem Schaum angefüllt, ihre Schleimhaut hellroth. Das Kind hatte sich ganz satt getrunken, denn der Magen war ganz mit gekäster Milch angefüllt. Dass eine solche Ueberfüllung den Erstickungstod unter ähnlichen Umständen nur sehr begünstigen muss, ist unzweifelhaft und ich bin überzeugt, dass diese Todesart kleiner Säug- linge noch weit häufiger vorkommt, als sie zur richterlichen Cognition gelangt. Auch den Hausärzten mag die Veranlassung aus begreiflichen Gründen oft genug verschwiegen werden, und dann gelangt der Todes- fall in die amtlichen Listen unter der Rubrik „ Krämpfe" u. dgl. Im Uebrigen zeigten sich bei dem Kinde quaest. Todtenflecke auf Schaamthei- len und Vorderfläche der Oberschenkel, und ich schloss daraus, dass das Kind, nachdem es gesäugt hatte, auf dem Leibe der Mutter eingeschlafen liegen geblieben und erstickt worden sei, was später die Mutter voll- ständig bestätigte. Das foramen ovale war bei dem zweimonatlichen Kinde noch ganz offen. — 206) Ganz dasselbe fand ich bei einem zwei Monate alten Knaben, der Morgens bei seiner Mutter todt im Bett ge- funden worden war. In diesem, so wie 207) in einem andern Falle von einem neun Monate alten Mädchen, das man im Bett der Mutter todt ge- funden hatte, ergab sich indess Schlagfluss, nicht Erstickung, als Todes- art. — 208) In diesem einen Falle, wo abermals ein sechs Wochen altes Mädchen von der nährenden Mutter gesund ins Bett genommen, und am andern Morgen todt gefunden worden war, ergab sich ein völlig negativer Sectionsbefund, namentlich weder Hyperämie in der Brust- noch in der Bauch- oder Schädelhöhle, völlige Leere und normale Beschaffenheit der Luftröhre u. s. w. und wir mussten Neuroparalyse als Todesursache annehmen. — Dagegen war 209) bei einem vier Wochen alten, unter ganz gleichen Umständen Nachts verstorbenen Knaben die Erstickung unter der Form der Pulmonal-Apopiexie wieder sehr deutlich ausgeprägt. Die rechte Lunge war übersät mit Petechial-Sugillationen, weniger stark war es die linke und das Herz ; beide Lungen hatten nicht die hellrosenroth- marmorirte Farbe dieses Lebensalters, sondern waren hyperämisch-dunkel- blauroth, wogegen das rechte Herz nur sehr wenig, das linke gar kein Blut enthielt, die Scliädelliöhle nur einen massigen und gewöhnlichen Blutgehalt zeigte, und die etwas geröthete Luftröhre leer war. — 210) Ganz ähnlich war der Befund bei einem erst neun Tage alten Knaben, der um drei Uhr Nachts von seiner geisteskranken Mutter im Bette gestillt und um sechs Uhr todt bei ihr gefunden worden war. Auch hier fand sich die Form der Lungenapoplexie. Die Zunge lag hinter den Kiefern, die Luftröhre der noch sehr frischen Leiche war leer und nur an einzelnen Stellen inselartig und schwach sugillirt, die Lungen sehr stark mit dick- flüssigem, dunklem Blute angefüllt, beide untere Lungenlappen mit Pete- chial-Sugillationen bedeckt, die Farbe der Lungen dunkelbraunroth, schwach marmorirt, die grossen Gefässe stark gefüllt, das Herz aber nur in den Atrien etwas Blut enthaltend. Der Magen war halb mit Milch gefüllt. Leber, Nieren und Hohlvene sehr hyperämisch. In der Schädel- höhle hatten nur die Sinus einen merklichen Blutgehalt. — 211) Ein sel- tener und eigentümlicher Befund in der Luftröhre zeigte sich bei einem sechs Tage alten männlichen Kinde, das man im Bette der Mutter todt gefunden hatte. Die Schleimhaut desselben war nämlich sehr stark in- jicirt, enthielt aber nicht Schaum, sondern einen liniendicken Faden ge- ronnenen Blutes. Ueber die Lage des Kindes beim Tode gaben die platt- gedrückte Nase und die Todtenflecke im Gesicht klaren Aufschluss. Das Gehirn und die Sinus zeigten nicht nur hyperämische Congestion, sondern, was unter diesen Umständen äusserst selten, wirkliche Hämor- rhagie, denn ein liniendicker Erguss von geronnenem Blute lag über dem ganzen Gehirnzelt verbreitet. Die Lungen waren dunkelrothblau, sehr blutreich, aber, wie in allen vorigen Fällen, noch schwimmfähig; die grossen Bruststämme sehr voll mit einem dunklem und flüssigem Blut. Das Herz, selbst das rechte, war nur massig blutreich, der Magen ganz strotzend mit gekäster Milch ausgefüllt, Därme und Blase leer. — 213) Wieder Lungen- und Herzschlag war die Form der Erstickung, die einen drei Monate alten Knaben auf die eben hier betrachtete Weise getödtet hatte. Die Leiche war durch Eis so frisch erhalten worden, dass sie 6 Tage nach dem Tode bei der Section, bei sehr milder December-Witte- rung + 3° R., noch nicht die geringste Verwesungsspur zeigte. Mässige Blutfülle im Kopfe; Kehlkopf und Luftröhre ganz leer, letztere leicht injicirt; das Blut dickflüssig; die Lungen dunkelbraunroth und sehr hyper- ämisch; das rechte Herz sehr stark gefüllt, das liuke leer; starke Blut- fiille in den Venen und Organen der Bauchhöhle und der Magen auch hier wieder ganz strotzend mit halbgekäster Milch gefüllt. — 213) Der sehr interessante Fall erfordert eine etwas ausführlichere Mittheilung. In der Nacht vom 12. bis 13. November starb ohne erhebliche vorangegan- gene Krankheit das am 10. ej. früh 2 Uhr geborne, also zwei Tage alte Kind der verehelichten H., welches sie zu sich ins Bett genommen hatte. Um 7 Uhr hatte eine Zeugin das Kind, ein Mädchen, noch lebend aus dem Bette der Mutter genommen, wobei sie dasselbe so heiser fand, dass es „keine Stimme zum Schreien hatte". Die Mutter gab an, dass sie es Nachts wieder zu sich ins Bett genommen, und zwar, um es rascher zu erwärmen, es in ihren Arm und dicht an den Körper gelegt habe. Um früh 4 Uhr fand sie das Kind todt. Die gerichtliche Obduction hat folgende wesentliche Ergebnisse geliefert. Das Kind, reif geboren, hatte die gewöhnliche Leichenfarbe, und am Unterleibe war anfangende Ver- wesung bereits sichtbar. Die Augen prominirten nicht, und die Zunge lag hinter den Kiefern. Beide Lippen waren schwarzblau, hart zu schnei- den, und.zeigten eine geringe Sugillation. Anderweitige äussere Ver- letzungen waren nicht wahrzunehmen. Das Zwerchfell stand hoch, zwi- schen der 4ten und 5ten Kippe. Ausser einer starken Anfüllung der V. cava bot die Bauchhöhle nichts Auffallendes dar. In der Brust füll- ten beide Lungen die Brusthöhle aus. Ihre Farbe war eine hellbräun- lich-rothe und durchweg ziemlich dieselbe. Sie wogen mit dem Herzen nicht weniger als acht Loth. Der Liquor Pericardii war blutig. Bei genauer Besichtigung der Lungen zeigten sich auch hier wieder Petechial- Sugillationen in der Pleura, mit denen auch das, in seinen Kranzadern strotzende (zwei Loth schwere) Herz auf seiner ganzen Oberfläche be- setzt war. In diesem Falle waren diese Petechial-Sugillationen so zahl- reich, wie ich sie nie früher gesehn. — Die Lungen, mit dem Herzen noch verbunden, schwammen zwar, zeigten jedoch eine Neigung zum Sin- ken. Vom Herzen getrennt, schwamm die linke Lunge vollstän- dig, bis in ihre kleinsten Stückchen, während die rechte Lunge vollständig untersank, und wie sich später ergab, nur Ein bohnengrosses Stück derselben sich auf dem Wasser schwimmend erhielt. Einschnitte in beide Lungen hatten schon vorher zischendes Geräusch und eine grosse und ganz ungewöhnliche Menge eines dunklen, schäu- menden Blutes ergeben. Die unter Wasser gedrückten eingeschnittenen Parthieenliessen aus der linken Lunge perlende Luftbläschen emporsteigen, aus der rechten nicht. Die Luftröhre war leer, und ihre Schleimhaut leicht injicirt. Das Herz hatte in beiden Hälften, vorzugsweise in der Ca»per, gerichlL Mcdicin. rechten, dunkles und geronnenes Blut. Im Kopfe fand sich nur in den Gelassen der pia maier und in den Sinus eine sichtliche Hyperämie. Das Gutachten konnte nicht zweifelhaft sein, wie es in allen vorstellen- den Fällen nicht schwierig war. Der Erstickungstod lag klar vor, und es war um so mehr anzunehmen, dass er auf die von der Mutter angegebne Weise wirklich erfolgt war, als der behandelnde Arzt das Kind „als von Hause aus mit einer gewissen Brustschwäche behaftet", als ferner die Zeugin, wie bemerkt, es am Abend vor dem Tode so ungewöhnlich heiser befunden hatte, und als endlich der Sectionsbefund an den Lippen darauf hinwies, dass hjer ein Druck stattgefunden haben musste, und zwar gewiss durch die Brust der stillenden Mutter, an welche auch dies Kind, wie alle andern in ähnlichen Fällen, liegend und saugend, den Tod durch Luftmangel gestorben war. Für die Lehre von der Athemprobe war der Fall ausserdem, wenn auch nicht neu und unerhört, dennoch gewiss denkwürdig. — 214) Ein bereits zehn Wochen alter Knabe war im Schlafe mit Betten bedeckt worden und darunter gestorben. Gesicht, Lippen, Zahnfleisch und Zunge waren sehr bleich, obgleich die pia ma- ter und die Sinus ziemlich hyperämisch gefundeu wurden. Die Todes- ursache war Hyperämie der rechten Lunge und Lungenarterie, welche letztere strotzend mit dunklem und flüssigem Blute angefüllt war. Auch beide Herzhälften, vorzüglich der rechte Vorhof, waren auffallend gefüllt. Die Luftröhre ganz bleich und leer. Auch hier war der Magen mit ge- käster Milch angefüllt. Von den übrigen Baucheingeweiden zeichneten sich die verhältnissmässig grosse Milz und Leber durch hyperämische An- füllung aus, wogegen die V. Cava nur massig gefüllt gefunden wurde. 215. Fall. Erstickung in Kohlenoxydgas. Ein 30jähriger Mann war der Gegenstand des Falls. Die Umstände machten einen absichtlichen Selbstmord wahrscheinlich. Der ganze Kopf der Leiche war sehr roth von Todtenflecken (nicht Sngillationen). Die Zunge lag auch hier, bei dem so sehr ausgeprägten Erstickungstode, hinter den Zähnen. Die Schädelknochen waren wie das gesammte Gehirn ungewöhnlich hyperämisch, die Si?ius mit einem dünnflüssigem Blute stark gefüllt. Die Schleimhaut des Kehlkopfs und der Luftröhre war durch- weg zinnoberroth von Injection der Gefässe, und ihr Lumen vollständig ausgestopft mit einem weissen Schaum. Die Lungen zeigten sich äusserst blutreich und waren die Bronchien bis in ihre letzten Verästelungen mit eben jenem Schaum ausgefüllt. Viel dunkles und flüssiges Blut enthielt die Lungenarterie, das reahte Herz viel halbgeronnenes Blnt, das linke war fast leer. Auch liier war wieder die aufsteigende V. CdVO, ganz strotzend, und sichtliche Blutstockungen in allen Bauchorganen vorhanden. 216. Fall. Erstickung über einem Kohlenbecken in Kohlenoxydgas. Eine 74jährige Frau hatte sich angetrunken im Winter im Knieen mit dem Kopfe über ein Becken mit glühenden Kohlen gelegt um sich zu erwärmen, und war wahrcheinlich bald besinnungslos geworden und erstickt. Die Conjunciwa war in beiden Augen zinnoberroth und wirk- lieh sugillirt, woran aber wohl die Hitze der Kohlen mehr Antheil ge- habt haben mochte, als der Erstickungstod. Die Zunge war einige Li- nien breit vor den Zähnen gelagert. Das platt gedrückte Gesicht, die Todtenflecke an der ganzen vordem Körperfläche und der fleckenlose Rücken erwiesen deutlich, dass denala beim Sterben auf den Bauch ge- fallen und so bis zum Auffinden liegen geblieben war. Der Körper war biegsam und im harten December doch schon am Unterleib verwesungs- grün gefärbt. Die blutführenden Hirnhäute und sämmtliche Sinns waren in hohem Grade mit dunklem, flüssigem Blut gefüllt und auch die Sub- stanz des Gehirns war sehr blutreich. Der Befund in der Luftröhre, die allerdings schaumleer war, konnte nichts beweisen, denn sie hatte bereits die kupferrothbraune Verwesungsfarbe, auf die icli schon aufmerksam ge- macht habe. Die Lungen waren dunkel und strotzend mit einem bluti- gen Schaum gefüllt, so dass sie die Brusthöhle fast wie nach dem Ertrin- kungstode vollkommen ausfüllten. Ebenso in wahrhaft seltnem Grade hyperämisch waren die Gefässstämme der Brust und das rechte Herz wie seine Kranzvenen, während das linke nur äusserst wenig Blut enthielt. Auch hier schwammen in der sehr flüssigen Herzblutmasse Gerinnsel um- her. Die Bauchvenen und Organe zeichneten sich nicht durch auffallende Hyperämie aus. 217. und 218. Fall. Erstickung in Kohlenoxydgas. a) Bei — 12» R. war die Leiche des 30jährigen Mannes am drit- ten Tage nach dem Tode noch sehr frisch und wir fanden in diesem Falle noch Leichenstarre. Das Gesicht war bleich, aber mit angetrocknetem Nasenblute besudelt, die Augen keineswegs hervorgetrieben, die Zungen- 31 * spitze leicht eingeklemmt. Keine Hyperämie im Schädel; die Lungen schieferblaugrau, also normal von Anselm, nicht hyporämisch aber sehr ödematös. Im linken Herzen einen Theelöfiel. im rechten zwei Esslöffel eines dunklen, wasserdünnflüssigen Blutes, von welchem auch die grossen Bruststämme strotzten. Die Schleimhaut des Kehlkopfs und der Luft- röhre war wie mit Zinnober angestrichen, und mit der Lupe Hessen sich die Injectionen sehr deutlich wahrnehmen. Auf dieser Schleimhaut lag eine dünne Lage hellblutigen Schaums, der sich beim Drucke auf die Lungen in grossen Mengen in die Luftrohre hinaufdrücken Hess. Die Leber blutreich, die ganze Magenschleimhaut war sichtlich injicirt, ihre Falten stark erhoben und purpurroth. Der Dünndarm hatte die hell- rÖthliche Farbe der Cholera-Därme. Nieren, V. Cava, Mesenterialvenen mit dunklem, flüssigem Blute äusserst stark gefüllt. b) Durchaus der- selbe Befund, mit einziger Ausnahme des hellblutigen Schaums in der auoh hier wie mit Zinnober ausgestrichenen Luftröhre, ergab sich bei einem 28jährigen Färber, der im Januar 18— im Bette in Kohlenoxyd- gas erstickt war, und vier Tage nach dem Tode (bei + 2 R.) bei noch vorhandner Leichenstarre obducirt wurde. Nur die Falten der Magen- schleimhaut waren hier nicht erhoben und purpurroth, vielmehr bleich und normal, und das Blut hatte mehr eine kirschrothe, als eine schwarz- rothe Farbe. 219. und 220. Fall. Erstickung eines Ehepaars in Kohlenoxydgas. Am vierten Tage nach dem Tode im November, bei — 2 bis + 3° R. wurden uns' die Leichen eines Ehepaars vorgelegt, das in der ärm- lichen Schlafkammer todt gefunden worden war, nachdem die Leute noch am Abend vorher gesund gesehn worden. Sie hatten sich, um sich zu erwärmen, ein Kohlenbecken mit glühenden Kohlen auf den Tisch gesetzt, dessen Dunst schon die Nachbarn im anstossenden Zimmer zu belästigen angefangen hatte, von denen zwei, wie wir später erfuhren, schwindlich geworden waren, aber durch Oeffnen der Thür sich bald erholt hatten. Von dem alten Ehepaar hörte man nichts mehr, bis man den 60jährigen Mann und die etwa 56jährige Frau am Morgen todt fand, den Mann im Bette, die Frau noch am Tische in der Nähe der verglommenen Kohlen sitzend. Der auffallend verschiedene Verwesungsgrad der beiden Körper, die unter so ganz gleichen Verhältnissen gelebt hatten und gestorben waren, die auch ziemlich in gleichem Alter und beide organisch gesund gewesen waren, ist ein neuer Beweis für das, was über die unbekannten individuellen Bedingungen der Fortschritte der Verwesung schon oben (§. 14. S. 37) hervorgehoben worden. Die Bauchdecken des Mannes waren schon ganz grün, die Luftröhre verwesungsbraunroth gefärbt, während die Leiche der Frau vollkommen frisch war. Die Bettwärme, die bei dem Manne doch jedenfalls nur wenige Stunden wirksam gewesen war, kann natürlich eine Erklärung dieses Unterschiedes nicht abgeben. Die Augen beider Leichen waren geschlossen, der Gesichtsausdruck der eines ruhig Schla- fenden. Die Zunge des Mannes lag hinter den Kiefern. Die ganze Kopfhöhle zeigte eine sichtliche Anämie. Kehlkopf und Luftröhre waren ganz leer. Die Lungen waren normal gefärbt, mässig bluthaltig und lei- chenödematös. Das Herz enthielt in allen vier Höhlen eine geringe Menge dünnflüssigen Bluts. Aber auch die grossen Gefässe enthielten nur weniges, theilweise flüssiges, theils geronnenes Blut. Die Blut- körperchen (in beiden Leichen) zeigten in keiner Weise etwas Abnormes. Leber, Milz und Nieren waren auffallend anämisch; die innere Magen- fläche ganz normal, der Magen leer. Auch die Därme zeigten weder Stasen, noch ungewöhnliche Färbung und die Hohlader enthielt nur wenig, ziemlich dickflüssiges Blut. Dieser ganz negative Leichenbefund war gewiss auffallend und nicht gewöhnlich. Dagegen fanden sich bei der Frau die Sectionsresultate positiver ausgeprägt. Die Zunge lag auch hier hinter den Zähnen, das Gehirn, die Sinus waren auch hier sehr anämisch. Die bleiche Luftröhre, die keine Injection wahrnehmen liess, war leer, doch liess sich beim Drücken der Lungen blasiges Wasser hinein drücken. Beide Lungen waren anämisch. Das rechte Herz strotzte auffallend von sehr dunklem, dickflüssigem, halbgeronnenem Blute, von dem das linke Herz nur einen Theelöffel enthielt; aber auch die grossen Bruststämme waren ganz mit diesem Blute angestaut. Von der Bauchhöhle bemerke ich nur, dass der normale Magen einen Esslöffel gelblicher Flüssigkeit enthielt, und dass die untere Hohlvene, wie alle Organe, nur einen dürf- tigen Blutgehalt zeigte. 221. Fall. Erstickung in kohlensaurem und S ch we f el wa s s e r s to f f gas e. In einem sehr seltnen und grässlichen Unglück wurden zehn kräftige Männer durch ein tödtliches Gas vergiftet; nur vier von ihnen wurden nach kürzerer oder längerer Krankheit hergestellt, während sechs auf der Stelle todt blieben. In einer hiesigen grossen Lohgerberei hatte sich ein, zum Maceriren der Häute bestimmter, neu angelegter, nach Art der Brunnenkessel in die Erde eingesenkter Kasten von starken Bohlen von 10 Fuss Tiefe und 7 Fuss im Gevierte, der noch ganz leer und nicht benutzt worden war, allmählig emporgehoben. Man vermutliete, dass dies in Folge des steigenden Grundwassers in dem in der Gegend sehr sumpligen Erdroich geschehen sei, und Hess den Boden des Kastens, der übrigens oben vollkommen offen und unbedeckt war, anbohren. Die Bohröffnung betrug etwa 3 Zoll im Durchmesser. Augenblicklich ström- ten Massen von stinkendem Wasser in den Kasten. Einer der Loh^er- bergesellen stieg mit der Leiter hinunter, und schöpfte ungefähr zehn Minuten lang das Wasser aus, als er plötzlich zusammenknickte und todt war. Ein zweiter, der ihn zu retten hinabgestiegen war, sank, unten angekommen, gleich todt zusammen. Eben so ein Dritter. Nun stieg der Meister, ein junger, kräftiger Mann, hinab, fiel aber über die drei Leichen und blieb später drei Stunden lang asphyetisch, wurde aber ge- rettet. Hintereinander stiegen unbegreiflichorweise nun noch 6echs Ge- sellen hinunter, bis endlich Alle mit Stricken herausgezogen wurden. Alle ohne Ausnahme waren, unten angekommen, sogleich zusammenge- sunken, und lagen, nach Schilderung der Augenzeugen „wie die Heringe-* übereinandergepackt! Am andern Tage sah ich die sechs Leichen. Alle zeigten den Ausdruck der vollkommensten Ruhe; bei Allen die Augen geschlossen, nicht hervorgedrängt, die Zunge hinter den Kiefern; bei Allen (im October bei -f- 5—9 0 R.) nach 30 Stunden vollständige Leichen- starre, bei Allen zahlreiche und grosse Todtenflecke auch auf der Vor- derfläche; bei zweien war eine grüngelbe Färbung des Gesichts und nur des Gesichts, sehr auffalleud. Zu amtlichen Obductionen gab die Sache keinen Anlass, mit Mühe aber erhielt ich von den Verwandten die Er- laubniss, Eine Leiche zu öffnen. Es war die des Zweit hinabgestiege- nen, 30jährigen Gesellen T.; Section 38 Stunden nach dem urplötzlich erfolgtem Tode. Leichenstarre nur noch an den Unterextremitäten. Am Rumpf grüne Verwesungsflecke hier und da, auffallend bei der nasskalten Witterung und bei der Lagerung der nackten Leiche auf einem luftigen, kalten Boden. Das Gehirn fest, deutliche Anämie in seinen Venen und vollkommne Blutleere aller Sinus; die auffallend schmutzig-graue Farbe der Cortical-Substanz beider Gehirne möchte ich kaum bei dieser Leiche auf Rechnung schon beginnender Verwesung setzen, da das Gehirn unter ähnlichen Umständen bei andern Todesarten davon nicht so früh ergriffen zu werden pflegt, obgleich die Färbung allerdings der beginnenden Ver- wesungsfärbung der Gehirnoberfläche sehr ähnlich war. Die Seitenven- trikel trocken, die Plexus bleich-livide. Sonst in der Schädelhöhle nichts Auffallendes. Die Lungen füllten (wie bei Ertrunkenen) die Brusthöhle übermässig aus und lagen hart an den Rippen. In ihrem Gewebe ge- sund, waren sie überall ausserordentlich hyperämisch. Das Blut in den Lungen hatte eine Farbe, wie ich sie niemals gesehn hatte, nämlich rein dintenartig. Kleine Lachen, durch Ausdrücken von Lungenstücken auf ein reines Brett entstanden, sahen vollkommen wie Dintenlachen aus, was alle Anwesenden ebenso sahen und bestätigten. Auch die Schnittflächen der Lungen sahen rein schwarz aus, ohne Oedem im Ueber- maasse zu zeigen. Ihre Oberfläche dagegen zeigte eine blaurothe, dunkle hier und da durch zinnoberrothe Inseln unterbrochene Farbe. Unter dem Microscop zeigte sich in dem untersuchten Lungenblut eine höchst be- merkbare gänzliche Zerstörung der Blutkörperchen, von denen kaum noch Einzelne zu erkennen waren. (Das Blut war in einer wohl verkorkten Flasche bewahrt worden und wurde am folgenden Tage nach der Section untersucht.) Die Lungenarterie war überfüllt mit einem weniger schwarzen, mehr kirschsuppenähnlichem, syrupsartigem, dickflüssi- gem Blut, eben so, wie ich gleich hier anfüge, die aufsteigende Hohlader. Das Herz war zusammengefallen, die Krauzadern leer, der (hypertrophische) linke Ventrikel ganz leer, der rechte nur einige Tropfen, kaum einen halben Theelöffel Blut enthaltend. Sehr auffallend waren Kehlkopf und Luftröhre. Sie waren ganz leer, keine Spur von Schaum enthaltend. Ihre Schleimhaut hatte eine tiefbraun-carmoisinrothe Farbe, viel dunkler und nicht so schmutzig, als die gewöhnliche Verwesungsfarbe der Luft- röhre zu sein pflegt. Indess mochte die Verwesung, bei der so früh ein- tretenden Fäulniss grade dieses Organs, hier schon einen bedeutenden An- theil haben, wenn gleich die dunkle Farbe des Bluts gewiss nicht ohne erheblichen Einflnss war. Der Magen war leer, seine ganze Schleimhaut ohne Unterbrechung weinhefenartig gefärbt; auch diese Färbung war kein Leichenphänomen, denn die Verwesungsfarbe der Magenschleimhaut ist wohl eine livid-grauliche, nie aber der Weinhefe ähnliche. Die Leber er- schien blutreich, weniger die Milz und Nieren. Die Därme hatten ein etwas schmutziges Ansehn, ohne sonst Auffallendes zu zeigen. Accidentelle Be- funde waren noch Faeces im Dickdarm und eine halbgefüllte Harnblase. Im Allgemeinen bemerke ich noch, dass in Brust- und Bauchhöhle die Hand noch einen fühlbaren Wärmegrad empfand. Und wenn ich noch hinzufüge, dass das Aeussere aller sechs Leichen ganz dasselbe war bis auf die geschilderte grüngelbe Gesichtsfarbe bei Zweien — so drängt sich die hohe Wahrscheinlichkeit auf, dass auch die Sections-Ergebnisse bei allen Sechs dieselben gewesen sein würden. Schwierig, ja unmöglich mit Gewissheit zu entscheiden ist die Frage: welche Gasart hier den Tod dieser sechs Menschen bewirkt habe? Eine directe Untersuchung war unter den obwaltenden Umständen gar nicht mehr möglich, und wurde, bei der, mit dem Wiederöffnen des Bohr- lochs und Hinabsteigen verbundenen grossen Lebensgefahr polizeilich nicht gestattet worden sein. Man hat also nicht» als allgemeine Anhaltspunkte. Die Arbeiter konnten nicht genug von dem Schwefel-Gestank des einge- drungenen Grundwassers berichten; dass dasselbe mit Schwefel-Wasser- stoff stark geschwängert gewesen, ist hiernach ohne Zweifel; ebenso zwei- fellos aber erscheint es mir, dass dies Gas allein den Tod nicht be- wirkt habe. Dasselbe tödtet zwar sehr schnell, ist aber nicht schwerer als die atmosphärische Luft. Der erste Arbeiter hatte zehn Minuten lang ungefährdet das Wasser ausgeschöpft, als er plötzlich todt umsank. Nun erst musste noch ein andres Gas durch das Bohrloch eingedrungen gewesen sein, denn die nunmehr unten Angekommenen sanken augen- blicklich um. Das einzige Gas, das schwerer ist als das atmosphärische Luftgemisch, und sich deshalb in demselben zu Boden schlägt, ist das kohlensaure Gas. Nach der Sachlage ist man deshalb gezwungen, die Anwesenheit dieses Gases auf dem Grunde des grossen Kastens anzuneh- men. Nichtsdestoweniger ist der Antheil des Schwefelwasscrstoffgases nicht von der Hand zu weisen. Die wirklich schwarze Farbe des Blutes (Schwefeleisen) deutete schon darauf hin; Gegenversuchc haben dies noch mehr bestätigt. Ich Hess Schwefelwasserstoff durch das normal gefärbte Blut aus der frischen Leiche einer Phthissichen streichen, und das Blut gewann eine, dem hier geschilderten ganz ähnliche Dintenfärb ung. Ein zweiter Versuch mit Kohlensäure, durch dasselbe Blut geleitet, ver- färbte es wohl schmutzig, schwärzte es aber keineswegs. So hätten wir schon Indicien für ein Gemisch von kohlensaurem und Schwefelwasscrstoffgas. Das sog. Cloakengas besteht aus einem Gemisch von Stickstoff-, kohlensaurem und Schwefelwasserstoffgas. Ob in unserm Gas auch Stickstoff enthalten, kann ich nicht beweisen. Wohl aber ist noch ein Antheil von Kohlenoxyd- Gas zu vermuthen, das sich so gern mit dem kohlensauren Gase unter Bedingungen, wie die vorliegenden, verbindet. Erwägt man nun, dass alle bisher untersuchten tödtlichen Gasarten, das Cloakengas, das Gruben- gas, das Latrinengas u. s. w. keine einfachen, sondern Gasverbindnngen sind, so ist mit grösster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass auch die hier in Rede stehende tödtliche Gasart, die sich unter der Erde und im Grundwasser entwickelt hatte, ein Gemisch von mehrern Gasen gewesen sei, unter denen kohlensaures und Schwefelwasserstoff-Gas als fast gewiss vorhanden angenommen werden können*). *) Eine andre Reihe von Versuchen wurde aus Veranlassung dieses Falles angestellt. Frisches Aderlassblut wurde sogleich bei der Operation 232. Fall. Erstickung aus innern Ursachen. Ein 40jähriger Steuermann war, nach der Aussage des zweiten Schif- fers, der mit ihm auf dem Kahne zusammen und allein gewesen war, an- geblich todt umgefallen. Da die Angabe etwas verdächtig erschien, so wurde die gerichtliche Obduction verfügt. Wir fanden sehr exquisite in vier Unzengläser gegossen (etwa eine Unze Blut in jedes Glas), welche mit Schwefelwasserstoffgas, mit Chlorgas und mit Kohlensäure gefüllt wor- den wareu, und damit geschüttelt. Die Resultate waren ungemein auffallend. Die Blutgerinnung trat im Schwefelwasserstoffgas kaum sichtbar ein und noch acht Tage später beobachtet zeigte sich das Blut ganz flüssig. Sehr deutlich war die dintenartige Färbung des Blutes, das kein von dem Ver- suche nicht Unterrichteter im Glase für Blut erklärt haben würde. Sehr deutlich sah man auch den Blutdichroismus an den Wänden des weissen Glases, die nach jedesmaligem Schütteln grünlich schillerten. Die Blutkör- perchen aber zeigten sich völlig normal; ihre Farbe war gelb, die Ränder scharf und kreisrund, die centrale Impression deutlich. Theils gleichmässig zerstreut, theils enger an einander gedrängt und frei zwischen den Blutkör- , perchen erschienen zahlreiche, äusserst kleine, tiefschwarze Molecüle. — Bei der Mischung des Bluts mit Chlorgas trat augenblicklich eine vollständige Gerinnung ein, die sich später auch nicht wieder verloren hat. Das Ge- rinnsel bekam eine schmutzig - grüne Farbe und theerartige Consistenz, und Hess sich am füglichsten mit Kindspech vergleichen. Die dünne obere feste Schicht desselben und die an den Wänden des Glases haftende hatte ein schmutzig weisses Ansehn (geronnenes Ei weiss?). Dieselbe zeigte unter dem Microscop äusserst zahlreiche, ganz entfärbte, in ein amorphes, ebenfalls ungefärbtes Stratum eingebettete Blutkörperchen; der kindspechartige Theil des Gerinnsels ergab gleichfalls uugefärbte Blutkörperchen, deren Zahl je- doch auffallend geringe erschien. Der Gestalt nach waren sie völlig nor- mal. — Das mit Kohlensäure gemischte Blut geronn sehr bald und nahm an und behielt auch später eine dunkelkirschrothe Färbung, so dass es wie Kirschgelee aussah. Die Blutkörperchen erschienen nicht scheibenförmig, sondern fast kugelrund, ohne Delle, von normaler Grösse, röthlich gelb ge- färbt. Den Herrn Charitee-Aerzten, Oberarzt Dr. Biefel und Dr. Boett- cher habe ich für gütige Unterstützung bei diesen Versuchen zu danken. Man vergleiche hiermit die Beobachtungen von H.Nasse und Harles, be- treffend den Einflu8S der Kohlensäure auf die Blutkörperchen der Säuge- thiere, und Lehman n's Versuche betreffend Mischungen von Kalbsblut mit Aether, arseniger Säure, Salzsäure, organischen Säuren, Aetzkali, Kalium- eisencyanür u. s. w. in Lehmann's Lehrbuch der physiologischen Chemie. Zeichen des Erstickungstodes i strotzende Anfüllung der Lungen (Lungen- Apoploxie), des rechten Herzens und seiner Kranzvenen mit dunklem ganz flüssigem Blute, röthlichen Schaum in der schon verwesungsbräun- lich gefärbten Luftröhre, und nur mässige Anfiillung der Hirnvenen und Sinus. Und da keine Spur einer Verletzung oder sonstigen äussern Gewalt am Leichnam zu finden war, so mussten wir Tod durch Er- stickung aus innern Ursachen annehmen. Rein medicinisch war es aller- dings ungewöhnlich, einen kräftigen, organisch ganz gesunden Mann so plötzlich aus rein innern Ursachen suffbeatorisch sterben zu sehen. Viel- leicht die grosse Hitze eines Angusttages verbunden mit heftigen, körper- lichen Anstrengungen beim Rudern und Steuern, vielleicht auch bei Mit- wirkung von Branntweingenuss, Veranlassung gegeben haben. Doch konnte dies Alles für den Richter nicht mehr von Interesse sein, nachdem die Erklärung abgegeben war: dass eben der Tod nur aus innern Gründen erfolgt war, und hüteten wir uns um deswillen wohl, jenen muthmaass- lichen Veranlassungen im vorläufigen Gutachten — ein motivirtes wurde später nicht gefordert — Erwähnung zu thun. Der gerichtliche Arzt hat nicht selten Fälle wie den vorliegenden zu behandeln. Aus meinen amtlichen Stellungen ist mir bekannt, wie oft dergleichen Fälle, grade weil sie zu einfach scheinen, von den forensischen Aerzten zum Nach- theil der Sache und ihrer selbst unrichtig aufgefasst werden. Nur des- halb habe ich diesen Fall hier mit aufgenommen. II. 2. Aufl. Leipzig 1853. S. 139, 141. — Aber Lehmann warnt, gewiss mit grösstem Rechte, vor übereilten Schlussfolgerungen, die man aus dem Verhalten einzelner chemischer Stoffe gegen Blutkörperchen und andre Blut- elemente gezogen hat, um pathologische und pharmacologische Processe zu erklären. In noch weit grösserm Maasse gilt solche Warnung vollends, wie wohl keiner Ausführung bedarf, in Betreff übereilter Folgerungen für ge- richtlich - medicinische Zwecke, für welche die Forschung an sich nur erst angeregt ist Es ist in dieser Beziehung schon gar nicht zu verkennen, dass unsere Versuche mit Mischungen von frischem menschlichen Blut mit den genannten Gasen nicht ohne Weiteres eine Anwendung gestatten auf die Vorgänge bei der Einathmung dieser Gase in lebende Lungen. Abgesehn von dem Missverhältniss zwischen Gas und Blut bei den Versuchen erinnere ich nur daran, dass reine Kohlensäure, Chlor-, Salpeter-, Ammoniakgas gar nicht eingeathmet werden können, da sie sofort eine krampfhafte Verschlies- ßung der Stimmritze bewirken. Fünftes Kapitel. Tod durch Erhängen, Erwürgen, Erdrosseln. §. 44. Allgemeines. Wir gebrauchen die Worte: Erhängen, Erwürgen, Erdros- seln im Sinne des Sprachgebrauchs. Erhängen also ist die Tödtung durch Druck auf den mehr oder weniger mit einem Strangwerkzeug umschnürten Hals, vermittelt durch die eigene Schwere des ganzen oder auch nur des halben Körpers; Er- würgen die Tödtung durch sehr starken oder durch anhaltenden Druck mit den Fingern auf den Hals, entweder seitlichen, oder in viel seitnern Fällen von vorn nach hinten; Erdrosseln die Tödtung durch kreisförmigen Druck auf den Hals, vermittelt durch irgend ein Strangwerkzeug. Auf allen drei Wegen wird ein Druck auf grosse Blutgefässe ausgeübt und der Ab- und Rückfluss des Blutes vom Herzen und in's Herz gehindert, ein Druck auf die wichtigsten Nerven, auf Zungenbein, Kehlkopf und Luftröhre und dazu noch oft eine Zerrung des Halsrücken- markes und eine augenblickliche Verschliessung der Luftröhre bewirkt. Wenn nun im Allgemeinen die Todesweise bei diesen drei Tödtungsarten ganz dieselbe, so ist es doch, bei so man- nichfachen lebenvernichtenden Einwirkungen, von denen bald die Eine, bald die Andre mehr und ursprünglicher hervortritt, sehr erklärlich, wenn die Erfahrung nachweist, dass der Sec- tionsbefund bei den einzelnen Individuen die einer dieser drei, als identisch zu betrachtenden Todesarten unterlagen, keines- weges immer derselbe ist. Im Allgemeinen sterben Strangulirte — wie wir die dreifache Tödtung collectiv nennen wollen — durch plötzliche Hemmung der Circulation auf eine vierfache Weise; entweder durch reine Cerebral-Hyperämie (Schlagfluss), oder durch reine Hyperämie in den Brustorganen in ihren ver- schiedenen Formen (S. vor. Kap.), also an Erstickung, Stick- fluss; oder im beiden zugleich, au Schlag- und Stickfluss; oder aber, was bei weitem häufiger ist, als meistentheils ange- nommen wird, obgleich es an einzelnen Beobachtungen von Or- fila, Devergie, Eggert, Krombholz, Hemer u. A. nicht fehlt, an Neuroparalyse (Nervenschlag). Die Ursache dieser letztern Todesart ist im §. 39. bei der Erstickung angegeben worden. — Lässt sich schon hiernach der Strangulationstod nicht einem bestimmten, für alle Fälle passendem Obductionsbe- fund-Schema unterordnen, sind ferner die vorkommenden Befunde keinesweges grade dieser Todesweise eigentümlich und speci- fisch angehörig, so treten auch noch andre, hier zu erörternde Umstände hinzu, die die Feststellung des Thatbestandes der Tödtung auf diesem Wege zu einer der allerschwierigsten Auf- gaben für den Gerichtsarzt machen können, und in einer rei- chen Praxis oft genug machen. Ich nehme keiuen Anstand, in dieser Beziehung den Strangulationstod dem Ertrinkungstode weit voran zu stellen, und zu behaupten, dass es caet. par., d. h. namentlich bei gleicher Frische der Leichname, weit schwieriger ist zu bestimmen, dass ein Mensch noch lebte, als er strangulirt ward, als dass er noch lebte, als er in das Wasser kam, d. h. schwieriger, den Thatbestand des Strangulations -, als den des Ertrinkungstodes festzustellen. Dagegen gebührt diesem letztern allerdings die Priorität hinsichtlich der Frage von der eigenen oder fremden Schuld. Was das statistische Verhältniss der ver- schiedenen Strangulationsarten betrifft, so lehrt die Erfahrung, dass bei Selbstmördern Erwürgung -nie, Erdrosselung nur in den allerseltensten Fällen, Erhängung fast immer (uud unter allen möglichen Selbstmordsarten in Deutschland überhaupt am häufigsten) vorkommt: dass dagegen Mordthaten der Art fast nie durch Erhängen, gewöhnlich durch Erwürgen, selten durch Erdrosseln geschehn, dass aber im Allgemeinen gewaltsame Tödtungen durch fremde Hand verhältnissmässig zu andern Ar- ten, namentlich Verletzungen, nur seltner durch Stranguliren überhaupt bewirkt werden. §. 45. Diagnose, a) Die allgemeinen äussern Befunde. Wir haben zu unterscheiden: a) die allgemeinen Befunde bei der Inspection; b) den örtlichen Befund am Halse; c) die innern Befunde. a) Wie oft liest man bei den bloss theoretischen Schrift- stellern von dem 1) violetten, blaurothen, gedunsenem Ge- sichte der Strangulirten! Nichts aber ist irriger, als wenn man sich jeden Erhängten u. s. w. so aussehend denken wollte. Schon Haller hat Beobachtungen von'Gehängten mit blassem und eingefallenem Gesicht bekannt gemacht, es fehlt auch nicht an zahlreichen spätem Beobachtungen der Art: unsre eigene Erfah- rung hat aber sogar gelehrt, dass — die wirkliche Mehrzahl der Strangulirten nicht ein turgescirendes, nicht ein blaurothes, sondern ein Gesicht, wie jede andre Leiche zeigt. Ich setze hier, wie immer, frische, wenigstens Leichen voraus, die noch nicht von der Verwesung irgend erheblich ergriffen sind. Die . drei Todesarten an sich machen hierin keinen Unterschied, wohl aber bedingt ihn die verschiedene Individualität. Sehr torose, sehr saftreiche Menschen findet man wohl nach dem Strangu- lationstode, ja oft recht bedeutend, am Kopfe turgescirend mit blaurothen Ohren — ein Organ, das noch am häufigsten, auch bei bleichen Leichengesichtern, eyanotische Färbung gewinnt — violettem Gesichte, gedunsenen Lippen, aber practisch wichtig ist nach obiger, ganz erfahrungsgemässer Bemerkung, dass man aus dem Befunde eines nicht so beschaffenen, vielmehr bleichen, gewöhnlichen Gesichtes an der Leiche auch nicht im Allgering- sten den Schluss zu ziehn berechtigt wäre, dass der Mensch nicht strangulirt worden, ja dass man diesen Befund auch nicht ein mal als unterstützenden Gegenbeweis zu etwanigen andern benutzen darf, da, ich wiederhole es, die Mehrzahl der Stran- gulirten ein bleiches, ruhiges, nicht gedunsenes Gesicht zeigt. 2) Ganz dasselbe gilt von der Prominenz der Augäpfel, die nur selten und nur bei grosser Turgescenz des Gesichts gefun- den wird. Dagegen sieht man häufiger Sugillationen in der Albuginea. 3) Vorlagerung der Zunge mit Einklemmung zwi- schen den Zähnen oder Kiefern. Ich habe bereits oben (§. 42. S. 468.) auf die Unbeständigkeit, also Unzuverlässigkeit dieses Befundes aufmerksam gemacht, der bei Strangulirten, mögen sie apoplectisch, suflbcatorisch oder auch neuroparalytisch ge- storben sein, eben so häufig gefunden als vermisst wird. Die Franzosen (Belloc, Födere, Orfila) machen die Lage der Zunge im oder vor dem Munde abhängig von der Lage des Strangwerkzeugs, und behaupten, dass die Zunge in ihrer na- türlichen Lage verbleibe, wenn das Strangband über dem Zun- genbein zu liegen kam, und dass sie vorfalle, wenn der Strick u. dgl. unter dem Kehlkopf lag. Fleisch mann dagegen meinte, die Lage der Zunge sei abhängig von dem Umstände, ob der Tod während der Ex- oder während der Inspiration erfolgte. Sehr mit Recht bestreitet Devergie nach seinen Beobachtun- gen, die vollständig mit den meinigen übereinstimmen, beide Ansichten. Ich habe bereits angeführt, und man findet zahl- reiche Beläge dafür in diesem Werke, dass die Zunge auch nach den verschiedensten andern Todesarten, nach Ertrinken, Verbluten, Vergiftung u. s. w. vorgefallen und eingeklemmt ge- funden wird. Hieraus geht schon zur Genüge hervor, dass die „verschiedene Lage des Stricks" keinen Einfluss darauf haben kann. Für uns genügt die wiederholte thatsächliche Bemerkung, dass das ganze Zeichen ein unbeständiges ist. 4) Turgescenz der männlichen, ja selbst (nach Rem er) der weiblichen Geni- talien, d. h. bei Männern Halberection mit Abgang von Saa- men oder prostatischer Flüssigkeit, bei Weibern feucht-schleimige Scheide. Je mehr ich Strangulirte zu untersuchen Gelegenheit gehabt und fortwährend habe, desto mehr habe ich mich davon überzeugen können, dass auch hier wieder ein Satz sich in die gerichtliche Medicin eingeschlichen hat, der, auf Treu und Glau- ben angenommen, von einem Handbuch in das andre übergeht, ohne dass er mit dem Maassstabe der Erfahrung, der genauen Beobachtung gemessen worden. Guyon*), ein durchaus unbe- kannter französischer Marinearzt, berichtet von vierzehn gleich- zeitig aufgehängten Negern, welche sämmtlich im Augenblicke des Sterbens Erection bekommen haben sollen, die man bei 9 der Neger angeblich noch eine Stunde nach dem Tode gesehn hatte. Man fragt zunächst: wie die Leichen sich später ver- halten haben mögen, in wie kurzer Zeit bei den fünf übrigen Gehängten die Turgescenz wieder verschwunden war? dann aber muss man sich namentlich fragen: ob denn überhaupt eine wirk- lich Erection des Gliedes, wenn im Augenblicke des Todes ent- standen, nach demselben bei aufgehobenem Rückfluss wieder verschwinden kann, ehe nicht der allgemeine Zersetzungsprocess eingetreten? Aber theoretische Einwürfe sollten uns nicht irren, wenn die Erfahrung, die Beobachtungs-Thatsachen dagegen be- ständen. Sie bestehn nicht, wenn auch selbst bessere Lehr- bücher das Gegentheil behaupten. Ich habe bei keinem Ein- zigen der vielen von mir untersuchten Erhängten, von denen die grosse Mehrzahl unzweifelhaft durch Selbstmord (also leben- dig den Erhängungstod) gestorben waren, übersehn, den Zustand der Geschlechtstheile zu prüfen, aber in keinem einzigen Falle eine Erection des Gliedes bei den Männern gefunden. Zuweilen, aber nur in den seltensten Fällen, schien es mir und den Um- stehenden wohl, als wenn eine gewisse Turgescenz, eine Art von Halberection vorhanden wäre, aber eine solche Beobachtung ist zu täuschend, zu schwankend, um irgend einen Werth zu haben. Sicherer würde dieselbe, und die Frage von der Erec- tion, selbst nur einer kurz andauernden, unstreitig begründet werden, wenn bei den Erhängten sich in der That so häufig, wie behauptet wird, Saamenejaculation fände. Aber auch dies ist keinesweges der Fall. Es muss auffallen, wenn selbst ein Schriftsteller wie Devergie die Saamenflecke in der "Wäsche der Erhängten „ungewöhnlich häufig" nennt, obgleich auch er *) Revue medic. 1823. versichert, Erectiou oder Halbercction an den Leichen nie {re- sehn zu haben. Es geht aber aus seiner Mittheilung nicht her- vor, ob diese Saamcnflecke frischen Ursprungs gewesen, und ob sie überhaupt genau geprüft, d. h. durch microscopische Untersuchung festgestellt worden seien? Häufig genug landen wir an der Harnröhrenöffnung etwas schleimige Flüssigkeit, aber nur in den seltensten Fällen gelang es uns, Spermatozoeen darin zu finden. Was nun vollends die Beschaffenheit der Genitalien bei weiblichen Erhängten betrifft, so liegt es auf der Hand, dass hier so leicht eine ganz unabsichtliche Täuschung unterlaufen kann, dass dies Zeichen vollends als ganz werthlos zu erachten ist. Keinenfalls können wir sonach die Beschaffenheit der Genita- lien in beiden Geschlechtern zu den irgend werthvollen dia- gnostischen Zeichen des Strangulationstodes rechnen. 5) Abgang von Koth und Urin im Momente des Todes. Nicht immer, aber sehr häufig sieht man die Wäsche und Kleider mit einem oder beiden dieser beiden Excremente beschmutzt, auch unter Umständen, unter denen nicht anzunehmen, dass etwa z. B. erst durch den Transport der Leiche dieselben aus den offenstehen- den Sphincteren hervorgekommen wären. Aber der Mangel dieser Abgänge kann in keiner Weise der Annahme, dass Erhängungs- tod Statt gefunden, entgegengestellt werden, so wenig ihr Vor- handensein an sich diesen Tod beweisen kann, da diese Be- schmutzung täglich auch bei Leichen von Menschen gefunden wird, die an allen möglichen, namentlich plötzlichen, selbst na- türlichen Todesarten gestorben waren. §. 46. Fortsetzung, b) Der örtliche Befund am Halse. Die Strangrinne. b) Die Hauptresultate wird und muss in allen Fällen von Strangulationstod der Befund am Halse geben, in welcher Be- ziehung sowohl die weichen Bedeckungen, wie die Knochen, Knorpel und Gefässe Gegenstand zahlreicher Untersuchungen geworden sind. Bekanntlich nahmen die Alten einen blaurothenj sugillirten Eindruck vom Strangwerkzeug am Halse als COM stauten Beweis des Strangulationstodes an, und lehrten von P. Zacchias bis Fodere und später: dass eine am Leichnam sichtbare sugillirte Rinne am Halse ein sicherer Beweis sei, dass das Erhängen im Leben Statt gehabt habe, das Fehlen der sugillirten Strangrinne dagegen einen eben so sichern Be- weis abgebe, dass der Strang dem Menschen erst nach dem Tode umgelegt worden, derselbe also nicht durch Erhängen oder Erdrosseln gestorben sei. Daniel*) zuerst hat aber-schon gesagt: male, ecchymosin Semper locum habere hactenus docuere medic. forens. scriptores. Ganz erschüttert aber wurde diese Lehre Anfangs dieses Jahrhunderts durch die Beobachtungen von Merzdorff, v. Klein, Hinze, Remer, Fleischmann, Esquirol u. A. Schon vor dreissig Jahren (1826) suchte ich den wichtigen Gegenstand auf dem Wege des Experimen- tes aufzuklären, und habe die Ergebnisse seit jener Zeit in mei- nen Vorlesungen und vor 19 Jahren durch den Druck bekannt gemacht.**) Bald darauf machte Orfila ganz ähnliche Ver- suche und deren Resultate stimmten auf das Vollständigste mit den meinigen überein. Mit dem grössten Rechte nimmt nun jetzt Niemand mehr das Vorkommen einer sugillirten Marke am Halse als constantes Zeichen, als nothwendiges Criterium des Strangulationstodes, d. h. des Strangulirtwordenseins im Leben an. Vergleicht man die Beobachtungen der Aeltern, so über- zeugt man sich, dass der Irrthum hauptsächlich in der nicht *) Institut, med. publ. adumbr. 1778. 4. S. 108. **) Wochenschrift 1837 No. 1. u. f. Vgl. auch m. Denkwürdigkeiten zur med. Statistik und Staatsarzneikunde. Berlin 1846. 8. S. 81 u. f. Diese Abhandlung „Versuche und Beobachtungen über die Strangulationsmarke und den Erhängungstod" basirt, ausser meinen eigenen Experimenten an le- bend aufgehängten Kaninchen und an nach dem Tode aufgehäugten Men- schen, nur auf die wenigen einzelnen Beobachtungen, die mir damals, vor dreissig Jahren, nur erst zu Gebote standen, zum grössten Theile aber auf einer grossen Anzahl amtlicher Obductionsprotocolle. Im Texte oben spreche ich jetzt nur nach eignen langjährigen Anschauungen. Abweichende Sätze zwischen beiden Abhandlungen werden hiernach erklärt sein. Ca »per, gerichtl. Medicin. • 32 genaraen Begränzung des Begriffs: Sugillation seine Wurzel gefunden. Sugillation, Ecchymose, zum Theil auch und bezie- hungsweise auf das Zellgewebe, Extravasat sind völlig identi- sche Begriffe und bezeichnen: Austritt von (gewöhnlich mehr oder weniger geronnenem) Blut aus den Gefässen in das Un- terhautzellgewebe und in die Interstitien der Muskeln. Dass ein solcher Austritt bei einer Leiche vorhanden sei, kann nur das anatomische Messer durch Einschnitte ergeben, welche das Blut, seien es einige Tropfen oder eine grössere Menge, ausgegossen und abgelagert vorfinden lassen. Blosse bläuliche, röthliche, violette Färbung der überliegenden Hautstelle, die allerdings bei der Sugillation nicht fehlt, beweist Nichts, da blosse Leichen- hypostase eine sehr ähnliche Färbung bewirkt und auch Con- gestionszustände sie noch täuschender ähnlich herstellen. Es giebt aber noch eine Pseudo-Sugillation, welche entsteht, wenn durch Druck auf die Cutis der Rückfluss aus den klein- sten Gefässen gehindert, und das Blut darin (durch den Tod) erhalten wird. Schneidet man in solche Hautstelle ein, so drän- gen sich kleine Blutpünktchen aus den zerschnittenen Gefäss- chen auf der Hautschnittfläche hervor, während keine Spur einer Ecchymose sich im unterliegenden Zellgewebe zeigt. Nun kannte man theils früher die genauere Beschaffenheit der Ec- chymose oder Sugillation nicht und nannte jede blaue, bläulich- röthlich verfärbte Stelle eine Sugillation, am wenigsten aber dachten die ältern gerichtsärztlichen Practiker daran, ihre „Su- gillationen" mit dem Messer zu prüfen, was noch heute leider! nur zu häufig nicht geschieht, und so entstand die Ueberzeu- gung von der „blutunterlaufenen, blaurothen, sugillirten" Strang- rinne, als nie fehlendem Zeichen. Es ist gar keine andere Er- klärung des grossen Irrthums möglich, der durch so lange Zei- ten und durch so viele Bücher sich fortgeerbt hat, als die hier gegebene, da man nicht annehmen wird, dass vormals der Strangulationstod sich anders documentirt habe, als jetzt! Die wirkliche Thatsache nämlich ist die: fast in allen Fällen findet sich am Halse die Spur des strangulirenden Werkzeugs (vgl. über dasselbe §. 38. S. 149) in einer Strangrinne, die in der Regel, d. h. bei Erhängten nicht immer, wohl aber bei Erdros- selten, der Breite des Werkzeuges entspricht. Die Rinne ist bald 1 — 2 Linien tief, bald nur so flach, dass sie stellenweise nur erst bei genauerer Beobachtung sichtbar wird. Bei Er- drosselten geht sie rings um den ganzen Hals; bei Erhängten nur in Ausnahmefällen, wenn das Band in eine Schlinge ge- schlungen worden war, die sich dann durch die Last des Kör- pers zusammenzieht, so dass der Mensch mehr erdrosselt als gehängt wird. In der Mehrzahl der Fälle geschieht dies Ein- schliessen nicht und man findet daher bei Erhängten in der Regel den Nacken frei und nicht von der Rinne durchfurcht, die sich vielmehr hinter den Ohren nach oben hin erstreckt und an den Seiten des Hinterkopfes verliert. Aber auch andre Stellen des Halses können undurchfurcht bleiben, namentlich eine ganze Seite, was vermuthlich dann entsteht, wenn der Kopf im Sterben nach der entgegengesetzten Seite hinüber zu hängen kam, was häufig der Fall. In andern Fällen bewirkt das Strangwerkzeug aus andern Gründen nicht ringsherum einen gleichen Dru'ck; es ist kein gleichartiger Stoff, z. B. ein wei- ches Tuch mit harten, mit einer Borte besetzten Rändern, oder es ist doppelt und dreifach genommen worden und an einer Stelle deshalb dicker, während es eben deshalb an einer andern hohler aufliegt u. s. w. So kommt es denn, dass man die Strangrinne am Halse fast immer mehr oder weniger unterbro- chen findet, und dass sich die verschiedenen Beschaffenheiten, in denon sie vorkommt, an einer und derselben Rinne nachwei- sen lassen. Diese nun sind Folgende: eine schmutzige, gelb- braune Färbung der ganzen Rinne, welche sich hart und leder- artig schneidet, sehr ähnlich der Farbe und Beschaffenheit, wie sie Hautstellen zeigen, auf welche kurz vor dem Tode Senfpfla- ster oder spanische Fliegen gelegt worden waren (die mumi- ficirte Strangrinne); stellenweise finden sich auch wohl kleine 3'2* Hautabschilferungen darin; harte, rohe Strangwerkzeuge, na- mentlich hänfene Schnüre, bewirken vorzugsweise diese Form der Strangmarke. Es ist nichts Seltenes bei Einschnitten in ihre Ränder die oben geschilderte Pseudo - Sngillation wahrzu- nehmen, nicht aber findet man, so wenig als bei den folgenden Strangmarken, wirkliche Ecchymose. Oder die Strangulations- rinne zeigt eine hellbläuliche, schmutzig rötbliche Farbe und ist weich zu schneiden. Oder endlich sie ist wenig oder gar nicht verfärbt und gleichfalls weich zu schneiden. Ich wiederhole, dass in ungemein vielen Fällen Eine und dieselbe Strangrinne in ihrer Bahn alle diese drei Formen wahrnehmen lässt. Eine dunkler gefärbte, blaue, blaurothe Strangrinne endlich, welche nach Einschnitten in dieselbe im subcutanen Zellgewebe ausgetretenes Blut zeigt, gehört nach dem Erhängungs- wie nach dem Erwürgungs- wie nach dem Erdrosselungstode zu den grössten Seltenheiten, und kommt nur ganz aus- nahmsweise vor. — Es versteht sich von selbst, dass vor- geschrittener Verwesungsprocess, wie jeden Leichenbefund, so auch den der Strangrinne bis zur Unkenntlichkeit verwischen kann. *) Man hat vielfach behauptet, dass die verschiedenartige Aus- bildung der Strangmarke abhängig sei von der Verschiedenar- tigkeit des gebrauchten Strangwerkzeugs, oder von der Lage, in die dasselbe am Halse in Beziehung zum Zungenbein oder zum Kehlkopf zu liegen kam, und man hat jene Differenzen daraus erklärt, dass bald weiche Körper (Tücher u. dgl.), bald harte und einschnürende (Stricke u. s. w.) gebraucht wurden, bald das Band über, bald auf, bald unter dem Kehlkopf zu lie- gen gekommen war. Diese Behauptungen bestätigen sich nicht in der Naturbeobachtung; ich habe sehr häufig bei den ver- schiedensten Werkzeugen und Lagen resp. dieselbe, bei densel- ben Werkzeugen und Lagen resp. die verschiedenen Strangmar- *) Vgl. die Abbildungen von Strangrinnen Taf. V. Fig. 11., 12. u. 13. • ken gefunden. Ob die verschiedene Individualität des denatus oder dessen verschiedene Todesart beim Strangulationstod hier wirksam sei, kann nur als Vermuthung ausgesprochen werden. Einen practisch-forensischen Werth hat übrigens das Warum? auch in diesem Falle nicht. Dagegen ist ungemein wichtig für die forensische Praxis die Unterscheidung der Strangmarke von Umschlingung der Nabelschnur bei Neugebornen von andern, durch absichtliche und gewaltsame Strangulation erzeugten Strangrinnen, die aber am Leichnam nicht schwierig ist. Wir werden darauf unten im §. 111. zurückkommen. Was nun endlich die Spuren des Erwprgens am Halse be- trifft, so sind sie dem Wesen nach den oben (S. 499) geschil- derten nach dem Erhängen und Erdrosseln ganz gleich und nur der Form nach davon verschieden. Hier findet man an beiden Seiten des Halses die Spuren von Fingereindrücken, entweder je Eine Spur an jeder Seite, oder häufiger Eine an einer und zwei an der andern. Nicht gar selten kann man auch an Einer grössern Spur den Daumen wieder erkennen. Es sind rundliche, oder halbmondförmige, oder ganz unregel- mässige, zuweilen von Nägelzerkratzungen d. h. von Abschin- dungen der Epidermis begleitete Flecke, die gewöhnlich schmutzig braungelblich, hart zu schneiden, nicht sugillirt sind, die aber auch, wie die Strangulationsmarke, in seitnern Fällen, schmutzig bläulich gefärbt, und nur in Ausnahmefällen ecchy- mosirt sind. §. 47. Fortsetzung. Die Strangrinne. Versuche an Leichen. Die diagnostische Sicherheit, die eine sorgsame Würdigung der Strangmarke nach dieser naturgetreuen Schilderung gewäh- ren würde, wird aber sehr getrübt durch die Thatsache, die als solche nach unsern und den Pariser Versuchen als festgestellt zu erachten ist: dass eine Strangmarke kurze Zeit nach dem Tode so hergestellt werden kann, dass sie von einer im Leben erzeugten nicht zu unterscheiden ist. Zum Beweise füh- ren wir folgende Erhängungsversuche nach dein Tode hier an: 1) Einen Versuch an einem kaum seit einer Viertel- stunde Verstorbenen hatte ich im April 1855 zu machen Ge- legenheit. Ein 45jähriger Mann war in ein öffentliches Fuhr- werk gestiegen, um sich nach einem Krankenhause fahren zu lassen, und auf diesem Wege dahin gestorben. Sofort wurde die Leiche nach dem Leichenhause gefahren, wo wir uns zufäl- lig befänden, und hier wurde, nachdem man sich durch Auscul- tation des Herzens u. s. w. vom gewissen Tode überzeugt hatte, der ganz warmen Leiche mit grosser Kraft ein hänfener, 2^ Linien starker Strick Einmal sehr fest um den Hals ge- schnürt. Am dritten Tage wurde die Strangrinne besichtigt. Sie war recht eigentlich schmutzig braungelblich, weich zu füh- len und zu schneiden, kaum eine Linie tief, vollkommen unsu- gillirt, und natürlich ohne Unterbrechung um den ganzen Hals laufend, wenn gleich sie links mehr ausgeprägt erschien, als rechterseits (vgl. die Abbildung Taf. V. Fig. 11.) Das Gesicht war blass und eingefallen. Ein sehr merkwürdiges zufälliges Zusammentreffen war eine gar nicht zu verkennende Turgescenz des Penis, an dessen Harnröhrenmündung ein Tropfen schleimiger Flüssigkeit hing, die aber, wie das Microscop nachwies, ent- schieden nicht Saamen war! Kurz das äussere Ansehn der Lei- che war vollkommen das eines (lebend) Strangulirten. Bei der Section ergab sich als Todesursache — Erstickung, aber wegen gänzlicher Impermeabilität der ganzen rechten und der halben linken Lunge, die grau hepatisirt waren. Die Luftröhre war mit weissem Schaum fast ausgefüllt. 2) N. N., ein Mann von 28 Jahren, war am 6. August 1827 um halb elf Uhr Morgens am Typhus verstorben. Eine Stunde nach dem unzweifelhaft erfolgten Tode wurde er im Keller an einem, sechs Fuss hoch vom Erdboden eingeschlage- nen Haken mit einem, oberhalb des Kehlkopfs angelegten, dop- » Erhängen. §. 47. Die Strangrinne. Versuche an Leichen. 503 pelten Strick aufgehängt. Am folgenden Tage um 10 Uhr Mor- gens wurde er abgeschnitten und von mir und zwei Collegen besichtigt. Von der Fäulniss war die Leiche noch nicht ergrif- fen ; an der hintern Fläche waren zahlreiche Todtenflecke sicht- bar. Rings um den Hals, zwischen Kehlkopf und Zungenbein, lief eine doppelte, parallel laufende Furche von drei Linien Tiefe, die ringsherum blau - braungelb so merklich gefärbt er- schien, dass sie uns gleich beim Eintreten in den Keller an dem, auf dem Tische liegenden Leichnam auffiel, den Jeder, bloss nach der Marke schliessend, unbedingt für den eines le- bend Erhängten gehalten haben würde. Besonders stark ge- färbte Stellen waren an der rechten Seite des Halses, einen Zoll vom Zitzenfortsatze, sichtbar. Die Haut war härter anzufühlen und zu schneiden, als die übrige, und hatte wirklich eine leder- artige Beschaffenheit; an mehrern Stellen war sie leicht exeo- riirt. Beim Einschneiden floss kein Blut und es zeigte sich auch nirgend unter der Haut wahre Sugillation. Es waren vielmehr sowohl die Haut, als auch die Muskeln, an der Stelle bloss dunkler, violetter gefärbt, ohne dass der Ursprung dieser Färbung nachgewiesen werden konnte. Die Halsgefässe waren nicht mit Blut angefüllt. 3) Am 21. September 1827 war ein junger Mann von 23 Jahren an Lungentuberculose gestorben. Eine Stunde nach dem unverkennbaren Tode wurde ein Erhängungsversuch wie im obigen ersten Falle gemacht und am folgenden Tage Vor- mittags die Untersuchung angestellt. Rings um den Hals über dem Kehlkopf war eine doppelte Furche vom doppelt angeleg- ten Strick sichtbar, worin dessen Windungen deutlich erkenn- bar waren. Sie hatte ein gelbbraunes Ansehn, war pergament- artig anzufühlen und zu schneiden. Unter der Cutis fanden wir weder Bluterguss, noch auch eine bemerkbare Färbung der Muskeln, nur die ganze Cutis war wie verbrannt und in ihrem ganzen Gewebe gebräunt. Die Vena jugularis, die äusserlich nicht stark hervortrat, zeigte sich doch bei der innern Unter- suchung stark angefüllt. *) 4) Ein 27jähriger, dem Truuke sehr ergebener Mann war an Wassersucht gestorben. Zwei Stunden nach dem erwiese- nen Tode wurde ein Erhängungsversuch gemacht. Ganz die- selben Ergebnisse wie im dritten Falle zeigten sich auch hier, nur dass die gelbbraune Furche mehr zu beiden Seiten nahe den Zitzenfortsätzen, als vorn am Halse über dem Kehlkopfe, wo der Strick gelegen hatte, sichtbar war. 5) Bei einer 32jährigen, am Neujahrs-Abend 1856 ertrun- kenen Frau, die nur wenige Stunden im Wasser gelegen hatte, wurde ein hänfener Strick zwölf Stunden nach dem Tode, nachdem schon Leichenstarre eingetreten war, sehr fest um den Hals geschnürt und 24 Stunden liegen gelassen. Zehn Stunden nach Abnahme des Stricks untersuchten wir die Strangmarke. Sie war ausserordentlich sichtlich ausgeprägt, zwei Linien tief, *) Sehr interessant ist die fast wörtliche Uebereinstimmung dieser Er- gebnisse an Menschen, die Eine Stunde nach dem Tode aufgehängt wur- den, mit einem von Vrolik angestellten Experimente, wobei das Aufhän- gen gleichfalls Eine Stunde nach dem Tode geschah (s. meine Wochenschr. u. s. w. 1838 S. 99). Am 6. August 1827 war ein 28jähriger Mann eine Stunde nach dem Tode an einem doppelten Strick, der über dem Kehlkopf um den Hals gelegt worden war, aufgehängt worden. Vierundzwanzig Stun- den später ward die Leiche abgenommen und man fand „zwischen Kehlkopf und Zungenbein eine doppelte, drei Linien tiefe Furche, welche oben und unten so sichtbar blau - braungelb gefärbt war, dass man sie bei dem ersten Anblick für das untrügliche Zeichen eines lebendig Gehängten gehalten ha- ben sollte. Auch fand man stark gefärbte Marken am Halse auf einem dau- menbreiten Abstand von dem Untertheil des rechten Schlafbeins (?), wogegen vermuthlich der Strick gedrückt hatte. Da, wo der Strick gelegen hatte, war die Haut härter anzufühlen und zu schneiden, als die übrige, und war wirklich lederartig geworden. An mehr als Einer Stelle war sie von der Oberhaut entblösst. Beim Einschneiden floss kein Blut und unter der Haut zeigte sich nirgends eine wirkliche Sugillation, mit andern Worten es war nirgends Blut aus den Gefässen in das Zellgewebe übergegangen, doch wa- ren sowohl die innere Fläche der Haut, als die Muskeln, da, wo der Strick gedrückt hatte, dunkel-violett gefärbt. Die grossen Halsgefässe waren nicht mit Blut angefüllt." fast eben so breit, d. b. der Dicke des Stricks ganz entspre- chend, rings um den ganzen Hals laufend, namentlich aber an der linken Seite und im Nacken schmutzig braun, weich zu fühlen und zu schneiden, und von einer derartigen Rinne, wie sie die Mehrzahl der lebendig Erhängten zeigt, ganz und gar nicht zu unterscheiden. Der Versuch war um so lehrreicher, als grade zufällig mit dieser Leiche die eines 70jährigen Selbst- mörders verglichen werden konnte, welcher sich angeblich aus Hungersnoth erhängt haben sollte, und neben ihr lag. In der That hatte dies sehr abgezehrte Subject, das neuroparalytisch gestorben war, einen bis zum Lumen des Dickdarms zusam- mengeschrumpften Magen, und die Strangulationsmarke war bei ihm bei weitem weniger auffallend, als die eben genannte, an der Leiche künstlich hervorgebrachte, wovon sich alle Um- stehenden überzeugten! 6) Am 17. August 1827 Nachmittags war ein Mann am nervösen Schlagfluss plötzlich gestorben. Dreizehn Stunden nach dem Tode wurde er mit einem, über dem Kehlkopf ange- legten Strick so stark als möglich erdrosselt, und sechs Stun- den darauf dieser wieder gelöst. Ich fand eine weiche, leicht wegzudrückende Rinne ohne alle Färbung und sonstige Verän- derung der Haut. 7) An demselben Tage war eine Frau an Carcinoma Uteri gestorben. Sechs Stunden nach dem Tode wurde ihr ein doppelter Strick unter den Kehlkopf angelegt und derselbe stark zugezogen. Am folgenden Morgen war er gelöst worden und um 1 Uhr besichtigte ich die Leiche, fand aber gar nichts, so dass kaum zu ermitteln war, wo der Strick gelegen hatte. 8) Vierundzwanzig Stunden nach dem an Lungen- schwindsucht erfolgten Tode eines Mannes wurde demselben grade auf dem Kehlkopf ein doppelter Strick so angelegt, dass der Knoten vorn zu liegen kam, und derselbe stark angezogen. Am folgenden Tage, 18. August 1827, löste ich den Strick, und fand eine doppelte Rinne von geringer Tiefe, worin die Windungen desselben zwar, aber weder Färbung, noch Härte der Haut, noch auch irgend einzelne hervorstechende Flecke bemerkbar waren. Beim Einschneiden in diese Furche zeigte sich so wenig als in den unter 6. und 7. aufgeführten Fällen irgend etwas der Aufzeichnung werthes. 9) An demselben Tage und zu derselben Stunde starb ein Mann an Bauchwassersucht. Der Strick wurde vierund- zwanzig Stunden nach dem Tode über dem Kehlkopfe ange- legt und der Körper auch in diesem Falle gleichsam erdrosselt. Die Untersuchung Hess kaum entdecken, wo ein Strick gele- gen hatte. 10) Ein anderthalbjähriges Mädchen war am 25. August 1827 gestorben. Am folgenden Tage wurde ein dünner Bind- faden mitten auf dem Kehlkopfe angelegt und fest zugezogen. Vierundzwanzig Stunden darauf zeigte sich nach Lösung der Schnur ein über den ganzen Hals weglaufender, ganz schmaler blauer Streif, ohne Vertiefung, aber sichtbar genug, um sogleich aufzufallen. Beim Einschnitt fand sich jedoch keine Spur von Bluterguss. Ausser diesen Versuchen habe ich unausgesetzt sehr zahlreiche an Körpern angestellt, die theils vor Stunden, theils bereits Tage lang verstorben waren, welche Versuche beziehungsweise fortwährend dieselben Ergebnisse geliefert haben, wie die obigen, aus denen, wie man aus allem Vorstehenden ersieht, unzweifelhaft das wich- tigeResultat hervorgeht: dass ein Strang, womit ein Mensch bis zum Verlaufe weniger Stunden nach dem Tode aufgehängt oder erdrosselt wird, ganz dieselben örtlichen Erscheinungen am Halse bewirken kann, wie sie in der grossen Mehrzahl aller Fälle bei le- bendig Erhängten beobachtet werden. Auch für je- nen, im wirklichen Leben immerhin seltnen Vorfall kann ich drei eigene Erfahrungen anführen, Fälle, in welchen die Mör- der ihr Opfer erst anderweitig getödtet und dann sogleich er- drosselt und aufgehängt hatten. Der eine Fall ist bereits oben (63. Fall) mitgetheilt. Nach der Zertrümmerung des Schädels mit einem Beile hatte der Thäter dem im Schlafe Getödteten einen Strick fünffach ganz fest um den Hals geschlungen. Die ringsum laufende fünffache Rinne war grösstentheils weiss, je- doch an einzelnen Stellen bläulich, an andern dunkelroth ge- fleckt, weich zu schneiden und nicht sugillirt. Im andern Fall, der unten folgt (246. Fall), hatte der Mörder das 32jährige Weib erst erwürgt, und sodann, um den Anschein des Selbst- mordes zu bewirken, die Todte an eine Thürklinke aufgehängt. Hier war die Strangulationsmarke braungelb, pergamentartig und vollkommen so beschaffen, dass wenn nicht die übrigen Umstände uns berechtigt hätten, die Erhängung nach dem Tode anzunehmen, die der Mörder auch später gestand, ganz unbedenklich auf Erhänoungstod hätte geschlossen werden müssen. (Vgl. auch 234. Fall.) §. 48. Fortsetzung. Der örtliche Befund am Halse. Muskeln. Zungenbein. Kehlkopf. Halswirbel. Carotiden. Ich fasse 7 —12) die ausser der Strangrinne in Betracht kommenden örtlichen Verletzungen der am Halse gelegenen Theile zusammen: Zerreissung der Muskeln, des Sterno- cleidomastoideus, Sternothyreoideus und Hyoihyreoideus, des Ster- nohyoideus und des Pharynx; Lagenveränderungen und Brüche des Zungenbeins, Brüche der Kehlkopfknorpel, Zer- reissung der Halswirbelligamente, Verrenkungen und Brüche der Halswirbel und Ruptur der innern und mitt- lem Carotidenhäute. Wenn Beobachter wie Morgagni, Valsalva, Bohn, Krombholz, Mildner, zu geschweigen von Orfila, der nicht überall zuverlässig ist, undRemer, der nur fremde Obductionsprotocolle benutzt hat, die er selbst „nicht überall genau" nennt, Folgen dieser Art vom Druck auf den Hals oder von der Einschnürung desselben beobachtet ha- ben wollen, so kann die Treue der Beobachtungen nicht in Zweifel gezogen werden. Dass aber alle genannten Verletzun- gen äusserst selten sind und jede einzelne von ihnen zu den Ausnahmen gehört, die wohl nur unter ganz eigenthümliehen Umständen vorkommen, darüber ist unter den Sachkennern kein Zweifel. So erklärt es sich auch, wenn ich selbst niemals eine hierhergehörige Verletzung am Halse Strangulirter wahrzuneh- men Gelegenheit gehabt habe. Wenn daher in einem Falle sich ein derartiger Befund, mit offenbaren Zeichen vitaler Reac- tion, ergäbe, so würde derselbe nothwendig und um so mehr als ein vortrefflicher und willkommner Beweis des Stranguli- rens während des Lebens zu erachten sein, als meine wieder- holten Versuche an Leichen (§. 6. spec. Tbl. S. 274) nament- lich in Betreff von Brüchen am Zungenbein und Kehlkopf be- wiesen haben, dass diese mit der grössten Kraft in der Regel nach dem Tode gar nicht zu Stande gebracht werden können. Nur würde aus angeführtem Grunde das Fehlen einer dieser Verletzungen auch nicht im Geringsten als Gegenbeweis gegen den erfolgten Strangulationstod betrachtet werden können. Was die erst in neuerer Zeit von Amussat zur Sprache gebrachte Ruptur der innern und mittlem Carotidenhaut betrifft, so hat nach ihm nur Devergie dieselbe bei 13 Erhängten Einmal (in der linken Carotis) gesehn. Eine anatomisch genaue Beobach- tung verdanken wir Mildner. Bei einer 48jährigen erhängten Frau waren die innern Häute der linken Carotis zweimal queer eingerissen. Die Wundränder waren etwas aufgeworfen, nicht ausgeschweift und durch Imbibition hochroth gefärbt. Den Grund der Ruptur bildete die zellige Membran, die im bohnen- grossen Umfange blauroth erschien, mit einer dünnen Schicht ausgetretenen Blutes bedeckt, deutlich injicirt und blutig-serös infiltrirt war.*) Solche Befunde würden unzweifelhaft das Erhängen im Leben beweisen, während eine blosse Ruptur der innern Häute an sich auch durch Aufhängen von Leichen er- zielt werden kann, wie Mallet's Versuche beweisen, in denen *) Prager Vierteljahrsschrift. 27. Bd. 3. S. 157. Erhängen. §. 49. Die innern Befunde. in 82 Fällen die Ruptur (allerdings nur) in zwei Fällen zu Stande kam. Ich selbst habe bei keinem lebend Erhängten diesen Be- fund wahrgenommen, und Mildner hat wohl Recht, wenn er behauptet, dass derselbe nur bei krankhafter Brüchigkeit dieser Ilaute vorkommen könne. §. 49. Fortsetzung, c) Die innern Befunde. Nach dem was bereits im §. 44. über die Todesart Stran- gulirter bemerkt worden, und nach den Schilderungen der ver- schiedenen Sectionsbefunde beim Erstickungstode im vorigen Kapitel können wir hier kurz sein. Wenn der Tod durch Apo- plexie erfolgte, so findet man natürlich die allgemeine Hyper- ämie in der Kopfhöhle, nicht wirkliche Hämorrhagie, die, selbst bei Greisen, zu den allerseltensten Erscheinungen gehört, sowohl in den Gehirnhüllen, wie in den Gehirnen selbst und in den Blutleitern, vorausgesetzt, wie immer, dass das Blut nicht schon durch Verwesung zersetzt und verflüchtigt war. Solche Fälle kommen aber grade hier (wie beim Ertrinkungstode) der Natur der Sache nach sehr häufig vor, da so oft Selbstmörder in den Wald oder an abgelegene Orte gehn, um sich aufzuhängen, wo dann oft der Leichnam Wochen- und Monate lang unentdeckt bleibt. — War der Tod durch Erstickung erfolgt, so findet man die Hyperämie entweder in allen Brustorganen, oder vorzugs- weise in den Lungen, oder im rechten Herzen, und das Blut dunkel und flüssiger als gewöhnlich. Rothe Injection der Luft- röhrenschleimhaut ist in diesen Fällen eben so constant, wie nach jedem andern Erstickungstode, dagegen fehlt weit häufiger als nach dem Erstickungstode in irrespirablen Medien die be- deutendere Anfüllung des Canals mit schleimigem oder bluti- gem Schaum. Nicht aber fehlen bei auf diese Weise Gestorbe- nen die hyperämischen Anfüllungen der blutreichern Organe und der venösen Gefässe in der Bauchhöhle (§. 41.). — Häufiger aber, als überall angenommen wird, wie wir wiederholen müs- sen, häufiger als die genannten Hyperämieen in der Kopf- oder Brusthöhle, oder in beiden zugleich, findet sich bei Strangulir- ten der ganz negative Obductionsbefund, wie er den Tod durch Neuroparalyse bezeichnet, bei welchem man kein einziges Organ in der ganzen Leiche auf irgend ungewöhnliche Weise verändert findet. Und wenn im Einzelfalle Umstände eingetreten sein können, die die Vermuthung nicht unwahrscheinlich machen, dass ein apoplectischer oder suffocatorischer Tod anderweitig erfolgt, und der Verstorbne erst nach dem Tode strangulirt war, so kann die Entscheidung ungemein erschwert werden, auch wenn man gar nicht die Skepsis zu weit treibt und sich durch blosse Möglichkeiten blenden lässt. Wenn aber vollends die Umstände eben jene Vermuthung wirklich begründen, und die Section den Gerichtsarzt mit positiven Beweisen in Stich lässt, so kann eine Beurtheilung des Falls zu den allerschwie- rigsten Aufgaben gehören. Sind endlich in solchem Falle gar auch noch die örtlichen Zeichen am Halse, namentlich die Strangrinne, nur schwach ausgeprägt, wie so ungemein häufig, und sind diese Zeichen von nach dem Tode erzeugten nicht zu unterscheiden (§. 47. S. 506), dann möge auch der Beste offen erklären, dass hier nicht zu entscheiden, ob der Tod durch Strangulation oder anderweitig erfolgt war, wenn ihm nicht noch die Combination aller Umstände, die den Tod begleiteten, für sein Gutachten einen Anhaltspunkt gewährt. Fälle dieser Art sind nicht so ungemein selten, und kommen namentlich bei Neugebornen vor, die in kalten Räumen geboren, gleich nach der Geburt neuroparalytisch (oder auch apoplectisch) starben, ohne dass eine eigentliche verbrecherische Absicht der Mutter vorlag, und denen dann, wie ich mehreremale erlebt habe, ein Strang um den Hals gelegt wurde, um das gefürchtete Wieder- aufleben zu verhüten. In einem anderweitigen, schwierigen Falle war das neugeborne Kind in einer ganz gefüllten Wasser- tonne mit einer Schürze umwickelt und mit dem Bande dersel- ben strangulirt gefunden worden. Es sollte entschieden wer- den: ob, wie die Mutter behauptete, das Kind eines natürlichen Todes bald nach der Geburt gestorben, das sie nur angeblich durch Wegwerfen der Leiche beseitigt und mit der Schürze umhüllt zufällig nach dem Tode strangulirt haben wollte, oder ob dasselbe den Erstickungs- oder den Strangulationstod ge- storben war? §. 50. Casuistik. 223. Fall. Selbstmord durch Erhängen. Hirnhyperämie. Theils schwach sugillirte, theils mumificirte Strangmarke. Eine noch sehr rüstige, höchst fette Frau von 70 Jahren hatte sich in der Nacht erhängt. Der herbeigerufene Arzt fand Bedenken den Todtenschein zu ertheilen und so wurde die gerichtliche Obduction ver- anlasst, welche apoplectische Congestion, zumal in sämmtlichen sinus, aber nicht Erstickung als Todesursache ergab; denn die Lungen waren bleich und blutarm, wie das rechte Herz, das linke war ganz leer, die grossen Venenstämme sehr blutarm, die Luftröhre bleich und leer. Der Kopf aber war ganz blauroth, die Lippen stark sugillirt, und die etwas geschwollne Zunge überragte die Zähne. Was die Strangulationsmarke betrifft, so zeigte sich hier einmal der seltnere Befund einer ohne Unter- brechungen rings um den ganzen Hals laufenden Furche. An der rech- ten Halsseite war dieselbe in der Länge eines Zolles bläulich, sehr schwach sugillirt und weich zu schneiden; dagegen erschien sie im Nacken in der auffallenden Breite von £ Zoll und wie gewöhnlich mumificirt, gelbbraun, pergamentartig zu schneiden und unsugillirt. Der Fall giebt einen interessanten Beweis für die Richtigkeit unserer Behauptung, dass die verschiedene Ausbildung der Strangmarke unabhängig sei von der Verschiedenheit des gebrauchten Stoffes, da wir hier an demselben In- dividuum, also durch ein und dasselbe Strangulationswerkzeug, theilweise eine weiche, bläuliche, theilweise eine mumilicirte Riune gebildet sahen. 224. Fall. Selbstmord durch Erhängen. N eur o p ar al y t i s c h e r To d. Schmutzige weiche Strangrinne. Ein 50jähriger Mann hatte sich im December erhängt, und die Leiche kam uns noch frisch zu. Zunge hinter den Zähnen^ Gesicht bleich und eingefallen; Augen nicht prominirend. Die Strangmarke ver- läuft über den Kehlkopf, in der grössten Breite | Zoll, zeigt Unter- brechungen und ist etwas fest, braunröthlich-schinutzig, weich zu schnei- den und ohne Spur von Sugillation; sie verliert sich hinter den Ohren. Keine Verletzung der Muskeln und Gefässe am Halse, kein Bruch am Kehlkopf und an den Halswirbeln. Die blutführenden Hirnhäute nur ganz gewöhnlich gefüllt; ebenso Gehirn und sämmtliche Sinus. Die Lun- gen sind wie gewöhnlich schiefergrau - marmorirt; das schlaffe Herz hat in den Kranzadern keinen Blutreichthum, in der linken Hälfte ein Loth dunklen flüssigen Blutes, in der rechten dieselbe Menge; dagegen ent- hält die Lungenarterie eine grosse Menge jenes Bluts. Kehlkopf und Luftröhre sind ohne Spur von Injection und ganz leer von Schaum. 225. Fall. S elbsterhängung. Apoplexie. Schmutzige, weiche Strang- marke. Ein 36jähriger Mann; Tod im Februar vor sieben Tagen. Der Strang war grade auf dem Kehlkopf zu liegen gekommen; die Marke ist fast unvertieft, nur rechts vom Kehlkopf bis zum Ohre sichtbar, schmutzig- grau-bläulich, drei Linien breit, weich zu schneiden und unsugillirt. Deutliche Gänsehaut auf beiden Oberschenkeln. Die Zungenspitze liegt auf den Zähnen. Gesicht blass, Augen eingefallen. Die Luftröhre bleich und leer; die Lungen nur normal blutreich. Das rechte Herz enthält allerdings mehr als gewöhnlich Blut, das nicht auffallend flüssig ist, aber auch das linke Herz ist ziemlich blutreich. Im Schädel ist die Hyperä- mie deutlich ausgesprochen und als Todesursache erkennbar. 220. Fall. S elb ster hängung. Erstickung. Mumi f i ci rte Mar k e. Ein Mann von 60 Jahren hatte sich vor vier Tagen im Februar er- hängt. Die Leiche war ganz frisch. Bleiches Gesicht, tiefliegende Augen. Die geschwollne Zunge liegt einige Linien vor den Zähnen. Das männ- liche Glied ist 5A Zoll lang, und erscheint fast wie im Zustande der Halbe- rection. Saamenthierchen sind nicht nachzuweisen. Die Marke ist bald nur eine halbe, bald 2 Linien tief, läuft um den ganzen Hals, ohne einen freien Zwischenraum zu lassen und stösst im Nacken mit ihren Enden zusammen. Ohne Zweifel hatte der Mann den Strick in eine Schlinge geschürzt gehabt. Die Rinne verläuft unmittelbar unter dem Kehlkopf; sie ist schmutzig-braungelb, hart zu schneiden, ohne Spur von Sugilla- tion. Eiue liniendicke weisse Sülze unter der Arachnoidea beweist den Säufer. Die blutführenden Hirnhäute hyperämisch; die Plexus, beide Gehirne, sämmtliche Sinus sind es nicht. Die linke Lunge stark mit dunklem und flüssigem Blute gefüllt, die rechte weniger, Beide ödematös. Das sehr fette Herz hat stark gefüllte Kranzvenen, enthält in seiner lin- ken Hälfte ziemlich viel schwarzes dickflüssiges Blut, während die rechte und die grossen Gefässe damit strotzend gefüllt sind. Kehlkopf und Luftröhre sind unverletzt und leer, aber stellenweise zinnoberroth von Injection. An Carotiden und Halswirbeln keine Verletzung. Die Milz, doppelt so gross, als gewöhnlich, auch die Nieren deutlich hypertrophisch. Sie enthalten viel Blut, die V. Cava aber strotzt. 227. Fall. Selbsterhängung. Neurop aralyse. Schmutzige weiche Strang- rinn e. Tod des 18jährigen Jünglings im Januar. Die Bauchdecken bereits grün. Zunge hinter den Zähnen, Gesicht bleich Augen tiefliegend. Die Marke ist 4 Linien breit, schmutzig grau gefärbt, von röthlichen Rän- dern begrenzt, befindet sich vorn zwischen Zungenbein und Kehlkopf und erstreckt sich bis zu den Halswirbeln, wo sie einen 2 Linien breiten Raum zwischen ihren Enden lässt; sie ist kaum vertieft, weich zu schnei- den und unsugillirt. Halswirbel und Kehlkopf unverletzt; an den Ge- schlechtstheilen (bei diesem so jungen Manne) Nich ts Auffallendes. Ganz normaler Blutgehalt iu der Kopfhöhle. Die Thymusdrüse ist zwei Zoll lang. Lungen dunkelblau-schieferartig, nicht hyperämisch. Im Herzbeutel einen Esslöffel blutiger Flüssigkeit; Kranzvenen leer; in der linken Vor- kammer etwas schwarzes Blut von normaler Consistenz, ebenso in der rechten; beide Kammern fast leer. Die grossen Gefässe enthalten nur wenig Blut. Kehlkopf und Luftröhre unverletzt und leer; die Schleim- haut zeigt die braunrothe Verwesungsfarbe. Von den Befunden des Un- terleibes ist nur die starke Anfüllung der V. Cava hervorzuheben. 228. Fall. Selbsterhängen. Ne ur o p ar aly s e. Doppelte halbmumificirte Marke. Tod des 50jährigen Mannes im April. Unterleib grünlich von be- ginnender Verwesung. Geschlechtstheile normal. Auf der Vorderfläche Casper, gcrichtl. Medicin. 99 aller Extremitäten deutliche Gänsehaut. Gesicht blass, Augen tief lie- gend, Zunge hinter den Zähnen. Halswirbel unverletzt. Am Halse eine doppelte Rinne; die obere 4 Linien breit, zwischen Os hyoideum und Larynx verlaufend, verliert sich an den Zitzenfortsätzen; sie ist schmutzig- braunroth und hart zu schneiden, ohne Sugillation. Auf dem Kehlkopfe verläuft die zweite, weniger breit, fast unvertieft, ebenso gefärbt aber weicher zu schneiden, unsugillirt. Anämie im Schädel. Beide Lungen blass, eine massige Menge eines syrupsartigen Bluts enthaltend. Kehl- kopf und Luftröhre unverletzt, ganz leer, todtenbleich. Beide Herzhälf- ten enthalten eine ganz geringe Menge Blut; verhältnissmässig wenig mehr die grossen Gefässe. Selbst die V. cava ist nur massig gefüllt. Alle übrigen Organe (wie überall, wo ich, der Kürze wegen, ihrer nicht besonders erwähne,) vollkommen normal. 229. Fall. Selbsterhängung. Erstickung durch Lungenapoplexie. Mumi- ficirte Marke. Der Strick hatte bei dem 28jährigen Manne, der sich im Mai er- hängt hatte, zwischen Zungenbein und Kehlkopf gelegen. Die Augenbinde- haut stark injicirt, die linke Gesichtshälfte geröthet, beide Ohren blau, die blaurothe Zunge zwischen den Zähnen. Geschlechtstheile normal; die untern Extremitäten mit Koth besudelt. Die braungefärbte, perga- mentartig-harte, unsugillirte Marke ist nur auf der rechten Halsseite sicht- und fühlbar. Die Ränder zeigen bei Einschnitten ganz kleine Blut- pünktchen von überfüllten kleinen Hautvenen, Die dura maier ist hyperämisch, die Gehirnvenen massig gefüllt; Gehirnsubstanz und Plexus ziemlich blutreich, die Sinus strotzend. Kehlkopf und Luftröhre, die bereits von Verwesung kirschbraunroth gefärbt ist, sind unverletzt, die Schleimhaut mit Schleim überzogen. Das grosse Herz hat stark gefüllte Kranzvenen; der linke Vorhof und das ganze rechte Herz sehr hyperä- misch; das Blut syrupsartig. Beide Lungen sehr dunkel, sehr hyperä- misch und stark schaumig. 230. Fall. . Selbstmord durch Erhängen. Suffocation. Kaum merkliche Strangmarke. Erhängter von 32 Jahren. Gesicht blass. Zunge hinter den Zäh- nen. Weder Erection noch Ejakulation, aber Kothabgang. Das Gehirn zeigt kaum congestive Spuren. Die Hyperämie in Lungen und rechtem Herzen ist sehr deutlich ausgeprägt. In der unverletzten Luftröhre blutiger Schaum auf der zinnoberrothen injicirten Schleimhaut. Die V. cava äscend wie eine Wurst gefüllt. In diesem Falle waren einmal die Därme deutlich dunkelrosenroth gefärbt. Bemerkenswerth war es, bei diesem Befunde eine kaum sichtbare, gar nicht verlärbte, Aveiche, (ganz unsugillirte) Strangrinne zu beobachten. # 231. Fall. Selbsterhängung. Exquisiter Erstickungtod, M umi f*i cati o n der Marke. Der Fall war besonders deshalb lehrreich, weil er ein Beispiel des Vorkommens der oben (§. 40. S. 464) beschriebenen Petechial-S u- gillationen bei einem Erwachsnen, einem 18jährigeu Jüngling, gab, der sich im März mit einem drei Linien dicken Strick erhängt hatte, und dessen Leiche wir zwei Tage nach dem Tode untersuchten. Starke Gänse- haut an Brust und Oberschenkeln. Zunge nicht geschwollen, aber mit der Spitze eingeklemmt. Blasses Gesicht, geschlossne, nicht vorge- drängte Augen. Weder Erection, noch Ejaculation, noch Kothabgang. Die Marke nur von der Mitte des Halses zwischen Zungenbein und Kehl- kopf nach rechts hinüber, 3^ Zoll lang sichtbar, sich hinter dem rechten Ohre verlierend. Sie ist wieder rein pergamentartig, schmutzig braun- gelb, keine Sugillation zeigend. Im Schädel die normale Blutmenge. „Das Herz, heisst es im Protocoll, ist über und über mit Petechial-Su- gillationen wie bemalt, ganz besonders an der Basis. Auch die innere Fläche des Herzbeutels ist mit vielen ähnlichen Sugillationen bedeckt." Das Blut auffallend dünnflüssig. Das rechte Herz strotzt, einige Coagula im wässrig-dünnen Blute enthaltend ; im linken wenig Blut. Die grossen Gefässe strotzen. Kehlkopf, Luftröhre, Halswirbel unverletzt. Die Luft- röhre ist stark dendritisch injicirt, und beim Druck auf die Lungen steigt sehr viel gelber Gischt hinauf. Beide Lungen stark hyperämisch. Eben so die Nieren, die Mesenterialvenen und die untere Hohlader. 232. Fall. Selbsterhängung. Neuroparalyse. Mumificirte halbseitige Strangulationsrinne. Der 60jährige Selbstmörder wurde (im Januar) drei Tage nach dem Tode obducirt. Sehr ausgesprochene Gänsehaut auf dem ganzen Körper. 33* Augen halb geöffnet, nicht injicirt, Gesicht und Ohren bleich. Penis schlaff, an der Spitze etwas Liquor prostadcus, kein Saamenerguss, wie das Microseop bewies. An der rechten Seite des Halses eine, kaum Linie tiefe, ganz weisse und ganz weiche, einen Viertel Zoll breite Rinne. An der linken Seite eine eben so breite, zwei Linien tiefe schmutzig braungelbe harte, unsugillirte Marke. Kehlkopf und Luftröhre bleich und ganz leer. Nirgends Hyperämie. Alle Organe vielmehr voll- kommen normal, so dass die Section ein rein negatives Resultat ergab. 233. Fall. Selbsterhängung. Erstickungstod. Schmutzige, weiche Marke. (S. die Abbildungen Taf. V. Fig. 12 und Taf. VIIL Fig. 23.) Am 10. April hatte sich ein kräftiger 32jähriger Mann, der aus Berlin verwiesen werden sollte, an dem Seil der Decke eines grossen be- deckten Wagens, wie sie zum Fortschaffen der Möbel gebraucht werden, erhänget, und am 12. hatten wir die sehr frische Leiche zu untersuchen. Gesicht eingefallen, schwach schmutzig-bläulich; Ohren sehr blau; Augen geschlossen, zurückgesunken, nicht sugillirt. Sehr starke Gänsehaut auf allen Extremitäten; Penis ganz schlaff, Harnröhrenmündung ganz trocken, auch im Hemde weder Urin, noch verdächtige Flecke, dagegen Koth- abgang. Die Zunge hinter den Zähnen. Weisser Schaum vor dem Munde liess auf schaumige Anfiillung der Luftröhre schliessen, die sich dann auch fand. Die Schleimhaut des Kehlkopfs und der Luftröhre durchweg in hohem Grade injicirt und zinnoberroth, sogar eine wirklich sugillirte Stelle an der hintern Wand der Luftröhre (Taf. VIII. Fig. 23) zeigend. Das Lumen war mit einem rosenröthlichen Gischt ziemlich stark ausge- füllt, welcher an einer Seite Behufs der Abbildung weggewischt wurde, um die Färbung der Schleimhaut zu zeigen. Was nun die Strangmarke betrifft, so habe ich grade diese zeichnen lassen (s. oben), weil sie sehr lehrreich zeigt, wie genau eine im Leben erzeugte, einer nach dem Tode hervor- gerufnen gleichen kann. Die Lage derselben war zwischen Zungenbein und Kehlkopf; an der linken Seite des Halses der Leiche war sie sicht- bar als eine kaum vertiefte, schmutzig-braungelbliche, theils grauröthliche, der Breite des Strickes entsprechende Rinne, weich zu schneiden, und ohne Spur von Sugillation. An der rechten Halsseite verlor sie sich ganz und zeigte sich erst wieder als höchst flache, weissliche Furche in ein- zelnen Stellen angedeutet, unterhalb des Zitzenfortsatzes bis zum Nacken, wo sie verschwand, Von den Sectionsresultaten ist nur Hyperämie der schieferblaugrauen Lungen und noch stärkere Anfiillung der Lungenarterie Erhängen. §. 51. Eigene oder fremde Schuld? 517 mit dunklem, flüssigem Blut hervorzuheben, während das ganze Herz fast blutleer waren. Auch die Venen des Unterleibes waren hyperämiseh ge- füllt, während in der Schädelhöhle ein auffallender Befund sich so wenig wie in den sonstigen Organen ergab. Ich theile nicht weitere Fälle von Erhängungstod aus mei- ner Sammlung mit, weil die vorstehenden genügen, um durch Beispiele die geschilderten verschiedenen Formen, in denen die- ser Tod vorkommt, zu beweisen, und weil überdies bei Erwä- gung der Fälle von zweifelhaftem Mord oder Selbstmord durch Strangulation noch mehrere Fälle mitzutheilen sein werden. §. 51. Eigene oder fremde Schuld? Man findet die Leiche eines Menschen, der auf den ersten Anblick anscheinend erhängt, erdrosselt, erwürgt sein musste. Die Umstände erregen Verdacht auf Mord und der Gerichtsarzt soll die schwierige Aufgabe lösen und entscheiden: ob eigene oder fremde Schuld diesen Tod veranlasst habe? Schwierig, denn wenn in einzelnen Fällen die Frage allerdings ganz leicht zu beantworten, so kann sie in vielen andern ganz unlöslich werden. Vor Allem ist die Diagnose des Strangulationstodes an sich, nach den oben gegebenen Criterien, festzustellen. Ist denatus nicht den Strangulationstod, sondern einen ganz andern Tod gestorben, so steht dann so viel natürlich ganz fest, dass er nicht durch eigene Schuld an den Strang gekommen, sondern erst nach dem Tode strangulirt worden war, Fälle, die von Andern und uns selbst beobachtet worden sind. Hier kann die Frage auf das Leichteste zu entscheiden sein. Ein Matrose war in einem der schlechten Bordelle in Amsterdam von den Dirnen bei einem nächtlichen Gelage durch einen Messerstich ins Herz augenblicklich getödtet worden. Um das Verbrechen zu verdunkeln, wuschen die Dirnen den Leichnam rein, zogen ihm ein reines Hemd an und hängten ihn auf (Vrolick)! Kein Erhängungstod, aber eine penetrirende Herzwunde; wer konnte da einen Augenblick zweifeln? Eben so leicht ist die Entscheidung, wenn todtgcborne Kinder strangulirt werden, theils weil die Mutter glaubt, dass das Kind lebe und sie die Absicht hat, es zu tödten, theils weil sie besorgt, es könne nur ohnmächtig (scheintodt) sein, und wieder aufleben. Die ange- stellte Athemprobe wird die Todtgeburt erweisen und der Zwei- fel ist gelöst, denn eine Leiche kann nicht ermordet werden. Wie aber, wenn sich bei der Obduction die Befunde des Strangulationstodes wirklich ergeben, also Erstickung, Apople- xie oder Neuroparalysc? Hier kann nicht übersehn werden, dass diese Befunde keine speeifisch den Strangulationstod beweisende sind, sondern täglich nach andern Todesarten vorkommen. Der Mensch konnte also anderweitig, selbst verbrecherisch, z. B. er- stickt und dann als Leiche erst aufgehängt worden sein. De- vergie fragt: wo denn in solchem Falle der Irrthum oder der Nachtheil wäre, da der Gerichtsarzt ja immerhin den Erstik- kungstod festgestellt haben würde? Aber Devergie übersieht den in der Gerichtspraxis so häufig vorkommenden Umstand der Verfolgung mehrerer, bei einem Verbrechen implicirenden Thäter. Wenn nun in solchem Falle A. und-B. gemeinschaft- lich operirten, A. den Menschen erstickte und B. die Leiche aufhing, so mag und wird B. strafbar, aber doch gewiss nur allein A. der Urheber des Todes gewesen sein. In Fällen dieser Art, wo der Mensch einer derjenigen To- desarten unterlegen, die auch das Stranguliren veranlasst, und wo er bald nach dem Tode aufgehängt u. s. w. wird, in wel- chem Falle, wie wir (S. 506) gezeigt, namentlich die Strang- rinne an der Leiche sich vollkommen so gestaltet zeigen kann, wie beim lebend Erhängten, kann es nach dem blossen, reinen Obductionsbefunde allein ganz unmöglich werden, die Frage zu entscheiden: ob eigene oder fremde Schuld? Aber der Gericlits- arzt wird und muss hier, gemäss der schon vielfach in den vo- rigen Kapiteln von uns aufgestellten Regel, durch Combination aller den Tod begleitenden Umstände auch Wahrscheinlichkeits- beweise anderweitig her zu entnehmen suchen. *) Es ist bereits angefahrt worden, dass, der allgemeinen Erfahrung nach, Er- wärmung fast mit Gewissheit, Erdrosselung mit der grössten Wahrscheinlichkeit auf fremde Schuld deuten, während Erhän- gung mit der allergrössten Wahrscheinlichkeit eigene Schuld annehmen lässt, da die Erfahrung lehrt, dass Selbstmord grade durch Erhänsren die allereewöhnlichste und beliebteste Todesart der Selbstmörder ist. Berlin, um nur Ein Beispiel anzuführen, zählte in den beiden Jahren 1852 und 1853 270 Selbstmorde, darunter 125 durch Erhängen, also fast die Hälfte. Hieran reiht sich die Ermittelung — wo sie möglich, und wo es sich nicht um unbekannte Leichen handelt — der Lebensverhältnisse des Verstorbenen. Wer war der Mensch? Ein Säufer, ein in einer Criminal - Untersuchung Befangener, ein im höchsten Elende Lebender, ein von einer langwierigen, schmerzhaften Krankheit Gepeinigter? Kurz konnten seine Lebensverhältnisse nach allgemeiner menschlicher Erfahrung den Drang, seinem Leben ein willkürliches Ziel zu setzen, in ihm rege machen? Oder fand vielleicht das grade Gegentheil Statt? Lässt sich, nach den bekannt gewordnen Verhältnissen, auch nicht das ge- ringste Motiv für einen Selbstmord denken? Es kann diese Combination allerdings, was keiner Ausführung bedarf, nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit begründen, und hauptsächlich nur dazu dienen, andre positive oder auch negative Beweise, die der Einzelfall liefert, zu unterstützen. Aber es tritt sogleich ein andres noch wichtigeres Wahrscheinlichkeits - Criterium hinzu. Es ist nämlich leicht genug, einen Menschen zu erwür- gen, nicht schwer, ihn zu erdrosseln, kaum möglich aber, ihn zu erhängen, wenn er nicht ein Kind ist, oder ein irgendwie Bewusstloser, oder ein geistesschwach Blödsinniger, oder ein widerstandsunfähiger Gelähmter, oder ein Mensch, dessen Wi- derstandsfähigkeit durch Uebermacht auf Seiten des Angreifers *) Vgl. spec. Thl. die §§. 9., 14., 23., 37. und 42. besiegt wird, also z. B. wenn mehrere Menschen zugleich ihn bewältigen. Immer wird, selbst in solchem Falle, wie in andern Fällen von Erwürgung oder Erdrosselung, ein Kampf voraus- zusetzen sein, und man hat deshalb genau die Leiche dahin zu untersuchen: ob sich Spuren von Kampf und Gegenwehr am Körper finden und nachweisen lassen, wie Zerkratzungen, Ver- wundungen, Verrenkungen und Knochenbrüche (namentlich an den Fingern), wahre Sugillationen von erhaltenen Schlägen, Stössen, Tritten u. s. w., fremde Haare in den Händen u. dgl. m. In dieser Beziehung aber muss ich auch hier wieder, wie schon an frühern Stellen, vor dem Irrthum warnen, der bei geringerer Erfahrung in der Beobachtung von Leichen eben so möglich und entschuldbar ist, als er die bedenklichsten Folgen nach sich ziehn kann. Ich meine die bei allen Leichen, die auf den ge- richtsärztlichen Sectionstisch kommen, so ungemein häufig vor- kommenden einzelnen, oft gar nicht wenig zahlreichen rothen, rothgelben, schmutzig-braunrothen Flecke im Gesicht, auf Hals, Brust, Extremitäten u. s. w., die nichts Andres sind, als Pro- ducte einer rohen Behandlung der Leiche beim Aufheben, Entkleiden, Transportiren, wobei sie gestossen, geschleift, oder sonst beschädigt und verletzt wird. Dass solche, immer mehr oder weniger hart zu schneidende, niemals ächt sugillirte Flecke wirklich nach dem Tode entstehn können, wie unsere zahllosen und fortwährend noch immer fortgesetzten Versuche an Leichen zweifellos beweisen, ist bereits oben ausführlich erwähnt worden. (Vgl. allg. Thl. §. 33. sub 2. S. 127.) Bei Erwägung der Bedeutung etwa vorgefundner Ver- letzungen ist, wie überhaupt in allen derartigen zweifelhaften Fällen, auf Lage und Stellung zu achten, in welcher man zuerst die Leiche entdeckt hatte. Die Meinung der Alten, dass Selbsterdrosselung in horizontaler Lage nicht möglich sei, ist längst widerlegt. Wir werden selbst eine unzweifelhafte, gegen- teilige Beobachtung anführen (244. Fall). Eben so irrig ist es, wenn man glaubt, dass ein Mensch sich nicht selbst erhängt haben könne, wenn er auf Einem oder gar auf beiden Füssen stehend als Leiche aufgefunden wird. Es folgen unten (240. bis 242. Fall) drei Fälle von unzweifelhaftem Selbstmord, nach welchem die Leichen mit beiden Füssen den Boden berührend aufgefunden wurden. Ungemein lehrreich und beweisend sind auch die von Marc gesammelten und höchst anschaulich abge- bildeten Fälle*), die derselbe bei Gelegenheit des Erhängungs- todes des Prinzen von Conde nach der Julirevolution von 1830, um die Zweifel gegen den Selbstmord des Prinzen zu entkräften, bekannt gemacht hat. In Einem der abgebildeten Fälle berührten" nur die Spitzen beider Füsse — wie die des Prinzen — den Boden, auf welchem Getreide aufgeschüttet lag; in einem zweiten Falle war es ein Gefangener, der sich am Fenster aufgehängt hatte: der Leichnam sass fast auf dem Fen- sterbrett, der ganze rechte Fuss stand platt auf dem Boden, der linke berührte ihn mit der Spitze. Ein andrer Gefangener, der sich gleichfalls am Fenster erhängt hatte, stand mit dem ganzen linken Fuss auf dem Fensterbrett, während auch noch der Hacken des rechten dasselbe berührte. Der folgende abge- bildete Fall zeigt einen gefangenen Engländer, dessen Leiche man in einer mehr sitzenden Stellung auffand; die Notes waren nur \\ Fuss vom Boden entfernt, und die Hacken beider aus- gestreckten Beine berührten denselben. Wieder eine sehr be- lehrende Stellung zeigte die Leiche eines Handwerkers, der sich in seinem (französischen) Himmelbette aufgehängt hatte; der Körper war in knieender Stellung, die Kniee nur 8—10 Zoll vom Bett entfernt, das die Spitzen beider Füsse berührten. In der siebenten Abbildung sehen wir eine Leiche einer gefange- nen puella publica, die sich an einen, nur vier Fuss vom Boden entfernten Haken erhängt hatte, also eine Höhe, die niedriger war, als die Länge ihres Körpers; man fand sie mit auseinan- der gespreitzten Unterextremitäten, die rechte ganz vorgestreckt, *) Annales cC Hygiene publique V. S. 156 u. f. den Hacken auf den Boden gestützt, die linke in etwas gebo- gener Stellung nach hinten, gleichfalls mit der Fussspitze den Boden berührend. Auch hier lag unzweifelhaft Selbstmord vor. Von ganz ähnlicher Stellung werde ich aber unten (246. Fall) einen Fall von Aufhängen an eine, ebenfalls nur vier Fuss vom Boden entfernte Thürklinke nach dem Tode berichten. Die letzte Marc'sehe Abbildung endlich zeigt die Leiche einer öffentlichen Dirne, die man an einem Bettpfosten so aufgehängt fand, dass der Kopf mit den Beinen eine Diagonale zum Fuss- boden bildete, auf welchem die ganze linke Unterextremität von der Hüfte an und der ganze rechte Fuss ruhten. Ich habe einen Fall von Mord durch Anbinden an einen Bettfuss bei lie- gender Stellung der Ermordeten beobachtet (245. Fall). — Es ist möglich und wohl anzunehmen, dass in solchen Fällen, in denen man die Leichen mit den Füssen mehr oder weniger den Boden berührend auffand, im wirklichen Augenblicke des Erhängens dies noch nicht Statt gehabt, und die Last des Körpers erst nach dem Tode denselben so weit herabgezogen oder die eingetretene Leichenstarre ihn gestreckt hatte; immer aber hatte man doch die Leichen so aufgefunden. Die Fran- zosen haben aus solchen Fällen Veranlassung genommen, eine vollständige und eine unvollständige Erhängung (pendaison com- plete et incomplete) zu unterscheiden. Ein practischer Nutzen ist aus einer solchen Eintheilung nicht abzusehn. Es ist hin- reichend zu wissen, was als festgestellt zu erachten ist, dass es keine Stellung des Körpers giebt, in der nicht freiwilliger Strangulationstod möglich und vorgekommen ist, so zwar, dass der Körper gefunden werden kann: in der Luft hängend, mit Einem Fusse oder mit beiden Füssen den Boden mehr oder weniger und selbst ganz und gar berührend, knieend, ganz oder halb sitzend, horizontal liegend, schräg liegend u. s. w. Indess kann die Stellung, in der die Leiche aufgefunden wor- den, im Einzelfalle allerdings positiv den Selbstmord oder den Mord beweisen; den Selbstmord, wenn z. B. die Leiche hoch im Baume hängend, den Mord, wenn sie hoch hängend mit auf dem Rücken zusammengoknebelten Händen, oder in einer Stel- lung gefunden worden, wie in dem absonderlichen 234. Falle, in welchem der oder die Mörder offenbar durch den Schein des Selbstmordes den verfolgenden Richter irre führen wollten, sich doch aber gar zu plump dabei benahmen. Wenn also nicht einmal die allgemeinen Sectionsresultate des Strangulationstodes einen untrüglichen Beweis für eigene oder fremde Schuld geben können (S. 518), und um denselben herzustellen, es dennoch in allen zweifelhaften Fällen vorerst er- forderlich ist, nachzuweisen, dass das Stranguliren wirklich noch während des Lebens des denatus erfolgt war, so würde dies mit Sicherheit nur geschehn können, wenn man Befunde erhöbe, die ausschliesslich dem Strangulationstode angehören, wie Erection oder Turgescenz des Penis mit oder ohne Saamenab- gang, wirkliche, ächte sugillirte Strangrinne oder eben solche (Erwürgungs-) Flecke am Halse, Zerreissung der innern und mittlem Carotidenhaut, und Zerreissung der Muskeln am Halse. (Nicht einmal Brüche der Kehlkopfknorpel und Halswirbel mit vitalen Reactions-Erscheinungen gehören hierher.) Da aber die genannten Erscheinungen an den Leichen Strangulirter, wie wir gezeigt haben, nur so äusserst selten und nur in Ausnahme-? fällen gefunden werden, so wird davon für die überwiegende Mehrzahl der Fälle gar kein Gebrauch gemacht werden können. Es bleibt sonach für diese, d. h. für die gewöhnliche gerichts- ärztliche Praxis Nichts übrig, um die Fragen zur Entscheidung zu bringen: ob überhaupt Strangulationstod Statt gefunden hatte, und ob dieser durch eigene oder fremde Schuld herbei- g<-führt worden war? als die Summe aller diagnostischen Zei- chen mit Umsicht zu erwägen, sie mit den Umständen, die den Tod begleiteten, zu combiniren, jeden Fall als Einzelfall mit seinen Eigentümlichkeiten aufzufassen (zu individualisiren), und auch dann noch in den schwierigem Fällen dem Gutachten eine solche Fassung zu geben, wie wir sie hier schon wiederholt empfohlen haben, die einerseits nicht zu weit geht, um das ärzt- liche Gewissen zu belästigen, andrerseits nicht in übertriebner Zweifelsucht einer Incompetenz-Erldärung gleicht, die den Rich- ter unbefriedigt lässt, also z. B. — wir wiederholen es — zu sagen: „dass die Ergebnisse des Obduktionsbefundes und die Erwägung der, den Obducenten bekannt gemachten Umstände des Todes des denatus Nichts geliefert hätten, das der Annahme entgegenstände: dass dieser Tod durch eigene Schuld erfolgt sei." In der Regel befriedigt, wie ich aus langer Erfahrung versichern kann, eine solche Fassung den Richter, für welchen allein, was wir uns immer gegenwärtig halten müssen, „gericht- liche" Obductionen angestellt werden, und um so mehr, als der- selbe sehr häufig die Obduction nur veranlasste, nicht weil schon Verdacht gegen einen Dritten vorlag, sondern weil die absonderliche Stellung, in welcher die Leiche gefunden wurde, oder anscheinende Verletzungen an derselben jenen Verdacht erregten, während dergleichen Umstände dem ärztlichen Sach- kenner keine Veranlassung zu einem solchen Verdachte geben. §. 52. Casuistik 234. Fall. Ob Mord oder Se 1 bstmord durch Erdrosselung. Erstickungstod. Am 22. April 18— früh 10 Uhr bemerkten die Hausbewohner, dass aus den Fenstern der Hofwohnung einer 72jährigen allein wohnenden Frau Rauch hervordrang. Die Thür fand man verschlossen, und als man deshalb das Fenster einschlug, und die Läden desselben öffnete und dar- auf eindrang, fand man das Zimmer ganz voll Rauch, das Stroh in der Bettstelle angebrannt, den Schlüssel zur verschlossnen Thür fehlend und auf einem Stuhle sitzend die Leiche der alten Frau B. anscheinend erdrosselt. Mehrere Schritte von ihrem Sitze in der Wand fand sich ein Haken eingeschlagen, um welchen ein altes, in der Dicke eines kleinen Fingers zusammengedrehtes, leinenes Tuch gewickelt war, das mit einem Ende herunterhing. Im Zimmer fand man geöffnete Schränke, aus denen Kleider und geldwerthe Effecten weggekommen waren. Man brachte die Leiche auf den Flur, wo die Aerzte A., F. und K. noch fruchtlose Rettungsversuche anstellten. Diese Aerzte fiinden nach ihrem Attest „eine vertiefte Strangulationsmarke, die sich vom Kopfnicker der rechten Seite bis hinter denselben Muskel der linken Seite erstreckte. Sie war an der linken Seite am stärksten, und an einer Stelle sogar doppelt. Das Gesicht war ganz blau." Der Dr. A. erklärte vier Tage später, vor der gerichtlichen Inspection der Leiche, „dass die Strang- marke nicht mehr so deutlich sei, als früher." Ein Arbeitsmann H., der bei den Rettungsversuchen behülflich gewesen, hatte erklärt, „dass am Halse ein rother Streifen gewesen, der ungefähr so aussah, wie ein Peit- schenhieb auf der Haut auszusehn pflegt." Am 26., also 4 Tage nach dem Tode, obducirten wir die Leiche, die noch viele Bettfedern in den Haaren hatte. Die etwas aufgetriebene, aber bleiche Zunge lag zwi- schen den zahnlosen Kiefern. Hände und Nägel waren bläulich gefärbt. Auf der linken Backe fand sich ein kleiner Hautritz, an Nase und Mund, dessen Lippen bläulich waren, geringe Spuren von angetrocknetem Blute, in der Mitte der Oberlippe ein erbsengrosser, sugillirter Fleck. Auf der linken Seite des Halses vom hintern Rande des Kopfnickers an bis zum vordem Rande desselben Muskels rechts zeigte sich eine ganz abge- flachte, und an einzelnen Stellen -i- Linie tiefe, schmutzig gelb-bräunlich, und an beiden Rändern hier und da röthlich gefärbte Marke von -i- Zoll Breite. Gegen ihr Ende nach der rechten Seite wurden ihre Kennzei- chen immer weniger sichtbar. Die ganze Marke war weich zu schneiden, und nirgends eine Sugillation im subcutanen Zellgewebe. Sie verlief grade über die Mitte des Kehlkopfs. Einen halben Zoll über ihr zeig- ten sich einzelne Spuren erhöhter Hautröthe, muthmaasslich von einer zweiten Marke herrührend, welche jedoch jetzt nicht mehr erkannt wer- den konnte. Am linken Unterkieferwinkel fanden sich zwei blaurothe, ächt sugillirte Flecke von Sechser- und Erbsengrösse, und ein ganz gleich beschaffener Fleck von Groschengrösse am untern Rande des Kie- fers, Ii Zoll vom rechten Unterkieferwinkel entfernt. Von den innern Befunden waren die wesentlichsten: merklicher Blutreichthum der Lungen mit dunklem, ziemlich flüssigem Blute, starke Anfüllung der Kranzadern, wenig Blut im linken, strotzende Blutfülle im rechten Herzen und in den grossen Aderstämmen der Brust, lebhafte und hohe Röthung der ganzen Tracheal - Schleimhaut, auf welcher sich einige Tropfen wässrigen Blutes vorfanden, und dunkelblaue Färbung der Rachenhöhle. Im Kopfe fand sich sehr bedeutende Anfüllung der Venen der harten und weichen Hirnhaut, und eine 2£ Zoll grosse runde Blutunterlaufung an der innern Fläche der galea über der Occipital - Protuberanz, sonst nichts Unge- wöhnliches, und im Unterleibe endlich: bedeutender Blutreichthum in Netz und Gekröse, eine ungewöhnlich« Blutfülle in beiden Nieren und strotzende Anfüllung der Venenstänune mit dimkelflüssigem Blute. Hiernach konnte es als zweifellos angenommen werden, dass denala den Erstickungstod gestorben. Aber auch die gewaltsame Veranlassung desselben war zweifellos, denn abgesehn davon, dass eine andere Veran- lassung gar nicht constirte, da etwanige Erstickung durch Strohrauch sich namentlich durch eine anderartige Färbung der Luftröhrenschleimhaut zu erkennen gegeben haben würde, abgesehn davon, dass, zugegeben, dass die Strangmarke, wie sie bei der Legalinspection gefunden worden, allerdings auch bei solchen Menschen beobachtet werden kann, denen erst nach dem Tode ein Strangwerkzeug umgelegt worden, dass, sage ich, nach den Schilderungen der Aerzte. die die Leiche früher, und als- bald nach dem Tode der B. gesehn hatten , die Strangrinne früher eine andre Beschaffenheit gehabt hatte, so erschien in diesem Falle die Marke von geringerer Erheblichkeit, da ein andrer, sehr wichtiger Sectionsbe- fund vorlag. Wir meinen die geschilderten ächten Sugillationen am Halse, zwei linker und Eine rechter Seits. Diese Befunde konnten nur die Resultate eines Drucks von aussen gewesen sein, und es lag auf der Hand, sie als Fingerdrücke anzusprechen, wobei der Daumen auf die rechte, und zwei Finger auf die linke Seite des Halses aufgesetzt gewe- sen waren. Ohne Zweifel war dieser Druck der erste Angriff auf das Leben der denata, und das Strangwerkzeug folgte erst auf denselben, und dass hierbei keinenfalls ein langer Zwischenraum verflossen sein konnte, ergaben die actenmässigen Vorgänge. Der Verdacht eines Selbstmords war leicht zu beseitigen, obgleich offenbar die Mörder denselben zu erregen bemüht gewesen waren, wie namentlich das Tuch am Wandhaken bewies. Aber plumper ist wohl in dieser Hinsicht selten verfahren worden! Der Schlüssel der abgeschlosse- nen Thüre fehlte, es fehlte das Strangwerkzeug am Halse, als man die Leiche auffand, und die Mörder hatten in der Eile übersehn, dass wenn die B. sich an dem Tuche am Haken aufgehängt gehabt, sie nicht davon entfernt auf dem Stuhle sitzend als Leiche hätte gefunden werden kön- nen'! Im Uebrigen musste auf Dritte durch die Brandstiftung geschlos- sen werden, durch welche offenbar der Mord hatte verdunkelt wer- den sollen. — Der oder die Mörder sind unbekannt geblieben. 235. Vall. Zweifelhafter Selbstmord durch Erhängen. A poplectißch er Tod. Mumificirte Strangmarke. Der Fall eines 19 jährigen Lehrburschen, der auf dem Boden des Hauses erhängt gefunden wurde, gab Veranlassung zur gerichtliehen Ob- duction, weil Verdacht gegen dessen Meister erhoben wurde, dass er den Burschen durch Züchtigungen zu Tode gebracht und dann aufgehängt habe, um die Schuld von sich abzuwälzen. Die Obduction ergab ganz unerhebliche Spuren äusserer Gewalt auf dem Rücken der Leiche. Rings um den Hals lief eine braungelbe, pergamentartig harte Strangrinne, ohne subcutane Sugillation. Am After war Koth ausgeflossen. Die in- nere Besichtigung ergab starke apoplectische Congestion und Hyperämie in den Lungen. Hiernach musste angenommen werden, dass die Züchti- o-unoren nicht die Todesursache gewesen waren, und dass der Mensch le- bend an den Strang gekommen. 236. Fall. Zweifelhafter Kindermord durch Erdrosseln. Ob nach dem Tode? Ein sehr wichtiger Fall von Anschuldigung wegen Kindermordes war folgender. Die Dienstmagd K. sollte am 17. Januar heimlich geboren haben, läugnete aber die Geburt gegen die zu ihr gesandte Hebamme, obgleich diese eine frische Nachgeburt auf der Diele fand. Gleich darauf aber entdeckte sie unter dem Rücken der im Bette liegenden K. ein, in eine neue Schürze, mit Blut und Schmutz bedecktes, noch warmes, aber lebloses Kind. Nun räumte Incnlpatin ein, das Kind auf dem Fussboden geboren zu haben, auf welchem sich auch eine Menge Blut vorfand. Auf dem Fensterbrett fand die Hebamme ferner eine blutige Scheere, und neben der Bettstelle drei, und am Kopfende angebunden ein viertes Ende einer blutbefleckten baumwollnen Schnur. Die uns später vorgelegten grossen und dicken Schnüre (von 17 — 34 Zoll Länge und ^ bis 3 Li- nien Dicke) waren, die beiden starken fast ganz, die beiden dünnen fast gar nicht mit Blut befleckt. Inc. hat selbst später über den Hergang der Entbindung Folgendes ausgesagt: sie habe Nachts um 11 Uhr so heftige Schmerzen bekommen, dass sie sich auf die Erde gelegt, und nun die Besinnung verloren habe. Später sei sie wieder zu sich gekommen, habe sich in's Bett gelegt, sei eingeschlafen und erst am Morgen habe sie an der Stelle, wo sie Nachts gelegen, auf der Diele ein todtes Kind entdeckt, dass sie nun unter sich gelegt. Von dem Abschneiden der Nabelschnur, das ihr, als gegen ihre Angabe von der Bewußtlosigkeit sprechend, vorgehalten ward, wollte sie Nichts wissen, wie sie auch bis zum Schlags der Untersuchung eine solche Unwissenheit in Betreff jener Schnüre vorgab. Bei der Legalsection des Kindes fanden wir zunächst alle Zeichen der Reife. „An der linken Seite des Halses über den Nacken hinweg, und dann sich verlierend, zeigte sich ein kaum sichtba- rer, gar nicht vertiefter, eben so wenig hart anzufühlender als zu schnei- dender, zwei Linien breiter Streifen, der durch eine weissere Farbe von der übrigen Haut abstach. Einschnitte in diesen Streifen ergaben keine Spur von Blutunterlaufung." Von den Sectionsresultaten bemerke ich hier nur als die wichtigern : Blutfülle der Leber, Leere der Harn- blase, Anfüllung der Dickdärme, ziemliche Anfüllung der Bauchvenen- stämme mit dunklem, dickflüssigem Blute, rothe, blau marmorirte Farbe der, die Brusthöhle ausfüllenden Lungen, Gewicht der Lungen mit dem Herzen von 5 Loth (ohne Herz von nur 2 Loth und 5 Quentchen,) voll- ständige Schwimmfähigkeit der Lungen, knisterndes Geräusch und schäu- miges Blut bei Einschnitten in die Lungensubstanz, perlende Luftbläschen beim Ausdrücken dieser Einschnitte unter Wasser, massige Anfüllung der Herzkranzadern, Leere der rechten, und massige Anfüllung der linken Herzhälfte, vollkommne Normalität und Leere des Kehlkopfs und der Luftröhre, sichtliche Infiltration der Schädelknochen mit Blut, grossen Blutreichthum der harten Hirnhaut wie der Gehirngefässe. Aus diesen Befunden mussten wir natürlich schliessen: dass das Kind ein zeitiges gewesen, dass es in und nach der Geburt gelebt habe, und dass es eines schlagflüssigen Todes gestorben sei. Dann fuhr das Gutachten fort: „mit weniger Gewissheit können wir uns über die Ursache dieses schlagflüssi- gen Todes äussern. Von Spuren, die auf einen gewaltsamen Tod schliessen lassen konnten, fanden sich nur einige unbedeutende Abschilferungen der Oberhaut am rechten Ohre und Scheitelbeine, welche ganz unerheblich waren, und die geschilderte Marke am Halse. Das Auffinden der bluti- gen baumwollnen Schnüre, so wie das Benehmen der Inc. der Hebamme gegenüber und ihre offenbaren "Widersprüche vor dem Richter machen natürlich den Verdacht rege, dass jener flache Eindruck am Halse des Leichnams von dieser Schnur herrühre, ein Verdacht, der durch die To- desart des Kindes (Apoplexie) noch bestätigt wird, da Erdrosselte nicht selten apoplectisch sterben. Es fragt sich nur, ob die Marke am Halse sich so gestaltet gezeigt habe, wie sie die wissenschaftliche Erfahrung als bei Solchen vorkommend kennen gelernt hat, welchen im Leben das Stran- gulationswerkzeug umgelegt worden war. Die Obducenten stehn nicht an, mit hoher Wahrscheinlichkeit für den concreten Fall das Gegen- theil anzunehmen. Die Strangmarke bei (lebendig) Erhängten oder Er- drosselten zeigt sich in der Mehrzahl der Fälle am Leichnam, gleichviel in welcher Ausdehnung am Halse, als mehr oder weniger breite und tiefe ie. Mumificirte Strangrinne. Ein schwerer Criminal-Fall, besonders interessant wegen der zahl- reichen einzelnen Fragen, die im Obdnctionstermine uns zur Beantwor- tung voro-elea-t wurden. Am Abend des 20. März 18— fand man eine O DO allein lebende, 34jährige, unverheirathete Schneiderin an der vier Fuss vom Boden entfernten Klinke ihrer Stubenthür mit einer 2 Linien dicken Leine aufgehängt. Sie hing dicht an der Thür, die Kleider an Brost DO O und Hals waren in Unordnung, das rechte Knie gebogen und der Unter- schenkel nach hinten, die linke Unterextremität aber nach vom ausge- streckt. Etwa einen Fuss von der Leiche fand sich ein sehr grosser Blutfleck im Zimmer, und mehrere kleinere sah man bis in die Mitte desselben hineingehn, wo sie aufhörten. Das Gesicht war mit angetrock- netem Blute besudelt. Ein Arzt und Polizeiboamte waren herbeigeholt worden, und Ersterer nahm Selbstmord an, und Hess die Leiche ab- schneiden. Der Polizeibeamto aber schöpfte aus den Umständen Ver- dacht auf ein verübtes Verbrechen, und mittelst des Telegraphen wurden Untersuchungsrichter, Polizeidirector, Staatsanwalt und ich noch vor der Nacht in das Local zusammenberufen. Fingereindrücke am Halse, eine grosse Sugillation am linken Auge, das Blut im Zimmer, die unordent- lichen Kleider, eine kleine Hautzerkratzung am Kehlkopf machten so- gleich zweifellos, dass an der Denata ein Mord begangen worden. Sie war seit dem 18ten nicht mehr gesehn worden, und am späten Abend dieses Tages hatte eine Nachbarin ein ganz kurz dauerndes "Wimmern im Zimmer der Denata gehört, aber weiter nicht beachtet. Am 21sten verrichteten wir die Obduction; Temperatur in diesen Tagen — 4—5° R., in den Nächten — 6—8°. Der Unterleib war bereits etwas grün- lich. Beide Lider des linken Auges blauroth und acht sugillirt, aber nicht geschwollen. Im Gesicht angetrocknetes Blut. Aus dem ge- öffneten Munde ragt die schwarzrothe, angeschwollne, fest eingeklemmte Zunge einen halben Zoll lang hervor. Aus den entjungferten Geschlechts- theilen fliesst kein Blut, das auch vorn im Hemde nicht, ebenso wenig als Saamenflecke, zu finden ist. Wohl aber zeigen sich an der hintern Seite des Hemdes einige, wie von einer Flüssigkeit (Urin) verwaschene Blutflecke und aus dem After lässt sich mit einem Tuche eine geringe Menge Bluts ausdrücken. Rings um den ganzen Hals auf dem Kehl- kopf verläuft eine 2 Linien tiefe, ebenso breite, schmutzig braungelblich- rothe, harte, überall unsugillirte Rinne ohne Unterbrechungen, welche sich hinter den Ohren nach oben verliert. Dieselbe Farbe und Consi- stenz zeigen ein runder Fleck von -i- Zoll Durchmesser am linken Unter- kieferwinkel, und ein halbmondförmiger, Zoll langer und -| Zoll brei- ter Fleck am rechten. Mitten auf dem Kehlkopf eine noch frische kleine Hautabschilferung, offenbar von einem Fingernagel herrührend. Die Fin- gerspitzen blauroth, am linken Daumen etwas angetrocknetes Blut. Haare u. dgl. finden sich in den Händen nicht. — Die harte Hirnhaut sehr stark, die weiche nicht ungewöhnlich blutgefüllt; das Gehirn und die Plexus nicht auffallend blutreich und die sämmtlichen Sinus nur halb ge- füllt. Auch die Jugularen enthalten keine auffallende Blutmenge. Kehl- kopf und Luftröhre bis auf einige Tropfen blutigen Schaums ganz leer und bleich, und auch beim Druck auf die Lungen steigt kein Schaum u. dgl. hinauf. Die Knorpel sind vollkommen unverletzt. Die schiefer- blauen Lungen sind gesund, aber enthalten viel dunkles, flüssiges Blut und Schaum. Im Herzbeutel ein Loth blutigen Wassers. Das rechte 35* Horz sehr hyperämisch, das Blut dunkel und etwas dickflüssig, das linke enthält nur einige Theolöff'el davon. Aber die grossen Gefässstämmo strotzen. — Die Leber bleich, der Mag^:. vollkommen leer, die Därme bleich, die Nieren auch in diesem Falle wieder deutlich hyperämisirt, die Harnblase strotzend gefüllt, der Uterus blutleer, die V. cava sehr an- gefüllt. Im summarischen Gutachten nahmen wir an und führten später im Obductionsbericht, in welchem wir die frühern Annahmen festhielten, aus: 1) dass DenatCL an Lungen- und Herzschlag gestorben sei; 2) dass eine äussere Gewalt diesen Tod veranlasst habe; 3) dass derselbe theils durch Erwürgen, theils durch Erdrosseln herbeigeführt worden sei; 4) dass die Flecke am Halse theils von Fingerdruck, theils von Zerkratzun- gen herrührten; 5) dass die Sugillation am Auge nicht mit dem Tode in Zusammenhang stände; 6) dass anzunehmen: dass Denata zuerst einen Schlag vor das linke Auge erhalten habe, sodann, und zwar sehr bald darauf, weil nach längerer Zeit eine stärkere Sugillation und namentlich Anschwellung der Lider entstanden wäre, den Erwürgungseingriff erlitten habe, und nachdem sie dadurch halb getödtet (asphyetisch) oder auch ganz getodtet worden, aufgehängt worden sei; in beiden Fällen würde die Strangrinne am Halse sich gleich verhalten haben; 7) (auf Befragen) dass der Thäter beim Angriff vor der Denata gestanden, aber auch auf ihr gelegen haben könne; 8) dass dieselbe nach dem Schlage an den Kopf aus der Nase zu bluten angefangen, und dass das Blut im Zimmer hiervon, ge- wiss nicht von den Catamenien herrührte, die nicht vorhanden gewesen; 9) dass die Blutspuren am hintern Theile des Hemdes und im Mastdarm als ein nicht ganz seltner Befund nach der Todesart, an welcher Den. ver- starb, zu erachten; 10) dass darüber: ob der Thäter mit derselben vor der That noch den Beischlaf vollzogen, da sie längst entjungfert und keine Spur von Saamenerguss an der Leiche oder in der Wäsche gefunden worden, sich Nichts bestimmen lasse; 11) dass nach den Verwesungsspu- ren anzunehmen, dass der Tod schon vor etwa drei Tagen erfolgt sei; 12) dass nach dem Befunde des ganz leeren Magens anzunehmen, dass der Tod 6—8 Stunden nach dem Einnehmen von festen Speisen erfolgt sei. Diese Frage wurde vorgelegt, nicht nur um überhaupt etwas über die Zeit der That festzustellen, sondern namentlich auch deshalb, weil bei der Localbesichtigung ein Theezeug mit noch etwas Theo, und Wurst vorgefunden worden, und danach vorläufig zu vermuthen war, dass der Thäter (ein Mann war aus der Cigarrenasche am Fussboden anzunehmen) noch mit der denata den Abend zugebracht habe. Wurst und Brod kurz vor dem Tode genossen, hätten natürlich noch im Magen gefunden werden müssen. Die obige Vermuthung fiel daher, wogegen nach unsrer Annahme und in der Voraussetzung, dass das Mittagessen etwa um Ein Uhr genossen worden, zu schliessen war und von uns geschlossen wurde, dass der Mord in den Stunden von 7 — 9 Uhr Abends ausgeführt sein musste. — Als muthmaaslicher Thäter wurde ein Bekannter der Verstor- benen, ein Jäger, ermittelt, der bald nach seiner Verhaftung ein voll- ständiges Geständniss ablegte, worin er den Hergang genau in allen seinen Theilen so geschildert hat, wie wir ihn von vorn herein bei der Ob- duction angenommen hatten. Einem Mitgefangenen hat er erzählt, dass er vorher den Beischlaf mit der denaia vollzogen*)! Aber — bald nach- her hat der Angeschuldigte dies Geständniss widerrufen, und trotz aller Vorhaltungen, namentlich des merkwürdigen Umstandes, dass er den Hergang grade ebenso geschildert, wie die Sachverständigen, deren Be- richt er natürlich nicht gekannt, hat er hartnäckig behauptet, von der ganzen Sache Nichts zu wissen. Die Schwurgerichts-Verhandlungen dauerten fünf Tage, und es musste von allen Seiten die grösste Mühe und aller Scharfsinn aufgeboten werden, um den hartnäckig Läugnenden zu über- führen. Es traten aber in den Verhandlungen eine solche Menge der allerwichtigsten Indicien gegen den Angeschuldigten hervor, dass die Ge- schwornen ihn des Mordes für schuldig erklärten. In einem der Audienz- termine wurde uns die Schlinge des um den Hals der Leiche gefundnen Strickes mit der Frage vorgelegt: ob diese Schlinge so geschürzt sei, wie Jäger dies zu thun pflegen? Getreu meinen oben (S. 151) dargeleg- ten Ansichten erklärte ich mich kurzweg hierin für incompetent und stellte anheim, darüber einen Jäger als Sachverständigen zu vernehmen.' Diese Erklärung fand die Zustimmung aller drei Parteien, des Gerichtspräsi- sidenten, Staatsanwalts und Vertheidigers. Noch bemerke ich Folgendes. Der Thäter hatte u. A. dem Mitgefangnen als er ihm gestand, gesagt: „das Luder habe ihm aus Rache noch die Zunge herausgeblökt, ehe sie zu Petrus gegangen" ! Er meinte hiermit den Vorfall der Zunge, den er an der Leiche, als er zur Recognition an sie geführt wurde, bemerkt hatte, und dieses Wort wurde später in den öffentlichen Verhandlungen mit als ein wichtiges Indicium benutzt, weil man mit Recht annahm, dass der Mitgefangene, den er später als Lügner bezüchtigt, und der die Leiche nie gesehn hatte, sich unmöglich hatte erlinden können, dass sie die Zunge vorgefallen gezeigt habe. Hätten wir bei der äussern Besichti- gung diesen Befund nicht zu Protocoll dictirt, wo man von solcher spä- tem Wirkung desselben keine Ahnung haben konnte, so hätte der Ver- *) Nota bene für ähnliche Fälle: siehe oben den negativen Befunden Genitalien und Wäsche! theidiger eine Waffe mehr gegen die Anklage gehabt. Man sieht welche Vorsicht und Genauigkeit der Gerichtsarzt in jedem einzelnen Talle boobachten inuss! Der Mörder wurde zu 'l'ode verurtheilt. Sechstes Kapitel. Tod durch Ertrinken. §. 53. Allgemeines. Der Mensch stirbt den Ertrinkungstod, wenn dem atmo- sphärischen Luftstrom durch Wasser, oder durch irgend eine wässrige oder breiige Flüssigkeit, in welche der Kopf geräth und darin verharrt, der Zufluss zu den Luftwegen versperrt wird. Es ist nicht nöthig, dass der ganze Körper, ja nicht einmal erforderlich, dass der ganze Kopf in das Wasser oder in das Ertränkungsmedium geräth. Der Mensch, der nur mit dem Kopfe darin steckt, und denselben daraus nicht hervorziehn kann oder will, muss ertrinken; eben so gewiss aber auch der, welcher nur mit dem Gesicht sich darin befindet. So ertrinken Menschen in ganz flachen, wasserarmen Bächen, ja in Rinnstei- nen, wie z. B. Neugeborne, Trunkene, Epileptische, oder in den allergeringfügigsten Mengen von Flüssigkeiten, wie z. B. Kin- der bei der Geburt, wenn dieselbe, wie mir nicht gar wenige Fälle vorgekommen, in ein kleines Gefäss, in das etwas Urin, Blut oder Fruchtwasser geflossen, erfolgt war. Es ist aber auch nicht erforderlich, dass das Medium grade wasserdünn war, denn auch in breiartigen Flüssigkeiten, wie Sümpfen, Ab- trittsgruben u. dgl. kann und wird der Tod erfolgen. In allen diesen Fällen entsteht eine negative Blutvergiftung, indem dem Blute der nothwendige Sauerstoffreiz der atmosphärischen Luft plötzlich entzogen, und dieses dadurch unfähig gemacht wird, das Nervensystem zu seinen Functionen anzuregen und zu be- leben (§. 39.). Hieraus folgt, dass der Ertrinkungstod in phy- siologischer Beziehung als ganz identisch zu betrachten ist mit dem Tode durch Erstickung und durch Strangulation. Daher erklärt es sich denn auch, warum die allgemeinen physiologi- schen Sectionsbefunde beim Ertrinkungstode in keiner Art von denen verschieden sind, die in den beiden vorigen Kapiteln bei den eben genannten Todesarten angegeben worden. Also auch Ertrinkende sterben (vgl. §. 44. S. 491) auf eine vierfache Weise: entweder durch Gehirnhyperämie, oder durch Hyperämie der Brustorgane (Stickfluss), oder durch beide vereint, oder durch Neuroparalyse. Es war der Skepsis der neuern gericht- lich-medicinischen Schriftsteller vorbehalten, den Satz aufzustel- len: es könne ein Mensch lebend ins Wasser gerathen, ohne den Ertrinkungstod zu sterben, wenn er z. B. beim Herabstür- zen mit dem Kopfe auf Pfähle, Felsen u. dgl. gerathend, sich eine tödtliche Kopfverletzung zufügte! Wenn aber ein Mensch beim Hineinfallen ins Wasser eine Schädelverletzung davon trägt, und daran sofort stirbt, ehe er ertrinkt, dann ist er eben allerdings nicht ertrunken, sondern als Todter ins Wasser ge- rathen, und wie eine ins Wasser geworfene Leiche gerichtsärzt- lich zu behandeln. War er aber durch die Verletzungen nicht sofort getödtet worden, sondern lebte er noch, als er ins Was- ser kam, dann war er ertrunken, und zu behandeln, wie jeder Fall eines Menschen, dem kurz vor dem Ertrinkungstode noch Verletzungen zugefügt worden waren (vgl. §. 57.). Der Ein- zelfall kann allerdings unter solchen Verhältnissen Schwierigkei- ten darbieten, aber eben die Umstände des Einzelfalles müssen entscheiden. Von den genannten vier Todesarten ist beim Ertrinken die durch Hirnhyperämic die seltenste. Dass sie niemals vorkomme, wie behauptet worden, kann ich nicht zugeben, noch viel weniger aber, dass sie die häufigste Todesart der Ertrinkenden sei. Allerdings ist den Obductionsprotocollen wenig geübter Obducenten nicht zu trauen, da bei keinem Befunde Täuschun- gen leichter möglich sind und häufiger vorkommen, als bei die- sem. Wollte man sich die Mühe geben (wie ich es gethaii), aus Acten oder Zeitschriften z. B. hundert Obductionsberichte betreffend Ertrunkene zu vergleichen, so wird man sich nicut wundern dürfen, den „Blutschlagfluss" nicht als seltne, sondern als ganz gewöhnliche Todesart der im Wasser Sterbenden ge- nannt zu sehn. Allein sehr, sehr häufig wird die ganz alltäg- liche, in jeder denkbaren frischen Leiche vorkommende, sicht- bar mehr oder weniger starke Anfüllung der nach hinten und (bei der auf dem Rücken gelagerten Leiche) unten liegenden Pia mater-Venen und Sinus, also die Hirnhypostase (vgl. allg. Thl. §. 9. S. 25), mit Apoplexie verwechselt, mit welcher sie, als reine Leichenerscheinung, gar nichts gemein hat. Andrer- seits klammern sich Viele bei negativen Obductionsbefunden, wie sie nach jedem neuroparalytischen Tode oder auch sonst häufig genug vorkommen, gern, um nur irgend eine positive Grundlage für das Gutachten aus der Obduction zu entnehmen, an eine gewisse Anfüllung der Gehirnvenen und Blutleiter an, die sie bona fide für Hyperämie erklären, während eine Verglei- chung mit vielen andern Leichen zeigen würde, dass hier et- was abnormes Derartiges gar nicht vorlag. Ueberhaupt ist es einleuchtend, wie einflussreich grade bei diesem Befunde die in- dividuelle Ansicht, ich möchte sagen, das individuelle Auge des einzelnen Obducenten auf sein Urtheil sein muss, da nichts re- lativer ist, als der Grad der Anfüllung der Gehirnvenen und Smus, nichts unbestimmter, als die Ausdrücke: „sehr gefüllt", „stark" oder „mässig angefüllt" u. dgl. Es ist auch gar kein Mittel anzugeben, um diesem Uebelstande abzuhelfen. Versuche, die ich mit Wägungen des grossen und kleinen Gehirns an- stellte, allerdings ohne besondre Hoffnung eines Erfolges, da vorauszusehn war, dass die so sehr verschiednen geistigen und körperlichen Individualitäten verschiedner Menschen einerseits und andrerseits die Gewissheit, dass nur verhältnissmässig ge- ringe Uebergewichte von Blut schon hinreichend sind, um wirk- liehe tödtliche Hyperämie zu erzeugen, ein einigermaassen ge- nügendes Ergebniss vereiteln würden, sind so resultatlos geblic- hen, dass ich sie bald wieder aufgegeben habe!*) — Gewiss ist, dass, selbst wenn man in seitnern Fällen bei Ertrunkenen Hyperämie findet, und als einzigen positiven allgemeinen Lei- chenbefund, neben den unten zu nennenden speeiellen, als To- desursache anerkennen muss, diese Hyperämie immer nur eine verhältnissmässig geringe ist, und dass wirkliche Hämorrhagie zu den allerseltensten Befunden gehört, und nur unter beson- dern und eigenthümlichen Umständen vorkommt. So habe ich dieselbe bei einem Manne von 30 Jahren gefunden, der be- trunken in einen Morast gefallen und darin ertrunken war. Die morastige Flüssigkeit fand sich in der Luftröhre wie alle übrigen Zeichen des Ertrinkungstodes in der Leiche. Die Me- ningen strotzten von Blut und unter der dura mater fand sich ein Extravasat im Durchmesser eines Zolles. (Vgl. 248. Fall S.572.) Der Tod durch Hyperämie der Brustorgane und der neu- roparalytische Tod kommen beim Ertrinken fast ganz gleich häufig vor. Es versteht sich von selbst, dass wir hier, wie überall, nur frische Leichen im Auge haben. Warum nun aber A. im Wasser apoplectisch, B. suffocatorisch, C. neuroparaly- tisch stirbt u. s. w., ist mit einiger Sicherheit nicht anzugeben. Gewiss haben individuelle Körperanlage, verschiedne Tempera- tur des Wassers, Bewusstlosigkeit, Trunkenheit, Schreck im *) Beispielsweise führe ich nur folgende an acht Leichen, sämmtlich Männern und sämmtlich Erhängten, an: Mann von 25 Jahren; Gehirngewicht 3 Pfd. 6 Loth (bürg. Gew.) JJ 18 j> j> 3 jj JJ 50 jj 2 jj 22 J» JJ jj 40 » jj 3 » 16^ JJ n JJ 32 » 3 jj 8 JJ n jj 40 j> j» 3 » 14 JJ n jj 50 » y> 3 jj JJ jj jj 28 jj 3 Welche Schwankungen unter ziemlich gleichen Verhältnissen! Augenblicke des ins Wasser Gcrathens, der Kampf gegen das Element oder die freiwillige oder unfreiwillige Passivität beim Untersinken und andre Umstände der Art hier einen Einfluss. Aber Thatsächliehcs lässt sich hierüber Nichts aufstellen, was iudess für die Praxis unerheblich ist, welche sich lediglich an die, wie immer mannigfaltigen Leichenbefunde zu halten hat, die ihr die Erfahrung als diagnostische Erkennungszeichen des Todes im Wasser überliefert. Aber ausser den erwähnten all- gemeinen Befunden der resp. physiologischen Todesart hat nun auch diese Ursache derselben, das Ertrinken, so gut wie die Ursachen bei der analogen Todesart durch Ersticken und Stran- gulation, ihre speciellen, ihr eigenthümlichen Wirkungen, die in Verbindung mit den allgemeinen Befunden erwogen werden müssen, um die Diagnose festzustellen. §. 54. Diagnose, a) Die äussern Befunde. Bei jeder unbekannten, aus dem Wasser gezognen Leiche drängen sich von selbst die beiden Fragen auf: ob denatus le- bend oder todt ins Wasser, und ob er durch einen Zufall, oder durch eigene oder fremde Schuld hinein gelangt war? In erste- rer Beziehung ist Leben beim Hineinkommen ins Wasser im- mer zu präsumiren. Freilich dient das Wasser nicht bloss dazu, sich unnützer und lästiger Sachen zu entledigen, wie Schutt, Kehricht, Excremente, leere, von einem Diebstahl herrührende Kisten und Kästen u. dgl. m., sondern es werden auch Lei- chen, namentlich die von Neugebornen hineingeworfen, um sie auf bequeme und wohlfeile Weise zu beseitigen, oder um Ver- brechen zu verdunkeln. Allein die grosse, weit überwiegende Mehrzahl der Fälle betrifft dennoch aller Orten lebendig ins Wasser Gekommene Menschen. Denn bekanntlich ist kein Tod durch zufälliges Verunglücken leichter, als der durch Ertrinken beim Baden, Schiffen, bei Ueberschwemmungen, beim Uebergnng über Brücken und Stege, beim Fischen, bei Färbern, Wäsche- rinnen, Gerbern, Wasserbauten u. s. w., und eben so bekannt ist es, dass freiwilliges Ertränken, nächst dem Erhängen, die beliebteste Todesart der Selbstmörder, zumal im Sommer ist. Gegen diese überwiegend grosse Mehrzahl von lebend ins Was- ser gelangenden Menschen bilden die Fälle von hineingeworfe- nen Leichen, namentlich von Erwachsnen, eine unerhebliche Minderzahl, weshalb im Allgemeinen die Präsumption für Erste- res immer gerechtfertigt ist. Allein in irgend zweifelhaften Fäl- len genügt natürlich diese Präsumption nicht, und es muss die- selbe durch die Leichenuntersuchung wo möglich zur Gewiss- wissheit, oder mindestens zu jenem Grade der Wahrscheinlich- keit erhoben werden, den der individuelle Fall nach seinen Eigentümlichkeiten dem gerichtlichen Arzte zu geben gestattet. Von dem Satze ausgehend, dass es kein untrügliches und con- stantes, d. h. kein solches diagnostisches Zeichen gebe, welches in keiner Leiche eines Ertrunkenen jemals fehle und das aus- schliesslich nur dem Ertrinkungstode zukomme, ein Satz, der in dieser seiner Nacktheit nicht bestritten werden soll, hat sich eine grosse Mehrzahl von Schriftstellern bei diesem Thema, wie bei keinem andern in der Medicina forensis, höchstens mit Aus- nahme der Frage von der Athemprobe, bemüht, die Schwierig- keiten bei Feststellung eines zweifelhaften Ertrinkungstodes als so mannigfaltig und unüberwindlich darzustellen, dass ein An- fänger verzweifeln muss, wenn ihm nach solchen Warnungen die Aufgabe wird, ein betreffendes Gutachten abzugeben. Es kommen nun allerdings schwierige und besonders verwickelte Fälle gar nicht sehr selten vor; allein je zahlreichere Fälle Er- trunkener ich in der Reihe der Jahre gesehn, desto mehr habe ich mich überzeugt, dass die Schwierigkeiten in Betreff der Feststellung des Ertrinkungstodes sehr übertrieben werden, und ich stehe nicht an, mich jetzt dem practisch er- fahrnen Devergie anzuschliessen, welcher behauptet*): dass er in neun Zehnteln aller Fälle mit gutem Gewissen erklären *) a. a. 0. II. S. 351. würde, ob das Ertrinken im Leben oder nach dem Tode Statt gefunden habe? Es versteht sich, dass auch hier wieder die Zeichen in ihrer Gesammtheit erwogen werden müssen, und dass darauf zu achten, ob der negative Werth eines oder meh- rerer unter ihnen den positiven der andern überwiegt, oder um- gekehrt. Kaum Eine Todesart unter allen gewaltsamen hat ein solches Heer von Bearbeitern gefunden, als die des Ertrinkens; bei keiner tritt daher auch die Verschiedenheit in den Angaben, der Streit der Meinungen so grell hervor. Ich würde die Un- sicherheit nur vermehren, wenn ich nicht auch hier wieder den Zweck dieses Buches festhielte, bei nöthiger Berücksichtigung der Angaben der bessern Autoren, hauptsächlich und nament- lich im Urtheile nur eignen Untersuchungen zu folgen, und auszusprechen, was mich selbst die Naturbeobachtung gelehrt hat. Versuche an Thieren betreffend den Ertrinkungstod habe ich nicht angestellt; was sie ergeben konnten, scheint mir durch die lehrreichen Experimente von Piorry, Orfila, Albert, Riedel, Mai er, Löffler, Kranzler u. A. erschöpft, die viel des Interessanten geliefert haben, wenn gleich, was ihre Anwen- dung auf die gerichtlich-medicinische Praxis betrifft, nicht ver- kannt werden kann, dass der Schluss von Thieren auf Menschen in der Medicina forensis immer und überall ein gewagter und bedenklicher ist. — Wir lassen zuerst die äussern Zeichen, die Leichenbefunde bei der Inspection, folgen. 1) Kälte der Leichen. Die Behauptung, dass die Lei- chen Ertrunkener sich besonders kalt anfühlen lassen, die zuerst der vormalige Gerichts-Physieus von Berlin, Mertzdorf, aus- gesprochen, ist neuerlich wieder von Siebenhaar *) aufgestellt worden. So lange ein so relativer Begriff wie dieser nicht durch Thermometermessungen festgestellt werden kann, so lange wird dabei der Subjectivität des einzelnen Gerichtsarztes viel *) Encyclop. Handb. der ger. Arzneik. I. S. 434. zu viel Spielraum gelassen, um dem Zeichen irgend einen Werth beilegen zu können. 2) Auffallende Blässe der Leiche. Es ist mir eine eigenthümliehe Blässe Ertrunkener noch niemals aufgefallen. In der That ist es auch schon recht schwer unter mehrern »leichzeitio- vorliegenden Leichen zu bestimmen, welche blässer als die andere sei, geschweige einen derartigen Ausspruch zu thun, wenn, wie gewöhnlich, eben nur Eine Leiche vorliegt. Hat man vollends einmal eine vorgefasste Meinung, so kann man sich besonders leicht täuschen. 3) Das Gesicht ist bei Leichen von ganz kürzlich Er- trunkenen, die bald aus dem "Wasser gezogen worden und bald darauf zur Beobachtung kommen, blass, in der Mehrzahl der Fälle nicht aufgetrieben, die Augen geschlossen, und wenn Er- stickung die Todesart war, zeigt sich gern Schaum vor dem Munde. Hatte die Leiche aber schon einige Zeit, d. h. im Sommer zwei bis drei, im Winter acht bis zehn Tage im Was- ser gelegen, dann zeigt sich das Gesicht schon nicht mehr bleich, sondern vielmehr röthlich oder bläulich - roth, als erster Anfang der eintretenden Verwesung, welche bei Wasserleichen einen ganz von allen andern Fällen abweichenden Gang und Verlauf nimmt (vgl. §. 58.). 4) Vorlagerling oder Einklemmung der Zunge ist ein ganz unbeständiges, und daher nichts beweisendes Zeichen. Man findet die Zunge eben so häufig hinter den Kiefern, als zwischen ihnen (§. 41. spec. Thl. S. 468). 5) Gänsehaut. Es ist dies jedenfalls ein beachtenswer- thes Zeichen, und man versäume nie, die Körperoberfläche der Leiche, namentlich die Vorderfläche der Extremitäten, den Lieb- lingseitz der-Gänsehaut, darauf zu untersuchen. Denn man wird dieselbe kaum je, auch im Sommer nicht, bei einem wirk- lich Ertrunkenen vermissen, vorausgesetzt auch hier wieder, dass man die Leiche zur Besichtigung erhält, bevor durch den Verwesungsprocess die Hautfläche ganz entstellt und namentlich die Oberhaut bereits abgelöst ist. Indess für sich allein ist die Gänsehaut nichts weniger als ein diagnostisches Zeichen des Ertrinkungstodes. Denn ich habe schon früher darauf aufmerk- sam gemacht, dass bei Menschen von „straffer Faser", zumal bei solchen aus der untern Volksklasse, die eine derbe, straffe, im Leben nicht gepflegte Haut hatten, diese im Leben (wie Je- der sich bei solchen Individuen leicht wird überzeugen können), wie nach dem Tode eine körnige Beschaffenheit zeigt, die gar nicht von einer sogenannten Gänsehaut zu unterscheiden ist. Hierzu füge ich aber noch einen andern Thatbestand, von dem ich durch fortgesetzte Untersuchungen von Leichen gewaltsam Gestorbner vergewissert worden bin, den nämlich, dass nach allen Arten von Selbstmord, Erschiessen, Erhängen, Erstechen u. s. w., ja nach allen, auch durch Unglücksfall erfolgenden plötzlichen Todesarten gesunder Menschen, z. B. durch Sturz u. s. w. eine Gänsehaut am Leichnam ungemein häufig zu be- obachten ist, ganz eben so körnig und deutlich ausgeprägt, wie nur immer nach dem Ertrinkungstode. Man wird sich bei fast jeder derartigen Leiche davon überzeugen können. Ohne Zwei- fel ist hier die Gemüthserschütterung im Augenblicke der zu- fälligen oder der Selbsttödtung als veranlassende Ursache an- zusprechen, wie sie ja im Allgemeinen als solche mit Recht an- erkannt ist, und dass eben diese Gemüthsbewegung, mehr als der Eindruck des kalten Wassers, auch beim Ertrinken, die Erzeugung der Gänsehaut bedinge, dafür spricht der Umstand, dass eben die Temperatur des Wassers hierin keinen erheblichen Unterschied macht. Denn auch bei recht hoher Temperatur des Wassers im heissesten Sommer erscheint die Gänsehaut, wie bei niederer im Winter. 6) Die Beschaffenheit der Hände und Füsse. Schon wenn ein Mensch 12 — 24 Stunden im Winter wie im Sommer im Wasser gelegen hatte, (viel früher in der Regel nicht,) be- ginnen Hände und Füsse eine livide, graubläuliche Farbe anzu- nehmen. Nach zwei bis drei Tagen ist die Farbe grau-blauer geworden, und sticht schon sehr deutlich von der übrigen Farbe der Leiehe ab. Gleichzeitig hat sich nunmehr auch die Haut der Hände und Füsse in Längcnfalten gerunzelt, und die Glie- der haben grosse Aehnlichkeit mit denen eines cyanotisch-asphyc- tischcn Cholerakranken. *) Die weitern Veränderungen werden wir unten beim Verlaufe des Verwesungsprocesses bei Ertrun- kenen (§. 58.) erwähnen. Was aber den diagnostischen Werth dieser „Cholerahände" bei Wasserleichen betrifft, so ist er gleich Null, denn die Erscheinung ist ein reines Leichenphänomen; natürlich, da sie sich erst nach 12—24 Stunden des im Wasser Liegens auszubilden anfängt, in welcher Zeit der Mensch längst eine Leiche war. Niemals wird man eine Verfärbung oder Hautrunzelung der Hände und Füsse an der Leiche eines Men- schen finden, der ertrunken, aber schon nach einer halben, nach zwei, sechs, acht Stunden aus dem Wasser gezogen worden war. Andrerseits haben wir sie zum Ueberfluss auf dem Wege des Experimentes vollständig hervorgebracht durch Einlegen von Leichen ins Wasser, ja durch blosses Einwickeln ihrer Hände mit stets nass gehaltnen Tüchern während einiger Tage. Dies Zeichen, zumal in seinen spätem Ausbildungsgraden, be- weist daher nichts mehr und nichts weniger, als dass der be- treffende Körper, wenn der ursprüngliche Auffindungsort etwa unbekannt geblieben wäre, im Wasser gelegen haben müsse, in keiner Weise aber, ob derselbe todt oder lebend hineingerathen gewesen sei. Aber auch in der genannten Beziehung kann das- selbe werthvollen Aufschluss für den Richter geben. Denn es kann, wofür ich selbst einen Fall zu behandeln gehabt, vorkom- men, dass Diebe die Leiche eines, nahe am Ufer liegenden Er- trunkenen aus dem Wasser hervorziehn und berauben, bei die- ser Gelegenheit auch wohl durch rohes Verfahren beschädigen und dann liegen lassen, und der Fall kann dadurch das Ansehn eines an dem Verstorbenen verübten Raubmordes gewinnen. *) S. die Abbildung Taf. III. Fig. 8. Schon beim Herantreten an die Leiche aber würde man sogleich die Ucberzeugung gewinnen und aussprechen können, dass die- selbe, wenn sich jene Beschaffenheit der Haut an Händen und Füssen findet, schon als Leiche längere Zeit im Wasser gelegen haben müsse, und die fernere Untersuchung derselben wird dann das Weitere ergeben. 7) Sand, Kies, Schlamin u. dgl. unter den Nägeln der Finger der Leiche. Die genauste Untersuchung zeigt derglei- chen bei den meisten Ertrunkenen gar nicht, und nur bei sol- chen kommt es vor, die im Untersinken auf den Grund gerie- then und hier, oder am Ufer, oder an Schiffen und Flössen u. s. w. längere Anstrengungen machten, um sich zu retten. Der Befund wird von Wichtigkeit sein, da nicht anzunehmen, dass etwanige Mörder sich die Zeit und Mühe genommen ha- ben sollten, auf diese schwierig herzustellende Weise der Leiche das Ansehn eines Ertrunkenen geben zu wollen, wogegen mög- licherweise allerdings beim Herausziehn der Leiche aus dem Wasser Sand u. dgl. unter die Nägel gerathen sein konnte. Allein der Mangel eines solchen Befundes ist, aus dem ange- führten thatsächlichen Grunde, für die Diagnose des Ertrin- kungstodes vollkommen unerheblich. 8) Auf ein anderes und neues Zeichen des wirklichen Er- trinkungstodes habe ich in den „gerichtlichen Leichenöffnun- gen" *) aufmerksam gemacht, nämlich auf das Zusammenge- zogensein des Penis bei lebendig ins Wasser gerathnen und darin ertrunkenen Männern. Ich habe dies fast bei kei- ner dergleichen frischen Leiche vermisst, und andrerseits Glei- ches so beständig nach keiner andern Todesart gefunden. Auch bei den colossalsten Männergestalten findet man dies Glied kurz und zurückgezogen, und selbst der spätere Verwesungsprocess, der dasselbe aufschwellt, lässt doch immer noch die geringe Längenausdelmung des Organs deutlich wahrnehmen. Brett- *) Zweites Hundert S. 109. ner*) hat sehr geistvoll dies auffallende Phänomen mit der Gänsehaut zusammengestellt. „Glatte Muskelbündel", sagt der- selbe, „in der obern Schicht der Lederhaut gelegen, umfassen die Talgdrüsen und treiben diese körnerförmig hervor, so oft sie sich contrahiren, das ist die Gänsehaut. Eben solche glatte Muskeln finden sich im Unterhautzellgewebe des Penis; sie ver- laufen vorzugsweise parallel der Längsaxe des Gliedes, aber auch nicht selten mit starken Bündeln der Queere nach (Köl- licker). Man darf erwarten, dass ihre Contraction das schwammige, wenig widerstandsfähige Gewebe des Penis zusam- mendrücken, die Dimensionen des Gliedes, seine Breite, seine Dicke, namentlich aber, zufolge seiner beschriebnen Anord- nung, seine Länge verringern, kurz recht eigentlich ein „Zu- sammengezogensein" des Penis erzeugen werde, und weiter, dass derselbe Reiz, welcher die glatten Hautmuskeln, auch diese glatten Pems-Muskeln zur Zusammenziehung zu bestimmen fähig sei, z. B. die Kälte und der Schreck." §. 55. Fortsetzung, b) Die innern Befunde. 9) Hirnhyperämie. Es ist davon bereits (§. 53. S. 551) ausführlich die Rede gewesen. Ihr Pehlen bei wirklich Ertrun- kenen ist die Regel, wird also niemals das Gegentheil erweisen können. Dazu kommt, dass vorgeschrittne Fäulniss sie, wo sie ursprünglich vorhanden war, ganz verschwinden macht. In solchem Falle, in welchem sich so überwiegend viele Wasser- leichen befinden, die zur Cognition des Gerichtsarztes kommen, ist, wie wir unten zeigen werden, so zu sagen der äussere Kopf ein weit beweisenderer Befund, als der innere. 10) Offenstehn des Kehldeckels. In Kranzler's Versuchen an Thiercn hat es sich gezeigt, dass, wenn man vor dem Eintritt der Fäulniss obducirt, der Kehldeckel immer grade in die Höhe gerichtet steht, die Thiere mögen ertränkt oder *) m. Vierteljahrsschrift 1855. VII. S. 159. Casper, gerichtl. Meclicin. 36 auf irgend eine andre "Weise getödtet sein. An Thieren habe ich, wie schon bemerkt, keine Versuche gemacht. Bei Menschen hat der Stand der Epiglotüs keiaen diagnostischen Werth. Es ist eben so oft, wie das Auf'rechtstehn, auch das Gegentheil als beim Ertrinkungstode beobachtet, behauptet worden, und mit Recht, denn man findet in den Leichen wirklich beides, aber wohl ganz und gar unabhängig vom Ertrinkungstode, nämlich bedingt und modificirt — durch die Manipulation der Leiche und ihres Halses beim Eröffnen der Luftröhre und des Kehl- kopfes. 11) Sch aum in der Luftröhre. Von diesem hochwich- tigen Zeichen bei Erstickten, und namentlich bei Ertrunkenen, ist bereits (§. 40. S. 466) ausführlich die Rede gewesen. Man findet bei frischen Leichen suffocatorisch Ertrunkener, neben der zinnoberroth erscheinenden Injection der Schleimhaut, bald nur einzelne, weisse, aber sehr deutlich wahrnehmbare, kleine Perl- bläschen, bald schon weit mehr Schaum, der meist weiss, selt- ner blutig gefärbt ist, bald endlich den ganzen Canal der Tra- chea vollkommen angefüllt und ausgestopft mit solchem feinbla- sigen, weissem Gischt. Dass derselbe bis in die Bronchien hinabsteigt, oder vielmehr von dort und ihren Verästelungen ausgeht, erkennt man deutlich, wenn man, was ich schon oben empfohlen habe, auf die noch unberührten Lungen einen starken Druck ausübt, wo man dann auch in solchen Fällen, wo in der geöffneten Luftröhre sich wenig oder nichts von diesem Schaum vorfindet, ihn sogleich heraufsteigen sehn wird. Wenn Dcvcr- gie meint, dass der Schaum in der Luftröhre nur dann gefun- den werde, wenn der Kopf des Ertrinkenden noch über Was- ser kam und atmosphärische Luft athmete, so inuss ich, auf ganz bestimmte Beobachtungen gestützt, das Irrige dieser An- sicht behaupten. Auch bei Menschen, die notorisch gleich un- ter Schiffe, Balken u. s. w. geriethen, als sie ins Wasser fielen, und nicht wieder lebend an die Oberfläche kamen, bei Andern, die sich mit schweren Steinen belastet hatten, um sogleich und sicher unterzugehn, was sie anscheinend auch erreicht haben musßten, habe ich diesen Befund in der Luftröhre ganz wie in andern Fällen gefunden, in denen ein Wiedereinportauchen zwar nicht bekannt war. aber immerhin angenommen werden mochte. Jedenfalls, da dieser Schaum ein Product der Mengung der eingedrungenen Ertnmkungsflüssigkcit, des Schleims der Schleim-- haut auch wohl des Blutes aus zerrissenen Gefässen mit der in der Luftröhre und den Lungen noch enthaltenen Luft ist, eine Mengung, vermittelt durch die letzten gewaltsamen Respirations-' bewegungen, muss derselbe als unbestreitbares Zeichen einer vi- talen Reaction, d. h. des, zur Zeit seiner Entstehung noch vor- handen gewesnen Lebens betrachtet werden. Die Möglich- keit, dass dennoch der betreffende Mensch erst als Leiche ins Wasser gekommen, nachdem er irgendwie anderweitig erstickt war, und sich bei diesem Tode dieselbe Schaumbildung erzeugt hatte (§. 40.), diese Möglichkeit bleibt allerdings bestehn. Aber abgesehn davon, dass eine solche zufällige Concurrenz gewiss nur äusserst selten vorkommen wird, und in den gewöhnlichen Fällen nicht präsumirt werden kann, werden event. dann ja auch noch die übrigen Zeichen des wirklichen Ertrinkungstodes er- wogen werden und Licht geben. Leider! wird auch dies vor- treffliche Zeichen durch den Verwesungsprocess zerstört, und man findet dann Luftröhre und Bronchien ganz leer, wenn der- selbe nur irgend schon vorgeschritten war. Einen Anhaltspunkt für das Urtheil wird man in solchen, so häufigen Fällen indess wenigstens noch in der, dann nothwendig und sicher sich er- gebenden Verwesungs-Färbung der Luftröhrenschleimhaut haben, die, wie oben bemerkt (S. 51), schon so verhältnissmässig rasch und als eine der frühsten Verwesungserscheinungen eintritt, und durch die kirschbraune Rothe der ganzen innern Fläche des Kehlkopfs und der Luftröhre leicht erkennbar ist. 12) Die verschiedene Wölbung des Zwerchfells, das man bald hoch nach der Brust hinaufgestiegen, bald nach unten gedrängt gefunden haben will, ist zur Berücksichtigung empfoh- 36* 564 Kitriiiketi. §. .r)f>. Diagnose. I)) Die iiinern Befunde. len worden. Ein Zeichen, wie dies, das ganßj von der Fäulniss abhängt, kann dem Practiker keinen diagnostischen Anhalt ge- ben. Je weiter die Verwesung- vorgeschritten, je mehr die Därme von Gas aufgetrieben sind, desto höher wird das Zwerch- fell hinanfgedrängt werden, und umgekehrt. 13) Das Hypervolumen der Lungen. Die Lungen in der frischen Leiche eines wirklich Ertrunkenen in jedem Le- bensalter bieten ein so eigentümliches Ansehn dar, dass das Zeichen ein wahrhaft thanatognomisches genannt werden kann. Nur in den allerseltensten Fällen und bei sehr weit vorge- schrittner Fäulniss des ganzen Leichnams und aller seiner Or- gane lässt es in Stich. Solche Lungen nämlich füllen die Brust- höhle strotzend aus, so dass sie ganz an den Rippen anliegen und das Herz fast ganz bedecken; sie erscheinen ballonartig aufgeblasen und sind nicht wie gewöhnlich gesunde Lungen ziemlich derb' und knisternd, sondern gleichsam schwammartig anzufühlen. Gleiches kommt so constant nach keiner andern Todesart vor, als nur noch bei den höchsten Graden acuten Lungenoedems, was aber hier nicht Statt findet, und ausserdem noch zuweilen nach Erstickung in nicht athembaren Gasen. Dieses Aufschwellen der Lungen ist zum Theil eine wirkliche Hyperaerie, eine Folge gewaltsamster Inspirationen, wenn der Kopf des Ertrinkenden noch über die Wasserfläche emporge- taucht war, zum Theil und hauptsächlich aber eine Folge des Eindringens der Ertränkungsflüssigkeit in die Lungen, wie die vielfach angestellten Versuche an Thieren mit gefärbten Erträn- kungsflüssigkeiten unzweifelhaft nachgewiesen haben. "Wenn DO O man in die Lungen einschneidet, so fliesst ein wässrig-blutiger Schaum massenhaft hervor. Wenn in den Controverssehriften über den Ertrinkungstod, zum Theil auf Grund beiderseitig an- gestellter Versuche an Thieren, eben so oft behauptet worden ist (Daniel, Morgagni, de ITaen, Metz ger, Orfila u. A.) als bestritten (Goodwyn, Haller, Mai er, Wistrand, Al- bert u. A.), dass Wasser auch nach dem Tode in die Luft- Wiege dringen und nicht dringen, oder endlich, dass es dann nur noch unter künstlichen Veranstaltungen liineingelangen könne (Löffler, Riedel, Kranzler), so giebt es Ein Crite- rium, das diesen wissenschaftlich interessanten Streit für die Praxis unerheblich macht, ich meine die schaumige Beschaf- fenheit der in den LuiigQü, wie in den Luftwegen überhaupt, befindlichen Flüssigkeit, die unter keinen Umständen, auch durch die künstlichsten Veranstaltungen, Injectionen u. dgl. nicht, in der Leiche erzeugt werden kann, da sie ein Product der le- bendigen Athemanstrengungen der Sterbenden ist (S. 563). Das durch Versuche unumstösslich erwiesene Factum, dass nicht etwa blosse Hyperämie ausschliesslich es ist, die das Hypervo- lumen der Lungen erzeugt, erklärt es auch, warum diese Be- schaffenheit der Lungen bei Ertrunkenen auch da gefunden wird, wo dieselben gar nicht den Erstickungs- sondern den neuroparalytischen Tod starben, was den diagnostischen Werth dieses wichtigen Zeichens erhöht. Wir sagten oben, dass das- selbe nur durch sehr hohe Verwesungsgrade zerstört wird; da- gegen ist noch zu bemerken, dass es in den frühern Verwc- sungsgraden und selbst dann noch wahrnehmbar ist, wenn der Schaum in der Luftröhre bereits ganz, das Blut im Leichnam schon fast ganz durch den begonnenen Fäulnissprocess verdun- stet ist. Dass die bedeutende Beweiskraft dieses Befundes end- lich sich zur unumstösslichen steigern kann, wenn die Flüssig- keit, in der der Mensch ertrank, eine eigentümliche war, z. B. Mistjauche, Seifwasser, Urin u. dgl. und diese sich in den Lun- gen wiederfand, bedarf keiner Erörterung. 14) Hyperämie des rechten Herzens bei gänzlicher oder fast völliger Leere des linken. Sie ist nur Einer der Be- funde des allgemeinen Erstickungstodes (§. 40.) und kann also nur diesen erweisen, der anderweitig erfolgt sein, und nach dessen Eintritt die Leiche ins Wasser geworfen worden sein konnte. Sie fehlt aber eben deshalb bei wirklich Ertrunkenen in allen den zahlreichen Fällen, in denen deren Tod auf andre Art als suflboatorisch, namentlich wenn er neuroparalytisch er- folgte. Ganz eben so ist 15) die Ueberfüllung der Lungenarterie und 16) die wirkliehe Hyperämie der Lungen zu wür- digen. 17) Die auffallende Flüssigkeit des Blutes im ganzen Leichnam, das eine dem Kirschsäfte ähnliche Farbe zeigt, ist dasjenige Zeichen, über welches von jeher die Meinungen, wie über kein andres übereinstimmten. Die Blutvergiftung durch den Nichtzutritt des Luft - Sauerstoffes, wodurch seine Gerin- nungsfähigkeit beeinträchtigt wird, erklärt diese Blutbeschaffen- heit leicht, die auch thatsächlich bei keiner Art des Ertrin- kungstodes fehlt und fehlen kann. Aus eben jenem Grunde muss dieselbe Blutzersetzung aber auch entstehn, und entsteht sie (§§. 39. 53.) bei jeder andern Todesart, welche durch Ver- hindern des Einströmens der athembaren Luft in die Athmungs- werkzeuge bewirkt wird, wie ferner dieselbe auch nach narco- tischen Vergiftungen, Faulfiebern und, wie behauptet wird, nach tödtlichem Blitzschlag entsteht. In Verbindung mit den übrigen diagnostischen Zeichen wird indess die etwanige Vermuthung einer anderweitigen derartigen Todesart bei aus dem Wasser gezognen Leichen, was diesen Befund betrifft, leicht bestätigt oder beseitigt werden können. Bei einem, in frischer oder nur noch nicht sehr verwester Leiche niemals fehlendem Obductions- befunde, wie dieser, ist es nur wieder zu beklagen, dass der- selbe ebenfalls durch den vorgeschrittnen Fäulnissprocess, der die Leichen ganz blutlos macht, vollkommen verschwindet. Weniger Anhaltspunkte, als die genannten, geben endlich die Sectionsbefunde in der Bauchhöhle. Der wichtigste und vielbesprochenste unter ihnen ist: 18) Das Vorhandensein von Ertränkungsf lüssi gkcit im Magen. Es fragt sich zunächst, was die Beobachtung im Grossen an Leichen unzweifelhaft Ertrunkener über die That- sache lehrt? Es ist dies, dass in den meisten Fällen mehr oder weniger Wasser im Magen wirklich gefunden wird, von einer ganz schwappenden Anfullung an, bis zu wenigen Esslöffeln» und dass nur selten der Magen bei nicht ganz verwesten Lei- chen — denn bei diesen ist, mit allen Flüssigkeiten, meist auch das etwa "früher vorhanden gewesene Wasser im Magen ver- dunstet — vollkommen leer angetroffen wird. Wenn dieser Befund von wässrigem Inhalt des Magens in Abrede gestellt worden, so lag, glaube ich, eine hier sehr leicht mögliche Täu- schung zu Grunde, auf die erst eine längere Praxis aufmerksam macht, ich meine den Umstand, dass, wenn man, wie so ge- wöhnlich, Speisebrei im Magen findet, zumal wenn der Brei nicht sehr flüssig ist, man allerdings gar nicht genauer bestimmen kann, wie viel im Todeskampf verschlucktes Wasser demselben beigemischt worden ist. Dagegen sind die Fälle ungemein häufig, wo der Speisebrei wasserdünn ist, oder wo man ohne alle Speisereste Wasser im Magen findet. Dass dasselbe nicht nach dem Tode hineingelangt sein konnte, darüber ist gegen- wärtig kaum noch eine Meinungsverschiedenheit, da vielfache Versuche an Thieren darüber entschieden haben. Riedel*) fand bei fünf todt ins j Wasser geworfnen Katzen und bei drei in günstigster Stellung unter Wasser gebrachten Kinderleichen nach 1 — 2 Tagen keine Spur eingedrungner Flüssigkeit; Kranzler**) bei seinen, in Dintenwasser geworfnen Thierlei- chen selbst dann nicht, wenn er den Thieren das Maul auf bei- den Seiten bis nach hinten zum Gelenk des Unterkiefers aufge- schnitten, einen Kork zwischen den Kiefern befestigt und die Thiere so im Wasser gelagert hatte, dass der Kopf und das auf die eben beschriebne Weise offen erhaltne Maul nach oben standen. — Dagegen liegt andrerseits beim Befunde von Was- ser im Magen die Annahme der Möglichkeit sehr nahe, dass der Verstorbne noch kurz vor dem Tode Wasser getrunken ha- *) Medic. Vereinszeitung 1847. S. 233. **) m. Vierteljahrsschrift II. S. 232. ben könne (247. Fall). In allen Fällen dieses Befundes aber ein zufälliges, vorberiges Trinken anzunehmen, verbietet die Logik, denn man müsste fragen, warum man nicht eben so häufig nach allen andern gewaltsamen Todesarten, bei Erhäng- ten, Erschossenen u. s. w. gleichfalls wasserdünnen Speisebrei oder Wasser findet, was keinesweges der Fall ist. Wenn man noch eine andre „Möglichkeit" zur Erklärung des vorgefundnen wässrigen Mageninhaltes, und zur Erschütterung seiner Beweis- kraft aufgestellt hat, die nämlich: dass irgend ein Dritter der Leiche des nicht Ertrunkenen, zur Verdeckung der anderweitig erfolgten gewaltsamen Tödtung, absichtlich Wasser in den Ma- gen injicirt haben könnte, so begegnen wir hier wieder einer jener „Amönitäten" speculirender gerichtlich-medicinischer Schrift- steller, die sich so oft mit überflüssigem Aufwand von Scharf- sinn abmühten und abmühen, das nahe Liegende in die weiteste Ferne zu rücken, und die ihren Schreibtisch mit dem gericht- lichen Sectionstisch verwechseln! Wo wäre im wirklichen Le- ben ein solches Verfahren vorgekommen? Und müsste ein sol- cher „Mörder" nicht mindestens ein unterrichteter Mediciner sein, der mit der Lehre vom Ertrinkungstode, wie mit der Ma- nipulation der Magenspritze vertraut ist?! — Ausser gewöhn- lichem Wasser kann ein günstiger Zufall es bewirken, dass man eine eigenthümliche Ertränkungsflüssigkeit, die nie ein Mensch trinkt, z. B. Mistjauche, oder Schlamm aus Sumpfwasser u. dgl. im Magen, wenn auch in noch so geringer Menge, findet (69. und 257. Fall), und dann ist wieder ein unumstösslicher Be- weis des wirklich erfolgten Ertrinkungstodes hergestellt, da diese Flüssigkeit in den todten Magen nicht gelangen konnte, und das Schlingen noch ein vitaler Act des im Wasser Ster- benden war. Welche eigenthümliche Combinationen übrigens das practische Leben liefert, und wie aus einem specifisilun Grunde kein Wasser in dem Magen eines Ertränkten von uns gefunden wurde, weil — der Kopf desselben eingehüllt worden war, und erfolglich nicht Wasser schlucken konnte, zeigt der 248. Fall. 19) Hyperämie der Bauchorgane, namentlich und vorzugsweise der Nieren und Vena cava, aber auch der Leber und Mesenterialvenen. Als allgemeines Zeichen des Erstickungs- todes wird sie allerdings bei Ertrunkenen, wie in allen andern Füllen, in denen diese Todesart vorliegt, dagegen dann aber nicht gefunden, wenn der Tod im Wasser auf andre physiolo- gische Weise erfolgt war. Sie ist deshalb nichts weniger als ein specifisches Zeichen des Ertrinkungstodes, und verschwin- det, wo sie vorhanden war, gleichfalls mit dem fortschreitenden Verwesungsprocess. 20) Die Anfüllung oder Nichtanfü 1 lung der Harn- blase ist ein ganz werthloses Zeichen. Sie wird genau eben so häufig voll als leer, oder halbgefüllt bei Ertrunkenen gefun- den, was unstreitig nur von dem Zufall abhängt, ob Denahes kurz vor dem Sturz ins Wasser seinen Urin gelassen hatte oder nicht. Blutigen Urin, auf dessen Befund Devergie Werth legt, den er indess selbst „selten" nennt, und auch bei Erhäng- ten gesehn haben will, habe ich meinerseits in keinem einzigen Falle, weder bei Ertrunkenen, noch bei Erhängten, gefunden. Im Vorstehenden glaube ich nachgewiesen zu haben, dass, unter sorgsamer Erwägung der, wirklicher Naturbeobachtung entnommnen diagnostischen Kennzeichen des Ertrinkungstodes in ihrer Gesammtheit, und unter Beseitigung einer subtilen Skepsis, die ihr letztes Ziel im Verneinen sucht, es nicht zu den schwierigsten Aufgaben des gerichtlichen Arztes gehört, festzustellen: ob ein Mensch lebend ins Wasser gerathen und den Ertrinkungstod gestorben sei. Bei diesem Ausspruch sind natürlich Leichen vorausgesetzt, die überhaupt noch, wegen nicht zu weit vorgeschrittner Verwesung, beweisende Obduc- tionsbefunde liefern können. §. 56. Casuistik. 247. Fuji. Neuroparalytischer Ertrinkungstod. Getrunkenes Wasser im Magen. An einem Mühlgraben mit seiner Wärterin im heissen Sommer spie- lend, war ein zwei Jahre alter Knabe in's Wasser gefallen und gleich darauf todt hervorgezogen worden. Bei der Obduction fanden wir das Gehirn in Hinsicht auf Blutfülle ganz normal, kein Wasser in der Luft- röhre und den Bronchien, obgleich der Kehldeckel offen stand, in den Lun- gen Blutleere, und absolute Blutleere in allen Herzhöhlen. Das Blut war ungemein flüssig und kirschroth. Was den Fall aber interessant machte, war, nicht die fast völlige Anfüllung des Magens mit Wasser an sich, sondern die Gewissheit der Entstehung dieses Befundes. Das Kind hatte nämlich Durst bekommen, und ein, von der Wärterin am nahen Brunnen geholtes Glas Wasser mit Begierde ganz ausgetrunken. Gleich darauf entfernte sich die Wärterin einen Augenblick, und als sie wieder zurückkehrte, fand sie das Kind vom Ufer herab in's Wasser ge- fallen und ertrunken! 248. Fall. Mord des eigenen Kindes durch Ertränken. Hirnhyperämie. Am 16. August 18— wurde in einem Teiche im Thiergarten der Leichnam eines Kindes im Wasser so gefunden, dass dessen Rücken über dem Wasser sichtbar war, der Kopf aber unter dem Wasser lag. Das Kind war nackt, der Kopf aber mit einem bunten Tuche um- hüllt, das unter dem Kinn am Halse zugeknüpft war, jedoch keinesfalls so fest, dass eine Strangulationsmarke am Halse sichtbar gewesen wäre. Die Mutter wurde in der Person der unverehelichten G. ermittelt, die aber jede Wissenschaft vom Tode des Kindes leugnete und vielmehr be- hauptete, dass ihr dasselbe auf der Strasse abhanden gekommen sei. Das Kind war 2£ Jahre alt. Die Zunge lag hinter den Zähnen. Die Farbe war die gewöhnliche Leichenfarbe; sehr deutlich war eine Gänsehaut auf der ganzen rechten Körperseite und auf dem linken Oberschenkel wahr- nehmbar. Die dura und pia mater, die Hirnsubstanz und die sämmt- lichcn Sinus waren sehr blutreich, ja letztere mit sehr dunklem und flüssigem Blute ganz überfüllt. Gar keine Hyperämie dagegen faud sich in den Brustorganen; die Lungen, die die Brusthöhle ganz ausfüllten, waren eher bleich, als dunkel gefärbt, und enthielten nur eine ziemliche Menge eines dunklen, flüssigen Blutes. Gleiches war in Betreff der Ju- gularen und der grossen Bruststämme der Fall, während das Herz sogar in den rechten Höhlen nur einen halben Theelöfiel, in den linken nur einige Tropfen Blut hatte. Hiernach war zu erwarten und fand sich auch, dass Kehlkopf und Luftröhre vollkommen leer und normal beschaffen waren. Nur massig blutreich waren die Leber und die Nieren, während die V. caca stark gefüllt erschien. Die Harnblase war leer. Die übri- gen Bauchorgane boten Nichts zu bemerken. Der gesunde Magen war mit KartoftVlbrei fast ganz gefüllt. Wasser, etwa beim Ertrinken ver- schluckt, konnte hier nicht erwartet werden, da ja dem Kinde durch Ein- wicklung des ganzen Kopfes die Möglichkeit genommen gewesen war, noch unter dem Wasser zu schlucken, und. dasselbe in den Magen ein- zuziehn. (Wir werden unten (266 Fall) noch eine Leiche, die mit um- wickeltem Kopfe aus dem Wasser gezogen wurde, vorzuführen haben.) Dass Schlagfluss, nicht Erstickung, den Tod des Kindes veranlasst hatte, war so zweifellos, dass wir hier nicht weiter dabei zu verweilen haben. Nachdem wir aber im Obductions-Berichte, zur Erörterung der Frage: ob dieser Schlagfluss im Wasser entstanden, d. h. mit andern Worten: ob das Kind lebend in's Wasser gekommen sei? zunächst dem Eichter bemerkt hatten, dass Ertrinkende auch am Schlagfluss sterben, wenngleich diese Todesart hier weit seltner als die durch Suffocation sei, fuhr der Bericht fort; „nun ist es zwar allgemein bekannt, dass Blutschlagfluss plötzlich bei ganz Gesunden entstehn kann, und es könnte sonach das Kind der Inculpatin von einem Schlagfluss plötzlich befallen und getödtet worden, und erst als Leiche ins Wasser gekommen sein. Allein bei der zugegebnen Möglichkeit sprechen doch Gründe für die hohe Unwahr- wahrscheinlichkeit einer solchen Annahme. Das Kind war bis zum Augen- blicke seines Verschwindens gesund und auf den Beinen, und war mit der Inculpatin ausgegangen, und unter diesen Umständen, zumal bei einem Kinde von drittehalb Jahren, würde das plötzliche Entstehn eines tödtlichen Schlagflusses zu den allergrössten Seltenheiten gehören. Dazu kommt, dass hierbei kaum erklärlich wäre, warum der Leiche der Kopf vor dem Versenken ins Wasser verhüllt worden wäre, während die An- nahme nahe liegt, dass der Thäter, wenn er das noch lebende Kind ins Wasser zu werfen beabsichtigte, sich selbst durch Umhüllen des Kopfes des Kindes die That weniger furchtbar machen wollte. Ganz vor- züglich aber für die Annahme, dass das Kind lebend in den Teich ge- kommen, sprechen die Flüssigkeit des Blutes, und zum Theil auch die Gänsehaut, welche am Korper sehr deutlich wahrgenommen wurde. Scdbstrodend konnte und kann dieselbe bei einer Leiche nicht mehr ent- stohn, da sie zu ihrer Ausbildung ein Haut leben voraussetzt, und an- drerseits ist nicht abzusehn, wie da:, Kind diese Gänsehaut bekommen haben sollte, ohne den plötzlichen Eindruck des Wassers auf die nackte und lebende Haut." Hiernachnahmen wir keinen Anstand zu behaupten, dass das Kind durch Ertrinken seinen Tod gefunden habe. Die Ange- schuldigte wurde wegen mangelnden Beweises des subjectiven That- bestandes von der Anklage entbunden. — Der Fall giebt einen Beweis dafür, wie irrig die mehrfach vorgebrachte Behauptung ist, dass Schlag- fluss bei Ertrinkenden nur entstehe, wenn sie mit dem Kopfe auf harte Gegenstände, Felsen, Steine, Balken u. dgl. aufstossen, denn von allen solchen fremden Körpern ist in den flachen morastigen Teichen des Ber- liner Thiergartens keine Spur zu finden! 249. Fall. Suffocatorischer Ertrinkungstod. Eine unbekannte Leiche war im Wasser gefunden worden. Obgleich # die Fäulniss (Ende April) schon weit vorgeschritten, so dass, wie ge- wöhnlich, die Luftröhrenschleimhaut schon dunkelbraunroth gefärbt war, so konnte doch der Ertrinkungstod noch festgestellt werden. Derselbe war, ohne Beimischung von Apoplexie, rein suffocatorisch erfolgt. Sehr viel blutiger Schaum erfüllte die Luftröhre, sehr viel dunkles, wasser- flüssiges Blut die Lungen, und, mit Blutcoagulis gemischt, das rechte Herz, während das linke leer war. Sehr blutreich ferner erschienen die Nieren, und im Magen fand sich, ausser einigen Kartoffelresten, ein Ess- löffel voll helles, klares Wasser. 250., 251., 252. und 253. Fall. » Mord der vier eigenen Kinder durch Ertränken. Neuroparalyse. Es wäre thöricht in Abrede stellen zu wollen, dass das grässliche Verbrechen nicht eine höchst interessante gerichtsärztliche Belehrung ge- währt hätte. Denn wir hatten hier gleichsam vierVersuchean lebenden Menschen über den Ertrinkungstod vor uns, insofern wir von vorn herein wussten, dass wir Leichen von Menschen unter ziemlich gleichen Ver- hältnissen, sämmtlich Kinder und leibliche Geschwister, zu untersuchen hatten, die gleich gesund in dasselbe Wasser, also bei ganz gleicher Temperatur, zu derselben Minute gelangt und wenigstens drei davon auch zu fast gleicher Zeit aus demselben wieder herausgezogen worden waren. Der kalte, ganz apathische Vater, d^r bei der Recognition der von ihm getödteten Kinder kaum eine Spur von Gewissensregung zeigte, hat vom Anfang an und bis zu senior Hinrichtung nicht einen Augenblick die That geläugnet, und sein Geständniss ist von seiner (unschuldigen) Ehefrau unter- stutzt worden. Alles dies trifft zusammen, um die Behauptung zu recht- fertigen, dass wohl selten ein solcher Parallelfall zur Beobachtung ge- kommen, und dass derselbe als eine wirkliche Studie zur Lehre vom Er- trinkungstode zu betrachten ist. Im November 18— hatte der Lithograph Bier mann seine vier leibli- chen und ehelichen Kinder in einem Korbe vom Hause weggetragen und im neuen Canal in das Wasser geworfen. Drei derselben wurden bald darauf, das vierte und älteste aber erst nach vier Monaten aufgefunden. Alle vier sind von uns obducirt worden. Die wesentlichen Resultate waren folgende: a) Paul, 4 Jahre alt. Die Leiche hatte nur eine einzige Stunde im Wasser gelegen. Die nicht geschwollne Zunge ist mit der Spitze ein- geklemmt; die Leiche ist ganz frisch, nirgends eine Gänsehaut zu be- merken. Finger und Zehen sind wohl bläulich gefärbt, aber ihre Haut (natürlich bei dem nur kurzen Aufenthalt der Leiche im Wasser) nicht gerunzelt. Die blutführenden Hirnhäute, das Gehirn selbst und die Si- nus sind nur sehr mässig (normal) gefüllt. Die Lungen füllen die Brust- höhle ballonartig aus, sind von heller Farbe und nur mässig blutreich. Kehlkopf und Luftrohre sind leer von Schaum, ihre Schleimhaut hell- röthlich injicirt. Im Kehlkopf befinden sich einige Kartoffelreste. Beim Druck auf die Lungen steigt ein ganz wässriges Blut in die Luftröhre hinauf. Die Kranzadern des Herzens sind mässig gefüllt; in der rechten Herzhälfte befindet sich ein Theelöffel voll geronnenen Blutes, die linke ist leer. Die Lungenarterie enthält keine ungewöhnliche Menge Blutes, was ganz dünnffüssig ist. Aus der Speiseröhre fliesst dünner Speisebrei. Der Magen ist ungewöhnlich gross und sehr weich, und ganz mit Wasser und flüssigem Speisebrei angefüllt. Die Leber ist ziemlich blutreich. Die Därme sind ganz normal gefärbt und enthalten dicken Koth. Milz und Nieren vollkommen normal. Die Harnblase enthält einen halben Theolöffel voll Urin. Die aufsteigende Hohlader ist nur normalmässig gefüllt. b) Herrmann, 2 Jahre alt, hatte fünfzehn Stunden im Wasser gelegen. Gesicht und ganze Leiche bleich und ohne Spur von Verwe- sung. Zunge nicht geschwollen, mit der Spitze eingeklemmt. Keine Spur von Gänsehaut. Nicht an den Händen, wohl aber an den Füssen zeigt sich die Maut faltig. Meningen sehr wenig blutreich; ebensowenig das Gehirn und die Sinns. Die Lungen füllen die Brusthöhle vollkom- men aus, sind hell und wenig blutreich. Kehlkopf und Luftrohre sind vollkommen bleich und leer. Aus den Lungen lässt sich sehr wässri^es Blut hineindriieken. Die Speiseröhre enthält flüssigen Speisebrei. Das Herz ist in den Kranzadern massig gefüllt, und enthält in beiden Hälften etwas weniges ganz dünnflüssiges Blut. Die grossen Brustgefässe ent- halten eine ungewöhnliche Blutmenge. Der bleiche Magen ist strotzend mit klarem Wasser und Speiseresten angefüllt. Leber massig blutgefüllt; die blassen Gedärme enthalten Koth. Milz und Nieren nicht blutüber- füllt. Harnblase leer. Vena cava normal mit dem beschriebnen Blute gefüllt. c) Georg, 1£ Jahre alt. Die nicht geschwollne Zunge liegt hinter den Kiefern. Bei dieser Leiche, die siebenzehn Stunden im Wasser ge- legen hatte, zeigen sich schon grünliche Flecke an der Bauchhaut, und der Kopf ist röthlich gefärbt. Keine Spur von Gänsehaut am ganzen Körper. An den Händen, weniger an den Füssen, sind schwache Län- genhautfalteu sichtbar. Im Schädel ist eine wirkliche Anämie bemerk- bar: die Meningen sind sehr bleich, eben so die Gehirne und die Sinus sind fast blutleer. Die Lungen drängen sich an die Puppen und sind auch hier, wie in den beiden andern Kindern, hypervoluminös; sie sind hell, blutarm, ergeben aber bei Einschnitten viel wässrigen Schaum, der sich auch in die Luftröhre hinaufdrücken lässt, die, wie der Kehl- kopf bleich und leer ist. Auch die Speiseröhre ist leer. Herz ganz blutleer. Auch die Lungenarterie sehr wenig Blut enthaltend. Der bleiche Magen ist strotzend mit einer gelblichen Flüssigkeit und Speise- resten gefüllt. Die Därme sind bleich und enthalten Koth. Leber, Milz und Nieren bieten gar nichts Auffallendes, am wenigsten einen besondern Blutreichthum. Harnblase leer. Die Vena cava mit wenigem, dunkel- flüssigem Blute angefüllt. d) Louise, 6 Jahre alt. Des Kindes Leiche war weit wegge- schwommen gewesen, und erst am 5. März aufgefunden worden, hatte also genau drei Monat und achtundzwanzig Tage im Wasser ge- legen, wobei ich bemerke, dass der Winter zu den anhaltendsten und strengsten gehörte, die seit einem Jahrzehnt hier vorgekommen sind. Dies erklärt den verhältnissmässig für die lange Zeit nur wenig vor- geschrittnen Verwesungsgrad, denn die Farbe der Leiche war nur erst eine graugrünlicho, wenngleich die Epidermis schon fast überall abge- löst, und die früh faulenden innern Organe bereits ergriffen waren. So waren die Augen natürlich nicht mehr zu erkennen, das Gehirn grau- broiigt und alle Organe anämisch, die Gefässe blutleer. Die Zunge lag mit der Spitze vor, Hände und Füsse waren grau und faltig. Die blei- chen, sehr blutleeren Lungen enthielten viel wässrigen Schaum, und füll- ten noch jetzt die Brusthöhle strotzend aus. Die Schleimhaut der Banz leeren Luftröhre und des Kehlkopfs hatte die chocoladenbraune Verwesungsfarbe. In dem sehr schlaffen Herzen zeigte sich in beiden Hälften, jedoch mehr in der rechten, noch etwas sehr dunkles, schmieri- ges Blut. Die Speiseröhre war leer, der von Verwesung braunroth ge- färbte Magen enthielt sehr viel fast wasserdünnen Speisebrei. Leber, Nieren, Milz und V. cava waren blutleer. Die Gedärme waren hell- röthlich von Verwesung und leer, wie auch die Harnblase ganz leer war. 254. Fall. Selbstertränkung. Suffocatorischer Tod. Das 20 Jahre alte Mädchen hatte im Januar 8 —10 Tage im Was- ser gelegen. Gewöhnliche Leichenfarbe, Gesicht, Hals und oberer Theil der Brust aber (als Anfang des Verwesungsganges bei Ertrunkenen) schon roth gefärbt. Die nicht geschwollne Zunge eingeklemmt. Hände und Füsse graubläulich, faltig. An den Unterextremitäten Spuren von Gänsehaut. Im Gehirne bleiche Plexus und nur ganz gewöhnliche Blut- fülle. Lungen hypervoluminös, gedunsen, dunkel, mehr hyperäniiseh, wie die grossen Gefässe gleichfalls. Im linken Herzen ein Esslöffel dunklen, ganz dünnflüssigen Blutes, im rechten eine doppelt so grosse Menge. In der kirschrothen, sichtlich injicirten Luftröhre kleinblasiger, weisslicher Schaum, der sich auch bei Druck auf die Lungen reichlich entleert. Der Magen stark mit dicklichem Speisebrei angefüllt, Harnblase ganz leer, Vena cava nicht übermässig gefüllt. 255. Fall. Selbstertränkung. Suffocatorischer Tod. Der 50jährige, am 15. März obducirte Mann hatte bereits sechs Wochen im Wasser gelegen. Die Farbe der colossalen Leiche war auch hier noch die gewöhnliche Leichenfarbe, und das Gesicht nur erst in der obern Hälfte braunröthlich. Keine Spur von Gänsehaut. Hände und Füsse sehr macerirt. Zunge hinter den Zähnen. Luftröhre sehr ver- west; beim Drucke auf die Lungen sehr viel blutiges Wasser emporstei- gend. Das noch im Körper vorhandne Blut war theerartig, und fand sich im rechten Herzen und in den grossen Gefässen in strotzender Fülle. Lungen dttttk^lsahieferblau, stark aufgedunsen, blutig-wässrigen Inhalt in grosser Menge zeigend. Im ganz leeren Magen 6 — 8 Unzen Wasser. Harnblase leer. Gehirn braunröthlich breiig-verwest. 256. Fall. • Selbstertränken. Eratickung. Obduction im März drei Tage nach dem Tode. Der 40jährige Mann hatte 18 Stunden im Wasser gelegen. Gewöhnliche Leichenfarbe, nur Gesicht und Hals sind roth gefärbt. Zunge vor den Zähnen. Gänsehaut fast überall. Penis contrahirt. Keine Leichenstarre. Hände und Füsse anfangend grau und mässig gefaltet. Die altadhärirendeu Lungen hyper- voluminös. Luftröhre rosenröthlich und leer, aber beim Druck auf die Lungen steigt massenhaft rosiger, grossblasiger Schaum empor. Die linke Lunge wenig blutgefiillt, die rechte strotzend von dünnflüssigem, schwarzem Blute. Herz: Kranzadern stark, linke Hälfte mit wässrig- Üüssigem Blute sehr stark, rechte Hälfte übermässig gefüllt. Eben so strotzend die Lungenarterie. Der Magen schwappend voll von einer mil- chig-trüben, sehr dünnen Flüssigkeit. Därme rosenröthlich. "Harnblase halb gefüllt. Nieren, Leber, Milz nicht, wohl aber die V. cavu hyper- ämisch. Schädelbefunde normal. 257. Fall. ^Sichere Diagnose des Ertrinkungstodes trotz völliger Ver- wesung. Obduction Ende März. Der 24jährige Mann musste bei dem hohen Verwesungsgrade mindestens (im Winter) vier bis fünf Monate im Was- ser gelegen haben; dennoch lag hier einer jener Fälle vor, wo mit Ge- wissheit geurtheilt werden konnte, dass De?lCllllS ertrunken (lebend ins Wasser gekommen) sein musste. Der Kopf der Leiche Avar kupferbraun- roth, Brust und Oberleib grün, Epidermis abgelöst, Penis retrahirt. Das Gehirn faul und anämisch. Die Lungen wären bei diesem hohen Verwe- sungsgrade nicht mehr aufgeblasen, sondern zusammengefallen und blut- leer. Die grossen Gelasse und das Herz enthielten noch etwas theerar- tiges Blut. Die Luftröhre kupferbraunroth und leer, auch liess sich aus den Lungen Nichts hinaufdriieken. Im leeren Magen fand sich ein halber Theelöffel Schlamm fest an der Schleimhaut adhärirend. Die Harnblase enthielt einen halben Esslöffel Urin, die Vena Cava noch etwas theerartiges Blut. Der interessante Magenbefund konnte über die Todesart nicht den mindesten Zweifel gestatten. 258. »all. Selbstertränken. Neuroparalytischer Tod. Die Obduction der 19jährigen Jungfer fand Ende April Statt. Der Fall bot Interessantes dar. Die Leiche konnte nur ganz kurze Zeit im Wasser gelegen haben, denn sie war durchaus unverfärbt, bis auf einzelne livide Flecke im Gesicht, und Hände und Füsse waren noch kaum mace- rirt. An Oberleib und Extremitäten Gänsehaut. Zunge eingeklemmt. Hymen erhalten. Der ungewöhnlich grosse Magen enthielt etwas Speise- brei, und war ganz schwappend voll Wasser, eine Quantität, wie sie ein junges Mädchen wohl schwerlich mit Einemmal trinken würde. Nieren nicht blutreich. Die V. Cava ascend., ihrer ganzen Länge nach mit vie- len faserigen Blutgerinnseln angefüllt, enthielt keinen Tropfen Blut. Die Lungen nicht ballonirt, blass-grau-röthlich; wenig Blut, aber viel Wasser floss aus allen Schnittflächen. Beide Herzhälften enthielten viel geronnenes Blut (sog. Polypen). Die bleiche Luftröhre enthielt ziemlich viel weissen Gischt, und beim Druck auf die Lungen stieg viel klares Wasser und Gischt empor. — Abgesehn von manchen, wie man sieht, nicht gewöhnlichen Befunden, ist der Fall ein neuer Beweis der oben von uns behaupteten und bewiesenen Möglichkeit der Gerinnung des Blu- tes nach dem Tode. (Vgl. allg. TM. §. 10. S. 26.) 259. Fall. Zufälliges Ertrinken. Herzhyperämie. Auch dieser Fall, einen fünfjährigen Knaben betreffend, der Ende Mai in eine Senkgrube gefallen und darin ertrunken war, verdient aus der Masse hier hervorgehoben zu werden. Keine Gänsehaut. Keine Hirncongestion. Lungen hypervoluminös, kein Wasser und nur weni-r Blut enthaltend. Die Luftröhre bleich, ganz leer, und auch beim Druck auf die Lungen leer bleibend. Das rechte Herz und die Lungenarterie enthalten viel ganz flüssiges Blut, das linke Herz ist leer. Der Magen enthält etwas Speisebrei und einen TheelöfFel reines, nicht kothiges Was- ser — wie es bei dem, mehr schlammig-kothigen, als rein wässrigem Me- dium, in welchem das Kind notorisch ertrunken war, hätte erwartet wer- den können. Die Harnblase leer. Die Vena Cava nur mässig gefüllt. Alle übrigen Befunde ganz unerheblich. Ca »per, gerichlL Medicin. 200. lall. War das neugebornc Kind ertrunken? Im October war in Charlottenburg die Leiche eines neugebornen Knaben aus der Spree gezogen worden. Es war allen Zeichen nach un- zweifelhaft ein reifes und lebensfähiges Kind gewesen. Der Kopf war schon schwarzgrün, der ganze Rumpf weit weniger, doch war die Epi- dermis überall abgelöst. Das Zwerchfell stand zwischen der siebenten und achten Rippe. Der Magen war leer, die Dickdärme enthielten Kinds- pech, die Harnblase leer, Milz und Leber waren breiig-faul, die aufstei- gende V. Cava war vollkommen leer. Die Lungen für sich hatten ein Gewicht von 3 Loth 3 Quentchen; sie hatten eine rothliche, schwach marmorirte Farbe, knisterten beim Druck, enthielten aber fast keinen blutigen Schaum, beide Lungen hatten auf ihrer untern Fläche kleine Fäulnissbläschen, und beide schwammen, auch zerschnitten, vollständig. Die verwesungsbraune Luftröhre und Kehlkopf waren, wie die Speise- röhre, leer und trocken; von Sand oder dergl. fand sich in beiden keine Spur. Dass das Kind bei der Geburt ein Caput succedan. gehabt hatte, liess sich noch deutlich wahrnehmen. Das Gehirn, in den bei solchem Verwesungsgrade gewöhnlichen rosenrothen Brei verwandelt, liess sich nicht mehr untersuchen. Die Sinus waren natürlich auch schon ganz blutleer, die Basis Cranii unverletzt. Wir nahmen keinen Anstand, in Erwägung: dass die Lungen noch zu wenig verwest waren, um ein blos- ses Schwimmen wegen Fäulniss annehmen zu können, in Erwägung des sehr tiefen Standes des Zwerchfells und besonders auch der Farbe der Lungen, zu erklären, dass das Kind nach der Geburt gelebt habe, fer- ner: dass eine gewaltsame Todesart aus der Obduction nicht erhelle, und dass es auch nicht wahrscheinlich, dass das Kind seinen Tod im Wasser gefunden habe (da nicht ein einziges Zeichen dafür sprach, wobei jedoch der hohe Verwesungsgrad ein gewisseres Urtheil zurückzuhalten gebot). 261. Fall. Selbstertränken. Neuroparalytischer Tod. Notorisch hatte der Tod des 20jährigen Mannes (im November) im Wasser Statt gefunden, die Leiche hatte aber kaum 24 Stunden im Was- ser gelegen. Auffallend war die Leichenstarre bei der Obduction noch am sechsten Tage; auffallend das Fehlen der Gänsehaut trotz der niedern Temperatur des Wassers im November. Aullallend stark ausgedrückt war auch der Befund im Magen, der, ohne alle Speisereste, mit hellem, klarem Wasser ganz angefüllt war. Im Uebrigen war auch hier wieder der Obductionsbefund im Ganzen rein negativ; namentlich waren Gehirn und Sinus nur normalmassig bluthaltig, die Luftröhre leer und nicht in- jicirt, und blieb auch beim Druck auf die Lungen leer, diese selbst schie- ferblaugrau, mehr hellröthlichen Schaum enthaltend, als hyperämisch, keine Hyperämie im rechten Herzen und in allen grossen Venenstämmen, eben so wenig in Leber und Nieren. Die Blase enthielt einen Theelöffel kla- ren Urins. Aber die ballonartige Aufblasung der Lungen, das kirsch- rothe, sehr flüssige Blut, die schon erwähnte Anfüllung des Magens mit klarem Wasser und die deutliche Contraction des Penis Hessen auf Er- trinken schliessen, das, wie gesagt, unbezweifelt auch wirklich Statt ge- habt hatte. 262. Fall. Ertrinken in lauwarmem Chamil 1 enthee. Apoplexie. Wie seltsame Combinationen die gerichtsärztliche Praxis liefert, da- für giebt, zu so vielen andern hier mitgetheilten Fällen, gewiss auch der folgende einen, und zwar um so lehrreichern Beweis, als auch hier wie- der der Thatbestand vor der Obduction festgestellt war, die nur wegen vorausgesetzter Fahrlässigkeit angestellt wurde. Ein sechs Monate alter Knabe war aus dem Bette in einen Eimer gefallen und darin ertrunken, worin sein Vater sich erbrochen, und zwar nur Schleim, einige wenige Speisereste und lauwarmen Chamillenthee gebrochen hatte. Man fand die Leiche mit dem Kopfe in der Flüssigkeit stehend. Der Mangel einer Gänsehaut am Kopfe konnte allenfalls aus der Temperatur der Flüssigkeit erklärt werden. Die Zunge lag zwei Linien vor den Kiefern. Die Lungen waren bleich und blutleer, das Herz in den Kranzadern leer, in beiden Hälften fast blutleer, Leber, Milz und Nieren nur die gewöhn- liche Blutmenge enthaltend, dagegen Gehirn und namentlich die Sinus sehr stark hyperämisch. Das Blut war nicht besonders dünnflüssig. Die Luftröhre fanden wir ganz normal und ohne Schaum, aber innerhalb des Kehlkopfes ein Partikelchen Speisebrei, was ohne Zweifel aus der er- brochnen Ertrinkungsflüssigkeit hinein gelangt war, da der dünne Speise- brei im Magen des Kindes ein ganz andres Ansehn hatte. Weitre Flüs- sigkeiten in Bronchien oder Magen fanden sich nicht. Der Fall war so durchaus eigentümlich, dass wir kein andres Gutachten abgeben konn- ten als dies: dass der Tod des Kindes durch Schlagfluss erfolgt, dass jedoch aus der Obduction nicht zu bestimmen, ob dieser Schlagfluss 37* durch Ertrinken erfolgt sei, wenn gleich die Obduction auch nicht da- gegen spräche. 263t Füll. Zufälliges Ertrinken. Neuroparalyse. Mit Zurücklegung sehr zahlreicher Ertrinkungsfälle, die nichts be- sonders Eigentümliches darboten, kann ich nicht unterlassen, noch den folgenden anzuführen, weil auch hier feststand, dass das Kind ein drei- jähriges Mädchen, und zwar durch Fahrlässigkeit (im Juni) ertrunken war, und sich auch hier wieder der Obductionsbefund ungemein negativ ge- staltete. Am Halse, Bauch und an zahlreichen Stellen des Oberschen- kels zeigte sich Gänsehaut. Der ganze Körper war bleich und noch ganz frisch. Das Gehirn war wenig, die Sinus nur mässig mit einem ganz wässrig-flüssigem Blute gefüllt. Die Lungen nicht grade sehr auf- fallend voluminös, sehr bleich nnd sehr blutarm. Die grossen Brustge- fässe fast ganz leer, ebenso blutleer das ganze Herz. Luftröhre und Kehlkopf bleich und ganz leer. Der Magen war angefüllt mit dickflüssi- gem Speisebrei, in dem aber kein Wasser unterschieden werden konnte. Die Leber erschien ziemlich blutreich, die V. caüCl aber nur mässig ge- füllt. Die Harnblase war leer und die übrigen Organe vollkommen nor- mal. Wer würde ohne Kenntniss des Fundorts der Leiche und der An- tecedentien sich hier wohl berechtigt gehalten haben, Ertrinkungstod an- zunehmen? Und dennoch war derselbe notorisch erfolgt! §. 57. Eigene oder fremde Schuld? Bei keiner gewaltsamen Todesart unter allen ist es schwieriger als bei der durch Ertrinken, aus der blossen Lei- chenuntersuchung zu entscheiden, ob Zufall, ob eigene Absicht oder die Schuld eines Dritten die Veranlassung zum Tode ge- wesen sei? Bei keiner die Combination der, dem Tode voran- gegangner oder ihn begleitender Umstände neben dem Lei- chenbefunde so nothwendig zur Lösung der Zweifel, bei keiner aber auch im Allgemeinen so oft die Unbekanntschaft mit die- sen Verhältnissen grösser, weil häufig die Leichen so spät auf- gefunden werden, dass eine Recognition gar nicht mehr, ge- schweige eine Ermittlung der Verhältnisse des Verstorbnen möglich, den man vielleicht Stunden und Meilen weit von sei- nem Wohnorte entfernt aufgefunden hatte. Wie bei keiner an- dern Todesart ist es deshalb bei dieser, in sehr häufigen Fällen dem Gerichtsarzte unmöglich, gewissenhaft ein Urtheil mit Bestimmtheit abzugeben, vielmehr nothwendig, seine völlige In- competenz zur Entscheidung dieser Frage zu bekennen. 1) Vor Allem ist immer zunächst festzustellen: ob denatus lebend oder todt ins Wasser gelangt, d. h. ob er den Er- trinkungs- oder irgend einen andern Tod gestorben war? War letztres der Fall, dann fällt natürlich die Frage, ob der Mensch sich selbst ertränkt habe, von selbst. So fällt sie auch von selbst fort bei Neugebornen, die nichts weniger als selten nach dem Tode ins Wasser geworfen werden. Uns in Berlin kom- men diese Fälle fortwährend im Sommer wie im Winter vor. Aber auch Erwachsne, die einen andern Tod gestorben, gelan- gen, wenn gleich sehr selten, als Leichen ins Wasser. Entwe- der war hier wirklich ein Mord am Verstorbnen verübt, und das Corpus delicti beseitigt worden (266. Fall) — wer denkt hier nicht an Könen's Leiche im berühmten Fonk'sehen Processi — oder der Selbstmörder hatte sich am Ufer, ja selbst im Wasser stehend, den Tod durch Erschiessen, Halsabschnei- den u. s. w. gegeben, und war nun, was er von vorn herein beabsichtigt hatte, todt ins Wasser gefallen u. dgl. m. In allen diesen Fällen wird sich die anderweitige Todesart durch die Leichenuntersuchung feststellen lassen. 2) Verletzungen aller Art, die am Leichnam gefunden wurden, konnten auf mehrfache Weise noch im Leben, wie nach dem Tode entstanden sein, und alle diese Fälle gehören zu den häufigen Ereignissen. Bei einem nächtlichen Gelage war Zank, Streit und Prügelei vorgefallen, der Verletzte ging mit sei- nen Wunden fort und verunglückte kurz darauf auf dem Heim- wege im Wasser; ein Selbstmörder hatte einen missglückten Versuch gemacht, sich das Leben zu nehmen, und bald darauf, um zum Ziele zu gelangen, sich ins Wasser gestürzt. Oder es liegt wirklich eine Mordthat vor; dem beabsichtigten verbre- cherischen Ertränken war kurz zuvor noch am Ufer ein Kampf vorangegangen, in welchem denatu» Verletzungen davon getra- gen hatte. Oder der Selbstmörder hatte sich auf irgend eine, so leicht mögliche Weise beim Hinabstürzen beim Anprallen auf Steine, Felsen, Schiffe, Pfähle u. dgl. Verletzungen zugefügt. Oder endlich die Verletzungen waren erst nach dem Tode, also der im Wasser liegenden Leiche zugefügt worden, die mit Ge- walt an Eisblöcke, Brückenpfeiler u. dgl. getrieben oder von Wasserratten angenagt, oder von Schiffsrudern getroffen, oder durch Haken beim Herausziehn verwundet worden war. — In allen Fällen nun, in denen sich Verletzungen an Wasserleichen finden, wird man genau darauf zu achten haben, ob dieselben, wenn es zu ermitteln noch möglich ist (vgl. §. 33. sub 3. allg. Thl. S. 129), Zeichen vitaler Reaction und welche zeigen, und wenn dies, dann wieder: ob sie als die Ursache des Todes zu erachten sind, oder ob Ertrinken als solche constirt. Hier mache ich wiederholt darauf aufmerksam, dass nirgends so leicht, als bei sehr in Verwesung vorgeschrittenen Wasserleichen, wenn theils durch Exosmose, theils durch wirkliche Gefässzerreissung Blut ins Zellgewebe ergossen, eine Verwechslung dieses blossen Leichenphänomens mit wirklichen, auf Gewalt im Leben deu- tenden Sugillationen und zwar um so leichter möglich ist, als die Verwesungs - Verfärbung an den betreffenden Stellen die Diagnose noch mehr erschwert, und auch den Geübten leicht täuscht. „Man hat sich sehr zu hüten", sagt ein erfahrner gerichtlicher Arzt in Betreff dieser sehr wichtigen Angelegen- heit in einer vortrefflichen Abhandlung *), „dass man nicht Erhe- bungen der Kopfschwarte mit Blutergiessungen unter dieselbe, welche erst nach dem Tode durch Zersetzung und Fäulniss ent- standen sind, für Folge einer eingewirkt habenden Gewalt halte. Denn Kopf und Hals der Leichen, wenn sie bei wärmerer Tem- peratur längere Zeit im Wasser gelegen haben, nehmen oft eine eioTiithümliehe Beschaffenheit an, namentlich wenn sie vor Vor- nahme der Untersuchung längere Zeit an der Luft gelegen und die Sonnenstrahlen sie getroffen haben. Kopf und Hals treiben sich oft bis zur Monstrosität auf, die ganze Haut nimmt eine schwarzblaue Färbung an, die Kopfschwarte löst sich ganz oder stellenweise von den Knochen los, und treibt sich blasig auf, die Augenlider bilden schwarzblaue Halbkugeln, die Nase schwillt an, wird ebenfalls schwarzblau, blutige Jauche läuft aus ihr und dem Munde, die Lippen treiben sich wulstig auf, und auch der schwarzblaue Hals schwillt auf. In solchen Fällen fin- det man dann auch an grössern oder kleinern Stellen unter der Kopfschwarte, in den Augenlidern und deren Umgebung und im lockern Zellgewebe am Halse ausgetretnes, schwarzes Blut, und zwar mitunter sehr reichlich. Dieses Blut ist zwar in der Regel flüssig, aber es kommen auch Fälle vor, wo es geronnen, breiartig ist, und es gehört Umsicht und Erfahrung dazu, um diese Veränderungen nicht für Folgen einer Gewaltthat zu hal- ten." Es lässt sich keine treffendere Beschreibung dieser Be- funde geben, die ungemein naturtreu ist. 3) Umstände, die ausserhalb des Obductionsbefundes lie- gen, können Licht über die Frage verbreiten. So wird die nackte Leiche im Sommer für zufälliges Ertrinken beim Baden oder Schwimmen sprechen; das bekannte Handwerk des be- kannten Verstorbnen als Färber, Schiffer, Gerber, Fischer u. dgl. wenigstens, und in Abwesenheit eines Gegenbeweises, gleichfalls für Verunglücken bei der Ausübung seines Geschäftes. Steine, mit denen man die Leiche belastet fand, betreffende Schriftstücke in den Taschen ihrer Kleider werden für Selbstmord, andrerseits Blutspuren am Ufer, Fetzen von Kleidungsstücken, Mütze, Stock u. dgl., die notorisch nicht dem denatus gehörten, mehrfache Fussspuren und ähnliche Befunde mit grosser Wahrscheinlichkeit für Mord sprechen. 4) Die Art und Tiefe der Ertränkungsflüssigkeit darf » 584 Ertrinken. §. 57. Eigene oder fremde Schuld? der gerichtsärztlichen Beachtung in solchen Füllen, von denen hier die Rede, nicht entgehn. Ich meine den Umstand, ob man den Leichnam aus fliessendem Wasser, oder aus einem Sumpfe, aus einer Mistpfütze u. dgl. gezogen hatte, ob das Wasser tief oder ob es vielleicht nur ganz und so flach war, dass ein darin stehender Mensch gar nicht hätte ertrinken können. Aber diese Umstände müssen mit grosser Vorsicht und unter sorg- fältiger Erwägung aller übrigen Verhältnisse des Falles gewür- digt werden, denn es kommen hierbei, wie die Erfahrung lehrt, die sonderbarsten Complicationen vor. Ein Epileptischer konnte am Rande eines ganz kleinen Pfuhls von seinem Anfalle über- rascht, in die Pfütze gefallen und darin ertrunken sein (69. Fall); Denatus konnte als Betrunkner sogar im flachen Rinnstein er- trunken sein; andrerseits ist die Phantasie der Selbstmörder ganz unberechenbar, die nicht selten, auch wenn sie den Er- trinkungstod wählen, das nahe liegende, ein tiefes, fliessendes Wasser, verschmähen, um vielleicht eine entfernte Mistpfütze aufzusuchen. 5) Endlich schliesst sich an die Frage: wie der Verstorbne im Wasser seinen Tod gefunden? gar nicht selten an und ist mit ihr oft eng verbunden, die andre Frage: wie lange der Mensch muthmaasslich im Wasser gelegen haben könne? z. B. wenn man weiss, dass denatus an einem gewissen Tage mög- licherweise durch fremde Schuld getödtet worden sein konnte, und er längere Zeit nachher als Leiche aus dem Wasser gezo- gen worden. In ungemein vielen Fällen haben wir diese Frage auch dann zu beantworten gehabt, wenn Leichen neugeborner Kinder im Wasser gefunden worden, deren Mütter entweder noch gar nicht bekannt waren, oder in andern Fällen, wenn bereits Verdacht gegen eine gewisse Person vorlag, und es nun dem Richter darauf ankam, die Zeit des Todes, d. h. die Zeit des Verweilens der Leiche im Wasser, mit dem Niederkunfts- termine in Vergleich zu bringen. Diese Frage ist ungemein schwer mit wirklicher Bestimmtheit zu lösen. Bei grosser Uebung und reicher Erfahrung aber lässt sich approximativ ein Tennin wohl allerdings angeben. Die Unterlage für das Gut- achten ist lediglich aus den Veränderungen zu entnehmen, welche der Leichnam im Wasser allmälig erleidet. §. 58. Portsetzung. Wie lange hat die Leiche im Wasser gelegen? Gang der Verwesung hei Wasserleichen. Die Veränderungen, welche der menschliche Leichnam durch den vorschreitenden Verwesungsprocess erleidet, sind be- reits im allgemeinen Theil (§§. 19—22. S. 43 u. f.) ausführlich geschildert worden. Wenn nun auch im Allgemeinen diese Veränderungen bei Leichen, die im Wasser gelegen hatten, sich eben so gestalten wie in allen übrigen Fällen, mit der einzigen Ausnahme, dass bei jenen niemals auch nur die Spur einer Mu- mification, wohl aber Verseifung eintritt, so bieten Wasserleichen doch eigentümliche Erscheinungen dar, die hier hervorgehoben werden müssen. Um aus denselben zurückzuschliessen, vor wie langer Zeit muthmaasslich der Tod erfolgt sei, bedarf es vor Allem und vorzugsweise, wie überall, wo ein Rückschluss der Art aus dem Verwesungsgrade einer Leiche gemacht werden soll, der Erwägung der Lufttemperatur. Was — 10 bis 15° R. im Winter erst in einem Monate, ja im Wasser und unter dem Eise erst in zwei bis drei Monaten bewirken, das kommt im Sommer bei -j- 16 bis 20° R. schon in acht Tagen zu Stande. Aber auch die Beschaffenheit des Wassers hat einen Einfluss. Leichen, die im fliessenden Wasser immer fort schwimmend er- halten werden, verfaulen caet. par. langsamer, als solche, die in einer Pfütze, einem Moraste macerirend liegen bleiben. Sehr viel kommt es ferner auch darauf an, dass der Gerichtsarzt er- fahre, wann die Leiche, die er heute zu untersuchen hat, aus dem Wasser gezogen worden? Es liegt in der Natur der Ver- hältnisse, die jedem Practiker sehr wohl bekannt sind, dass nicht selten durch Hin- und Herschreiben, Berichten, Verfügen u. s. w. viele Tage vergehn, ehe es zum Acte der Obduction kommt, nachdem das Object derselben bereits vorhanden. Der weniger Geübte hält sich nun an dasselbe, wie es ihm vorgelegt wird, und namentlich in Beziehung auf diese unsre Frage können hierdurch grosse Irrthümer bedingt werden. Leichen nämlich, die aus dem Wasser gezogen worden, verwesen überhaupt un- gemein schnell, und namentlich wenn sie an der Sonne oder an einem warmen Orte liegen. In unzähligen Fällen habe ich ganz frisch herausgezogne Ertrunkene gesehn, die, namentlich im Sommer und von den Sonnenstrahlen getroffen, in unsrer Lei- chenschau-Anstalt liegend, bis sie von Verwandten zur Beerdi- gung reclamirt, oder auf öffentliche Kosten beerdigt wurden, in drei, vier Tagen in einem Grade in der Verwesung vorschritten, wie es in zwei-, dreimal so langer Zeit im Wasser nicht der t Fall gewesen wäre. Nicht dringend genug kann ich gericht- lichen Aerzten empfehlen, in solchen, zumal in wichtigen Cri- minalfällen, den Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter, auf Grund dieser Erfahrungen, die Jeder machen wird, der über- haupt dazu Gelegenheit hat, auf die Nothwendigkeit einer schleunigen Obduction aufmerksam zu machen, da ein längerer * Aufschub von 24 Stunden hier sehr oft die Wirkung hat, dieselbe vollkommen erfolglos zu machen. Wenn nun auch die genannten Bedingungen auf den Fort- schritt der Verwesung bei Wasserleichen modificirend einwirken, so giebt es doch Einen Umstand, der ausserordentlich charac- teristisch grade bei diesen Leichen ist, so dass er niemals fehlt und, wenn man ihn kennen gelernt hat, fast mit Unfehl- barkeit eine aus dem Wasser gezogene Leiche sogleich beim Herantreten als solche erkennen lässt, und gleichsam ein vor- läufiges Indicium für Ertrinkungstod gewährt. Ein vorläufiges! Denn ich habe mich davon überzeugt, dass dieser eigenthüm- liche Verwesungsgang nicht von der Todesart, sondern vom Liegen des Körpers im Wasser bedingt wird, so dass man ihn auch bei Menschen, die todt ins Wasser gelangten, findet. Auf dies Zeichen haben zuerst Orfila, Lesueur und Devergie aufmerksam gemacht; es hat indessen in Deutsehland noch nicht die Beachtung gefunden, die es in der That für die Praxis ver- dient. Ich meine den Umstand, dass bei Wasserleichen die Fäulniss von oben beginnt, während sie sich, wie all- bekannt, nach allen andern Todesarten und beim Verweilen je- der Leiche in andern Medien, in der Luft oder in der Erde, zuerst an den Bauchdecken offenbart und von hier aus sich weiter nach oben und unten ausdehnt. Meine Beobachtungen stimmen vollständig mit denen der genannten französischen Schriftsteller, wie mit denen von Simeons*) überein, und sind folgende. Ein Leichnam, der bis etwa 18 Stunden im Sommer, bis etwa 24—48 Stunden im Winter im Wasser gelegen hatte, und dann etwa eben so lange der Luft ausgesetzt worden war, zeigt, neben der schon (S. 558) geschilderten Beschaffenheit der Haut an Händen und Füssen, wenn der ganze Körper auch noch die gewöhnliche Leichenfarbe hat, und die Bauchdecken keine Spur einer grünlichen Verfärbung zeigen, zuerst Gesicht und Kopf bis zu den Ohren und dem obern Theil des Nackens anfangs ganz schwach livid-bläulich, dann sehr bald ziegelroth geröthet. Einschnitte in solche Stellen ergeben keine Sugillation. Nur wenn der Verstorbne den wirklichen Erstickungstod starb, sonst nicht, zeigt sich schon jetzt weisslicher, fein- aber auch gross- blasiger Schaum vor Mund und Nase. Bald zeigen sich in die- ser Rothe blaugrüne Flecke, meist zuerst an Ohren, Schläfe und Nacken und später an Hals und Brust. Diese Flecke fliessen, je länger die Leichen im Wasser gelegen haben, desto mehr und mehr zusammen, und man kann auf ein ins Wasser Gelangtsein im Sommer vor drei bis fünf Wochen, im Winter vor zwei bis drei Monaten schliessen, wenn schon der ganze Kopf, der Hals, immer aber noch später dann auch die Brust schmutziggrün, mit dunkelrother Zwischenfärbung erscheint, wo- für Devergie die, meines Erachtens nicht ganz passende Be- zeichnung „bräunlich" (brundtre) brauchte. *) Es ist nichts Seltnes, Wasserleichen zu sehn, deien Kopf, Hals und Brust bereits diese Verwesungsfarbe zeigt, während der übrige Kör- per nur noch wenig verfärbt ist. Woher bei diesen Leichen dieser umgekehrte Gang des Verwesungsproccsses, und ob der- selbe namentlich davon herrührt, dass so lange die Leiche im Wasser schwimmt, der Kopf stets unter der Wasserfläche bleibt, oder grade entgegengesetzt, wie gleichfalls behauptet worden, weil Licht und Sonnenstrahlen den über der Wasser- fläche schwimmenden Kopf trafen, bleibe der beliebigen Erklä- rung überlassen. — Die Verwesungsfärbung der Haut, und mit ihr gleichmässig vorschreitend alle übrigen Fäulnissveränderun- gen dieses Organs, das Aufblähen, die blasenartige Auftreibung und Ablösung der Epidermis, die Abtrennung der Nägel u. s. w. schreitet nunmehr bei längerm Verweilen im Wasser von oben herab auf dem Körper allerdings dann in denselben Verhältnis- sen fort und dieselben Erscheinungen darbietend, wie sie bereits oben a. a. O. genau geschildert worden sind. Unter Berücksichtigung der Temperatur und der Verhält- nisse des Wassers, wie des Verweilens der Leiche an der Luft, nachdem sie herausgezogen worden, kann man annähernd schliessen, dass die Leiche fünf bis sechs Wochen im Sommer, zwölf Wochen und länger im Herbst und Winter im Wasser gelegen habe, wenn die ganze Leiche hoch aufgeschwollen, die Epidermis fast am ganzen Körper abgelöst, der Körper graugrün oder schwarzgrün gefärbt ist, dicke schinutzig-rothe Hautvenen- stränge sich durch diese Farbe an vielen Körperstellen hindurch ziehn, die Gesichtszüge ganz unkenntlich, Ohren, Augenlider und Lippen unförmlich geschwollen, die Farbe der Augen voll- kommen unkenntlich, die Nägel an einzelnen Fingern und Zehen *) S. unsre Abbildung Taf. III. Fig. 7. abgelöst sind und an Hautfetzen hängen, und das Scrotum und der Penis bei Männern unförmlich aufgeschwollen sind. Hatte die Leiche im Sommer sieben, acht, zehn Wochen, im Herbst und Winter vier bis sechs Monate im Wasser gele- gen, dann war sie in noch weitere Verwesungsgrade überge- gangen. Je länger aber der Körper im Wasser verweilt hatte, desto unsichrer wird die Abschätzung der Zeit, wenn er hin- ein gelangt war, weil er in den höchsten Verwesungsgraden ungemein lange gl eich massig verharrt. In dieser Me- tamorphose zeigt die Wasserleiche folgende Erscheinungen: die Kopfschwarte hat sich von den Knochen gelöst, und nur ein- zelne Fetzen mit Haaren, die sich durch blosses Wischen weg- schaffen lassen, hängen noch daran; die Augen sind ausgeflos- sen; selten ist das Cadaver ohne Verletzungen, gewöhnlich schon von Wasserthieren vielfältig beschädigt, namentlich liegen von Wasserratten abgenagte Finger, Hand, Röhrenknochen der Oberextremitäten, Rippen u. s. w. nackt da. Tausende von Maden bedecken namentlich Gesicht und die natürlichen Höh- len. Einzelne Gelenke sind schon aus ihren Verbindungen ge- löst. Die Farbe des ganzen, colossal aufgeblähten Körpers ist fast schwarz, wenigstens schwarzgrün, der Geruch unerträglich. Die Nägel sind sämmtlich ausgelöst und oft gar nicht mehr am Leichnam vorhanden. An einzelnen Muskelparthieen zeigt sich Verseifung. Es ist auch nichts Seltnes, die Höhlen, selbst die Schädelhöhle, schon geöffnet zu finden, weil die Fäulnissgase die Bedeckungen, selbst die Schädelknochen, was sie zuletzt fast immer thun, gesprengt hatten. Von einer Recognition der Leiche ist jetzt keine Rede mehr, und auch das Geschlecht ist oft gar nicht mehr zu erkennen. In Betreff der innern Veränderungen, welche der Leichnam chronologisch durch die Verwesung eingeht, verweise ich auf die ausführlichen Angaben im allg. Thl. §. 22. S. 51, da die- selben bei Wasserleichen in keiner Weise abweichend sind. §. 59. Casuistik. 264. Fall. Zweifelhafter Selbstmord durch Ertrinken. Ein 42jähriger, robuster Mann war am 2. Januar vom Hause fort- gegangen, um fällige Zinsen auszuzahlen, und ein vormundschaftliches Geschäft zu erledigen, zu welchem Zweck er ein Document zu sich ge- steckt hatte, an dessen Besitz Dritten gelegen sein musste. Zehn Wochen später fand man seine Leiche im Wasser, und wohl in der Tasche die Quittung über die gezahlten Zinsen, aber nicht das Document. Er war früher Catholik gewesen, aber zu den Christcatholischen übergegangen, weshalb sein Name in seinem Vaterlande (Oesterreich) an den Galgen ge- schlagen worden war. Wenn nun einerseits die Vermuthung eines Re- ligionsfanatismus erhoben wurde, so war andrerseits das Verschwinden des Documents Grund, den Verdacht einer Ermordung durch Dritte auf- zuwerfen, und so wurde die gerichtliche Section verfügt. Die Leiche war natürlich, nach so langer Maceration im Wasser, höchst verwest, über und über grün, der Kopf fast schwarz, die Oberhaut überall abgelöst. Die Augen waren glotzend hervorgetrieben, die Zunge fest zwischen den Zähnen eingekeilt, und deren zwei Linien hervorragende Spitze ange- schwollen. Aeussere Verletzungen fanden sich nirgends. In der Brust zeigten sich die ballonirten Lungen eher blutleer, als blutreich; das linke Herz war blutleer, das rechte mit etwas dunklem, dickflüssigem Blute angefüllt. Die Luftröhre, deren Schleimhaut die gewöhnliche kirschbraunrothe Ver- wesungsfarbe zeigte, enthielt noch eine geringe Menge blutigen Schaums. Wasser fand sich weder in ihr, noch in den Lungen. Das Gehirn war bereits in einen blutigen Brei verwandelt, und gestattete sonach keine nähere Untersuchung. Die Basis Cratlii aber, wie alle Schädelknochen, war unverletzt. Der Magen enthielt eine geringe Menge rÖthlichen Speise- breies, aber kein Wasser. Magen mit Inhalt, Duodenum und Oesopha- gus wurden zur chemischen Untersuchung zurückgestellt, die aber keine Spur irgend eines Giftes nachgewiesen hat. Die Omental- und Mesen- terial,-» Venen, die grossen Venenstämme der Bauchhöhle und die reclite Niere waren, trotz der vorgeschrittnen Verwesung, noch sehr blutreich. Im Uebrigen waren alle Baucheingeweide normal beschaffen. An der linken Seite des Halses bis zum Nacken fand sich ein weisslichcr, kaum vertiefter, nicht sugillirter, weich (nicht lederartig) zu schneidender, zwei Linien breiter Streifen. Unser Gutachten ging dahin: 1) dass DcnatllS durch Erstickung seinen Tod gefunden; 2) dass es möglich, selbst wahr- scheinlich, dass diese durch Ertrinken veranlasst worden; 3) dass in Be- tracht des hohen Verwesungsgrades der Leiche betreffend die am Halse gefundene Marke Nichts mit einiger Sicherheit geschlossen werden könne; 4) dass, wenn der Tod durch Ertrinken erfolgt, auch nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit angegeben werden könne, ob hier Selbstmord, Zufall oder die Schuld Dritter vorläge. Nach mehrern Monaten wurde das vermisste Document aufgefunden, und weitere richterliche Ermittlungen stellten dann den geschehnen Selbst- mord durch Ertränken ausser Zweifel. 265. Fall. Zweifelhafter Selbstmord. Ertrinken. Kopfverletzungen. Am 8. December hatten wir die gerichtliche Obduction eines 40jah- rigen, stark bucklichten Mannes auszuführen, der schon seit acht Tagen in der Anstalt gelegen hatte, nachdem die Leiche aus dem Wasser ge- zogen worden. Am Kopfe fanden sich drei, einen Zoll lange, theils stumpfwinkliche, theils schwach halbmondförmige, nicht bis auf den Kno- chen dringende Wunden, die nur ganz oberflächlich die Schädelhaube trennten, und ziemlich scharfe, trockne, gar nicht sugillirte Ränder hat- ten. Der Leichnam zeigte keine Gänsehaut, aber die characteristische Beschaffenheit der Hände und Füsse. Während der ganze Körper die gewöhnliche Leichenfarbe hatte, war der Kopf ziegelroth gefleckt. Im Kopfe fand sich nur eine sehr massige Blutanfüllung. Die Lungen auf- fallend hypervoluminös, füllten ihre Höhle strotzend aus, waren wenig blutreich, die linke aber enthielt viel, die rechte weniger Wasser. Die Kranzadern des Herzens waren massig gefüllt, das linke Herz fast leer, das rechte nur eine halbe Unze Blut enthaltend, aber die grossen Ge- fasse strotzten von einem fast schwarzen, fast flüssigem Blute. Kehlkopf und Luftröhre waren ganz leer und durchaus leichenartig normal. Die Leber ziemlich blutreich. Der Magen zu drei Vierteln mit reinem, kla- rem Wasser angefüllt, in welchem einige Kartoffelstückchen schwammen. Mesenterialgefässe sr-hr injicirt. Hyperämie in Nieren und V. Cava. Harnblase leer. Unser Gutachten ging dahin: 1) dass Denalus ertrun- ken sei; 2) dass die Kopfverletzungen nicht als mitwirkende Ursache des Todes zu erachten, sondern erst im Sterben, oder kurz nach dem Tode zugefügt seien. Ein Obductionsbericlit wurde hiernach nicht gefordert. (Als psychologisches Curiosum führe ich an, dass beim Entkleiden der Leiche sich fand, dass der Mann, um seinen Höcker auszugleichen, einen förmlichen Panzer von Leder, der an der entgegengesetzten Seite des Buckels ein dickes, breites Polster hatte, auf dem blossen Leibe trug!) 2M. Fall. Mord oder Ertrinken? Dies ist das früher erwähnte Seitenstück zu dem Kö nen'sehen Falle im Fonk' sehen Prozess, nur freilich, eines sehr absonderlichen Umstandcs wegen, leichter zu beurtheilen gewesen, als jener. Im April 1848 wurde aus der Spree die Leiche eines Unbekannten gezogen, der bald darauf als die Leiche eines Schiffsherrn recognoscirt ward, welcher am Abend des: sage achtzehnten März 1848 von seinem Gefässe verschwunden und seitdem vermisst worden war. Es entstand ein sehr gegründeter Ver- dacht eines an dem Manne verübten Raubmordes gegen seinen Knecht» ■welcher am Morgen des 18. März, wo noch kein Mensch in Berlin den Ausgang des furchtbaren Tages ahnen konnte, eine bedeutende Summe für seinen Herrn eincassirt hatte, die aus dem erbrochnen Schranke auf dem Schiffe fehlte, und noch zum Theil, mit Kleidungsstücken des De- natus bei dem Knechte gefunden worden war, der indess hartnäckig leugnete. Es lag für die Anklage die Annahme nahe, dass der Knecht am Abend des 18. März, wo das Feuer des Strassenaufruhrs in Berlin wüthete, die allgemeine Anarchie und Verwirrung benutzt habe, um einen Raubmord auszuführen, dessen Nichtentdeckung er in jener Zeit hoffen konnte. "Wir kehren indess zur Obduction zurück, bei welcher wir na- türlich von diesen spätem Ermittlungen noch keine Ahnung haben konn- ten. Der aus dem Wasser gezognen Leiche waren ein dicker, braun- tuebener Ueberrock, ein Handtuch und mehrere Lappen um den Kopf gewickelt, und diese mit einem Stricke um den Hals zusammen- geschnürt gewesen, und auch die Unterschenkel wareu mit einem Bind- faden zusammengebunden gefunden worden. Der Körper war bereits graugrün, also im höchsten Grade verwest. (Die Temperatur jenes Früh- jahrs war eine bei uns ungewöhnliche, anhaltend hohe gewesen.) Die blaugrüne, geschwollne Zunge ragte über den zahnlosen Kiefern hervor. Eine Strangmarke konnte am Halse nicht entdeckt werden. Wohl aber fanden sich erhebliche Kopfverletzungen, eine in dreieckiger Gestalt mit stumpfen, zerrissnen Rändern über jedem Augenbrauenbogen, und eine zolllange mit scharfen Rändern auf dem rechten Os bregmatis, und wenigstens in zwei dieser Wunden konnte durch Einschnitte noch deut- lich Sugillation nachgewiesen werden. Und als nun die mit halbcoagulir- tem Blute bedeckte Galea zurückgeschlagen war, ergab sich — eine förmliche Zertrümmerung des ganzen Schädels, an welcher auch die Basis Cranii Theil nahm! Das Gehirn, wie immer bei so hoher Verwesung, ein (blutiger) Brei, konnte nicht mehr untersucht werden. Die Lungen, zumal die rechte, waren mit einem schwarzen, nicht sehr flüssigem Blute strotzend angefüllt; Luftröhre und Kehlkopf von Verwesung schwarzblau gefärbt und leer; vollkommen blutleer das Herz, wie die grossen Brust- stämme; der Magen leer, wie die Harnblase; fast blutleer, Avie natürlich bei diesem Fäulnissgrade, war auch die V. cava, und im Uebrigen, ausser der hohen Verwesung aller Organe, im Unterleibe nichts Bemerkehs- werthes. Die Begutachtung war, wie man sieht, sehr leicht. Was einen Selbstmörder hätte veranlassen könneu, sich vor dem Sturz ins Wasser so Kopf und Beine zu umhüllen und einzuschnüren, wenn dies überhaupt möglich war, war ebenso wenig abzusehn, als warum Dritte, die ihn ein- fach hätten ins Wasser werfen wollen, vor dem Ertränken so verfahren sein sollten. Die Zeichen des Ertränkungstodes hatten allerdings gefehlt, und hätten, auch wenn der Mann den Tod im Wasser gestorben wäre, bei so hoher Putrescenz gar nicht mehr mit einiger Sicherheit ermittelt werden können — aber es war leicht nachzuweisen, dass der Schiffer nicht ertrunken, sondern durch die fürchterlichen Kopfverletzungen ge- tödtet, und erst nachher so verhüllt und ins Wasser geworfen war, da die noch gefundnen Sugillationen nicht nur darauf hindeuteten, dass die Verletzungen dem noch Lebenden zugefügt worden sein mussten, sondern auch die etwanige Annahme gar nicht statthaft war, dass die Verletzun- gen erst bei der Leiche im Wasser zufällig entstanden gewesen. Denn so erhebliche Kopfverletzungen, nämlich Sprengung der Schädelbasis, setzen immer nothwendig eine höchst energische Gewalttätigkeit durch stumpfe Werkzeuge voraus — wir nahmen beispielsweise Beil, Hammer, Knüttel u. s. w. an — wie sie unter Wasser, etwa durch Ruder, Steine, durch Anschwimmen an Pfähle u. dgl. gar nicht wirksam werden kann.' Hiernach musste — abgesehn von den damals noch geltenden gesetzlichen Lethalitätsfragen — angenommen werden, dass Denalus nicht ertrunken, sondern durch (absolut lethale) Kopfverletzungen getödtet worden und erst als Leiche ins Wasser gekommen sei, und dass diese Kopfverletzun- gen mit erheblicher Kraft und mit einem stumpfen Werkzeug zuge- fügt worden. So weit das hierher Gehörige, dem man folgenden Zusatz gestatten wolle. Alle Welt war von der Schuld des Angeklagten überzeugt, und doch erging das Erkenntniss und musste ergehn: „des Raubmordes nicht schuldig-'! Es blieb nämlich die Identität der Leiche zweifelhaft, wie sich erst im Audienz-Termine ergab. Die Wittwe des Gemordeten, in Ca«per, gerichll. Medicin. lJO • . OO einer kleinen Provinzialstadt wohnhaft, war zu dem Termine geladen worden, und sollte nun nachträglich — bei Auffindung der Leiche war sie nicht zur Recognition citirt worden, und konnte es auch nicht, da damals die Leiche noch ganz unbekannt war — nach den vorgelegten Kleidungsstücken und der Schilderung des Aeussern der Leiche nach unserm Obductions-Protocoll die Identität feststellen. Sie erkannte die Kleidungsstücke, aber befragt über die Farbe und Beschaffenheit der Haare, Augen, der Zähne ihres Ehemannes u. s. w., äusserte sich die sehr geistesarme Frau ganz unbestimmt und schwankend. So blieb, wie gesagt zweifelhaft, ob der Ermordete wirklich der Schiffer K. gewesen, und damit fiel der Beweis, dass der angeschuldigte Knecht desselben, ihn, seinen Herrn, ermordet habe. 267. Fall. Erstochen oder ertrunken? An der Leiche eines torosen, 60jährigen Mannes, der sechs Wochen im Wasser gelegen hatte, und am 31. März 18— zur Obduction vorlag, fand sich zwischen der sechsten und siebenten Rippe links eine stumpf- scharf geränderte, unsugillirte, # Zoll klaffende, einen Zoll lange Wunde, und ein Queerbruch der siebenten Rippe, ohne Sugillation in der Umge- bung. Bei noch ziemlich erhaltner allgemeiner Leichenfarbe war der ganze Kopf grün, die Epidermis an vielen Stellen abgelöst, Hände und Füsse grau und faltig. Eine Gänsehaut konnte nicht mehr erkannt werden. Zunge zwischen den Zähnen. Blutwasser, als Leichenphänomen, in beiden Pleurasäcken; die Lungen blutarm, indess, wenn auch nicht besonders aufge- trieben, keinen auffallenden wässrigen Schaum enthaltend; die grossen Ge- fässe leer, eben so die verwesungsbraune Luftröhre. Das rechte Herz enthielt noch viel dunkles, dickliches Blut, womit auch die Jugularvenen noch stark angefüllt waren. Leber und Nieren waren recht sichtlich hy- perämisch, doch mehr noch die V. Cava, in der das Blut noch dünnflüs- sig erschien. Der Magen war voll mit wässriger Flüssigkeit, in welcher Speisereste schwammen. Das Gehirn war schon grünfaul. Bei so hohem Verwesungsgrade konnte ein gewisses TJrtheil nicht gegeben werden. Es waren jedoch noch Befunde vorliegend, die uns berechtigten anzunehmen, dass Denatus höchstwahrscheinlich ertrunken sei, wogegen mit Bestimmt- heit angenommen wurde, dass die Brustwunde erst nach dem Tode im Wasser oder beim Herausziehn der Leiche entstanden sein müsse. 268. Fall. Zufälliges oder absichtliches Ertrinken? Der Fall, einen jungen Arzt betreffend, hatte seiner Zeit das all- gemeinste Interesse erregt. Der 26jährige junge Mann war vor längerer Zeit Abends in einer Weinstube stark zechend gesehn worden, und dann spurlos versehwunden. Das Gerücht bemächtigte sich des Falles, der immer abentheuerlicher gemacht wurde, bis es endlich hiess, man habe den Leichnam im Keller eines Bordells zerstückelt aufgefunden! Es war dies vollkommen unbegründet, vielmehr fand man, drei Monate nach dem Ver- schwinden, am 3. Februar, nach zwei Monate anhaltend gewesenem Frost und Eis, den Körper im Wasser, der, nach dem Polizeiberichte, fort- während unter dem Eise gelegen haben sollte. Die verhältnissmässig nicht allzu bedeutende Fäulniss der Leiche war hiernach erklärlich; sie war nur erst gleichmässig grün, die Epidermis überall abgelöst, die Nägel bis auf einige noch fest, die Hautfalten an Händen und Füssen fehlten natürlich nicht. Es fand sich, wie zu erwarten war, allgemeine Anämie, nur allein in der Hohlader war noch mässig viel, dünn-syrups- artiges, halb coagulirtes Blut, und im rechten Herzen einige Coßgulü. Luftröhre und Kehlkopf ganz leer und verwesungsbraun. Die Lungen, wegen der ganz verdunsteten Flüssigkeiten, nicht ballonartig aufgetrie- ben, die grossen Gefässe leer. Im verwesten Magen nur noch wenige feste Speisereste; keine Spur einer Flüssigkeit, die Harnblase leer, alle übrigen Organe schon sehr verwest. — Gewissheit über die Todesursache konnte natürlich auch in diesem Falle nicht gegeben werden. Nichts- destoweniger unterstützte der negative Beweis die wenigen positiven aus- reichend, um mit „hoher Wahrscheinlichkeit" den Tod im W7asser an- zunehmen. Hinzugefügt wurde: dass die Obduction Nichts ergeben habe, was auf die Schuld Dritter an dem Tode des Denatus zu schliessen be- rechtigt hätte. 269. Fall. Zufälliges oder absichtliches Ertrinken? Ganz ähnlich wie im vorigen sollte in diesem Falle geurtheilt wer- den, und zwar ebenfalls an einer verwesten Leiche, ob ein Verbrechen an dem Menschen begangen Avorden, oder ob er ertrunken und zufällig verunglückt sei. Ein 48jähriger Maurergeselle, der vor sechs Wochen 38* schwer betrunken Streit bekommen hatte, angeblich dabei gemisshandelt ■worden, und beim Nachhausegehn verschwunden war, wurde am 3. April 13— aus dem neuen Canal gezogen. Nach dem Polizeibericht sollte die Leiche eine zerschlagne Nase, hervorgequollne Augen und Kopfverletzun- gen gezeigt haben. Von alle dem fanden wir nur die durch Fäulniss aufgoschwollnen Augenlider. Die Nase war leichenartig platt gedrückt und am Kopfe fehlte jede Spur einer Verletzung. Der Körper war faul- grün, und die Oberhaut abgelöst. Natürlich war sonach von der Obduc- tion ein sicheres Ergebniss, namentlich für Ertrinkungstod, nicht mehr zu erwarten. Anämie im Schädel; das Gehirn grün-breiigt. In beiden noch hoch aufgetriebnen Lungen noch sehr viel dunkles, in den grossen Gefässen noch massig viel Blut; vier Loth geronnenes, dunkles Blut im rechten, zwei Loth im linken Herzen. Luftröhre und Kehlkopf, wie in allen solchen Fällen, leer und kirschbraunroth von Fäulniss; Vena caca noch massig, die Leber sehr blutgefüllt, die Harnblase halb voll, die Nie- ren noch sichtlich blutreich. Das Gutachten ging dahin: dass Denatus nicht durch Verletzungen seinen Tod gefunden, dass ein positives Urtheil über eine anderweite Todesart bei dem hohen Verwesungsgrade der Leiche nicht mehr gefällt werden könne, dass es jedoch sehr wahrschein- lich sei, dass Denatus seinen Tod im Wasser gefunden habe. 270. Fall. Ertrinken. Eigene oder fremde Schuld? Z u s amm e ng ebun d n e Unterschenkel der Leiche. Auf die genannte Weise, die Unterschenkel mit einem Riemen fest zusammengeschnürt, war im Mai die Leiche eines 26jährigen Mannes aus dem Wasser gezogen worden, und dieser, so wie der Befund von drei rothbraunen, silbergroschengrossen Krusten am rechten Unterkieferwinkel, die sich als ganz unerheblich bewiesen, hatten die gerichtliche Obduction veranlasst. Dieselbe ergab bei der noch ganz frischen Leiche sehr aus- geprägte Befunde. Gänsehaut war über dem ganzen Körper sichtbar. Hände und Füsse grau und faltenreich. Zunge zwei Linien weit hervor- ragend. Im Kopfe nichts Abnormes. Die Lungen sehr hypervoluminös, bläulich, marmorirt, beide von dunklem, flüssigem und schaumigem Blute strotzend. Die Luftröhren- und Kehlkopf-Schleimhaut stark injicirt, und vollgepfropft mit einem feinblasigem, rosenrÖthlichem Schaum. Das rechte Herz, strotzend voll dunklen, wasserdünnen Blutes, das linke leer. Eben so strotzten die grossen Brustgefässe und die aufsteigende Hohlader. Der Magen enthielt keine Speisereste, wohl aber 3 — 4 Unzen hellen, klaren Wassers, die Harnblase einen Esslöffel voll Urin. Der übrige Befund in dem sehr gesunden Körper bot nichts Bemerkenswertes. Bei solchen Befunden nahmen wir keinen Anstand, mit Gewissheit den Ertrinkungs- tod, aber auch trotz des, oder vielmehr wegen des Zusammengebunden- seins der Unterschenkel, Selbstmord anzunehmen, da dergleichen Proce- duren gar nicht sehr selten von Selbstmördern ausgeführt werden, um sicherer ihr Ziel zu erreichen, aber schon sehr eigentümliche Umstände dabei zusammentreffen müssen, von denen sich hier an der Leiche wenig- stens keine Spur vorfand, um dabei auf Gewalttätigkeit durch Dritte schliessen zu müssen. 271. Fall. Ertrunken, strangulirt oder erschlagen? Ruptur des Gehirns. Ein Fall von seltnem Interesse! Nur zwei Tage nach dem eben mitgeteilten Fall war ein sechzigjähriger Bauwächter im Bassin des neuen Canals im Wasser stehend todt gefunden. Er war bekleidet und trug eine Halsbinde, und über dieser war ein Kattuntuch ganz fest um den Hals geschlungen. Die Zunge lag hinter den Zähnen. Die Farbe war die gewöhnliche Leichenfarbe, aber die ganze linke Gesichts- hälfte hatte, mit Einschlnss beider Augenlider ein blaurötliches Ansehn und Einschnitte ergaben wirklich Sugillation. Auch das linke Auge war blutrünstig. Auf dem Wirbel des kahlen Kopfes fand sich ein 2 Zoll lan- ger, | Zoll breiter braunroter, harter, nicht sugillirter Fleck und ein ähnlicher von | Zoll Länge und | Zoll Breite auf der Stirn üher dem linken Auge. Unter beiden Kniescheiben zeigten sich gleichfalls mehr- fache kleine, sugillirte Flecke. Auf der hintern Hälfte der linken Hirn- hemisphäre eine blutig-sulzige Ausschwitzung von Liniendicke und ljZoll im Durchmesser; im rechten Seitenventrikel ein Erguss von einem Loth dunklen, geronnenen Blutes. Dieses Extravasat stand in Verbin- dung mit einer Ruptur von £ Zoll Durchmesser, die sich von diesem Seitenventrikel aus durch die ganze Substanz des Gehirns fortsetzte. Die Basis der linken Hemisphäre zeigte zahlreiche, kleine, inselförmi.e Extravasate, und in ihrer Mitte das Ende jener Ruptur in Gestalt eines runden Lochs mit blutunterlaufnen Rändern. Auch auf dem rechten Iheil des kleinen Gehirns befanden sich zahlreiche, kleine Inselextrava- sate. Sinus nur massig gefüllt, Basis Cranii unverletzt. Beide voll- kommen normalen Lungen nur wenig bluthaltig, die Lungenarterie dage-en mit dunklem, flüssigem Blute stark gefüllt. Kehlkopf und Luftröhre le°er ganz normal, ebenso die Speiseröhre. In der rechten Herzhälfte zwei Loth dunklen, flüssigen Blutes, in der linken eine geringfügige Menge. Die Leber massig blutreich, die V. cava stark gefüllt, der Magen drei bis vier Unzen reinen, mit etwas Flocken vermischten Wassers enthaltend, die übrigen Baucheingeweide vollkommen normal. Die Harnblase war nicht ganz leer. Zunächst war hiernach unzweifelhaft, dass die Kopf- verletzungen, deren Spuren äusserlich und deren Wirkungen innerlich so in die Augen springend waren, als Ursache des Todes erkannt werden mussten, und zwar, da zur Zeit die Lethalitätslelire noch practische Gel- tung hatte, als „allgemein absolut lethale" Verletzungen erklärt werden mussten, was bei einer Gehirnruptur hier keiner Erörterung bedarf. Diese Kopfverletzungen konnten aber weder als Folge einer Strangulation, von der sich übrigens am nackten Halse der Leiche keine Spur fand, noch als Folge des Ertrinkens erachtet werden, denn abgesehn davon, dass die Leiche stehend im Wasser und mit dem Kopfe über demselben ge- funden worden war, abgesehn davon, dass weder Strangulation, noch Er- trinken solche Kopfverletzungen jemals veranlassen können, fehlten auch alle Befunde, die in ihrer Gesammtheit auf Eine dieser beiden Todes- arten zu schliessen hätten berechtigen können. Endlich mussten, wie schon früher hier mehrfach erwähnt worden, die Gehirnruptur und die zahlreichen Extravasate, auf eine erhebliche äussere Gewalt schliessen lassen, von der, nach allgemeiner Erfahrung über Hiebwunden nicht an- zunehmen war, dass Denatus diese Gewalttätigkeit selbst an sich aus- geübt gehabt hätte. Hierzu kam noch die Umschnürung des Halses in Erwägung, um das ScbTussurtheil zu rechtfertigen, dass Denatus durch Kopfverletzungen, von Dritten zugefügt, getödtet und nach dem Tode oder sterbend in die Lage gebracht worden sei, in welcher er als Leiche aufge- funden war. Es ist kein Obductionsbericht gefordert worden und ich habe später Nichts über den höchst sonderbaren Fall gehört, wonach ich vermuthen muss, dass die Nachforschungen, den oder die Urheber des Todes zu entdecken, fruchtlos geblieben und die Acten reponirt wor- den sind. 272. Fall. Ertrinken? Strangulation oder natürlicher Tod? Einigermaassen dem vorstehenden ähnlich war der folgende, ein reifes, weibliches, neugebornes Kind betreffende Fall. Die Leiche des- selben war am 28. Juli 18— in einer Wassertonne auf einem Hofe ge- funden worden, mit einem Stück Kattun bekleidet, das um den Hals eng mit einer 2 Zoll breiten, gewöhnlichen Aderlassbinde befestigt war. Das als Mutter des Kindes ermittelte Mädchen räumte ein, dasselbe ein- sam in der Nacht vom 26. — 27. Juli geboren zu haben. Ihrer Aussage nach wollte sie dasselbe wimmern gehört, bald aber in Ohnmacht ver- fallend, und daraus erwacht, das Kind todt neben sich im Bette liegend, gefunden haben. Die Kammer soll, trotz der Sommerwitterung, kalt und feucht gewesen sein. Sie will nun den Leichnam bis zum Abend in ihrem Bette verborgen gehalten, und dann bekleidet, wie angegeben, in die Wassertonne geworfen haben. Sie betheuerte unausgesetzt, dass das Kind todt gewesen sei. Das Kind hatte keine Gänsehaut. An der lin- ken Seite des Halses fand sich ein unbedeutender, hellgelblicher, weicher Streifen von |- Zoll Länge uud einer Linie Breite, ohne Spur einer Su- gillation. Die Schädelknochen waren sehr infiltrirt, die Gehirnvenen hvperämiseh, und zwei Extravasate von'Silbergroschen-Grösse fanden sich auf der Basis Cerebri. Dies waren die einzigen bemerkenswerthen Be- funde; namentlich fand sich kein einziges Sectionsresultat, das auf Ertrin- ken auch nur mit Wahrscheinlichkeit hätte schliessen lassen können. Das Kind war also an Blutschlagfluss gestorben, und wir führten im Obduc- tionsbericht aus, dass ein solcher, wie der vorliegende Blutschlagfluss, unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände, die Annahme ausschlösse, dass das Kind noch lebend ins AVasser gekommen und darin ertrunken sei. Die Entstehung der Apoplexie durch Strangulation nahmeu wir wohl als möglich, nicht aber als wahrscheinlich an, da für eine wirklich ge- schehne Strangulation an sich zu wenig Beweise vorlagen, wogegen, in Erwägung, dass Alles was die Angeschuldigte über den Hergang bei der Geburt angegeben, innere Wahrheit hatte, und dass Blutschlagfluss eine der häufigsten tödtlichen Krankheiten Neugeborner sei, angenommen wer- den müsse, dass auch dieses hülflos in der kalten und feuchten Kammer da liegende Kind höchstwahrscheinlich aus innern Ursachen apoplectisch verstorben sei*). *) Vgl. den oben angeführten 69. Fall von Ertrinkungstod eines Epilep tischen in einer Torfpfütze. Siebentes Kapitel. Tod durch Erfrieren. §. 60. Allgemeines. Unter allen gewaltsamen Todesarten kommt, nächst der durch Erhungern, keine seltner in der gerichtsärztlichen Praxis vor, als die durch Erfrieren. Am seltensten kommen derglei- chen Fälle in Städten, eher noch auf dem platten Lande zur Beobachtung, wenn Menschen bei Reisen auf einsamen Land- strassen Nachts auf dem Wagen einschlafend, oder am Tage durch heftiges Schneegestöber überrascht, oder in tiefen Schnee gerathend, in den sie sich verirrten u. dgl. dem ertödtenden Einfiuss unterlagen. Man nimmt gewöhnlich an, dass derselbe physiologisch so wirke, dass das Blut aus den peripherischen Gefässen in die Centraltheile zurückgedrängt werde, und so in- nere Blutstauung, tödtliche Hyperämie in Gehirn und Brustor- ganen, bedingt werde. Die Physiologie hat bis jetzt noch nicht festgestellt, und wird wohl niemals feststellen, warum das be- kannte Vermögen des Menschen, in allen Zonen zu leben und gesund zu vegetiren, und bei den gleichfalls allbekannten einzelnen Erfahrungen, wie glücklich Menschen die ungeheuersten Kälte- grade auszuhalten vermochten *), warum jene Reactionsfähigkeit gegen Kälte doch in einzelnen Fällen nicht ausreicht, um die Ertödtung durch dieselbe abzuwehren. Gewiss weiss man in dieser Beziehung nur, dass Individuen von im Allgemeinen ge- ringerer Reactionsfähigkeit, also Neugeborne, kleine Kinder, sehr bejahrte, oder kranke, oder ausgehungerte, oder geistig tief deprimirte Menschen (die französische Armee in Russland im Winter 1812!) auch dem Erfrierungstode leichter unterlie- *) Wrangel's Reise nach Sibirien. A. d. Russ. Berlin, 1840. rren, als Andre, und auch darüber hat die Erfahrung belehrt, dass Zustände, die an sich eine Congestion nach dem Gehirn und Brust bedingenj z. B. Schlaf und Trunkenheit, die Mög- lichkeit, diesen Tod zu sterben unter gegebnen Umständen be- günstigen. Am wenigsten aber lässt sich etwas, selbst nur An- näherndes, über die Thermometergrade bestimmen, die hier in Betracht kommen. Es giebt keine „absolut lethale" Kältegrade. Von den zahlreichen Mannschaften der neuern englischen Nord- pol-Expeditionen unter Parry, Ross und Franklin, wie von der der sibirischen Expedition unter Wrangel starb nicht Einer den Erfrierungstod, obgleich sie (wegen längst gefrorner Ther- mometer) unmessbar niedere Temperaturgrade auszustehn hat- ten, während Trunkenbolde und Neugeborne schon bei einer Temperatur von — 15 bis 20° R. erfrieren, in welcher die ele- gante Welt in den nordischen Städten lustig Schlitten fährt und Schlittschuhe läuft. Von dieser Seite her ist folglich nicht der 2-erinoste Anhalt für die Diagnose des zweifelhaften Erfrie- rungstodes zu gewinnen, wenn es nicht der ist, dass — dieser Tod überhaupt nur in einigen wenigen Monaten des Jahres vor- kommen kann! §. 61. Diagnose. Aber auch in Betreff der Sectionsbefunde giebt es keinen einzigen, der auch nur mit einiger Sicherheit zu dem Schlüsse grade auf diesen Tod berechtigte. Wenn man angeführt hat, dass bei Leichen Erfrorner Ohren, Nasenspitze, Finger u. s. w. leicht abbrächen, so hat wenigstens meine eigene, in diesem Kapitel freilich nur sehr dürftige Erfahrung ein solches Beispiel mir nicht ergeben. Immer könnte aber, wie man einsieht, ein der- j artiger Vorfall nur beweisen, dass die Gliedmaassen des Ver- storbnen vor dem Ableben durch Kälte ertödtet worden, nicht dass der Mensch selbst den Erfrierungstod gestorben sei. Die Leichen Erfrorner sind, wenn man sie auffindet, allerdings steif gefroren, eben so gefroren einzelne Organe, namentlich leicht Gehirn, Lungen und Harnblase, und das Blut und andre Säfte sind, wie der etwanige Mageninhalt, zu Eis erstarrt. Allein es bedarf nicht der Bemerkung, dass dies ein post mortem -Phäno- men ist, das bei der Leiche jedes Menschen, nach jeder belie- bigen Todesart vorkommt, wenn sie, zumal nackt, in grosser Kälte einige Zeit liegen bleibt. Jeder Winter liefert uns dafür an unsern gerichtlichen Leichen zahlreiche Beweise. Wir haben oft genug in harten Wintern nach den verschiedensten Todes- arten Gehirne gefunden, so hart gefroren, dass sie herausge- meisselt werden mussten, um die Basis Cranii untersuchen zu können, oft genug das in einer Eisrinde incrustirte Blut aus dem Herzen, ganze, gefrorne Mahlzeiten aus dem Magen ge- nommen. Andrerseits kann die Vereisung der Leiche Nichts beweisen, da, wo dieselbe bei wirklich Erfrornen auch vorhan- den gewesen sein mag, sie wieder verschwunden sein kann und wird, wenn der Leichnam durch Lagerung in einem erwärmten Raum bis zur Zeit der Obduction wieder aufgethaut war. Nkkt mehr beweisend an sich sind die Befunde der Hyperämie im Schädel, in den Lungen, oder im Herzen, oder in den Bauch- organen und grossen Venenstämmen, oder in allen zugleich, da diese Befunde auch bei so vielen andern Todesarten ganz eben so ausgesprochen vorkommen. Nur aus der Summe aller Lei- chenbefunde und der gleichzeitigen Combination aller, den Tod begleitenden Umstände, wie unter Herstellung des negativen Beweises, der Abwesenheit jeder andern, wenigstens gewaltsa- men Todesart, wird es deshalb dem Gerichtsarzte möglich wer- den, wenn auch nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit sein Gutachten auf Statt oder nicht Statt gefundnen Erfrierungs- tod abzugeben. In Betreff des negativen Beweises kann ich noch auf einen, bisher ganz übersehenen Umstand aufmerksam machen. Wenn man nämlich im Schnee, oder auf dem Eise einen, bereits in Verwesung übergegangenen Leich- nam auffindet, so kann man, der Obductionsbefund mag sein, welcher er wolle, mit Sicherheit annehmen, dass der Mensch nicht den Erfrierungstod gestorben, d. h. mit andern Worten: dass er nicht in diesen Schnee, auf dieses Eis lebend gelangt war, und hier durch Erfrieren seinen Tod gefunden hatte, sondern dass er vielmehr schon als verweste Leiche dort- hin gelangt war. Denn Leichen verwesen nicht, wenn sie im Schnee oder auf Eis liegen (vgl. allg. Thl. §. 17. S. 40). Der unten folgende 274. Fall wird zeigen, dass dieser Satz eine practische Wichtigkeit hat. §. 62. Eigene oder fremde Schuld? Wenn schon diese Todesart an sich mehr durch äussere, nicht aus der Obduction sich ergebende Umstände, als durch die Befunde in der Leiche selbst festzustellen, so ist es begreif- lich, dass vollends die Frage: ob zufälliges Verunglücken, oder eigene Absicht, oder fremde Fahrlässigkeit, oder verbrecheri- scher Vorsatz den Tod veranlasst habe? nach andern und mehr äussern Criterien zur Entscheidung zu bringen ist. Die An- nahme eines beabsichtigten Selbstmordes wird in der Regel auszuschliessen sein, denn die Erfahrung lehrt, dass Selbstmör- der diese unberechenbare Todesweise nicht wählen, da sie da- bei in hundert Fällen ihr Ziel verfehlen würden, das sie auf mannigfache Weise leichter und sicherer erreichen können. Bei neugebornen und kleinen Kindern, die als wirklich erfroren an- genommen werden mussten, können die Umstände, unter denen man die Leiche auffand, darüber Licht geben, ob Zufall oder Absicht den Tod veranlasst habe? Der erstere wird nicht allzu- selten wirksam bei heimlicher Geburt in sehr kalten Räumen, wenn die Mutter gleich nach der Entbindung in Ohnmacht oder anderweitig in Bewusstlosigkeit verfiel, und das nackte Kind, das so eben den warmen Uterus verlassen hatte, auf kal- tem Estricht u. dgl. liegen bleibt. Die Annahme einer Absicht dagegen wird sich aufdrängen, wenn man die nackte oder in einen Lappen u. s. w. gehüllte Kindesleiche im Schnee, auf dem Eise, im Walde oder sonst an einem einsamen, entfernten Orte auffand. Bei Erwachsenen wird in der Regel zufälliges Ver- unglücken anzunehmen sein, und die Umstünde, z. B. das nach Hause Gehn oder Fahren von einem Zechgelage in strenger Wintersnacht u. dgl. werden die Annahme unterstützen. In sol- chen Fällen können Kopf- oder andre Verletzungen an der Leiche, die der Verstorbne sehr möglicherweise vor seiner Ent- fernung aus der Schenke erhalten haben kann, Bedenken erre- gen, um so mehr, als bei dem, bei der Section erwarteten und auch thatsächlich aufgefundnen Schlagfluss ein ursächlich'] Zusammenhang desselben mit den Kopfverletzungen zweifelhaft werden kann. Die concreten Befunde des Einzelfalls müssen hier den umsichtigen Gerichtsarzt in seinem Urtheile leiten. Es scheint nicht, dass wichtige und sehr zweifelhafte derartige Fälle häufig vorkommen. In der ganzen preussischen Monar- chie hat wenigstens kein einziger Fall, wie er hier vorausgesetzt wird, seit den zweiundzwanzig Jahren meiner Mitgliedschaft in der K. wissenschaftlichen Medicinal-Deputation zu einem Super- arbitrium Veranlassung gegeben. §. 63. Casuistik. 273. Fall. Erfrierungstod eines Neugebornen, Ende Januar 18— bei sehr hoher Kälte gebar die unverehelichte N. des Nachts, nachdem sie der Schmerzen wegen das Bett verlassen hatte, und auf einen Stuhl gesunken war, nach ihrer Angabe unter fol- genden Umständen einen Knaben. „Ganz in meiner Nähe" , sagte sie,, „stand meine Waschschüssel auf der Erde. Ich zog sie, um das Blut aufzufangen, zu mir heran, als plötzlich, während ich auf der Stuhlkante sass, ein Theil des Kindes aus meinen Geburtstheilen herausdrang. Ich fasste nicht weiter hin, aber wahrscheinlich war es der Kopf. Ich blieb unter den fürchterlichsten Schmerzen und fast besinnungslos mit vonein- ander gespreitzten Beinen sitzen. Vielleicht nach einer Viertelstunde drang der übrige Theil des Kindes durch die Geburtstheile. Es glitt zur Erde. Nach einiger Zeit erholte ich mich, und sali nun das Kind auf dem Rücken in der Waschschüssel liegen. Der Kopf lag unterwärts, und die Beine lagen mir zugekehrt auf dem Rande der Waschschüssel. Es war ganz kalt, und ich hielt das Kind für todt. Ich nahm ein altes Hemde, breitete dieses auf der Wäsche im Waschkorbe aus, und legte das Kind darauf, ohne es weiter zuzudecken." So wurde auch die noch o-anz frische Leiche gefunden, von der wir zunächst bemerken, dass alle Zeichen der Reife an derselben wahrnehmbar waren. Das Zwerchfell stand nicht tiefer, als zwischen der vierten und fünften Rippe. Die Lun- gen füllten die Brusthöhle zu drei Vierteln aus, hatten eine, wenigstens zum Theil schon hellröthlich marmorirte Farbe, schwammen ganz voll- ständig, und ergaben bei Einschnitten zischendes Geräusch und blutigen Schaum. Als Todesart ermittelte sich Apoplexie, bewiesen durch dunkle Röthung des Gesichts und der Lippen, grossen Blutreichthum der Schä- delknochen, strotzende Anfüllung sämmtlicher Sinus, wie der blutführen- deu Gehirnhäute, und endlich durch die Abwesenheit der Zeichen irgend einer andern Todesart. «Bei der Abwesenheit jeder Spur einer äussern Gewalttätigkeit", hiess es nun weiter im Obductionsbericht, „entsteht nur die Frage: wie dieser Schlagfluss entstanden sein dürfte? Es er- scheint diese Frage unschwer zu beantworten, wenn man den oben ge- schilderten Hergang bei der Geburt und die grosse Kälte erwägt, die in der Geburtsnacht des Kindes geherrscht hatte. Es liegt nichts Erfah- rungswidriges in der Aussage der N., dass sie eine Zeit lang besinnungs- los liegen geblieben sei. Während dieser Zeit ward die Geburt vollen- det, und fiel das Kind im kalten Zimmer in die kalte Schüssel, in wel- cher es liegen blieb. Wenn es mehr als wahrscheinlich ist, dass es jetzt, alsbald nach seinem Hervortreten aus dem mütterlichen Schooss in die kalte Atmosphäre den Erfrierungstod starb, der keine andre Leichenbe- funde zu zeigen pflegt, als grade die bei dem Kinde gefundnen, wozu auch noch die wahrgenommene gefrorne Beschaffenheit des Gehirns und der Lungen wenigstens als unterstützender Beweis zu rechnen, so stei- gert sich jene Wahrscheinlichkeit noch, wenn man erwägt, dass die An- nahme einer andern Ursache des Schlagflusses weit weniger begründet werden könnte. Hiernach müssen wir urtheilen: 1) dass das Kind ein reifes und lebensfälliges gewesen; 2) dass dasselbe nach der Geburt ge- lebt hatte; 3) dass es an einem Schlagfluss bald nach der Geburt ver- storben sei, welcher 4) mit höchster Wahrscheinlichkeit als bedingt durch die grosse Kälte, in welcher das Kind geboren wurde und nackt liegen blieb, anzunehmen ist." 274. Fall. Zweifelhafter Erfrierungstod eines Neugebornen. Ein ausgetragner Knabe hatte im Februar, fast unbekleidet und in Lappen eingehüllt einen Tag über im Schnee gelegen, in welchem er Abends aufgefunden wurde. Die Athemprobe Hess, obgleich die Verwesung schon sehr weit vorgeschritten war, über das Statt gehabte Leben des Kindes nach der Geburt keinen Zweifel. Die Leiche war schon grun- grau, die Epidermis an vielen Stellen abgelöst, die Luftröhre verwe- sungsrothbraun, die Lungen, an ihrer Basis mit Fäulnissblasen besetzt, waren knisternd, aber (wegen der Verwesung) sehr blutarm. ; Das Herz hatte in beiden Hälften, vorzüglich in der linken, noch ziemlich viel halb- coao-ulirtes Blut. Auch die V. caca enthielt noch ziemlich viel Blut. Die übrigen Bauchorgane ergaben Nichts. Das Gehirn war in einen fau- len Brei verwandelt, die Sinus leer. Wir nahmen an: dass über die Todesart des lebend gewesnen Kindes sich nichts mehr mit einiger Sicherheit bestimmen lasse, dass dasselbe aber bereits längere Zeit todt gewesen sein musste, als es in den Schnee gelangt war, und dass es be- stimmt nicht erfroren gewesen sei, da es unmöglich, dass die Verwe- suno- schon am ersten Tage nach dem Tode beim Liegen der Leiche im Schnee solche Fortschritte gemacht haben könne, wie sie hier gefunden worden. (Unstreitig hatte man sich längst des todten Kindes nur auf diese Weise entledigt, entweder, um die heimliche Geburt nicht bekannt wer- den zu lassen, oder um die Beerdigungskosten zu ersparen. Die Mutter und die Umstände der Geburt und des Todes des Kindes sind nicht be- kannt geworden). 275. Fall. Zweifelhafter Erfrierungstod. Im Februar 18— bei sehr strenger Kälte war eine 55jährige Frau auf dem Eise todt und erstarrt gefunden worden. Von Verletzungen fand sich am Leichnam nichts, als zahlreiche Hautschrunden, frische Ab- schilferungen der Oberhaut an den Knöcheln fast sämmtlicher Finger, als wir die ganz frische Leiche fünf Tage nach dem Auffinden obducir- ten. Das Gehirn war halb gefroren; die Gehirnvenen und sämmtbche- Blutleiter nur mässig, keineswegs hyperämisch gefüllt. Die Lungen waren in jeder Beziehung normal, die Luftröhre leer und leichenblass, das- rechte Herz ziemlich blutreich, das linke strotzend. Das Blut war n.chtt (mehr?) gefroren und zeigte natürliche Beschaffenheit. Die Leber massig; bluthaltig, der Magen ganz und gar vollgepfropft mit Kartoffeln, die Harnblase mit flüssigem Urin gefüllt, die Nieren und Milz normal, die Netze ungewöhnlich fett, die aufsteigende V. cava sehr angefüllt. Wir gaben das Gutachten dahin ab: dass Denata an Herzschlag gestorben, dass dieser Tod zwar möglicherweise durch Erfrieren, dass es jedoch wahrscheinlicher, dass derselbe durch einen Krampfanfall, von welchem die Verstorbne beim Uebergang über das Eis befallen worden, entstan- den sei. (Die Abschindungen an den Fingern waren am naturgemässesten durch diese Annahme, durch den Umstand zu erklären, dass die Frau, von einem epileptischen Anfall auf dem Eise überrascht und niederge- stürzt, mit den Fäusten, wie gewöhnlich, zuckend, um sich geschlagen hatte, während diese kleine Verletzungen ganz unerklärlich blieben, wenn man hätte annehmen wollen, dass sie, etwa betrunken, auf dem Eise niedergefallen, eingeschlafen und im Schlaf erfroren gewesen sei.) 276. Fall. Erfrierungstod eines Neugebornen. Dagegen nahmen wir in diesem Falle keinen Anstand, mit mehr Wahrscheinlichkeit den Erfrierungs- als einen andern Tod anzunehmen. Wieder war es eiu neugebornes (weibliches) Kind, das im Februar bei einer Temperatur von — 9 bis 10° R. am Tage und von — H bis 16° Nachts, nackt und bloss in Heu gewickelt, auf einem Boden todt und steif gefroren aufgefunden worden war. Das reife Kind hatte nach der Geburt gelebt. Höchst auffallend und durchaus ungewöhnlich war so- gleich beim Anstellen der Athemprobe das grosse Gewicht des Herzens, denn es wog dasselbe gi/9 gvij. Aber seine sämmtlichen Höhlen waren strotzend mit einem dunklen, theilweis zu Eis erstarrtem Blute angefüllt. Auch die Lungen, die für sich das erhebliche Gewicht von fünf Loth hatten, waren sehr blutreich. Kehlkopf und Luftröhre waren bleich und leer. Von den übrigen Befunden sind nur eine bedeutende Hyperämie in Leber und Hohlader, wie in der Schädelhöhle hervor zu heben. Wir urtheilten: 1) dass das Kind ein reifes gewesen; 2) dass es nach der Geburt gelebt habe; 3) dass dasselbe an Lungen- und Herzschlag ge- storben sei; 4) dass dieser Tod möglicherweise durch innere Ursachen entstanden sein könne, dass jedoch 5) mit mehr Wahrscheinlichkeit anzu- nehmen, dass das Kind den Erfrierungstod gestorben sei, G08 Clilorofonntod. Gesetzliehe Bestimmungen. §. G4. Allgemeines. Achtes Kapitel. Tod durch Chloroform. (Anacsthetica.) Gesetzliche Bestimmungen. Die hierher gehörigen gesetzlichen Bestimmungen über Gifte über- haupt s. im dritten Kapitel S. 378. Circular-Rescript des Ministers der Medicinal-Angelegenheiten vom 31. August 1850: „Zur Verhütung von Unglücksfällen, welche ans der Anwendung des Chloroforms entstehen können und in Betracht, dass dasselbe wie es im Handel vorkommt, meistens nicht die zu seinem Gebrauche nothwendige Reinheit besitzt, bestimme ich, nach dem mir von der technischen Commission für pharmaceutische Angelegenheiten auf Erfordern erstatteten Gutachten, Nachstehendes: 1) es darf das Chloroform nur dispensirt werden, wenn es folgende Eigenschaften besitzt: es muss klar, farblos, völlig flüchtig und frei von Chlorwasserstoffsäure sein; in reine concentrirte Schwefelsäure getröpfelt, darf es dieselbe nicht färben. Specifiscb.es Gewicht = 1,495 — 1,500 (bei 17<£ 0 C.) Bis dahin, dass die chemischen Fabriken ein solches Chloroform liefern, hat der Apothe- ker das gegenwärtig käufliche Chloroform durch Schütteln mit Wasser, Abscheiden und Rectificiren über Chlorcalcium zu reinigen, worauf bei Revisionen der Apotheken zu achten ist, Der Taxpreis für das reine Chloroform wird vom L October d. J. ab bis auf Weiteres auf 1 Sgr. 6 Pf. für die Drachme festgesetzt. 2) Das Chloroform ist in den Apothe- ken unter denselben Cautelen aufzubewahren, welche für die Aufbewah- rung der sog. drastischen Arzneimittel (Tab. C. Pharm. Borr, ad IV) an- geordnet sind. 3) Die Verabreichung des Chloroforms an das Publicum zu arzneilichen Zwecken ist nur den Apothekern und auch diesen nur auf schriftliche Verordnung einer approbirten Medicinal-Person gestattet. §. 64. Allgemeines. *) Bereits im §. 29. spec. Thl. (S. 384) ist des Chloroforms unter den neuro - paralytischen Giften Erwähnung gcschehn. *) Wir betrachten hier das Chloroform als Repräsentanten der sämmt- lichen, bis jetzt bekannten Anaesthetica, Aether, Chloräther, salpetersaures Aethyloxyd, Benzol, Aldehyd, Elaylchlorür u. s. w. Dasselbe bewirkt eine Lähmung des Central-Nervensystems, vermittelt durch directe Blutvergiftung. Alles, was über die Wirkung der Chloroform - Einathmungen an lebend Bleibenden, wie über seine tödtlichen Wirkungen und über seine Wirkun- gen an damit absichtlich getödteten Thieren bekannt geworden, berechtigt dazu, dem Gifte diese Stellung anzuweisen. Seine rasch die Vitalität der gesammten sensiblen Nervensphäre de- primirende, halb lähmende Wirkung hat ja eben ihm seinen Ein- fluss als Aiiaestheticum verschafft und gesichert. Eben so be- weist die, seiner Einathmung folgende Erschlaffung der Muskel- faser, der willkürlichen Muskeln, wie der unwillkürlichen (Hohl-) Muskeln, der Gebärmutter und des Herzens, seine deprimirende, halb lähmende Wirkung auch auf das motorische Nervensystem. Wenn die Gränzen dieser Wirkungen überschritten werden, so entsteht blitzschneller Tod, wie er allen Neuroparalysen eigen- thümlich ist. Endlich erweist die Neuroparalyse der im Gan- zen sehr negative Obductionsbefund. — Wenn wir nun des Todes durch Chloroform, ausser jener beiläufigen Erwähnung bei den Giften, hier noch speciell gedenken, so geschieht es im Interesse der gerichtsärztlichen Praxis. Ich selbst habe, und zwar in Deutschland den ersten (meines Wissens auch bis jetzt letzten) Fall bereits amtlich zu behandeln gehabt, in welchem Tödtung durch Chloroform und Anschuldigung gegen den be- treffenden Zahnarzt in Frage stand (s. 280. Fall). *) Fälle der Art können, bei der allgemeinen Verbreitung, die das Mittel gefunden, nicht nur fernerhin mehrfach vorkommen, sondern auch zweifelhafte Selbstmorde und Unglücksfälle, dergleichen schon mehrere beobachtet worden, ja Mordthaten auf diese, ganz neue und nur zu leichte Weise ausgeführt, können die Thätig- keit des Gerichtsarztes in Anspruch nehmen. **) Wir wollen *) Ueher die Tödtung durch Chloroform, nebst Mittheilung eines neuen Falles; in m. Wochenschrift 1850. No. 1. u. f. **) Im März 1856 tödtete in Potsdam ein Berliner Zahnarzt aus Noth Casper, gerichll. Medicin. 39 daher, was eigene Beobachtung und die Zusammenstellung der bisher bekannt gewordnen Todesfalle bei Menschen *) in diagno- stischer Beziehung gelehrt hat, und was als Begründung eines Urtheils in foro zu benutzen wäre, in Folgendem mitthcilen; zunächst aber die Ergebnisse dreier Versuche an Kaninchen, die wir mit unsern Zuhörern angestellt haben. §. 65. Versuche an Thieren. 1. Ein junges Kaninchen war durch Ueberhalten eines Tuchs vor Nase und Mund, auf welches etwa eine halbe Drachme Chloroform gegossen war, in einer Minute anästhesirt. In allen drei Fällen wurden, die Thiere an Ohren und Hinter- pfoten fixirt und Sorge getragen, dass kein Druck den Hals treffen könne, um dem Einwände, dass irgendwie Erstickung den Tod veranlasst habe, zu begegnen. **) — Das Thier kam wieder zu sich und es bedurfte einer neuen Dosis, die nun das- selbe sehr rasch tödtete, nachdem ein kurzes Wimmern und ein krampfhaftes Zucken des Schwanzes und der Hinterfüsse dem Tode vorangegangen waren. Die Sectionen aller drei Thiere wurden unmittelbar nach dem Tode gemacht, um auch die schwächste Beeinträchtigung der Sectionsresultate durch den Verwesungsprocess unmöglich zu machen. Kein Chloroform- geruch im ganzen geöffneten Leichnam. Die Lungen sehr col- labirt, ganz auffallend anämisch, hell weisslich-zinnoberroth. Die Luftröhre und der Kehlkopf vollkommen leer, auch keine Spur von Schaum zeigend, dabei todtenbleich. Die grossen Gefässe und Nahrungssorgen seine Ehefrau, seine beiden zehn- und achtjährigen Kinder und sich selbst durch Chloroform. *) Zur Chloroform-Casuistik. Von Dr. Nicolas Berend. Hannover, 1850. 8. Es sind hier nur die in der ersten Abtheihing aufgeführten zwölf Todesfälle benutzt, da die übrigen nur sehr zweifelhaft dem blossen Chlo- roform-Gebräuche zuzuschreiben, theils ganz ungenau beobachtet sind. **) Was ist der Chloroformtod und wie ist er zu verhüten? von Dr. Sta- nelli. Berlin, 1850. 8. sehr blutarm. Das Herz, das noch schwache zitternde Bewe- gungen zeigte, war nicht zusammengefallen, seine Kranzvenen ziemlich blutreich, seine vier Höhlen aber blutleer. Auffallende Anämie fand sich ferner auch in der Kopfhöhle, in beiden Ge- hirnen, wie in den Sinus. Die Leber blass und blutarm, die Gallenblase gefüllt. Die Vena cava adsc. gefüllt, ohne zu strot- zen. Hier, so wenig wie in irgend einer andern Vene, Luft- blasen. Die Harnblase voll. Die Milz war eher blass, als hy- perämisch, beide Nieren blutarm, Magen und Därme sehr mit Futter angefüllt, ihre Schleimhaut blass. Das Blut war durch seine kirschrothe Färbung auffallend; ich bemerke, dass etwa eine Drachme Blut beim Oeffnen der Leiche ausgeflossen war. 2. Das zweite Kaninchen wurde auf dieselbe Weise chlo- roformirt; nach einer halben Minute wurde ganz dasselbe Wim- mern gehört, ganz dasselbe Zittern an Schwanz und Hinter- pfoten bemerkt, und der Tod erfolgte nach anderthalb Minuten. Section. Kein Chloroformgeruch fh der Leiche. Das Gehirn und die Sinus waren eben so auffallend blutleer, wie im ersten Falle. Die Lungen collabirt, blutreicher als im vorigen Falle, von Farbe dunkel violett, hellrosa marmorirt. Das Herz, das gleichfalls noch zitterte, nicht collabirt, seine Kranzgefässe leer, in der linken Hälfte eine sehr geringe Menge Coagulum, die rechte leer. Das Blut in der Leiche deutlich kirschroth, dick- lich flüssig. Der Luftröhrencanal ganz blass, vollkommen schaumlos und leer. Die Leber, deren Gallenblase sehr voll, war sehr blutarm; Milz und Nieren nichts weniger als hyper- ämisch. Die Vena cava luftlos, mässig gefüllt, die Blase leer, Ma gen und Därme wie im ersten Falle, die Mesenterialgefässe blutleer. 3. Das dritte Kaninchen war noch nach anderthalb Minu- ten nicht anästhesirt. Es athmete sehr beschleunigt, Hess das- selbe Wimmern wie die Andern hören, zuckte unmittelbar vor dem Tode mit dem rechten Hinterfuss und starb erst nach 3* Minuten. Section. Auch hier keine Spur von Chloroform- 39* geruch. Das Blut kirschroth und gleichfalls dicklich flüssig. Die rechte Lunge collabirt, die linke aber stieg bis zum Her- zen hinauf. Ihre Farbe war schwach violett, die Ränder weiss- lich. Obgleich auch diese Lungen mehr Blut hatten, wie die des ersten Falles, so war doch an sich der Blutgehalt in bei- den letzten Fällen nur ein sehr unbedeutender. Der Luftröh- rencanal zeigte auch hier keine Injection, war bleich, durchaus schaumlos, leer. Das Herz nicht zusammengefallen, seine Kranz- gefässe leer, wie seine rechte Hälfte, während die linke etwas Coagulum enthielt. Die Brustgefässe waren hier deutlich blut- reich. Im Kopfe dieselbe vollständige Anämie, wie in beiden frühern Fällen. Die Leber nicht hyperämisch, die Gallenblase strotzend. Milz und Nieren normal. Die Vena cava war mäs- sig bluthaltig, durchaus keine Luftblasen zeigend. Die Harn- blase zum Bersten angefüllt. Die Därme bleich, die dicken stark gefüllt. Strotzend mit Futter war der bleiche Magen an- gefüllt. Die Mesenterialvenen waren ganz leer. Man wird zugeben müssen, dass das summarische Ergeb- niss dieser drei Versuche ein mehr negatives war. Abgesehn von unwesentlichen und individuellen Verschiedenheiten waren nur zwei Resultate allen drei Fällen gemeinschaftlich, die ganz ausserordentlich auffallende Anämie in allen Organen und die kirschrothe Färbung des Blutes. Am wenigsten wurden Luft- blasen in den Venen gefunden, die in menschlichen Leichen, auch in dem von mir beobachteten Falle, gesehn worden, und worauf ich zurückkomme, so wie eben so wenig auch nur ein einziger derjenigen Sectionsbefunde, welche dem Tode durch Er- stickung eigenthümlich sind, die St an e Iii als die Todesweise durch Chloroformirung anspricht. Freilich waren die Gegenstände der Versuche Thiere; hier aber dürfte eher, als bei manchen andern Fragen, ein Rückschluss von Thieren auf Menschen gel stattet sein, und die Section auf frische That, wie sie hier er- folgte, macht ihre Ergebnisse lehrreich und brauchbar. §. 66. Diagnose. Bei der jetzigen empirischen Sachlage muss leider! noch «^esa^t werden, dass die Diagnose, der Thatbestand des Todes durch Chloroform, mehr durch die demselben vorangegangnen Umstünde, als durch den Leichenbefund festzustellen ist. Wenn ein Mensch bei einer Operation, oder auch vielleicht sonst wie, z. B. durch unvorsichtige Selbstanwendung des Mittels, erwie- senermaassen unter dem Einfluss von Chloroformeinathmungen ganz plötzlich oder so verstarb, dass dem Tode noch 1 —10 Mi- nuten vorangegangen waren: beängstigte Athembewegungen, Röcheln, Gesichtsblässe, Austreten von Schaum vor dem Munde, krampfhaftes Strecken der Glieder, dann Zusammensinken, völ- lige Bewusst- und Empfindungslosigkeit, Verlangsamung des Herz- und Pulsschlages, in seitnern Fällen Aufregung bis zur grössten Heftigkeit, bevor die eben genannten Depressions-Er- scheinungen auftraten, dann muss angenommen werden, dass das Chloroform ihn getödtet habe, so lange nicht das Gegentheil wahrscheinlicher ist und gemacht werden kann. Denn eine critische Prüfung der bis jetzt vor- liegenden Berichte über die Leichenöffnungen nach Chloroform- tod zeigt, dass der Befund im Ganzen mehr negativ war, dass er im Einzelnen beachtenswerthe Differenzen darbot, dass also und um so weniger auf bestimmte Merkmale in der Leiche zu bauen ist, als die bekannt gewordnen Sectionsgeschichten nicht nur an sich noch sehr wenige sind, sondern auch an Genauig- keit sehr viel zu wünschen übrig lassen. Letztres bezieht sich namentlich darauf, dass meist der Grad der Frische oder Ver- wesung der Leichen gar nicht angegeben, also, wie vorauszu- setzen, von den Obducenten nicht gehörig beachtet worden ist, wodurch an sich schon alle berichteten Sectionsresultate nur ein zweifelhaftes und wenig zuverlässiges Ergebniss geliefert haben. Andrerseits zeigt sich, wenn man die bekannt gewordnen, in der (Berend'sehen Schrift sorgfältig gesammelten zwölf Fälle ver- gleicht, dass auch bei ihnen, wie in so ungemein vielen andern gerichtlichen Sectionsberichten, die blossen Leichenphänoraene gar nicht gekannt, gewürdigt und \on den wirklichen Resulta- ten der geschehnen Vergiftung nicht getrennt worden waren. Wenn man liest: „beide Lungen waren besonders hinten stark hyperämisch", oder: „die Lungen waren „unten" mit Blut überfüllt", oder: „besonders unten congestionirt", so sagt sich jeder erfahrne Kenner, dass hier nur die ganz gewöhnliche, überall zu findende Lungenhypostase gesehn und irrthümlich als speeifischer Sectionsbefund aufgeführt worden ist. Ganz dasselbe gilt von dem „Congestionszustande" in den Hirnvenen, die man niemals, mit Ausnahme vollendeter Verwesungsfälle, ganz leer in den Leichen findet, in welchen dennoch, wie alltäglich aus Sectionsberichten zu ersehn, namentlich die Hirnhypostase SO häufig ganz irrthümlich als speeifischer Congestionszustand angesprochen wird. In zwei andern (englischen) Sectionsbe- richten ist von einer „portweinfarbigen Congestion" der Luft- röhrenschleimhaut die Rede. Man hüte sich, diese Färbung; des Organs für einen Congestivzustand zu halten, da sie, wie wir oben (S. 51) bereits ausführlich geschildert haben, nichts anders ist, als Imbibitions-Product der Verwesung, die die Luftröhren- schleimhaut so ungemein früh nach dem Tode befällt, und noch lange vorher, bevor sehr merkliche äussere Fäulnisserscheinun- gen an der Leiche sichtbar sind. Ganz dasselbe gilt in Betreff eines andern (englischen) Falles, in welchem berichtet wird von einer „portweinfarbigen Congestion der äussern Haut der Ge- därme und dem Blutreichthum der Magenvenen". Hier haben wir das deutliche Bild der Verwesung vor uns, wie man es täglich in Leichen nach allen denkbaren Todesarten findet. Leider! betraf der einzige, bisher zu unsrer eignen Beobachtung gekommene, unten mitzutheilende Fall gleichfalls eine Leiche, die bereits stark von der Verwesung ergriffen war, und wir mussten es schon damals im amtlichen Gutachten aussprechen, dass der Einfluss des Verwesungsprocesses auf die wahrgenom- menen Scotionserscheinungen nicht genau zu ermessen und je- denfalls mit in Anschlag zu bringen sei. Bei dieser Sachlage ist nur Folgendes in Beziehung auf die Obductionsresultate für jetzt als einigermaassen feststehend zu betrachten ; der Zukunft aber muss es vorbehalten bleiben, durch Bereicherung der Erfahrung und grössere Verbreitung der Kenntniss der Verwesungserscheinungen und ihrer richtigen Würdigung, Genaueres über den Chloroformtod festzustellen. 1) Das Blut ist in der Mehrzahl der Fälle bei Menschen, und in den drei Fällen der von uns frisch secirten Kanin- chen, dunkel, „schwarz" oder kirschroth gefärbt, und mehr oder weniger flüssiger, als gewöhnlich gefunden worden. In den zwölf vonBerend gesammelten Fällen (mit Einschluss des von mir bekannt gemachten) fand sich diese Blutbeschaffenheit nicht weniger als zehnmal, während in zwei Fällen des Blutes gar keine Erwähnung geschieht. Aber auch in den andern, weniger constatirten oder weniger genau beobachteten Fällen ist mehrfach das kirschrothe, besonders flüssige Blut hervorge- hoben worden. Die Beobachtungen an Menschen reden sonach der Behauptung von Velpeau, Girardin, Varrier, Gruby u. A., welche das Blut bei Thieren, selbst im Venensystem ar- teriell, also heller, gefunden haben wollen, nicht das Wort und zeigen vielmehr übereinstimmend eine sogenannte grössere Car- bonisation des Blutes. Sehr beweisend sind dafür auch noch die beiden, im folgenden Paragraphen mitzutheilenden Fälle von Langenbeck und Dohlhoff, in denen im Leben, während der Chloroform-Narcose, wie bei der Section, ein „dintenarti- ges, flüssiges«, oder ein „dunkles, flüssiges« Blut gesehn wor- den ist. Dies Sectionsergebniss ist sonach als ein fast constan- tes zu erachten: nicht aber ist es deshalb ein specifisches, da es sich auch nach andern Todesarten, namentlich nach manchen Vergiftungen, vorfindet. 2) Von der auffallenden Anämie in der ganzen Leiche, wie sie in unserm eignen Falle (unter Berücksichtigung des Verwesungsanthcils!) und bei sämintlichen drei Kaninchen ge- funden worden, ist in keinem der übrigen Sectionsberiehte die Rede. Wenn man aber erwägt, was wir oben über die soge- nannten „Congestionen" erfahrungsmässig anführen mussten, und dann die Sectionsgeschichten vergleicht, so findet man sich zu der Annahme hingezogen, dass in den Leichen mit Chloroform Getödteter eher ein Zustand der Blutarmuth als das Gegentheil, am wenigsten gewiss ein Zustand der Hyperämie gefun- den wird. 3) Geruch nach Chloroform ist zweimal unter den (mit Ausschluss des meinigen) elf bei Berend gesammelten Fällen wahrgenommen worden. Wir haben bereits angeführt, dass unsre sofort untersuchten Kaninchenleichen keine Spur dieses Geruchs, so wenig wie die von uns secirte Leiche ergaben. Auch Seiffert*) hat bei seinen Versuchen an Thieren niemals- weder im Blute, noch in der Milch u. s. w. das Chloroform'! durch den Geruch wahrnehmen können. Gewiss ist hiernach diese Erscheinung keine zuverlässige. 4) Kehlkopf und Luftröhre werden unter elf Fälleni dreimal als mehr oder weniger in ihrer Schleimhaut injicirt ge- schildert, abgesehn von der bereits gewürdigten „portweinfarbi- o-en" Conaestion. Bei unsern drei Versuchen hat sich keinem Spur einer solchen Injection gezeigt. Stanelli legt auf dieses- Zeichen Werth und erklärt den Tod bei der Chloroformirung: als durch Erstickung erfolgend. Wenn aber auch die Injectiori häufiger gefunden worden wäre, als es thatsächlich der Fall, so würde daraus um so weniger auf suffocatorischen Tod geschlos- sen werden können, als jeder andre betreffende, den Erstickungs- tod in seinen verschiednen Modifikationen bezeichnende Befunc bei dieser Todesart fehlt, und, bei der bekannten, sehr reizen- den Wirkung des Chloroforms auf jede Schleimhaut, die erre- *) Canstatt und Eisenmann, Jahresbericht u. s. w. Erlangen 1S49 S. 173 u. f. gende Einwirkung grade auf die Schleimhaut der Athemwerk- zeuge, die gegen jeden andern, als den Luftreiz augenblicklich so ungemein heftig reagirt, bei der Einathmung eines solchen starken Reizmittels nur zu erklärlich ist. 5) Luftblasen im Blute habe ich selbst in meinem Ob- ductionsfalle gefunden und lufthaltiges Blut ist ausserdem noch dreimal unter elf Fällen erwähnt. Bekanntlich erzeugen sich, wie überhaupt durch den Zersetzungsprocess, so auch im zersetzten Blute Gase, deren Vorhandensein man in verwesten Leichen in den Venenstämmen in Form von Luftblasen, die die Blutbahn unterbrechen, deutlich wahrnimmt. Ich hatte deshalb in meinem gerichtlichen Falle, der eine stark verweste Leiche betraf, den betreffenden Antheil der Verwesung bei der Neuheit der Sache a's möglich und zweifelhaft hinstellen müssen. Auch die anderweitig erzählten drei Fälle geben zu diesem Zweifel Anlass. In einem Falle war (in Paris) der Tod der Chlorofor- mirten am 26. Mai erfolgt, die Section 27 Stunden nach dem Tode, und ausdrücklich wird der „Fäulniss und des Leiehenge- ruchs" des Körpers erwähnt; im zweiten Falle (in Langres in Frankreich) starb die chloroformirte Frau am 23. August, also im heissesten Sommer, und die Leiche wurde erst 33 Stunden nach dem Tode geöffnet; nichts ist erfahrungsmässiger, wenn gleich es nicht erwähnt wird, als in einem solchen Sectionsfalle schon starke Verwesung vorauszusetzen; der dritte Fall endlich ereignete sich allerdings im Winter, bei einer Engländerin, die am 23. Februar chloroformirt starb, und 26 Stunden nach dem Tode secirt ward. Hier ist Verwesung noch nicht vorauszu- setzen und zu bedauern, dass über den Zustand der Leiche, die z. B. möglicherweise sehr warm gelegen haben konnte, nichts mitgetheilt worden ist. Gewiss aber war wenigstens allgemeine Verwesung nicht vorhanden in den beiden unten (§. 67.) mitzutheilenden Fällen von Langenbeck und Dohl- hoff, in welchen beiden gleichfalls lufthaltiges Blut in den Leichen gefunden wurde. Auffallend muss hiernach sein, wenn Stanelli über diese Frage Folgendes anführt:*) „da man bei Operationen an Chloroformirten aus den durchschnittnen Arte- rien- und Venenenden Gasbläschen hervorkommen gesehn hat (?), so scheint die Vermuthung nahe zu liegen, dass bei einer Ueber- sättigung des Organismus mit Chloroform dieses aus dem Blute innerhalb der Gefässwände leicht in Gasform ausgeschieden werden dürfte, und alsdann durch Störung des Mechanismus der Herzthätigkeit, wie alle in den Blutkreislauf eingedrungnen Luftbläschen, den Tod herbeiführen müsste. Wenn ich Kanin- chen einige Zeit hindurch concentrirte Chlordämpfe einathmen liess, so dass die Respiration bald bedeutend beschleunigt wurde, die Thiere lebhaft zu schreien anfingen und dann zu athmen aufhörten, und ich eröffnete kurze Zeit darauf die Brust- höhle, so fand ich in dem reichlich mit Blut angefüllten Herzen eine Menge Gasbläschen, welche namentlich in den durchschei- nenden Herzohren wie Lungenemphysem sich ausnahmen. Auch in den Kranzgefässen des Herzens fand ich mehrmals kleine, perlenartig an einander gereihte Gasbläschen, welche durch kleine Blutpartikelchen von einander getrennt waren, und die man durch Druck von aussen hin und her bewegen konnte. Ob diese Gasbläschen Chloroformgas gewesen, mag ich nicht entscheiden; durch den Geruch habe ich es nicht erkennen kön- nen. Eröffnete ich dagegen die Brusthöhle erst nach 24 Stun- den, so fand ich nie eine Spur solcher Gasbläschen, sondern es zeigten sich meistens nur mehr oder minder grosse Coagula im Herzen. Liess ich dagegen ein Kaninchen mit atmosphäri- scher Luft vermengtes Chloroformgas nur in solchem Maasse einathmen, dass es ganz allmälig vollständig bewusstlos wurde, und brachte es dann unter die Bedingungen, dass es an einem Respirationshinderniss sterben musste, so fand ich in dem bloss- gelegten Herzen nie eine Spur von Gas vor." In unsern obi- gen Versuchen ist nun zwar allerdings auch „mit atmosphäri- *) a. a. O. S. 5. scher Luft vermengtes Chloroformgas" angewandt worden, wie dasselbe bei Operationen immer der Fall, wenn, wie wohl all- gemein geschieht, das Anaestheticum auf einen Schwamm oder ein Tuch gegossen und vor Nase und Mund gebracht wird, und würde hiernach eine Uebereinstimmung mit den eben citir- ten Experimenten vorliegen. In den entgegengesetzten Fallen, in den Fällen von Anwendung „concentrirter Chloroformdämpfe", soll nun die sofort nach dem Tode angestellte Section lufthal- tiges Blut, die 24 Stunden später verrichtete keine Spur eines solchen ergeben haben. Es ist indess gar nicht abzusehn, wie und auf welchem Wege Gas, das früher in den Venen und im Herzen vorhanden gewesen, nach 24 Stunden daraus verschwun- den sein konnte? Bei der hier geschilderten Sachlage und nach dem, was die bekannt gewordnen Sectionsfälle und eignen Experimente ge- lehrt haben, muss ich, bis weitere Aufschlüsse durch Erfahrung und Beobachtung über diese Luftblasen' im' Blute gewon- nen werden, bei der Ansicht stehn bleiben, dass diese Erscheinung hauptsächlich dem Verwesungsprocess zuzuschrei- ben ist, der nach dem Chloroformtode besonders früh einzutreten und das Blut zuerst und vor allen andern Organen zu zersetzen scheint, wonach es erklärlich wäre, dass man selbst in noch frischern Leichen schon das verwe- sungszersetzte, lufthaltige Blut gefunden hat. 6) In den bekannt gewordnen zwölf Fällen (mit Einschluss des unsrigen) ist zehnmal das Herz „schlau0", leer, zusammen- gefallen, „eingeknickt" gefunden worden, und auch in den an- dern, von Berend gesammelten Fällen ist noch mehrfach von einem schlaffen, zusammengefallnen Herzen die Rede. Es ge- hört sonach dieser Befund gewiss zu den sehr beachtenswer- then und zu den constantern. Als ein Verwesungsphänomen kann ich denselben in keiner Weise ansprechen — wenn gleich es auffiel, dass in keinem unsrer Experimente, in denen die Section sofort nach dem Tode geschah, ein Collapsus des Her- / zens gesehn ward — denn ein eigentliches ganz plattes Zusammen- fallen der Herzwände auf einander, wie ich es selbst in meinem Chloroformfalle in der, allerdings faulenden Leiche gefunden, sieht man nach andern Todesarten in weit mehr verwesten Kör- pern niemals. Die Welkheit dieses Herzens war so auffallend, dass wir sogleich beim Oefihen des Herzbeutels unsre umste- henden Zuhörer darauf aufmerksam machen und versichern konnten, einen ähnlichen Befund bei unsern so zahlreichen Lei- chenöffnungen niemals angetroffen zu haben. Das nicht erwei- terte, nicht erweichte, in keiner Beziehung kranke Herz der ganz jungen, sehr starken und kräftigen Frau lag welk und wie gedrückt platt zusammengefallen in seinem Beutel. Man wird zugeben, dass dieser verhältnissmässig bisher schon so häufig beobachtete Sectionsbefund die oben aufgestellte Theorie des Chloroformtodes sehr unterstützt. 7) Was den Zustand der Lungen betrifft, so steht dar- über bei der gegenwärtigen Sachlage noch wenig oder Nichts fest. Was unsre eigne geringe Erfahrung betrifft, so waren die Lungen in der secirten Leiche, wie bei allen drei Kaninchen wenig bluthaltig. Vergleicht man die übrigen Fälle, so findet man in der Hälfte derselben ebenfalls einer Anämie, in der an- dern Hälfte aber eines Congestionszustandes Erwähnung ge- schehn: ich habe indess oben bereits angeführt, wie ungenau diese Schilderungen sind, und wie diese angeblichen Congestio- nen höchst wahrscheinlich nichts anders waren, als Lungenhy- postase. Was endlich die Frage betrifft, ob auf chemischem Wege das Chloroform im Blute von damit getödteten Thieren oder Menschen wiedergefunden werden könne, womit freilich eines der sichersten forensischen Entdeckungsmittel gefunden wäre, so kann ich hierfür die Autorität meines berühmten Collegen E. Mitscherlich anführen, der diese Frage verneint. Wir hatten geglaubt, -in unserm Sectionsfalle wenigstens zu einem Versuche schreiten zu müssen, allein derselbe blieb um so mehr «ranz fruchtlos, als hier das Blut schon durch Fäulniss zersetzt o * worden war. §. 67. Fortsetzung. Die chronische Chloroform-Vergiftung. In dem oben (S. 356) mitgetheilten 144. Falle war eine Frau vor der an ihr, wegen fractura comminuta des linken Unterschenkels verrichteten Amputation am 12. December chloroformirt worden, und bei ihr bis zu ihrem, erst am 23. dess. M. erfolgtem Tode die Besinnung, welche sie während der Einathnmng verloren hatte, niemals vollständig wiedergekehrt. Ich hatte daraus Ver- anlassung genommen, in der schon citirten Abhandlung*) eine chronische C hloroform-Vergiftung anzunehmen, welche dem gerichtsärztlichen Gutachten im vorkommenden Falle neue Schwierigkeiten bereiten würde. Diese Annahme ist später, nachdem mehrere ähnliche Fälle in der operativen Praxis vor- gekommen, von Andern getheilt worden, und gegenwärtig ist die Möglichkeit einer erst später tödtlich werdenden Wirkung des Chloroforms nicht mehr in Abrede zu stellen. Wenn es aber unter Umständen schon schwierig zu entscheiden, ob der gewöhnliche plötzliche Tod vorkommenden Falles auf Rechnung des Anästheticums zu schreiben, oder etwa auf die an sich höchst bedeutende Verletzung, oder den besonders schweren operativen Eingriff u. s. w., wie viel verwickelter kann die Sachlage werden, wenn vollends viele Tage seit der Inhalation verflossen, und wenn dann zahlreiche andre Momente wirksam geworden waren, wie sie bei grossen chirurgischen Operationen so häufig vorkommen, und deren möglicher tödtlicher Einfluss an sich gar nicht in Abrede gestellt werden könnte! Folgende beiden (fremden) Fälle entlehne ich im wesent- lichen Auszuge der Berend'sehen Schrift, da sie gut beob- achtete Beweise solcher chronischer Chloroformvergiftungen und zwei, hier noch nicht benutzte Sectionsgeschichten liefern. *) Wochenschrift a. a. 0. S. 58. 1) Giersch, Stubeninaler, 36 Jahre alt, dem Trünke ergeben, kommt am 5. Februar 1850 betrunken in die hiesige L an ge n b eck sehe Klinik mit einer üuetuirenden kindskopfsgross 38. 1 7 J- 1 Qi 1 J2 3 44 5 A 1 ö2 12. 1 c D 184 34 4 43- F, 3 39. 1 Q 3 4 5 ö2 13. 1 73- 20^ 34 4? 5-| 54 3 40. 1 0 2 1 S 3 4 4- * 2 4J- 3 14. 1 0 o 19 34 44 54 5 34 41. 1 7 i 90 3 44 5 5 34 15. 1 7 20 34 4 5 5 34 42. 5 18 3 4 44 34 16. 1 6 18 3 4 4? 4% 43. 10 204 %\ 4% 5* 6% 43; 17. 1 9 20 34 4* 5 5§ 44. 1 ek 19 H 3% 4% 43; 33; 18. 1 6 204 3'r 4 5 54 34 45. 1 6% 19 3 4 5 43; H 19. 1 64 20 34 3% 4* H 34 46. 18 H 33; 5 34 20. 1 7 19 34 44 4% 3 47. G4 19% 3 4 4% 43- 21. 1 s* 20 3* 4* 5 5i 34 48. 1 7 19 34 4 5 5 34 22. 1 8 20 3i 4* 54 54 34 49. 7 20 3 4 5 5 3% 23. 1 8 20 3i 4* 42 5 34 50. n 20 3 4 m 54 3 24. 1 5 19 3 4i 4 3 51. 1 $ 20 3 4* 43; 4 23- 25. 1 64 20 •* 4 4% 5 34 52. 6% H 44 54 J2 4 26,. 1 5 18 2% 4 4', 44 53. 1 9 20^ 44 54 5 4 27. 1 5 19 8 4* 4% 4% 54. 4 20 34 4 4% 5 43; Kopf- Durch- CD tn ca 0 s_' 'II tfl Kopf u 0J /. 0 0 10 CO 0) H Durcli- ISo. Knaben. 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Z. d h •c Ec diagonale. 171. 1 — 9 20 4* 54 194. 1 — 18 172. 1 8 18 %\ 4^ 5 195. 1 18'; 173. 1 — 61 18 31 4 5 196. 1 19 174. 1 19 3^ 44 5 197. 1 20 175. 1 — 7 19 3* 4 4| 198. 1 — 19 176. 1 6 11% 199. 1 7 18 177. 1 6% 18 200. — 1 7 18|; 178. 1 63- 18% 201. 1 6* 18 179. 1 , 4J- ^ 2 18 202. 1 6^ 174 180. 1 184 203. 1 9 19 181. 1 6* 174 204. 1 5% 18 182. 1 6% 184 205. 1 8^ 19| 183. 1 8 m 206. 1 6^ 18 184. ] 74 18| 207. 1 6 V 19 185. 7J- 2 19 208. 1 6^ 1S| 186. 7 18| 209. 1 8 194 187. 6* 210. 1 9^ 20 188. 6* 18 211. 1 6* 184 189. 8 20 212. 1 6 18 190. 1 6 18 213. 1 6^ 18 191. 7 19 214. 1 7- 1 2 1«4 192. 7J- 19 215. 1 8% 19 193. 83- 20 113 102 Die Körperlänge in beiden Geschlechtern betrug bei 215 reifen Kindern durchschnittlich bei 113 Knaben im Mittel . . 19^" bei 102 Mädchen im Mittel . . 1S|" Das Gewi clit in beiden Geschlechtern betrug bei 215 reifen Kin- dern im Mittel -. . . . 7-^ Pfund. bei 113 Knaben durchschnittlich . 7£ „ bei 102 Mädchen durchschnittlich 6-f- „ Die Maximal-Lange betrug: bei Einem Knaben 22" bei 27 Knaben 20" und darüber. bei Einem Mädchen 21" bei 15 Mädchen 20" und darüber. Die Minimal-Länge betrug: bei Einem Knaben 16" bei 8 Knaben 17" bei 3 Knaben bei 2 Mädchen 16" bei 12 Mädchen . . . *. 17—17£" Das Maximal-Gewicht betrug: bei 4 Knaben 10 Pfund bei 6 Knaben 9—10 „ bei 23 Knaben 8—9 „ bei 3 Mädchen 9 — 10 bei 15 Mädchen 8—9 Das Minimal-Gewi cht betrug: bei Einem Knaben 41- bei 6 Knaben 5 — 6 » bei 9 Mädchen 5—6 „ Die Kopfdurchmesser bei 175 reifen Kindern betrugen im Mittel: der queere 3i" der grade 4A-" der diagonale 4|-" Der Schulterdurchmesser bei 85 reifen Kindern betrug im Mit- tel: 4fj}."5 bei eben so vielen der Hüftendurchmesser im Mittel: 34". 3 8) Die Nägel beim reifen Kinde sind hornartig anzufühlen nicht hautartig, wie in den frühern Monaten, und erreichen die Spitzen der Finger, niemals aber die der Zehen. 9) Die Knor- pol an den Ohren und der Nase lassen sich gleichfalls nicht mehr als Hautläppdfaen, sondern ziemlich knorplich anfühlen. Den untrüglichsten Beweis aber eines schon vorgeschrittnen 44* Ossifieationsprocesses giebt 10) das Vorhandensein eines Kno- chenkerns in der untern Epiphyse der Oberschenkel, eine der werthvollsten Entdeckungen für die medicinisch-forensische Praxis, die wir Beclard *) verdanken, und um welche sich Ol Ii vi er **) und Mildner***) Verdienste erworben haben. Während noch kein einziger langer Knochen im letzten (zehnten Monds-) Monat des Fruchtlebens einen Anfang von Ossifikation zeigt, bildet sich in der zweiten Hälfte dieses letzten Monats in der genannten Epiphyse der erste Knochenkern aus. Um ihn auf das leich- teste aufzufinden, verfährt man folgendermaassen: man trennt die Hautbedeckung über dem Kniegelenek durch Horizontalschnitt bis auf die Knorpel, dann biegt man die Extremität stark im Ge- lenk, so dass die Knorpel hervortreten, und entfernt die Kniescheibe. Nun schneidet man horizontal dünne Knorpelschichten, Anfangs dreister, dann aber und sobald man in der Mitte des letzten Segmentes einen gefärbten Punct wahrnimmt, sehr vorsichtig Blättchen um Blättchen ab, bis man auf den grössten Durch- messer des Knochenkerns gekommen ist. Dieser zeigt sich dann in der milchweissen Knorpelschicht auch dem unbewaffne- ten Auge als eine mehr oder weniger kreisrunde, hellblutrothe Stelle, in der man deutlich Gefässschlängelungen wahrnimmt. Die Abbildung Taf. VIII. Fig. 24. giebt ein ungemein treues Bild eines solchen Knochenkerns, den man gar nicht verkennen kann, wenn man ihn ein einziges Mal gesehn. Ollivier fand bei 21 unreifen Kindern noch keine Spur von Verknöcherimg; bei 16 im letzten Monat Gebornen einen Kern von 2T\ Linien rh.; bei 6 reifen Kindern, die 13—26 Tage lebend geblieben waren, einen Kern von 2| Linien rh. und bei einem Kinde, welches 21 Tage gelebt hatte, einen Queerdurchmesser von 3^ Linien rh. Ziemlich ähnlich waren die Resultate von Mildner's Un- *) Nouveau Joum. de Med. Clür. et Pharm. Paris, 1819. Tom. TV. S. 107 u. f. **) Armales d'Hygihie publ. Tom. XXVII. S. 342. ***) Prager Vierteljahrsschrift, Prag 1850. Bd. XXVILI. S. 39 u. f. tersuchungen. Derselbe fand bei 20 reifen, gut genährten Neu- gebornen, die in oder bald nach der Geburt verstorben waren, 18mal einen Kern von 2 Linien und 2mal einen von %\ Linien Durchmesser; bei 10 reifen, aber abgemagerten, gleich nach der Geburt gestorbnen Neugebornen viermal 1 \ Linien, 3mal 1~ Li- nien und 3mal 2 Linien im Durchmesser. Nach der Geburt fand Mildner den Kern in fortwährender Zunahme begriffen. — Meine eignen Untersuchungen an 50 Kindern haben Folgendes ergeben. Bei 23 im 7ten und 8ten (Sonnen-) Monat gebornen Früchten, die theils aus dem Wasser gezogen, theils todtgeboren, theils gleich nach der Geburt gestorben waren, fand sich noch keine Spur eines Knochenkerns. Eben so fand sich keiner bei einem nicht ganz reifen, im 9ten (Sonnen-) Monat lebend gebornen Kinde, das von der Mutter gleich nach der Geburt durch Hals- schnittwunden ermordet wurde. Bei einem andern, lebend ge- bornen, das in einem, mit Steinen angefüllten Sack verwest aus dem Wasser gezogen wurde, und das gleichfalls mehr als acht (Sonnen-) Monate alt, aber nicht reif geworden war, fand sich ein Kern von nur 2 Linien. Bei 11 reifen wohlgenährten Kin- dern dagegen, von denen 8 gelebt (hiervon 3 durch Ersticken und Erfrieren, 2 durch Kopfverletzungen ihren Tod gefunden) hatten, zeigte der Knochenkern 2, 21—3, ja sogar bei einem erstickten Kinde (Knaben) 4 Linien Durchmesser. Bei einem reifen 20 Zoll langen, 61 Pfd. schwerem, faulem Kinde, das unzweifelhaft gelebt hatte, betrug derselbe 3 Linien. Bei einem drei Monate alten Säugling, der im Bett der Mutter erstickt war, fand ich 5 Linien, dagegen bei einem reif gebornen, neun Monate alt gewordnen, und durch unnatürliche Nahrungsent- ziehung und schlechte Pflege getödtetem Kinde, das ungemein abgezehrt war, nur einen Kern von 3 Linien Durchmesser. Diese Beobachtungen stimmen im Wesentlichen mit denen von Olli vi er und Mildner vollkommen überein. Dagegen habe ich auch abweichende Resultate beobachtet. Ein an Abzehrumr im Krankenhaus gestorbnes Kind, das acht Tage gelebt hatte. 19 Zoll lang war, starke Maare und lange Nägel hatte, aber schon secirt und exenterirt war, und deshalb nicht von uns <>e- wogen wurde, hatte nur einen Knochenkern von 14 Linien. Ein sehr kräftiges, reifes, weibliches Kind von 20 Zoll Länge und 6~ Pfund Gewicht, das in einem Tuche eingenäht auf der Strasse gefunden worden war und unzweifelhaft gelebt, hatte nur einen Knochenkern von 2 Linien. Ein sehr kräftiger Knabe der in schwerer Geburt gestorben war, und dessen Leiche ich erst sehr verwest gesehn, war 20^ Zoll lang, hatte starke Nä- gel und reichliche Haare, aber nur einen gelben Knochenkern in der röthlich-livide von der Verwesung gefärbten Knorpel- masse von lä Linien Durchmesser. Ein schon zehn Wochen 4 alter Knabe, bei dem der Verknöcherungsprocess in den Schä- delknochen doch schon bis zur Verkleinerung der grossen Fon- tanelle auf i Zoll vorgeschritten, der jetzt erst 20 Zoll lang aber fleischig und gut genährt war, hatte doch nur erst einen Kern von 3 Linien; ein im neunten Monat gebornes, 18 Zoll langes, 5 Pfd. schweres Mädchen mit Kopfdurchmesser von 3, 4 und 4-i Zoll einen Knochenkern von nur erst f Linien. Genau 4 4 nur 2 Linien Durchmesser fanden sich bei einem Knaben von 7 Pfund und 20 Zoll Länge, der entschieden gelebt hatte, aber auch Ossifications'defecte in beiden Scheitelbeinen zeigte. Bei einem todtgebornen Mädchen, das 5 Pfund schwer, aber 19| Zoll lang war und Kopfdurchmesser von resp. 3j, 4 und 4| Zoll hatte, das also gewiss schon im neunten Monat geboren war und bis an die Fingerspitzen reichende Nägel und reichliche Haare hatte, fand sich sogar noch keine Spur eines Knochenkerns in den Schenkelköpfen beider Extremitäten. Freilich war hier über- haupt der Ossificationsprocess zurückgeblieben, denn die grosse Fontanelle war noch 1^ Zoll lang und 1 Zoll breit und wirk- liche Ossificationsdefecte in beiden Scheitelbeinen sichtbar. Bei einem reifen, gut genährten Knaben, der drei Tage gelebt hatte und an innerer Krankheit gestorben war, habe ich nur 1T| Linien Durchmesser im Knochenkern gefunden; bei einein sehr ver- vvest aus dem Wasser gezognen Mädchen, das vollkommen reif war und höchst wahrscheinlich gelebt hatte, nur 1 Linie, bei einem reifen todtgebornen Knaben, und bei einem ungemein kräf- tigen reifen Kinde, das durch sehr schwierige Zangenentbindung todt geboren wurde, wobei das Hinterhauptbein einknickte, hatte der Knochenkern nur erst die Grösse eines Hanfkorns.*) — Aus allen diesen Beobachtungen sind folgende Schlüsse zu ziehn: a) Wenn sich noch keine Spur eines Knochenkerns in der untern Schenkel-Epiphyse findet, so hatte die Frucht höch- stens ein Alter von 36—37 Wochen erreicht. b) Der Anfang eines Knochenkerns, der sich wie ein Hanfkorn oder Stuben- fliegenkopf gross zeigt (4 Linie), deutet auf ein Fruchtalter von 37—38 Wochen, vorausgesetzt, dass das Kind todtgeboren wor- den; im entgegengesetzten Falle konnte es vor dieser Zeit (und ohne Knochenkern) geboren worden sein, und dieser sich erst während des Lebens ausgebildet haben. In seltnen Fällen einer ungewöhnlich zurückgebliebnen allgemeinen körperlichen Ent- wicklung kann jedoch auch ein Kind von 40 Wochen nur einen erst so geringfügigen Knochenkern zeigen. c) Ein Durchmes- ser des Knochenkerns von 1 — 3 Linien deutet auf ein Alter von 40 Wochen, das die Frucht erreicht haben musste-, vorausge- setzt wieder, dass sie todt geboren worden, d) Man kann auf Leben des Kindes nach der Geburt schliessen, wenn der Kno- *) Diese Beobachtungen übersichtlich zusammengestellt ergeben Fol- gendes: Geboren. Kinder. Knochenkern, im 7ten (Sonnen-) Monat) im 8ten Monat j 23 0 im 9ten Monat 2 0 im 9ten Monat 1 |"' im 9ten Monat 1 2"' reif 20 j—4'" nach der Geburt gelebt von 2£—6 Monaten 3 3—5"' 50 chcnkern schon über drei Linien im Durchmesser zeigt. — Dass man bei Erwägung dieses trefflichen Zeichens die übrigen Zeichen der Reife nicht vernachlässigen wird, dass man zu er- wägen hat die individuellen Verschiedenheiten, namentlich die allgemeine Ernährung des Kindes, versteht sich von selbst. Immer aber versäume man fortan nicht, die so leicht anzustel- lende Beobachtung zu machen, wobei, beiläufig gesagt, auch der Leichnam nicht im Geringsten entstellt wird. Das Zeichen hat endlich noch den grossen Werth, dass es durch die Verwesung nicht verwischt wird, und dass man dadurch in den Stand ge- setzt ist, aus dem blossen, aufgefundnen Oberschenkel, und noch lange Zeit nach dem Tode, das Alter (die fragliche Reife) der Frucht zu bestimmen.*) 11) Die Pupillarmembran ist beim reifen Kinde (aber freilich schon seit dem Ende der 28—30sten Woche) verschwunden. 12) Das Letztere gilt auch von dem Befunde der H o d e n im Scroto, das jetzt nicht mehr so dunkel- braunroth und glatt ist, als vor der 30sten Woche, sondern die gewöhnliche schmutzige Fleischfarbe hat und gerunzelt ist. 13) Die grossen Lefzen bedecken die Scheide und die Cli- toris, die nicht mehr prominirend ist. 14) Die Nabelschnur des reifen -Kindes hat durchschnittlich die Länge des ganzen Körpers, also etwa 18—20 Zoll, während sie, demselben Ver- hältniss entsprechend, beim unreifen Kinde kürzer ist. Doch *) Olli vi er erzählt a. a. 0. S. 346 zwei derartige Fälle. Die Reste eines Kindes waren im Abtritt gefunden worden. Sie waren in Fettwachs verwandelt. In der Femoral-Epiphyse fand 0. einen Knochenkern von brau- ner Farbe, rissig und einer getrockneten Wachholderbeere ähnlich von 8 Mil- lim. Durchmesser (3| Linien). O. schloss daraus, dass das Kind einige Wo- , chen gelebt haben musste. Im andern Falle hatte man die Reste eines Kin- dersceletts in einem Schornstein gefunden. In den genannten Epiphysen fand sich keine Spur eines Knochenkerns und O. hielt sich aus diesem Be- funde zu der Annahme berechtigt, dass das fragliche Kind vor der Reife ge- boren gewesen sein müsse. Vgl. über den Knochenkern als Zeichen des Gelebthabens des Kindes unten §. 97. kommen längere Nabelschnüre als von 18—20 Zoll sehr häufig vor. und andrerseits entzieht sich das ganze Zeichen in den meisten gerichtlichen Fällen der Beobachtung ganz, da gewöhnlich nicht und nur in solchen Fällen die ganze, unversehrte Nabel- schnur vorgelegt wird, in denen das Kind bei einer präcipitir- ten Geburt mit der Placenta zusammen geboren wurde, und un- getrennt von dieser beseitigt ward. — 15) Mit Uebergehung der (nicht den Leichentisch betreffenden) functionellen diagnostischen Unterscheidungszeichendes lebenden reifen vom unreifen Kinde will ich endlich noch, nach Günz, dessen sorgfältige Untersuchun- gen volles Vertrauen verdienen, die Dimensionen der Kno- chen des reifen Kindes angeben, zur Benutzung für Fälle von Ausgrabungen: *) Hohe der pars front, des Stirnbeins 2" 3"' Breite derselben 1" 10"' Länge der pars orbit 1" Breite derselben 1" Scheitelbein vom vordem obern bis zum hintern untern Winkel ... 3" 3'" Scheitelbein vom vordem untern bis zum hintern obern Winkel ... 3" 3"' Höhe der pars OCCip. des Hinter- hauptbeins 2" Breite demselben 1" 10'" Höhe der pars squamosa ossis tem- por. vom obern Rande des Gehör- rings an \" Höhe des Jochbeins 6"' Breite des Jochbeins . . ... . 1" Höhe des Nasenbeins 5"' Breite des Nasenbeins 3"' Höhe des Oberkiefers vom proc. al- veol. bis zur Spitze des proc. nasalis 1" Länge des Oberkiefers von der spin. nasal, anter. bis zur Spitze des proc. zygomat 1" \<" *) Günz, der Leichnam des Neugebornen, Leipzig 1827. S. 82. Länge jeder Hälfte des Unterkiefers 1" 10'" Höhe des Unterkiefers 7'" Höhe der 7 Halswirbel .... 1" 3"' Höhe der 12 Rückenwirbel ... 3" 9'" Höhe der 5 Lendenwirbel .... 2" 3"' Höhe des Kreuz- und Schwanzbeins 2" 3'" Länge des Schlüsselbeins .... 1" 7'" Länge des Schulterblatts .... 1" 6'" Breite des Schulterblatts .... 1" 2"' Länge des Oberarmknochens ... 3" Länge der Ulna ■ . 2" 10"' Länge des Radius ...... 2" 8'" Länge des Oberschenkels .... 3" Q'" Länge der Kniescheibe 9'" Breite derselben 8'" Länge des Schienbeins 3" 2"' Länge des Wadenbeins 3" V" Allen übrigen, von Einigen aufgestellten Zeichen der Reife, z. B. dass der Mund bei reifen Kindern etwas geöffnet, der Hals voll und fest, der Insertionspunct der Nabelschnur in der Mitte zwischen dem Schaambeinrand und dem Processus xvphov- deus befindlich sei u. A. können wir, bei den zahlreich vorkom- menden Ausnahmen, keinen Werth zugestehn. §. 81. Casuistik. 287. Fall. Richterliche Frage: ob das Kind ein reifes gewesen? Der Fall war interessant, weil er unter der Herrschaft des jetzigen Strafgesetzbuchs vorkam, und die Frage von der Reife aufgeworfen wer- den musste, obgleich . das G-esetz keinen Unterschied macht, da die Um- stände des Falles diese Bestimmung erheischten. Am 26. Juni 1851 wnrde beim Ausräumen einer Mistgrube eine neugeborne Leibesfrucht gefunden und uns am folgenden Tage zur Obduction übergeben. Die un- verehelichte W., verdächtig das Kind geboren zu haben, gab au: sie habe sich seit Mitte November 1850 bis zum 20. April 1851 vielfach mit dem N. N. fleischlich eingelassen. Um Neujahr sei zuerst ihre Periode ausgeblieben. Mitte Mai habe sie sich Nachts plötzlich unwohl gefühlt, Fruchtalter. §. 81. Casuistik. 287. u. 288. Fall. sei auf den unreinen Eimer gegangen und es sei ihr eino bedeutende Menge stückigen Blutes aus den Geschlechtsteilen abgegangen, worin aber eine compacte Masse nicht befindlich gewesen sei. Dieses Blut habe sie in die Mistgrube gegossen. Inculpata räumte folglich ein, geboren, nicht aber, wie man sieht, ein reifes Kind, sondern eine Frucht im fünf- ten Monat geboren zu haben. Die geringe Erschlaffung ihrer Bauch- decken, die nur geringfügigen Narben an denselben, vorzüglich aber die Erhaltung des Scheidenbändchens sprachen für ihre Aussage, und gegen die Annahme einer Entbindung von einem reifen Kinde. Dagegen zeigte die uns vorgelegte Frucht, die schon sehr verwest war, eine Länge von |9 Zoll, ein Gewicht von 5 Pfund; Kopfdurchmesser von resp. 3 Zoll, 34- Zoll und 44- Zoll, 4 Zoll Schulter-, 4 Zoll queeren und 3 Zoll gra- den Brust- und 3 Zoll Hüftendurchmesser, Dimensionen also eines aus- getragnen, nicht eines ömonatlichen Kindes; die Knorpel an Nase und Ohren waren schon fühlbar fest,' ebenso die Nägel, die bis an die Spitzen der Finger reichten, und die grossen Lefzen bedeckten den Scheiden- eino-an"-. Der Knochenkern in der Schenkel-Epiphyse hatte 2| Linien Durchmesser. Andre Zeichen waren wegen der Verwesung nicht mehr zu ermitteln, die vorgefundnen aber reichten hin, um mit Gewissheit zu erklären: dass das Kind keine fünfmonatliche, sondern eine reife, ausge- tragne Frucht gewesen sei. Der Befund an der Mutter, der mit ihren genauen Angaben correspondirte, stimmte somit nicht mit dem am Kinde überein, und es lag hier der umgekehrte Fall des Uuterschiebens eines Kindes, nämlich das Imputiren eines Kindes vor! (Den übrigen Befund, der nichts Ausgezeichnetes lieferte, Übergehn wir, als zu dieser Frage nicht gehörig.) Der Staatsanwalt fand sich nach unserm Gutachten zu einer Anklage nicht veranlasst, da bei der eigenthümlichen Sachlage ein voll- ständiger objectiver Thatbestand gar nicht vorhanden war. 288. Fall. Richterliche Frage: ob das Kind ein überreifes gewesen? Der Fall war kein Criminal-, sondern ein civilrechtlicher Fall, der die Lehre von der Spätgeburt betraf und ein scandaloses Seitenstück zu dem bekannten Fall bei Louis, sur les naissances lardwes lieferte. Man höre, wie weit die Frechheit gehn kann! Ein zweiundachtzig- j ähriger ehemaliger Subaltern-Beamter hatte in seinen letzten Lebens- jahren an Carcinom der Blase und beider Hoden gelitten, und war endlich, nach Jahre langen Leiden, am 22. August 18—, allgemein wassersüchtig gestorben. Er hatte ziemlich allein dagestanden, denn eine verheirathete Tochter aus seiner frühern Ehe lebte auswärts (in Russ- land). Aus Dankbarkeit hatte er seine neue Pflegerin, seine Köchin, ein halbes Jahr vor seinem Tode geheirathet. Die junge Wittwe trat nun im Januar, fünf Monat nach dein Tode ihres Gatten, mit der Erkläruno- auf, dass sie seit sechs Monaten schwanger sei (!!), und gebar am 1. Juni ein Mädchen, dessen Legitimität sehr begreiflich von der in- zwischen nach Berlin zurückgekehrten ehelichen Tochter des Verstorbe- nen angefochten wurde. Das Gewicht der uns vorgelegten Leiche betrug 7£ Pfund, ihre Länge 20 Zoll, der queere Durchmesser des Kopfes 3-£ Zoll, der grade 4 Zoll, der diagonale 5 Zoll, der Schul- terdurchmesser 5 Zoll, der queere Durchmesser der Brust 4 Zoll, ihr grader 3 Zoll, und der Hüftendurchmesser 3 Zoll, und wir mussten nach diesen Zahlenverhältnissen, die, wie man sieht, die vollkommen normalen der vierzigwöchigen Leibesfrucht darstellen, zunächst die Frage, die uns vorgelegt ward: ob dies Kind elf Monate alt sei? verneinen. Was nun Leben und Tod des Kindes betraf, so ergab sich, dass nur zwei Stückchen des untern Lappens der rechten Lunge hellrörhlich aussahen und schwammen, während alle übrigen Criterien für Todtgeburt sprachen. Wir nahmen an, dass bei dem Kinde noch in der Geburt ein Versuch zum Athmen statt gehabt habe, dass dasselbe aber schon in der Geburt abgestorben, und todtgeboren worden sei. Diese Annahme wurde später durch den Geburtshelfer bestätigt, indem derselbe erklärte, dass das Kind in der Wendung apoplectisch gestorben, und todt geboren worden sei. — (Der Fall giebt wie der Louis'sche, einen lehrreichen Beweis dafür, wie wichtig es in Fällen zweifelhafter Spätgeburt sei, auf die Zeugungs- fähigkeit des angeblichen Vaters zur Zeit der angeblichen Schwängerung zurückzugehn. Dieser Mann, wie er oben geschildert worden, sollte vier Wochen vor seinem Tode zeugungsfähig gewesen sein!!) Zweites Kapitel. Das Leben des Kindes in und nach der Geburt. Gesetzliche Bestimmung. A. L. I\. §. 12. Tit. 1. Tbl. I. Bürgerliche Rechte, welche einem noch ungebornen Kinde zukommen würden, wenn es zur Zeit der Em- pfängniss schon wirklich geboren wäre, bleiben demselben auf den Fall, dass es lebendig zur Welt kommt, vorbehalten. §. 13. Dass ein Kind lebend zur Welt gekommen sei, ist in dieser Beziehung schon für ausgemittelt anzunehmen, wenn unverdächtige, bei der Geburt gegenwärtig gewesene Zeugen die Stimme desselben deutlich vernommen haben. §. 82. Leben ohne Athmung. Die gerichtlich - medicinische Sprache verbindet mit nicht wenigen Ausdrücken einen Sinn, der abweichend von dem der allgemein-wissenschaftlich - medicinischen Sprache ist und sein muss, da die gerichtliche Medicin ganz speeifischen (den rich- terlichen) Zwecken dient. So spricht sie von „Wahnsinn", „Blödsinn", von „ Arbeitsfähigkeit", u. s. w. im Sinne des Gesetzes und Gesetzgebers. So hat auch das Wort: Leben, wenn von dem des Neugebornen die Rede, nicht den allgemein physiolo- gischen Sinn, in welchem alles Organische, auch die Pflanze und natürlich auch der Foetus in utero, lebt, sondern es muss in foro der Begriff: Leben mit dem Begriff: Athmen als voll- kommen identisch betrachtet werden. Leben heisst Athmen, NichtgeathmethabenheisstNichtgelebthaben. Nur das Athmungsleben, das selbstständige, von der Mutter emancipirte Le- ben des Neugebornen kann bewiesen werden, jedes andre Le- ben ist hypothetisch, und nur auf Beweise darf der Gerichtsarzt sein Urtheil gründen. Es kann natürlich nicht bezweifelt wei- den , dass ein Leben ohne Athmung auch beim neugebornen Menschen vorkommt und möglich ist. Die alltägliche Erfahrung beweist es unumstösslich an scheintodt, also ohne Athmung, Gebornen, die dennoch zum Athmungsleben erweckt werden. *) Es soll auch nicht bezweifelt werden, dass ein solches, ein Scheinleben führendes Kind getödtet werden kann, passiv, wie activ, durch Unterlassen, wie durch Handeln. Wenn die Ret- tungsversuche ganz unterblieben waren, so konnte dadurch und. nur dadurch der Funke des Scheinlebens verglommen sein. Aber wer wollte sich vermessen in einer Anklagesache zu be- haupten, dass dieser Funke zur vollen Lebensflamme angefacht worden wäre, wenn jene Versuche nicht unterblieben wären? Eher schon würde sich vielleicht der Beweis einer Tödtung des nur scheintodt gewesenen Kindes herstellen lassen, wenn activ gegen dessen Körper verfahren worden war. Es wäre möglich und denkbar, dass aus den Umständen des Einzelfalles sich Befunde entnehmen liessen, welche einen mehr oder weni- ger vollständigen Beweis dafür liefern könnten, dass ein nicht todt, sondern nur erst noch scheintodt gebornes Kind augen- blicklich nach seiner Geburt getödtet worden. Ganz irrig aber in dieser Beziehung und eine Warnung verdienend ist die An- sicht Devergie's, die aus dem Munde eines Practikers auf- fallen muss, dass der Befund.von geronnenem Blute, z. B. am Kopf oder an andern Stellen einen solchen Beweis in derartigen Fällen abgeben würde. Wir haben schon oben (allg. Thl. §. 10. S. 26) diese irrthümliche Lehre bekämpft und werden (§. 102.) darauf zurückkommen. Aber es können andre Befunde an der Leiche vorliegen, die einen gewaltsamen Angriff gegen den scheintodten Körper wahrscheinlich machen, vielleicht beweisen, z. B. ein Schnitt in den Hals, Bruch des Kehlkopfs oder der *) Zwei, in dieser Beziehung einzig dastehende Fälle hat Dr. M a s chk a in der Prager Vierteljahrsschrift (1854. III. S. 1 u. f.) bekannt gemacht; den Einen nach den Acten, den Andern aus eigner Beobachtung. Der erste betraf ein heimlich gebornes und verscharrtes Kind, das nach sieben Stun- den noch zum Leben erweckt wurde, der zweite ein anscheinend todtgebor- nes, das nach 23 Stunden noch schwache Herztöne hören liess. Kopfknochen, eine Strangulationsmarke u. dgl., ja es wäre nichts woniger als unmöglich, dass man hier eine Reaction an den Stellen der Verletzung fände, wie sie sogar bei Verletzungen nach dem wirklichen Tode vorkommt (spec. Thl. §. 33. S. 127). Immerhin werden dies ungemein seltne Fälle und als solche und in ihrer Eigentümlichkeit aufzufassen, die Sachlage dem Rich- ter klar vorzulegen, und diesem zu überlassen sein, in wie weit hier der Beweis einer Schuld geführt ist. Noch weit seltner sind alle die Fälle, die man ersonnen und vorgebracht, oder mit einem Fleisse, der einer wichtigern Sache würdig, aus den Ar- chiven hervorgesucht hat, und die gleichfalls die Möglichkeit eines Lebens ohne Athmung, und wäre es das Leben einer Se- cunde, beweisen sollen, z. B. Geburt in den Eihäuten, im Bade u. dgl. m., Fälle, die als Curiosa zu erachten, nach der Sachlage beim Geburtsvorgang zu beurtheilen, und die gewiss nicht ge- eignet sind, eine Anwendung von ihnen auf die gemeine Regel, auf die Vorgänge des alltäglichen Lebens, d. h. auf die unge- heure Mehrzahl der gewöhnlichen Geburten zu gestatten. — Also: es giebt, wie zugegeben werden muss, ein kurzes post- partum-Lehen ohne Athmung; aber es fehlen alle Erkennungs- zeichen für das Vorhandengewesensein eines solchen Lebens, nachdem es verschwunden, und deshalb ist ein solches Le- ben keine Thatsache für die gerichtlich-medicinische Praxis, die nur ein Athinungsleben kennt, weil sie nur ein solches erkennen und beweisen kann. Die Richtigkeit dieses Satzes ist seit den ältesten Zeiten anerkannt. Schon bei Galen de loc. äff. Lab. VI. Gap. V. findet sich die Stelle: m confesso est, respirationem a vita et vitam a respiratione separari non posse, adeo ut vivem omnino spiret et spirans omnino vivat. Kurz und klar! Wie in den romanischen Sprachen (eccpirer), so war auch bei ihrer Mutter exspirare ganz gleichbedeutend mit moriri, während wir allerdings mehr bildlich „den letzten Athem aus- hauchen" für „sterbenu gebrauchen. Und, was für unser Thema nicht ohne specielle Bedeutung ist, selbst in die Sprache der Juriston ist die Anerkennung der Identität von Atluneu und Leben übergegangen, weil eben exspirare sterben, vernichten, erlöschen, zu sein aufhören heisst, denn die Pandecten gebrau- chen den Ausdruck: obligatio exspirat. Welchen Werth schon die ältesten Rechtslehrer auf die Lungenfunction als Criterium des Kindeslebens legten, ersehn wir auch aus den uralten Satzungen der vorjustinianischen, so wie später der altgorniani- schen Rechtsbestimmungen, wonach das bekannte „ßesehreien der vier Wände" (vox audita intra quatuor parietes domus) als Bedingung zum Beweis des Lebens gefordert wurde. Dass auch unser Preussisches Gesetzbuch wenn auch nicht das „Schreien", doch die „deutliche Stimme" als Beweis fordert, zeigt die oben (S- 701) angeführte landrechtliche Bestimmung. Dagegen hat man grade in Bezug auf unsre Gesetzgebung ein- gewandt, dass diese selbst ein Leben ohne Athmung annehme: denn die oben angezognen §§. 181. und 182. des Strafgesetz- buchs sprechen von Tödtung der „Frucht im Mutterleibe" oder der „Leibesfrucht", und nur das Lebende könne ja getöd- tet werden. Ergo! Allein abgesehn davon, dass, wie schon oben berührt, es wohl noch nie bestritten worden, dass die Frucht im Mutterleibe „lebe", so wird man doch wohl zugeben müssen, dass der Gesetzgeber einen ganz andern Standpunct hat, als der Arzt, der gerichtliche Arzt. Jener hatte zu allen Zeiten vollkommen Recht, wenn er den Fruchtmord mit Strafe bedrohte. In seiner Stellung musste er das Leben auch des erst werdenden Menschen, wie das des gewordnen, beschützen, und die Leibesfrucht ist ja doch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein werdender Mensch. Wenn nun möglicherweise die künftige Menschenexistenz dieses jetzt noch Homtmcului durch ein verbrecherisches Verfahren von vorn herein unmöglich gemacht werden kann, durfte dann der Gesetzgeber im Inten 3S< der öffentlichen Sittlichkeit und Sicherheit diese Möglichkeit ignoriren und straflos lassen? Gewiss nicht. Aber diese Pflicht und Stellung des Gesetzgebers berührt in keiner Weise den (gerichtlichen) Arzt. Dieser wird im vorkommenden Falle dem Richter erklären, dass eine Tödtung der Frucht im Mutterleibe Statt oder nicht Statt gefunden habe. Damit ist dann seine Aufgabe erfüllt, und wenn ihm, wie uns in einem Falle die Frage vorgelegt werden sollte, ob die abgetriebne Frucht im Mutterleibe gelebt habe? so wird er unbeschwerten Gewis- sens diese Frage bejahen können, unbeschadet jeder Erläute- rung, die er zur Definition dieses (Frucht-) Lebens weiter zu geben sich verpflichtet fühlen könnte. Der Richter wird über die Absicht und Ansicht des Gesetzgebers, trotz die- ser einschränkenden Definition, keinen Augenblick in Zwei- fel sein! Und mit solchen Argumenten wie die bisher angeführten hat man geglaubt, die Beweiskraft der Athemprobe bemängeln zu können? Könnte eine einzige Beweisherstellung in der foren- sischen Medicin bei Widerlegungen solcher Art aufrecht erhal- ten bleiben? Sind die chemischen Untersuchungs-Methoden bei Arsenvergiftungen unsicher und unbrauchbar, weil in manchen — und sogar in viel häufigem, als den obigen Fällen, dieselben keine arsenigte Säure nachweisen können, die doch unzweifel- haft vorhanden gewesen war? Sind es die Criterien zur Fest- stellung einer zweifelhaften Schwangerschaft, weil sie bekanntlich nicht in allen Fällen und nicht jede Schwangerschaft beweisen können? Mehr als der hier gewürdigte, hat der anderweite, so oft vorgebrachte Einwand gegen die Beweiskraft der Athemprobe anscheinend für sich, der nämlich: dass die Athemprobe, wenn sie auch das Athmungsleben des Kindes beweisen, doch jeden- falls nur dies an sich, keinenfalls aber beweisen könne, dass dasselbe nicht schon vor der Geburt eingetreten gewesen, aber auch alsbald wieder erloschen, und dann das Kind doch todt- geboren war. Caspcr, gerichll. Medicin. 4-5 §. 83. Athmen vor der Geburt Vagitus uterinus. Wenn auch die Mehrzahl der wenigen Fälle von Ath- men des Fötus in den unzerrissnen Eihäuten als unge- naue Beobachtungen oder Selbsttäuschungen anzusehn*), so kann man sich doch jetzt nicht mehr gegen die Annahme sträuben, dass ein Athmen des Kindes vor vollendeter Geburt, und zwar selbst noch im Uterus, möglich ist, wenn wir auch die Hälfte der, immerhin nur spärlich bekannt gemachten Fälle als ungenau beobachtet noch streichen müssen. Die ganze Frage vom Vagitus uterinus ist in neuster Zeit vom Gebiet der nackten, so leicht täuschenden Thatsache, dass man ein Kind im Leibe der Mutter habe schreien hören, auf das Feld der wissenschaft- lichen Beobachtung versetzt worden. Wir meinen die Entdek- kung der capillären Extravasate unter der Pleura, auf der Aorta und auf dem Herzen, die wir, um sie anschaulich dem Nicht- kenner zu bezeichnen, Petechial-Sugillationen genannt haben, weil sie in der That den Petechien täuschend ähnlich sind. Es ist davon bereits bei dem Erstickungstode der Neu- gebornen (spec. Thl. §. 40. S. 464) die Rede gewesen, wo auch gezeigt worden, von wie Vielen, und wie vielfältig dieser Be- fund bereits beobachtet worden ist. Es wurde dort auch be- merkt, wie die Entstehung desselben keiner andern Ursache beigemessen werden kann, als einer Art von instinetiver und gezwungner Athmung in utero, wenn der natürliche Vorgang des nothwendigen Gasaustausches, wie ihn Mutterkuchen und Nabelschnur vermitteln, gestört oder aufgehoben wird. Es darf gewiss als auffallend bezeichnet werden, dass die gerichtliche Medicin bis in die neuste Zeit hinein noch keine Notiz von einer physiologischen Lehre genommen, die schon Bohn vor 150 Jahren in Anregung gebracht und welche Physiologen und Geburtshelfer vielfach beschäftigt hat. — Wenn es sonach nicht mehr bezweifelt werden kann, dass der Fötus instinetive Respi- *) Einen höchst sonderbaren Fall mit ganz eigenthiinilicher Erklärung von Hüter s. in der „Deutschen Clinik" vom 19. April 1856. rationsversuclie machen kann und unter gegebnen Umständen nothwendig macht, so würde auch schon a priori — auch wenn man ihn nicht zuweilen hätte „im Mutterleibe schreien" hören — zugegeben werden müssen, dass derselbe auch wohl voll- kommnere und gelungene Athembewegungen machen könne. Ein sehr gut von Heck er beobachteter und erzählter Fall ist zu wichtig, um ihn nicht hier mitzutheilen: *) „Eine 28jährige Mehrgebärende verlor am 20. Mai 1853 bei kaum angedeutetem Beginn der Geburt plötzlich im Bett eine grosse Quanti- tät Fruchtwasser, und es fand sich bei der Untersuchung, dass eine grosse Schlinge der Nabelschnur an der hintern Beckenwand herabgespült wor- den und bis vor die äussern Genitalien vorgefallen war, welche deutlich und mit normalem Rhythmus pulsirte. Der Muttermund war von der Grösse eines Achtgrosehenstücks eröffnet und man fühlte über dem Beckenein- gang sehr hoch und beweglich stehend den Kopf. Die Fötalherztöne waren in der linken Mutterseite sehr deutlich zu vernehmen. Da die Reposition der Nabelschnur mit Instrumenten misslang, so wurde sie nur in die Scheide zurück geschoben, und davor ein Schwamm einge- bracht. Eine Stunde darauf war der Muttermund vollkommen erweitert, aber Statt des Kopfes, der offenbar nach links abgewichen war, lag jetzt der rechte Ellenbogen vor, während die Pulsation in der Nabelschnur die- selbe geblieben war. Die Wendung auf die Füsse, die in der Chloro- formnarcose vorgenommen wurde, war nicht grade schwierig, aber bei dem Vordringen der Hand an der hintern Beckenwand war es nicht mög- lich, das Nabelschnurconvolut bei Seite zn schieben, ohne einen, wenn auch nur gelinden Druck auf dasselbe auszuüben, und man merkte an den wiederholten tiefen Inspirationen, welche das Kind vor- nahm und welche die operirende Hand ungemein deutlich fühlte, dass ein solcher (Druck) Statt fand und sofort starke Athernnoth hervorrief. Bei der Extraction bot der Kopf, obgleich er schliesslich dem gewöhnlichen, aber stark in Wirkung gesetzten Handgriffe folgte, der Herausbeförderung ein nicht unbedeutendes Hinderniss dar. Das Kind, ein 7 Pfd. schweres und 19 Zoll langes Mädchen, war asphyctisch und konnte nicht, trotzdem, dass consequent und wie die Section erwies mit sehr gutem Erfolge Luft eingeblasen wurde, zum Leben gebracht werden. Die Hyperämieen in den Brust- und Bauchorganen, so wie die *) am oben S. 465. a. 0. S. 19. 45* Extravasate unter der Lungonpleura und auf dem Herzen fehlten auch hier nicht. Ob Luft bei den erwähnten Respirationsversuchen in der Uterinhöhle in die Lungen eingedrungen war, konnte natürlich wegen der künstlichen Anfüllung derselben nicht ermittelt werden." Hieran schliessen sich analoge Beobachtungen von Hohl*) in Fällen, wo bei vorangegangenem Rumpf und noch im Becken befindlichen Kopf der Uterus sich zusammengezogen und ver- kleinert hat, die Placenta bereits getrennt ist und der Kopf nicht schnell folgt. In zwei solchen Fällen hat Hohl gesehn, „dass die Brust des Kindes sich drei- bis viermal hinter einander stark hob" und das Kind todt zur Welt kam. In den Lungen beider Kinder war keine Spur von Luft. Auch bei dem Vorfall der Placenta sind diesem Geburtshelfer in Einem Falle Athmungsbewegungen vorgekommen. Bei der so- gleich angestellten Wendung und Extraction des Kindes be- merkte Hohl „schon während der Wendung lebhafte Ath- mungsbewegungen", die er für „wirkliche Athemzüge" hielt. Das Kind war todt und blass. Auch in allen diesen drei Fäl- len fanden sich die Petechial-Sugillationen, nämlich „zahlreiche, punctförmige Extravasate auf der Oberfläche der Lungen und des Herzens." . Es kann also gar nicht bezweifelt werden, dass vom intra- uterinen Fötus nach Trennung der Eihäute Versuche zum Ath- men gemacht werden, ja dass wirkliche Athembewegungen zu Stande kommen können. Aber welche Beziehung hat diese Er- fahrung zur Athemprobe? Die Lungen solcher Kinder sanken in allen Fällen unter Wasser unter, wenn nicht, wie in einigen wenigen, die bei den Rettungsversuchen erfolgreich eingeblasene Luft sie schwimmfähig gemacht hatte. Alle Kinder waren todt, ja in mehrern, von Elsässer mitgetheilten Fällen, todtfaul ge- boren worden, ein Befund, der, wenn man ihn nur ein einziges Mal gesehn, gar nicht täuschen kann und den wir unten (§. 104.) *) am oben S. 465 a. 0. S. 837. schildern werden. Aber noch von einem ganz andern Gesichts- punct aus zeigt sich die Thatsache des intrauterinen Athmens, practisch betrachtet, ohne allen Einfluss auf die" Lösung der Frage vom zweifelhaften Leben der extrauterinen Leibesfrucht, des Kindes nach der Geburt. Schon in allen denjenigen Fäl- len, in welchen von Geburtshelfern Kinder, die intrauterine Athembewegungen gemacht hatten, zur Welt befördert wurden, lagen ohne Ausnahme künstliche und mehr oder weniger schwere Geburten vor, wie ja aus den oben angeführten Bedin- gungen zu diesen instinctiven Respirationsbewegungen schon einleuchtet. Wie viel mehr müssen eine noch längere Verzöge- rung der Geburt und andre begünstigende Umstände vorausge- setzt werden, und wirklich eintreten und zusammentreffen, um nicht bloss kurze, instinctive und fruchtlose Athembewegungen, sondern ein wirkliches Athmen, ein Einströmen der atmosphäri- schen Luft in die Athemwege zu Stande kommen zu lassen! Das Fruchtwasser muss abgeflossen sein, das nicht vorrückende Kind eine Gesichtslage haben, der Muttermund weit geöffnet und der Scheidencanal durch die Manualhülfe klaffend erweitert sein, um einen wirklichen und wahrhaften Athemprocess zu be- dingen. In den wenigen gut beobachteten Fällen von Vagitus uterinus trafen in der That alle diese Bedingungen ein. Aber treffen sie auch in denjenigen Fällen ein, die den Gerichtsarzt beschäftigen und bei den todtgefundnen Neugebornen, die An- lass zur Anstellung der Athemprobe geben? Die Frage ist un- bedingt zu verneinen. Wenn man es nicht wüsste, dass heim- liche Geburten — und nur solche können Veranlassung zur Anstellung des Experimentes geben — nichts weniger als ver- zögerte, dass sie vielmehr in der grossen Mehrzahl aller Fälle sehr rasch verlaufende, ja präcipitirte sind, weil sie sonst eben keine heimliche bleiben würden*), so würde man es eben *) Es kommen uns fortwährend unverhältnissmässig viele Fälle bei den gerichtlichen Sectionen Neugeborner vor, in denen die Kinder noch mit der deshalb von vorn herein annehmen müssen. Bei einer rasch vorlaufenden Geburt aber fehlen alle Bedingungen, so wie jedes Bedürfhiss zu einem Athmen in utero. In Erwägung also • dass, der Natur der Sache nach, nur solche Neugeborne Gegenstand der gerichtlichen Athemprobe werden, welche heimlich geboren worden, dass heimliche Geburten rasch verlaufende sind, dass aber Vagitus uterinus bei rasch verlaufenden Geburten nicht, und nur bei verzögerten künstlichen Geburten vorkommen kann, muss jedes, von der Athemprobe nachgewiesene Ge- athmethaben eines heimlich gebornen Kindes als ein Athmen nach (nicht in oder vor) der Geburt, das Kind folglich als ein lebend geboren gewesenes erachtet werden. Fälle, in denen dem schon gebornen, zwischen den Schenkeln der Mutter liegenden Kopf atmosphärische Luft anströmt und zum Athmen reizt, gehören nicht mehr zum Vagitus uterinus. *) Placenta zusammenhängend gefunden worden und vorgelegt werden, ein Be- weis der Häufigkeit präcipitirter Geburten bei heimlichen Entbindungen. *) Die hier vorgetragne Ansicht, die einzig und allein der Natur der Sache entspricht, ist nicht neu, sondern ganz eben so von unsrer obersten Medicinalbehörde, der K. wissenschaftlichen Deputation, bereits vor 40 Jah- ren in einem Gutachten ausgesprochen worden, das sich durch treffende Kürze, die doch alles Wesentliche berücksichtigt, auszeichnet, und das ich hier folgen lasse. Es ist vom 27. Februar 1816 datirt: „Ein hohes Ministerium des Innern hat der wissenschaftlichen Deputa- tion für das Medicinalwesen befohlen, über nachstehende beide Fragen, dem Verlangen des K. Kammergerichts gemäss, gutachtlich zu berichten: 1) ob es untrügliche Merkmale dafür gebe, wenn das Athemholen schon in utero materno Statt gefunden hat; 2) welche Merkmale künftig entscheidend sein werden für ein Leben des Kindes, nachdem es bereits aus den Geburtsthei- len der Mutter fortgeschafft worden. Was den ersten Punct betrifft, so giebt es kein andres untrügliches Merkmal dafür, als wenn glaubwürdige Men- schen das Geschrei des Kindes, ehe dasselbe aus den Geburtstheilen der Mutter fortgeschafft worden, deutlich gehört zu haben versichern, und der Vorgang bei der Geburt damit übereinstimmt. Wenn nämlich eine Person lange Zeit mit dem Geburtsgeschäfte zubringt, so dass bei mangelnden oder schwachen sparsamen Wehen nach dem Ablaufen des Schaafwassers die Hand des Hebarztes oder der Hebamme in die Gebärmutter geführt wird, so kann, bei günstiger Lage des Kindes, die in die Zwischenräume der einge- §. 84. Die Athemprobe. a) Leberprobe. Wenn hiernach die Gesammteinwände gegen die Zuverläs- sigkeit der Athemprobe an sich, wie gezeigt worden, vom Standpunkt der forensischen Praxis zurückzuweisen, so muss auoh behauptet werden, dass die Einwände gegen jedes einzelne Criterium derselben eben so wenig stichhaltig sind. Wir be- rücksichtigen hierbei und im Folgenden freilich nur die in Preussen übliche und durch das Regulativ vom 21. October 1844 (S. 96) vorgeschriebne Athemprobe. Die vielfach an- derweitig vorgeschlagnen Proben und Experimente von Daniel, Bernt, Wildberg, Tourtual u. A. sind theils viel zu ver- wickelt, um practisch brauchbar zu sein, theils und eben des- halb haben sie gar keine Erfahrung im Grossen für sich, wie wir selbst denn auch aus eigner Beobachtung keine Benrthei- hins: derselben zu liefern im Stande wären. Eben so wenig glauben wir auf eine Critik der vorgeschlagnen Leberproben brachten Hand eindringende Luft Athemholen und Schreien veranlassen; noch leichter aber kann dies geschehn, wenn der Kopf bereits aus dem Mut- termunde getreten ist, und der übrige Körper erst von dem Hebarzt oder der Hebamme entwickelt werden muss. Es sind also Bedingungen zu jenem Vagitus uterinus erforderlich, die nur selten, und, wie besonders zu merken, nur bei einer zögernden Geburt vorkommen, bei welcher Manualhülfe geleistet wird. Daher ist diese Erscheinung auch nie bei den verheimlichten Gebur- ten anzunehmen, welche rasch und ohne fremde Beihülfe geschehn. Hier kommt das Kind erst zum Athraen, nachdem es geboren worden, und der Richter wird durch jenes Phänomen bei seiner Beurtheilung, ob ein Kind nach der Geburt gelebt, zu keinem Zweifel geführt werden können. Durch dies Letztere ist aber auch die zweite Frage zur Genüge beant- wortet. Insjedem Falle schneller, heimlicher, d. h. in der Einsamkeit abge- machter Geburt, ist das Leben des Kindes als Leben nach der Geburt anzu- sehn. Sollte dem Richter aber ein Fall vorkommen, wo es ihm bei einer unter Beihülfe geschehenen Geburt darauf ankäme, zu wissen, ob ein Vagi- tus uterinus Stalt gefunden, und das vorher athmende und schreiende Kind todt aus den Geburtstheilen geschafft worden, so könnte hier nur die Aus- sage der Zeugen entscheiden." eingchn zu dürfen, deren das „Regulativ? mit gutem Vorbedacht gar keine Erwähnung thut. Es ist unbegreiflich, wie man auf die, an sich, wohl richtige Thatsache, dass mit dem eingetrete- nen Respirationsleben das Gewicht der Leber sich verringern, folglich auch das relative Gewicht der Leber zum übrigen Körper sich verändern müsse, den Vorschlag einer Lebergewichtsprobe gründen konnte. Erwägt man nur einerseits, dass eine Verän- derung im Gewicht der Leber doch unmöglich mit den ersten Athemzügen eintreten, oder wenigstens mit diesen doch nicht gleich, sondern höchstens erst allmälig nach fortgesetzter Re- spiration und zwar erst dann wahrnehmbar und nachweisbar sein würde, wenn schon, eben wegen des längere Zeit fortge- setzten Lebens, die allgemeine Athemprobe darüber keinen Zweifel lassen dürfte, so zeigt sich schon in dieser Beziehung jede Leberprobe überflüssig. Was aber in Betreff der Athem- probe überflüssig, das ist sogar schädlich und verwerflich, denn es giebt, wie die Erfahrung lehrt, nur zu unbegründeten Zwei- feln und Angriffen, namentlich von Seiten der Vertheidiger, Anlass. Andrerseits ist eine LebergeAvichtsprobe als unzuver- lässig aus der Praxis zu verbannen, weil sie auf einem Grunde, dem Gewichte der Leber, beruht, der durchaus schwankend ist und sonach an sich schon gar keine Folgerungen gestattet. Wenn so sorgfältige Beobachter wie Bernt und Elsässer, ersterer bei 100 Wägungen ein Schwanken des Gewichts bei Todtgebornen von 7 —15 Loth, bei vollkommnem Athmen von 5—19 Loth, letzterer bei 65 Wägungen reifer Todtgeborner ein Schwanken von 22 Drachm. 5 Gr. bis zu 73 Dr. 10 Gr. (!!) und im relativen Gewicht der Leber zum Körper von 1 : 44,47 bis zu 1:34,77 fanden, so ist mit solchen Zahlenergebnissen allein der Stab über jede Lebergewichtsprobe gebrochen. Denn die Todt- und die Lebend-Gebornen berühren sich in der brei- ten Gewichtsdifferenz; und auch Durchschnittszahlen und Ver- hältnisse verbessern die Lücke nicht, da das Individuum, nicht das Collectivum, in jedem einzelnen gerichtlichen Falle Gegen- stand der Forschung und der Beweisführung ist. Leider! wird uns eben dieser Einwand auch noch anderweitig bei Criterien der Athemprobe entgegentreten, die jedenfalls mehr für sich ha- ben, als die, hiernach weiter nicht zu beachtendeLeber- probe. Und zwar ist dies der Fall gleich beim Folgenden. §. 85. Fortsetzung, b) Wölbung der Brust. Dass der Thorax des Kindes, das geathmet hatte, zumal wenn es seine Lungen dadurch vollständig mit Luft und Blut ausgedehnt und angefüllt hatte, sich heben und erweitern, also gegen früher mehr wölben musste, ist eben so gewiss, als dass es eben deshalb gerechtfertigt ist, beim biostatischen Experiment auf den Grad der Wölbung der knöchernen Brust Rücksicht zu nehmen. Dass das blosse Augenmaass aber hierbei nicht aus- reicht, dass eine blosse Schätzung mit dem Auge keine Beob- achtung genannt werden kann, ist zweifellos, denn flach und gewölbt, in Anwendung auf den Thorax des Neugebornen, sind ungemein schwankende Begriffe und selbst der Geübteste, wenn er Hunderte von solchen Leichen vor sich gesehn *), genügt sich selbst in dieser Beziehung nicht. Wenig sicherer ist die ältere Methode (Daniel), den Grad der Wölbung mittelst eines Fadens zu messen, weil nicht nur die geringere oder stär- kere Anspannung beim Umlegen, sondern auch die geringere odej" grössere Dehnbarkeit des Fadens Differenzen herbeiführen kann, die grösser sind, als die zu ermittelnden, welche nur Bruchtheile eines Zolles betrafen können. Die einzig zuverläs- sige Messungsmethode an sich, und deshalb die jetzt wohl all- gemein gebräuchliche, ist die mit einem Tasterzirkel, mit wel- chem der queere und der grade Brustdurchmesser zu erforschen *) Ich habe bis zum Schlüsse des Jahres 1853 im Ganzen 1605 Leichen unehelich todtgeborner oder bald nach der Geburt verstorbner Kinder amt- lich besichtigt (Behufs Ausstellung des Beerdignngsscheines) und wie auf alle Data, die die Inspection liefern kann, so auch auf die Thoraxbildung genau geachtet. sind. Beide müssen nach vollständig eingetretnem Athmungs- leben nach der Geburt grösser »ein, als sie es bei eben diesem Kinde kurz vor der Geburt gewesen. Die Thesis ist unbestreit- bar wahr; aber ihre practische Anwendbarkeit ist darum nicht grösser. Wer hatte die Durchmesser des gegebnen, vorliegen- den Kindes vor der Ausstossung aus dem Uterus gemessen? Man ist also hier wieder auf allgemeine Vergleiche, auf Durch- schnittszahlen hingewiesen, mit denen die Befunde am concreten Leichnam in Vergleich zu bringen sein werden. Diese Methode kann vollständig ausreichend sein, wenn die Verhältnisse der Individualität sich in so unerheblichen Schwankungen bewegen, dass die Durchschnittszahlen aus einer grössern Menge, z. B. von 100 Beobachtungen im Ganzen nur wenig von den Ergeb- nissen der einzelnen Beobachtungen abweichen. Dies ist z. B. der Fall bei der Bildung des Kopfes des reifen Neugebornen, dessen Durchmesser so constant fast ganz dieselben, dass die gewonnenen Durchschnittszahlen nicht bloss das Ergebniss einer Berechnung aus maximis und minimis sind, so dass man sie als Maassstab für die zu prüfende Reife eines neu vorliegenden Leichnams der Art immer wieder zuversichtlich gebrauchen kann. Es fragt sich: ob die Durchmesser des Thorax des Neugebornen, des lebend- wie des todtgebornen, ein eben so oder auch nur annähernd ebenso feststehendes respectives Vor- hältniss zeigen, um aus, durch eine grössere Anzahl von Beob- achtungen gewonnenen Durchschnittszahlen einen analogen Ge- brauch machen zu können? Die Frage ist unbedingt zu ver- neinen. Die folgende Tabelle umfasst die Messungen der Brust an 206 reifen Neugebornen, 130 lebenden und 76 todten. Die ersten 70 Fälle betrafen wirkliche gerichtliche und frische Leichen; alle, zahlreich vorgekommnen Fälle, Leichen in höhern Verwesungs- graden betreffend, habe ich, als zu unsicher, ausgeschieden, da das Aufschwellen des Körpers die Maasse ganz verändert; die übri- gen 136 Fälle sind, wie die in der S. 687 mitgetheilten Ta- belle, in den beiden K. Entbindungs - Anstalten auf meinen Wunsch gemessen worden. Dass die Art und Weise, das Messinstrunient anzulegen, wenn es von verschiednen Beobach- tern geschieht, dass die länger oder kürzer zu Stande gekom- mene Athmung, dass namentlich wieder die verschiednen Aus- bildun^sorade verschiedner Kinder, dass der verschiedne Zu- stand der Leiche und andre Umstände auf die Ergebnisse der Messungen Einfluss haben müssten, wäre im voraus zu erwar- ten. Thatsächlich haben sich denn auch in unsern Untersuchun- gen, wie in andern früherer Beobachter, wesentliche und erheb- liche Differenzen ergeben, welche die Unsicherheit der Tho- raxdurchmesser an sich als Criterium der Athemprobe klar ergeben. Brust-Durchmesser von 206 reifen Neugebornen an 130 leben- den und 76 todten gemessen. Brust- Brust- Durch- Durch- messer messer No. laben. a <£ H CD o 0) No. laben. Mädchen. cd H o cd M CS — W 0 CT & 1. l 3 gelebt; ertrunken. 16. 1 3% 3-1 „ ; Apoplexie. 2. 3 „ ; verblutet. 17. 1 4 3 3. l %\ 3 „ ; Apoplexie. 18. 1 4 3* n > » 4. 3* 2* » ; ? 19. 1 3 n „ ; ertrunken. 5. l 4 2% „ ; ertrunken. 20. 1 todtgeboren. 6. H 3 todtgeboren. 21. 1 3* gelebt; Apoplexie. 7. i 4 3 22. 1 3* 2% ■ ; ? 8. 3*? 3* gelebt; ertrunken. 23. 1 4 3 „ ; Apoplexie. 9. l 3% „ ; Apoplexie. 24. 1 4 3 » > » 10. » 5 » 25. 1 4 3 » 5 n 11. l 4 3 ä ; erstickt. 26. 1 4 » 5 » 12. 4 2* „ ; Apoplexie. 27. 1 4 3 «5 » • 13. 4 n »5 » 28. 1 4* 4 gelebt; Kind von 14. l 4 3* todtgeboren. 10 Pfund. 15. i 3% 2% gelebt; ? 29. 1 4 3$ todtgeboren. ttrust- Brust- üurch- Durch- racsscr messer d d ri No. Knab( Mädel V u gelebt. 31. 1 4 3 y> ; ? 59. 1 4 2^ 32. 1 ±k 3-1 '» Apoplexie. 60. 1 44 3? 33. %k 3 » ; ? 61. 1 1 3t 0 ö 34. 1 4 » ; ? 62. i JL 4 3i 35. 1 JL ö2 3 todtgeboren. 63. 1 1 36. JL 4:1 ; Kind 64. 1 Jl 33; von 10 Pfund. 65. 1 1 u 2 37. 1 1 4 gelebt; Apoplexie. 6fi 1 Z\ X 2 0 38, 4 3 » n 67. 1 1 2 °i, 39. 1 3J- ? 68. 1 JL 3 2i fl ^ 40. 1 3 » Apoplexie. 69. 1 JL 3^ 23- n 41. 1 3 todtgeboren. 70. 1 3? 3 todtgeb oren. 42. 1 H 3 gelebt ; Apopl exie. 71. 1 3% 3J- lebendes Kinc wie 43. 1 4 3^ f ~ 72. 1 3% 3? v 2 alle folgenden bis 44. 1 4 j • &' ■■ ; erstickt. • 73. 1 3| 3i " 8 incl. No. 156.; 45. 1 3^ 106. 1 3* 3* » 136. 1 3 3 107. 1 3£ 3 137. 1 3 3 » 108. 1 8* 3 138.■ 1 109. 1 °A 3 '] V» ] 139. » 110. 1 3* 140. 3 2P HL 1 *k 141. 3 1 » f 11 2. 1 H 3 142. n 5) 113. 1 3* » 143. 3 114. 1 3 144. 3 2\ 115. 1 n 3 145. n 2l- 2 116. 1 3 3 » 146. 1 2% 117. 1 3 3 147. 1 2% Brust- Brust- Durch- Durch- messer messer q c CD _a n E CD No. CD cS a o t3 :cd u CJ Ol 3 CT ■ö a fr No. CD X> öS C k> "o T3 154. 1 184. 1 34 n 155. 1 3 2% » 185. 1 34 r> 156. 1 3 3 ■1 r> 1 1S6. 1 H 34 n 157. — 1 Z\ 3 todtgeboren. 187. 1 3% n 158. 1 3* 3 188. 1 3 n 159. 1 3* 2% 189. 1 34 D 160. — 1 3% 21- 190. 1 — 4 34 n 161. — 1 H 34 lebendes Kind, -wie 191. 1 3 n 162. 1 3% alle folgenden bis 192. 1 3| 163. 1 — 34 3* incl. No. 204.; 193. 1 3* 2% » 164. 1 % 3* diese und die 2 194. 1 3^ n 165. — 1 3^ 34 Todtgebornen, 195. 1 H 3* 166. 1 34 3£ also die Zahlen 196. 1 H 3£ 167. — 1 34 3* von 161 — 206. 197. 1 *k 3* 168. — 1 3| incl. sind Mes- 198. 1 H 3^ » 169. 1 h\ 34 sungen in der K. 199. 1 H 34 170. 1 4 3^ Univers. - Entbin- 200. 1 H 3| 171. 1 3% dungsanstalt. 201. 1 3* 172. 1 34 H lebendes Kind. 202. 1 3% 34 173. 1 »4 » 203. 1 3% 3* 174. 1 H 3* 204. 1 3* 3t 175. 1 3% 3?i 205. 1 44 3 todtgeboren. 176. 1 8* 206. 1 4* 3 Nach dieser Tabelle betru g also im Durchschnitt aller Fälle: vor der Athmunsr. nach der Athmune;. dpr Oiippfdnrelimesser vid vy,uev i uiti vuiiivoijvi der Queerdurchmesser 13// 1 6 der Brust .... 3i" clor Tjrino-pndnrelimesser vi vi 1 > tili v_ XI V* Ct X V. 1 1 1 11 v. >.1 - v. i der Länaendurchmesser der Brust .... 3" der Brust .... 31" der Queerdurchm. im max. 4.3// 4 der Queerdurchm. im max. 4.3// ^4 der Queerdurchm. im min. 3i" 4 der Queerdurchm. im min. 2£" der Längendurchm. im max. 31" der Längendurchm. im max. 4.1 // 4 der Längendurchm. im min. 21" der Längendurchm. im mm. 2.// Wenn sich hiernach durchschnittlich höchst auffallender Weise bei Todtgebornen sogar ein etwas grösserer Queerdurch- messer ergiebt, als bei lebend Gebornen, wenn bei den Letzten, in Vergleich zu Erstem, sich ein nur unerheblich grösserer Längendurehmesser zeigt, wenn wir Maximal- und Minimai- Schwankungen von 1 — \" finden, wenn endlich wir sehn, dass in einzelnen, aber recht häufigen Fällen die Durchmesser vor und nach der Athmung ganz gleich sind, so ist einleuchtend, dass die Brustmessung, d. h. die Wölbung der Brust an sich als diagnostisches Zeichen keinen Werth hat. Ganz zu demselben Ergebniss ist Elsässer durch seine Mes- sungen des Umfanges des Thorax gelangt*), woraus ich als schlagend nur ausheben will, dass bei 50 Messungen an reifen lebenden Kindern sich ein Maximal- und Minimal-Unterschied = 13,5" (würtemb. Decimalzollen) : 9,9", also eine sehr erheb- liche Schwankung, bei 8 reifen todtgebornen Kindern = 11,3" max. : 10,1" mm. ergab. „Unwiderleglich", sagt auch E., „er- giebt sich: dass die Variationen in dem Umfang (und natürlich auch in den Durchmessern) des Thorax so bedeutend sind, dass sich kein sicheres Normalmaass für einen Thorax, der athmete, und für einen, der nicht athmete, feststellen lässt. In den mei- *) am oben S. 678 a. 0. S. 5. sten Füllen wird sich also aus der Messung des Thorax nicht bestimmen lassen, ob die Lungen lufthaltig sind oder nicht. Der Grund dieser Abweichungen liegt ohne Zweifel in der an- gebornen Verschiedenheit der Weite des knöchernen Thorax, theils in der verschiednen Dicke der Weichtheile und nament- lich des Fettpolsters und der Brustmuskeln, theils in dem ver- schiednen Grade und der verschiednen Intensität der Erweite- rung des Thorax durch das Athmen, dem entsprechend auch die Lungen mehr oder weniger von Luft ausgedehnt werden" u. s. w. §. 86. Fortsetzung, c) Stand des Zwerchfells. Wie bei dem eben gewürdigten Criterium abstrahire ich für jetzt auch bei diesem noch ganz von dem Einwand, der ge- gen die Athemprobe so häufig von der Möglichkeit der künst- lichen Ausdehnung der Lungen durch Lufteinblasen hergenom- men wird, auf welchen wir im §. 92. zurückkommen. Davon abgesehn wird nothwendig der foetale Stand des Zwerchfells ein höherer sein, als der nach eingetretner Athmung, und man soll berechtigt sein auf diese zurück zu schliessen, wenn eben das Zwerchfell schon tiefer hinabgetreten und gedrängt ist. Man ermittelt diesen Stand am leichtesten, wenn man, nachdem man durch einen Längenschnitt vom Halse bis zur Schaambein- verbindung die Hautbedeckungen getrennt und sie vom Thorax zu beiden Seiten lospräparirt, und nun vorschriftsmässig zuerst die Bauchhöhle geöffnet hat, den Finger der einen Hand von unten in die höchste Wölbung des Zwerchfells hineinlegt, und mit einem Finger der andern Hand die Intercostalräume von oben herunter abzählt, bis beide Finger correspondiren. Die Regel ist nun, dass die höchste Wölbung des Diaphragma bei Todtgebornen zwischen der vierten und fünften, bei Lebendge- bornen zwischen der sechsten und siebenten Rippe steht. Im Allgemeinen kommen Abweichungen von dieser Regel nicht eben häufig vor^und deshalb giebt der Stand des Zwerch- felis ein gutes diagnostisches Zeichen. Allein ein nur ganz kurze Zeit Statt gehabtes Athmen, welches die Lungen nur wenig bluthaltig gemacht und deshalb sehr wenig ausge- dehnt hatte, kann seine Beweiskraft einschränken, welche Ein- schränkung auch in andern Fällen und zwar dann eintritt, wenn bedeutendere Gasansammlungen in den Därmen das Zwerchfell, was sie leicht thun, in die Brusthöhle hinaufgedrängt hatten, wo dann sein Stand auch bei unzweifelhaft geathmet habenden Kindern wieder ein so hoher werden kann, wie er vor der Athmung gewesen war. Umgekehrt kommt es endlich auch vor, dass bei Todtgebornen ein tieferer Stand des Diaphragma beobachtet wird, wenn Fäulnissgase das Cavum thoracis ausdehn- ten und das Zwerchfell hinabdrängten. §. 87. Fortsetzung, d) Ausdehnung der Lungen. Es ist allgemein bekannt, dass fötale Lungen, wenn man die vordere Brustwand entfernt hat, so liegend gefunden wer- den , dass sie die Brusthöhle nicht ausfüllen und dass nament- lich die linke das Herz auch nicht theilweise deckt, während die Lungen nach der Athmung den Thorax um so mehr anfül- len, je vollständiger die Respiration eingeleitet gewesen war, in welchem Falle der untere Lappen der linken Lunge fast die Hälfte des Herzbeutels deckt. Die fötalen Lungen liegen nach hinten zurückgezogen, füllen etwa nur ein Drittel ihrer Rippen- concavität an, und man sieht nur beim Einblick in die geöffnete Höhle, und selbst oft erst nachdem man dieselbe durch Ausein- andersperren der durchgeschnittnen Rippen etwas erweitert hat, die scharfen Ränder der Lungen hervorragen. In den schrof- fen Gegensätzen des fötalen Zustandes und der vollständig eta- blirt gewesenen Athmung ist nun allerdings diese verschiedne Ausdehnung der Lungen ein sehr gutes diagnostisches Zeichen, namentlich für den durch Erfahrung geübten Blick; allein der Mittelzustand zwischen beiden Extremen, die kurz und dürftig Statt gehabte Respiration, kann dennoch täuschen. In diesen) Casper, gerichll. Mcdicin. ^6 Falle findet man nicht selten noch sehr weit nach unten und hinten liegende Lungen, während die Ergebnisse der Gesammt- Athemprobe es unzweifelhaft machen, dass das Kind geathmet hatte. §. 88. Fortsetzung, e) Farbe der Lungen. Erwägt man, dass das Farbensehn etwas Individuelles und wie schwierig es ist, die empfangnen Farbeneindrücke, zumal wenn es sich um Farbenschattirungen handelt, in Worten wie- derzugeben und zu schildern, so erklären sich die Verschieden- heiten in den Schilderungen der Farbe der fötalen und der Lungen nach der Athmung bei den Schriftstellern, wie wir sie seit den ältesten Zeiten finden. Galen's Angaben können nicht zutreffen, denn sie sind den Thierlungen entnommen. Aber auch in den spätem Zeiten bis auf die neuste finden wir die mannigfachsten Ausdrücke, um die Farbe beider Arten von Lungen zu bezeichnen. Ich habe deshalb versucht, durch Ab- bildungen nach der Natur der Schilderung mehr Sicherheit zu geben. Aber auch die sehr getreuen Abbildungen Taf. VI. Fig. 15 —18. reichen bei weitem nicht aus; denn man müsste zwanzig, dreissig und mehr Abbildungen beider Arten von Lun- gen geben, um nur einigermaassen die ausserordentlich mannig- fachen Farbennüancirungen wiederzugeben, die in der Natur vorkommen. Vollkommen richtig ist der Ausspruch Orfila's und B illar d' s, die von den fötalen Lungen sagen: ihre Farbe ist „ausserordentlich verschieden", und es ist eine, ihm sonst nicht eigene Oberflächlichkeit, wenn Devergie dagegen meint, die Farbe scheine ihm immer „ungefähr dieselbe". Was von den fötalen, gilt aber ebenso auch von den nicht mehr fötalen Lungen. Im Allgemeinen ist es nun allerdings naturgetreu, wenn man die Farbe der Lungen des todtgebornen Kindes als rothbraun, leberartig bezeichnet, wobei sie gern an den Rän- dern, weil hier das Licht auf die dünnern Wandungen anders einwirkt, eine hellere Rothe zeigen. Aber gar nicht selten zei- gen sie auch auf den Lappen einzelne helrröthere Streifen oder diffuse, nicht umschriebne Stellen, und werden schon dadurch den Lungen Lebendgeborner etwas ähnlich. Dazu kommt, dass die rothbraune Leberfarbe bald dunkler und einer concentrirten Wasserchocolade ähnlich, bald viel röther und wie etwa ein Ge- misch von Weinhefe und Chocolade erscheint. Im Allgemei- nen ferner ist es gleichfalls naturgetreu, wenn man die Farbe der Lungen Neugeborner, welche geathmet hatten, und die nicht die geringste Aehnlichkeit mit der bekannten schiefergrau-flecki- gen Farbe der Lungen Erwachsner hat, als dunkelblauroth schildert, in welchem Grundton zahlreiche hellroth-marmorirte Inseln, umschriebne Flecke, sichtbar, während eben so häufig die hellzinnoberne Rothe überwiegt und den Grundton bildet, in welchem dunkelblaurothe Inseln hervorstechen. Allein hier namentlich, bei den nicht mehr fötalen Lungen, kommen die zahlreichsten Farbenschattirungen vor. War nur ein irgend be- deutenderer Grad von Lungenhyperämie Ursache oder Begleiter des Todes, so findet man dunkelbraunrothe, in der Farbe der Leberfarbe sich annähernde Lungen, indess mit hellröthern Flek- ken, die aber selbst für das geübte Auge eines erfahrnen Be- obachters täuschend ähnlich den fötalen Lungen erscheinen. Nur die geschilderte inselartige Marmorirung giebt eine sichere Diagnose, denn diese findet sich niemals bei fötalen Lungen. Ganz anders verhalten sich die Farben der todtgebornen und künstlich aufgeblasenen, der faulen, und endlich der anämischen Lungen nach dem Verblutungstode. Unzähligemale habe ich zur Belehrung meiner Zuhörer fötale Lungen künstlich, und zwar dann natürlich vollkommen gelun- gen, aufgeblasen, wenn in die Luftröhre ein Tubulus eingebracht und durch diesen eingeblasen wurde. Augenblicklich gewinnen dann, wie in jedem Falle wirklich gelungnen Lufteinblasens ohne Ausnahme, die hoch aufschwellenden, sich lockernden Lun- gen eine rein zinnoberrothe, hellkrebsrothe Farbe, die gauz gleichmässig sich über das ganze Lungengewebe verbreitet, 46* gleichniässig, d. h. ohne alle inselrutige Marmorirung. Die Ab- bildung Taf. VI. Fig. 15. zeigt eine solche aufgeblasene, fötale Lunge, wie man sie in der Natur bei jedem Experiment an der eisten besten Leiche eines Todtgebornen ganz eben so wieder finden wird. Die weit in Verwesung vorgeschrittne Lunge, nicht die erst anfangend faulende, deren Farbe dann noch nicht wesentlich verändert, nur livid-schmutziger erscheint, ist in ihrer Färbung constant dieselbe, und zwar schwärzlich, selbst schwarz, nicht wie Dinte oder Kohle, aber wie höchst dunkles, lange an der Luft gestandnes Blut. Sie kann hiernach mit keiner ander- artig beschaffnen Lunge verwechselt werden. Die verblutete Lunge des Neugebornen endlich sieht bleich aus, grauröthlich, zeigt aber in diesem Grundton einzelne, blauschwärzliche Mar- morirungen, und der bleiche Grundton characterisirt sie wieder diagnostisch unverkennbar. Ich habe mich bemüht, ohne irre- führende zu kleinliche Angaben die Farbe der verschiednen, in der Praxis in Betracht kommenden neugebornen Lungen nach sehr zahlreichen eignen Beobachtungen zu schildern. Als Re- sultat geht erfahrungsgemäss hervor: dass jede inselartige Marmorirung der Lungen die Annahme eines Fötal- zustandes ausschliesst und mit Sicherheit auf Leben nach der Geburt zu schliessen berechtigt; dass aber bei Abwesenheit einer inselartigen Marmorirung und aus der blossen Grund- farbe der Lungen allein dieser Schluss nicht gerechtfertigt ist, und die andern positiven wie negativen Beweise der Athem- probe ergänzend zu Hülfe genommen werden müssen. Was hier so eben vom Ganzen der Lungen gesagt, gilt auch selbst von ihren einzelnen Theilen, d. h. in solchen Fällen, wo nur unvollkommen lufthaltige Lungen nach einer nicht voll- ständig etablirt gewesenen Athmung angetroffen werden. Man kann mit grosser Sicherheit in solchen Fällen vorher die Stücke der Lunge nach ihrer Färbung bezeichnen, die schwimmfähig sein werden und wird die Vermuthung bestätigt finden. §. 89. Fortsetzung, f) Consistenz des Lungengewebes. Atelectase. Hyperämie. Hepatisation. Der Unterschied in der Consistenz zwischen dem fötalen und dem Lungengewebe nach eingetretner Athmung ist so bedeu- tend, dass eine Verwechslung zwischen beiden in den Extremen und in reinen Fällen kaum möglich ist. Jenes ist compact, dem Fin^erdruck Widerstand leistend, der, bei der Feuchtigkeit des Organs, gern abgleitet, und das Gewebe ist im Allgemeinen als leberähnlich auch in der Consistenz, nicht bloss bezüglich sei- ner Farbe, zu bezeichnen. Dieses, das Gewebe geathmet ha- bender Lungen dagegen, ist knisternd, locker, dem Fingerdruck nachgebend. Allein auch hier kommen Zwischenstufen einerseits und pathologische Zustände andrerseits vor, die die scharfe Dif- ferenz in einzelnen Fällen verschwinden lassen. Hierher gehö- ren zunächst die nicht seltnen Fälle, in denen die Athmung nicht vollständig etablirt gewesen war, und deshalb Provinzen der Lunge, in welche die Luft nicht eingedrungen, fötal geblieben waren, der Zustand, den man, nach dem Vorgange von Le- gendre und Jörg jun. Atelectasis pulmonum genannt hat. *) Es ist nicht zu rechtfertigen, aus dieser Atelectase eine eigenthüm- liche „Krankheit" der Neugebornen zu machen, die sie tödtet, weil sie die Athmung hemmt. Sie ist vielmehr, abgesehn von der unten zu erwähnenden Verwechslung mit Hepatisation, nichts anders, als der ursprüngliche, fötale Zustand, von dem sie sich auch anatomisch nicht im Geringsten unterscheidet, und die Sache verhält sich umgekehrt vielmehr so: dass das Kind we- gen irgend welcher verschiedenartigster Veranlassungen stirbt, bevor noch das ganze gesammte Lungengewebe aus dem fötalen in den postfötalen Zustand hatte Übergehn können, eben weil die Respiration nicht vollständig zu Stande kommen konnte. *) Legendre, Krankheiten des kindlichen Alters. A. d. Franz. Ber- lin 1847. Ed. Jörg, Fötuslunge im gebornen Kinde. Grimma 1835. Die sogenannte Atelectase also, dio nur ein andres Wort für Fötal-Lungen-Zustand ist, wird also nicht Ursache, sondern ist vielmehr Wirkung des Todes, des Absterbens. Hieraus geht zugleich hervor, dass es ganz nichtssagend ist, wenn man den Zustand der sogenannten Atelectase als Einwand gegen den Werth der Athemprobe benutzt hat. Sind die ganzen Lungen „atelectasisch", und deshalb braunroth, compact, im Wasser un- tersinkend m s. w., so hat eben das Kind nicht gelebt! Sind die Lungen nur noch stellenweise atelectasisch (fötal) geblieben, so hatte eine unvollkommene Athmung Statt gefunden, die durch eine sorgsam ausgeführte Athemprobe als solche erkannt wer- den wird. Die sogenannte Atelectase kommt nämlich in ver- schiednem Maasse und verschiedner Ausdehnung in den Lungen vor. Es kann dies nicht besser beschrieben werden, als El- sässer es in folgenden Worten thut: *) „wenn das fötale Ge- webe in lobulärer Ausdehnung vorhanden ist, d. h. einen gan- zen Lappen, oder einen beliebigen grössern, continuirlichen, durch die ganze Dicke oder wenigstens einen grossen Theil der Dicke des Lappens durchgreifenden Raum einnimmt; dann ist auch die Abgrenzung vom lufthaltigen Gewebe meistens scharf und leicht zu sehn. Aber gewöhnlich ist die Ausbreitung des föta- len Gewebes lobulär, d. h. es sind kleinere, einem oder einem Paar Läppchen entsprechende, auf die mannigfachste Art im übrigen Gewebe zerstreute fötale Flecke, bald oberflächlich, strichweise, entlang der hintern Fläche" (aber auch der vordem Fläche) „der Lungen, etwa ^—1 Linie tief ins Gewebe hinein- greifend, bald unregelmässig durch das tiefere Gewebe zerstreut" (was das häufigere Vorkommen ist). „Sind diese fötalen Inseln sehr klein, aber zahlreich vorhanden, ist dabei das lufthaltige Gewebe nur irgend etwas reich an Secret und von etwas dunk- lerer Farbe, so ist es oft sehr schwierig, ohne die Schwimm- probe der kleinsten herausgeschnittnen Stückchen, zu entschei- *) a. a. O. S. 22. den über das Vorhandensein und die Ausdehnung des fötalen Gewebes. Das Gefühl kann hier durchaus nicht maassgebend sein, da man bei der Mischung sehr kleiner fötaler und lufthal- tiger Inselchen ein gemischtes Gefühl bekommt, d. h. die be- treffende Parthie ist etwas dichter als lufthaltiges, etwas weni- ger dicht als fötales Gewebe; es knistert nicht deutlich beim Druck, es zischt nur unvollkommen beim Einschneiden." — Die pathologischen Zustände, die das Lungengewebe ver- ändern und möglicherweise täuschen können, sind suffocatorische Hyperämie und pneumonische Residuen. Wie bei jener Blut- überfülluno; die Farbe eine dunkle, der fötalen sich annähernde (s. §. 88. S. 7*23), so ist auch das Gewebe compacter, die Lun- gen (zuweilen nur Eine, die hyperämische) knistern nicht, sind indess doch immer dem Drucke nachgiebiger, als fötale Lungen und meist noch schwimmfähig. Die rothe und graue Hepatisa- tion (Splenisation) characterisiren sich dagegen durch schmutzig- violett-rothe Farbe, durch Brüchigkeit des Gewebes, das sich leicht zerreissen lässt, endlich durch die Anwesenheit von fibrin- haltigem oder albuminösem Exsudat in den Lungenzellen. Bei Einschnitten in das hepatisirte Gewebe fliesst nicht aus und kann man nicht mit Leichtigkeit hervordrücken blutigen Schaum, wohl aber presst man blutiges Serum und zähen eiweissartigen Schleim in ganz kleinen Pünctchen oder Tröpfchen hervor. Bei nur einiger Uebung wird man diese hier geschilderten, ver- schiednen Lungenbefunde nicht leicht verwechseln können. Und doch ist in vielen Fällen, wenn nicht ein bloss fötaler Lungen- züstand vorlag, wirkliches pneumonisches Residuum für Atelec- tase erklärt worden! Im Uebrigen sagt Legendre selbst, er habe zuweilen (?) Gelegenheit gehabt, Fötallunge und Hepati- sation „vereinigt" anzutreffen, und Jörg meint, dass dem Tode mit atelectasischer Lunge geborner Kinder eine Lungenentzün- dung vorauszugehn „pflegt". Und nun fordre ich Practiker auf, Legendre's weitläuftige Diagnose zwischen seiner Ate- lectase und Hepatisation (a. a. 0. S. 85 u. f.) zu lesen, und man wird mir beistimmen, wenn ich behaupte, dass ein Unter- schied zwischen beiden dort beschriebnen Zuständen gar nicht existirt, und dass die sogenannte Atelectase nur ein blosses Wort ohne reale Bedeutung ist, indem man damit theils fötales, theils hepatisirtes oder splenisirtes Lungengewebe bezeichnet hat. §. 90. Fortsetzung, g) Gewicht der Lungen und des Herzens. Ploucquet's Blutlungenprobe. Wohl bei keiner wichtigen Frage der gerichtlichen Medicin hat sich so deutlich und warnend wie bei dieser, wie ich zei- gen werde, ergeben, zu welchen Irrthümern, unnützen Discus- sionen und, was das Wichtigste, zu welchen bedenklichen Fol- gen für die Praxis es führt, wenn auf die in unsrer Wissen- schaft meist beliebte Weise- Ein Schriftsteller dem Andern nach- schreibt, ohne das Citat dem Prüfstein eigner Beobachtung und Erfahrung zu unterwerfen, ja selbst, da letztere nur Wenigen gegönnt ist, ohne auch nur die ganz gewöhnliche literarische Critik zu üben. W. G. Ploucquet's mit Recht geschätzter Name, und seine a priori sogleich und an sich mit eben solchem" Recht als begründet erkannte Behauptung, dass die Lungen des Neugebornen nach der Athmung durch die eingeströmte grössere Blutmenge eine absolute Gewichtsvermehrung gewin- nen müssten, endlich seine „Beobachtungen an Kindesleichen" — welche Worte überall zu lesen! -— haben es bekanntlich veranlasst, dass man seinen Vorschlag, das absolute Gewicht der Lungen (mit dem und ohne das Herz) mit dem absoluten Gewicht des ganzen Körpers zu prüfen und zu vergleichen um danach zu bestimmen: ob das Kind gelebt oder nicht? allseitig mit Eifer aufnahm. Sie haben es veranlasst, dass man „Plouc- quet's Blutlungenprobe" als neues Criterium den schon 1m- kannten und üblichen der Gesammt-Athemprobe hinzufugte, und dass das von Ploucquet nach seinen „Beobachtungen" ange- gebne resp. Verhältniss von 1:70 für Todtgeborne und von 2 : 70 für Lebendgeborne wenigstens als annähernd richtiges und maass- gebendes Durchschnittsverhältsniss bis in die neuere Zeit und bis endlich Selbstbeobachter es als unrichtiges bekämpften, allge- mein angenommen wurde. Ja selbst Ploucquet's Hoffnung, „dass seine Lungenprobe einst auf öffentlichen Befehl werde an- gestellt werden", ist in Erfüllung gegangen, und so ist es nicht zu verwundern, dass die berühmten Verhältnisszahlen 1:70 und 2:70 immer wieder in jedes neue und neuste Handbuch überge- gangen und in aller Welt Munde sind. Wir wollen zunächst zei- gen, welche Bewandniss es mit den Ploucquet'schen That- sachen, mit seinen „Beobachtungen" hat, und zu diesem Zweck auf die Quelle zurückgehend, endlich einmal die eignen Worte des Entdeckers dieser Probe anführen. *) Ploucquet sagt in seiner „Abhandlung über die gewalt- same Todesarten. Als ein Beitrag zur medicinischen Rechts- gelahrtheit. Zweite aus dem Lateinischen übersetzte Auflage. Tübingen 1788" S. 314 wörtlich Folgendes: „Auf diese Art« (durch Wägungen) „wird man das gewisse Verhältniss zwischen der Schwere des Körpers zu den Lungen, welche Luft ge- schöpft haben, und zweitens zu solchen, welche keine geschöpft haben, erfahren. So viel mir bisher wenigstens aus drei Beobachtungen" (sage: aus drei Beobachtungen!), „die ich an- führen werde, bekannt ist, so waren die Verhältnisse diese: der Körper eines neugebornen Knäbchens, welches wenige Stunden vor der Geburt deutliche Zeichen des Lebens von sich gegeben, weil er aber unter der Geburt gestorben, gewiss keine Luft ge- schöpft hat, wog zugleich mit den Lungen 53,040 Gran. Die dichten, zusammmengefallenen oder vielmehr noch nicht ausge- dehnten Lungen aber hielten 792 Gran im Gleichgewicht, und also war das Verhältniss des Körpers zu den Lungen, wenn man diese nicht von dem Gewicht des Körpers abzieht, fast wie 67:1. Eine andre reife, vollkommene Frucht, welche aber *) Ich citire nach der deutschen Uebersetzung, da mir das lateinische Original nicht zur Hand ist. doch niemals geathmet, verhielt sich nach dem Gewicht des Körpers zu den Lungen, wie 70:1. (S. Jaeger, Di88.de/oe- tibus recens natis etc. histor. §. 12.) Eine andre, zwar nicht voll- kommene Frucht, welche aber doch geathmet, verhielt sich nach dem Gewicht des Körpers zu den Lungen, wie 70:2. Man sieht hieraus (!), dass das Gewicht der Lungen von dem durch das Athmen in sie eindringenden und auch nach dem Tode noch in ihnen bleibenden Blut verdoppelt werde, und dass man in zweifelhaften Fällen hieraus urtheilen könne, ob das Kind ge- athmet habe oder nicht. Nemlich wenn man aus den Versuchen weiss, dass sich die Lungen zu dem ganzen Körper verhalten, wie 1 : 70, so hat das Kind nicht geathmet; Verhaltes sich aber ohngefähr wie 2 : 70, oder auch wie 1 : 35, so kann man gewiss sein (sie!!), dass es geathmet habe." Und auf solche Basis hat sich eine neue „Lungenprobe" in der Wissenschaft, Medicinalverfassung und Praxis eingebür- gert! Drei Fälle, von denen Einer gewiss nicht von Ploucquet selbst untersucht worden, während es sehr, zweifelhaft bleibt, ob dies selbst nur mit den beiden andern der Fall gewesen! Dazu kommt, dass P. den ersten Fall sogleich ganz ausscheidet, und der hier gefundnen Verhältnisszahl = 1 • 67 nicht weiter er- wähnt. So bleiben von ^Ploucquet's Beobachtungen" nur sage zwei, d. h. Eine todtgeborne und Eine lebend geborne Frucht die unter sich verglichen werden und obenein sehn wir zwei nicht gleiche Grössen mit einander verglichen werden, denn das todtgeborne Kind war eine „vollkonimne" (d. h. bekanntlich: reife), das lebendgeborne eine „nicht vollkommne" Frucht!! Dass ein Einzelfall keine Regel geben kann, ist eben so gewiss, als dass es an's Wunderbare gränzen müsste, wenn es sich zufällig getroffen hätte, dass die demselben entnommenen Verhältnisse mit dem Durchschnittsverhältniss zusammen ge- troffen seien. Die Erfahrung und die zahlreichst gewonnenen Ergebnisse neuerer, genauer Beobachter sind weit entfernt, ein solches Wunder zu bestätigen. In der folgenden Tabelle habe ich die Gewichtsrosultate (in Quentchen) des Herzens, der Lun- gen und die Verhältnisszahlen zum Gewicht des ganzen Kör- pers von 20 todtgebornen und 40 lebendiggebornen Neugebor- nen berechnet und zusammengestellt, wie ich sie meinen amtlichen Obductionsprotocollen entnommen. Ich bedaure, dass ich nicht die Notizen von einer viel grössern Anzahl gesammelt habe: allein was hier bewiesen werden soll, wird aus unsern eigenen, wie aus den Untersuchungen andrer Beobachter auch ohnedies auf das Unzweideutigste bewiesen werden. Verhältniss des Gewichts der Lungen zu dem des ganzen Körpers bei 60 Neugebornen. Todtgeborne. No. Voe- sch 1 echt. Gewicht in Quent- chen. Gewicht des Herzens. Gewicht der Lungen. V er- hältniss. Bemerkungen. 1 Mädchen. 992 9 27 1 : 37 2 Knabe. 768 6 12 1 : 64 faul. 3 Mädchen. 9^0 8 16 1 : 60 4 Mädchen. 896 7 16 1 : 56 5 Knabe. 640 6 14 1 : 46 6 Mädchen. 800 7 11 1 : 73 7 Mädchen. 480 4 8 1 : 60 faul. 8 Knabe. 640 4 12 1 : 53 9 Knabe. 1280 8 23 1 : 56 10 Mädchen. 480 4 8 1 : 60 Kind im 8ten Monat. 11 Mädchen. 512 8 18 1 : 29 desgl. . 12 Knabe. 480 5 10 1 : 48 desgl. 13 Knabe. 384 4 8 1 : 48 desgl. 14 Knabe. 1280 8 23 1 : 56 15 Mädchen. 480 4 7 1 : 68 faul. 16 Mädchen. 576 7 8 1 : 64 17 Mädchen. 768 5 8 1 : 96 faul. 18 Knabe. 1024 7 13 1 : 78 19 Mädchen. 768 9 14 1 : 55 20 Mädchen. 800 5 11 1 : 73 Lebendgeb orne. Ge- Gewicht t des ns. T- 0 ■° c Ver- ISO. schlecht. in Quent- chen. Gewichl Herze O c | = hältniss. Bemerkungen. i 1 Madchen. o44 8 1 Ct lb 53 ertrunken. o Ii rvnaDe. 1 o-± 6 1 A 1U 1 : 78 Tod durch Verblutung. o ö Mädchen. C(>Q ODO 8 1 Q lo 1 : 48 „ „ Apoplexie. 4 Mädchen. ov b 4 1 A 14 1 : 64 desgl. 5 Mädchen. 7bo 8 1 o 12 1 : 64 desgl. 6 Knabe. 11)24 8 lo 1 : 57 desgl. 7 Mädchen. T Q < DO 8 24 1 ! 32 Tod durch Erstickung. 8 IT *L Knabe* fl fi o yy2 8 16 1 : 62 „ „ Apoplexie. 9 Knabe. 1024 10 22 1 : 46 desgl. 10 Mädchen. H Q A 6 lb 1 : 49 desgl. 11 TT" 1 Knabe. o f\ n 896 8 16 1 : 56 desgl. 12 Madchen. 1 f\ Ci A 1024 6 lb 1 : 64 desgl. 13 Madchen. 1024 8 1 Q lo 1 : 57 desgl. 14 TT" 1 Knabe. 7ob 6 1 1 lo 1 : 56 desgl. 15 Ti K — 1 1 Madchen. Q Ct Ä ob4 8 1 et lb 1 : 54 desgl. 16 Mädchen. 1 Ct 0 6 1 A 14 1 55 desgl. 17 Mädchen. oy b 6 1 b 1 56 desgl. 1 O lo tt t.- Knabe. oon Ö<5i£ 8 1 A 14 1 59 desgl. iy TT* „ „V.rt Knabe. ecif *y b 7 10 1 59 uesgi. 20 IT 1 Knabe. 1280 9 O A 2U 1 64 desgl. 21 TT 1 Knabe. öyb 7 1 A 14 1 64 desgl. o et TT* „Tu ~ Knabe. QQO y y / 8 1 c 1 b 1 62 desgl. 2o Mädchen. 7 1 ö 1 62 desgl. 24 TT*-. „ 1. ^ Knabe. Q O 0 9 i ß 1 0 1 52 desgl. 25 TT*., . 1- Knabe. Q CA y bu 8 10 1 64 UCoj'lt 2b Mädchen. y i z 8 1 Q 1 V 48 Ut"Es*il. o n Mädchen. 6 00 38 desgl. 28 Madchen. 0 Ct A ob4 6 lo 66 desgl. 29 TT" 1. Knabe. C A A öUU 4 lo 53 desgl. oU Mädchen. 6 89 31 Knabe. 896 6 12 74 Tod durch Erstickung. 32 Knabe. 864 5 15 57 33 Mädchen. 992 8 16 62 34 Knabe. 1120 7 18 i 62 35 Mädchen. 832 6 16 : 52 36 Mädchen. 832 8 20 : 41 37 Mädchen. 864 4 13 : 66 38 Knabe. 800 5 15 : 53 39 Mädchen. 896 7 10 : 89 40 Knabe. 960 4 16 : 60 Aus unsrer Tabelle ergiebt sich nun Folgendes, wobei wir überall die todtfaulgebornen und die im achten Monat Ge- bornen auscheiden lassen: das Gewichtsverhältniss der Lungen zum. Körper war bei den Todtgebornen = 1 : 59, bei den Lebendgebornen = 1 : 58. Ganz ausserordentlich waren die relativen Gewichtsschwan- kungen. Sie betrugen: bei Todtgebornen im max. 1 : 37, im min. 1 : 78, „ Lebendgebornen im max. 1 : 32, im min. 1 : 89. Was das absolute Gewicht betrifft, so wogen: die Lungen bei Todtgebornen durchschnitt!. 15| Quent. „ „ „ Lebendgebornen 15f „ Die Differenzen schwankten bei Todtgebornen von 11 Quent. im min. bis zu 27 Quent. im max. bei Lebendgebornen von 10 Quent. im min. bis zu 22 Quent. im max. Das Herz wog durchschnittlich bei Todtgebornen 7 Quent. „ Lebendgebornen 6^ „ Die Differenzen schwankten bei Todtgebornen von 4 Quent. im min. bis 9 Quent. im max. bei Lebendgebornen von 4 Quent. im min. bis 10 Quent. im max. Diese, solche Thatsachen sprechen für sich selbst und bedürfen keines Commentars! Ganz gleiches haben andre Beobachter ermittelt. Schmitt*) fand in Betreff des Plouc- quet'sehen Verhältnisses bei 22 Todtgebornen einen Durch- schnitt (nicht von 1 : 70, sondern) von 1 : 52,27 und Schwankun- *) Neue Versuche und Erfahrungen über d. Ploucq. u. hydrostatische Lungenprobe. Wien 1806. I 734 §• 90. Die Athemprobe. g) Gewicht der Lungen u. des Herzens. gen von l:15,2i im max. bis zu 1 : 83,oo im min. — De- vergie,*) der sehr zweckmässig die grosse Anzahl der von Chaussier und Lecieux mitgetheilten Fälle auf ihren wahren Werth reducirt, fand bei 33 Todtgebornen durchschnittlich 1 : 60, und ein max. == 1 : 24, ein mm. = 1 : 94; für Kinder, die einige Minuten bis 24 Stunden gelebt hatten (19 Fälle), durch- schnittlich 1 : 45, aber auch Schwankungen = 1 : 30 max. und 1:132 min. — Bei 72 Todtgebornen wogen die von E1 s äs s e r **) gewognen Lungen durchschnittlich 13 Quent. 4 Gran, mit Schwankungen von 7 Quent. bis zu 20 Quent. 35 Gran, und ihr Verhältniss zum Körpergewicht war durchschnittlich 1 : 67,13 bei einem max. von 1 : 44,63 und einem min. von 1 : 96,13; bei 9 am ersten Tage gestorbnen Kindern war mittleres Lungen- gewicht = 11 Quent. 11 Gran, max. 18,13 und min. — 5,*o, und das relative Gewicht = 1 : 55,98 bei einem max. = 1 : 35,3i und mm. = 1 : 109,82. — In acht Fällen von Lebendgebornen fand Professor v. Samson-Himm elstiern in Dorpat ***) eine Schwankung des Ploucquet'schen Verhältnisses von 1:27^- bis 1 : 67|f. — Alle diese Resultate leicht übersichtlich giebt folgende Tabelle: *) a. a. O. S. 557. *♦) a. a. O. S. 93. ***) Beiträge (rigaischer Aerzte) zur Heilkunde. III. 3. Riga, 1855. S. 228. Gewichtsverhiiltnisse von fötalen und postfötalen Lungen zum Körpergewicht. * • Todtgeb orne. Lebendgeborne. Durch- schnitt. Maxi- mum. Minimum Durch- schnitt. Maxi- mum. Minimum Schmitt . D e v er g i e Elsässer . Samson . C asp er . . 1 : 52,27 1 : 60 1 : 67,13 1 : 59 1 : 15,21 1 : 24 1 : 44,63 1 : 37 1 : 83 1 : 94 1 : 96,13 1 : 78 1 : 45 1 : 55,98 1 : 58 1 : 30 1 : 35,31 1 : 27^ 1 : 32 1 : 132 1 : 109,82 1:67*4 1 : 89 Im Mittel . 1 : 59,50 1 : 30,00 1 : 88,00 1 : 53,00 1 : 31,25 1 : 99,75 Zufällig hat also das Eine Ploucquet'sche todtgeborne Kind das Durchschnittsverhältniss so wenig getroffen, als das Eine lebendgeborne! Wir können nun auch jetzt aus einer grossen Reihe von Beobachtung en den Zahlenwerth der a priori ganz richtig angenommenen Gewichtszunahme der Lungen nach der Athmung richtiger abschätzen, und es ergiebt sich aus obiger Uebersicht, dass dieselbe nicht, wie Ploucquet „gewiss" an- nahm, das Doppelte gegen den fötalen Zustand, sondern nur das im Ganzen wenig scheinbare Plus von 1 : 53 zu 1 : 59£ be- trägt. — Die ermittelten, so sehr beträchtlichen Maximal- und Minimal-Schwankungen machen indess auch die Benutzung dieses Plus für die Praxis unmöglich, und die Zahlen 1 : 53 und 1 : 59 wür- den in ihrer Anwendung auf den Einzelfall grade eben so falsch sein, als die Ploucquet'schen Zahlen 1 : 70 und 2 : 70, da der jedes- malige Kindesleichnam in Betreff seines relativen Lungengewichts innerhalb der Maximal- und Minimalgrenze liegen kann. Nichts übrigens ist erklärlicher, als die hier ermittelten Schwankungen. Es haben darauf den entschiedensten Einfluss: die so vielfach ganz verschiedene Individualität der Neugebornen, die hier ein nur 6, dort ein 7, 8 Pfund und noch schwereres Kind zur Beobachtung bringt, der Grad der Fäulniss zur Zeit der letz- tern, die, je mehr sie vorschreitet, desto mehr eine Gewichts- verminderung der Leiche bewirkt, während die Lungen an dem Verdunstungsprocess nur einen höchst beschränkten Antheil nehmen, und endlich die verschiedne Todesart der Kinder, die an sich allein den bedeutendsten Einfluss auf unser Verhältniss hat. Ich will in dieser Beziehung nur an die beiden Extreme, die suffocatorische oder penumonische Hyperämie der Lungen und den anämischen Zustand nach dem Verblutungstode erinnern. In einem solchen, in die Tabelle aufgenommnen Falle betrug das absolute Gewicht der Lungen nur 10 Quent., in einem andern, nicht aufgenommnen, aber oben (§. 22. S. 355) mit- getheilten Verblutungsfalle nach Durchschneidung von Halsge- fässen nur sieben Quentchen. Es geht aus allem was angeführt hervor, dass die sogen. PIoucquet'sehe Blutlungenprobe auf gar keiner wissenschaft- lich-thatsächlichen Grundlage, vielmehr nur auf der Betrachtung resp. Eines isolirten Fallesund einer darauf gegründeten Ve r- muthung beruht, dass sie daher nicht mehr Werth hat, als jede andere aprioristische Behauptung eines einzelnen Schriftstellers, dass sie in ihrer Anwendung auf die Praxis nur zu Trug- schlüssen und Irrthümern Veranlassung geben kann, dass sie deshalb aus der Reihe der einzelnen Athemproben ganz und gar und für immer auszustreichen ist. §. 91. Fortsetzung, h) Das Schwimmen der Lungen. Hydrostatische Lungenprobe. In der Zeitfolge, in welcher die einzelnen Experimente und Untersuchungen am Kindesleichnam bei der gerichtlichen Ob- duetion anzustellen sind, folgt nunmehr, nachdem die Lungen (überflüssigerweise!) gewogen worden, das altberühmte Experi- ment der Schwimmprobe, gegen welches sich die meisten Stim- men gegnerischer Skeptiker erhoben haben. Dass eine lufthal- tige Lunge speeifisch leichter als Wasser, eine fötale speeifisch schwerer sei, dass daher jene schwimmen, dteBe untersinken müsse, ist nicht bezweifelt worden, wohl aber behauptet, dass das Schwimmen nicht die Anfüllung der Lungen mit atmosphä- rischer Luft, ihr Sinken nicht den fötalen Zustand beweise. Was nun zunächst das Schwimmen an sich betrifft, so kommen darin mannigfache Modifikationen vor. Es schwimmen beide, noch mit dem Herzen und der Thymus verbundne Lungen voll- ständig, so dass, wenn man sie auf das Wasser legt, sie so- gleich auf der Oberfläche liegen bleiben und nach Versuchen sie hinunter zu drücken immer sofort wieder empor steigen. In diesen Fällen schwimmen die Lungen später und vom Herzen getrennt natürlich eben so vollständig. Oder die Lungen mit dem Herzen und der Thymusdrüse zeigen eine Neigung zum Sinken, erhalten sich aber dennoch in der obern Wasserschicht noch schwebend, und schwimmen erst ganz frei, nachdem sie vom Herzen und der Drüse, die sie herunter zogen, getrennt worden. Oder die Lungen mit dem Herzen und der Thymus sinken sofort und schnell, oder träge und allmälig auf den Bo- den des Gefässes hinab — in allen diesen Fällen je nach der vollständigen oder weniger vollständigen Lufthaltigkeit des Lun- gengewebes. Je mehr dieselbe nun nur eine theilweise ist, de- sto mannigfachere Grade der Schwimmfähigkeit zeigen die Lun- gen. Es schwimmt nur Eine Lunge, in den meisten Fällen die rechte, weil deren Bronchus kürzer und weiter ist, als der der linken Lunge, während diese untersinkt, obgleich mir auch ein einseitiges Schwimmen der linken Lunge vorgekommen ist (311. und 342. Fall). Oder es schwimmen nur einzelne Lap- pen, während die übrigen untersinken. Oder endlich und bei nur ganz partieller Lufthaltigkeit, es schwimmen nur, während alles Uebrige untersinkt, einzelne wenige der vielen kleinen Par- cellen, in welche die Lungen zuletzt zerschnitten worden und zerschnitten werden mussten, grade um das Maass ihrer Luft- haltigkeit vollständig und genau zu prüfen. *) Was die Art der *) Ueber die Frage: ob sich die in den Lungen befindliche Luft durch Druck aus denselben entfernen lasse? vgl. §. 92. S. 743. C asper, gerichll. Mcdicin. I ~ Anstellung des Experiments betrifft, so bemerke ich nur, unter Hinweisung auf die gesetzliche Vorschrift des „Regulativs" (S. 101), dass das Gefäss, welches man dazu benutzt, minde- stens einen Fuss tief und 8 bis 10 Zoll im Durchmesser halten, und mit reinem kaltem Wasser gefüllt sein muss. Devergie räth, ein Gegenexperiment mit warmem Wasser anzustellen; die Gründe aber, die er für diese Behauptung anführt, sind nicht überzeugend genug, um einen besondern Werth darauf zu legen. Die so vielfach vorgebrachten Einwendungen gegen den Werth und die Beweiskraft des hydrostatischen Experimentes beziehn sich darauf, dass Lungen auch eines Todtgebornen luft- haltig, folglich speeifisch leichter und schwimmfähig werden können a) dann, wenn in die fötalen Leichenlungen Luft künst- lich eingeblasen wurde; |3) wenn sich in solchen Lungen ein interstitielles oder vesiculäres Emphysem freiwillig entwickelt, und y) wenn sich durch den Fäulnissprocess Gase im Lungen- parenchym erzeugt hatten, welche die dadurch lufthaltig geword- nen Lungen wieder ganz oder theilweis über Wasser erhalten. Im entgegengesetzten Sinne ist eingeworfen worden, dass Lun- gen, die offenbar geathmet hatten, dennoch im Wasser vollstän- dig untersinken können. Was uns unausgesetzt seit langen Jahren wiederholte Versuche und Beobachtungen, und die Er- fahrung in einer, die seltensten Combinationen darbietenden criminalistisch-medicinischen Praxis hierüber gelehrt haben, wol- len wir auch hier, wie überall, unbefangen und den Standpuin 1 der Praxis fest im Auge behaltend, darlegen. §. 92. Fortsetzung, u) Künstliches Lufteinhlasen. Dasselbe kann auf mehrfache Weise ausgeführt werden, und der Grad des Gelingens hängt von der Art des gewählten Experimentes ab. Es kann vor geöffneter Brust- und Bauch- höhle und nach dieser Eröffnung geschehn; im natürlichen ritoa viscerum und in die exenterirten Lungen; mit instrumentaler Beihülfe oder ohne dieselbe. Nichts ist leichter — wovon man sich jeden Augenblick überzeugen kann — als exenterirte fötale Lungen mit Luft auf das Vollständigste in allen ihren Zellen auszufüllen (wobei man sich nur in Acht nehmen muss, durch zu kräftiges Blasen nicht ganze Massen von Zellen zu zerreis- sen, und ein gewaltiges, augenblicklich sehr sichtbares Emphy- sem zu erzeugen!), wenn man nämlich einen Tubulus in die Luftröhre einlegt und nun bläst. Augenblicklich dehnen sich die Lungen schwammartig aus und die vorher leberbraunrothen nehmen sogleich (§. 88.) eine höchst auffällende, hellzinno- berrothe, krebsrothe Farbe, jedoch ohne Spur einer Marmorirung, an. Ich habe bei den zahllosen derartigen Experimenten, die ich angestellt habe und fortwährend anstelle, niemals eine andre Färbung wahrgenommen, wenn, auch im Situs, aber nach geöffneter Brusthöhle, mit dem Tubulus direct in die Luftröhre, oder selbst Mund auf Mund eingeblasen wurde, und kann mir nicht erklären, woher so vielfach über die Farbennüancen in künstlich aufgeblasenen Lungen hat gestritten werden können. Die Abbildung Taf. VI. Fig. 15. zeigt so na- turgetreu als möglich ein Präparat, in welchem Falle, nachdem der zur rechten Lunge führende Bronchus vorher fest unterbunden, auf die angegebne Art mit dem, in die Trachea eingeführten Rohr Luft in die linke Lunge eingeblasen worden, so dass man hier die Farben der fötalen und der aufgeblasenen Lunge neben einander sieht. — Weit weniger leicht schon gelingt das Expe- riment, wenn man bei noch ungeöffneter Brusthöhle entweder durch den Mund oder durch die Choanen den Tubulus einführt und ihn unter den Kehldeckel zu bringen versucht und nun bläst. Schon hier begegnet es meistentheils, selbst dem hierin schon Geübten, geschweige dem Ungeübten, dass man, auch selbst wenn man dem Leichnam die günstigste Lage giebt, den- noch nicht die Luft- sondern die Speiseröhre trifft, und augen- blicklich den Bauch aufschwellen sieht, ein sicherer Beweis dass man nicht die Lungen, sondern Magen und Därme aufgeblasen, die man auch später bei der Eröffnung mit Luft 47* angefüllt findet, wie es niemals in diesem Grade, auch nicht nach eingetretner Fäulniss, bei Todtgebornen beobachtet wird. — Noch weit schwieriger ist es, ohne instrumentale Bei- hülfe und jedwede künstliche Procedur, bloss von Mund zu Mund bei geschlossner Nase, oder von Mund in Nase, bei geschloss- nem Munde des Kindes Luft in die Lungen zu bringen, und am allerseltensten vollends, sie in ausgedehntem Maasse lufthal- tig zu machen. Es macht auch hierbei keinen erheblichen Un- terschied auf das Ergebniss, ob man einen Druck auf die Ma- gengegend ausübte oder nicht. Wir können auch nicht unsre Ungeschicklichkeit anklagen, wenn-wir in der grossen Mehr- zahl der Fälle wieder den Magen und die Gedärme, nicht die Lungen, mit Luft anfüllten. Elsässer, der so viel, so viel- seitig und so sorgfältig experimentirt hat, gesteht *), „dass unter 45 Versuchen an Todtgebornen, die ohne geöffnete Brust- und Bauchhöhle angestellt wurden, nur Einer von vollständigem Erfolg begleitet war, 34 von nur theilweisem, und 10 von gar keinem Erfolg. Dabei, fährt er fort, ist zu bedenken, dass diese Versuche mit aller Ruhe und Vorsicht angestellt wurden." Und dennoch ist nur die letztere Methode, wenn ich so sagen soll, das ganz natürliche Lufteinblasen von Mund auf Mund oder Nase, wie man wohl nicht bestreiten wird, einzig und allein in Beziehung stehend zur criminalärztlichen Praxis, nicht der Tu- bulus, die geöffnete Brusthöhle, die exenterirte Lunge! "Wenn also eine selbst nur theilweise Anfüllung der Lungen mit Luft jedenfalls schon anatomische Kenntniss, Uebung und Gewandt- heit, Vorsicht und Ruhe im Experimentiren voraussetzen lässt, so muss man fragen: bei welcher Person sich diese vereinten Bedingungen gefunden haben sollen in denjenigen Fällen, die einzig und allein in der Praxis nur Veranlassung geben zur Anstellung der Athemprobe überhaupt? d. h. bei geheim und in der Einsamkeit gebornen und als Leichen entdeckten Kin- dem, über deren Leben und Tod man eben ganz in Ungewiss- heit ist. Doch nicht bei der Mutter, die wahrlich — auch wenn sie eine Sachkennerin wäre, kein Interesse daran gehabt haben kann, das todte oder todtgeglaubte Kind ins Leben zurückzu- rufen, denn sonst würde sie es nicht ersticken oder vergraben oder ins Wasser werfen! Vielleicht aber war es der Arzt oder die Hebamme, die vielleicht in einzelnen Fällen hinterher erschie- nen waren, und Rettungsversuche an dem vermeintlich nur schein- todten Kinde angestellt hatten? Aber diese Fälle sind so unge- mein selten, dass ich nur die drei unten mitzutheilenden (313—315. Fall) in der eigenen Praxis, und nie einen einzigen in 31 Jahren in den Acten bei Gelegenheit der Abfassung von Super- arbitrien erlebt habe, und dann in diesen so ungemein seltnen Fäl- len ergeben ja die thatsächlichen Ermittelungen, wann, von wem und unter welchen Umständen Luft eingeblasen worden! Würde aber nicht selbst dann eine Unterscheidung des Falles, eine Be- antwortung der Frage: ob der vorgefunclne Luftgehalt in den Lungen von Einblasen oder von Athmung herrühre, möglich sein? Ich räume ein, dass die Entscheidung schwer sein kann, na- mentlich wenn wirklich, aber nur einige Athemzüge geschehn waren, und dann noch Luft und mit geringem Erfolg eingebla- sen worden. Für solche Fälle trete ich Elsässer in seinen Widerlegungen *) der vielfach aufgestellten Diagnosen, nament- lich auch der neuern von Weber, Tourtual und Bloxum, vollständig bei. Weder der Grad der Ausdehnung des Thorax, oder der Lungen, noch deren Farbe, noch weit weniger deren immer trügliches Gewicht, noch der Grad des Knisterns, noch der der Schwimmfähigkeit können dazu beitragen, den Zweifel zu lösen — der indess, ich wiederhole es, zum Glück in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle gar nicht aufgeworfen wird und aufgeworfen zu werden braucht. — Für unmöglich aber kann ich die Feststellung der Diagnose indess dennoch nicht *) a. a. 0. S. 78 u. f. erklären. Denn einerseits ist die schon geschilderte acht zinnober- rothe Farbe der aufgeblasenen Lungen eine sehr sichtlich ver- sehiedne von der postfötalen, und zweitens und namentlich wird man, ich wiederhole es (§. 88.), auch bei gelungenstem Luft- einblasen die umschriebenen, dunkler marmorirten Flecke ver- missen. Ganz reine Fälle lassen hiernach recht wohl eine sichre Bestimmung zu; ich meine hier einen Fall von entschieden und vollkommen Statt gehabter Athmung, dort einen andern von Todtgeburt mit gelungenem Lufteinblasen. Hierzu kommt fer- ner, dass man die aufgeblasene fötale von der respirirt haben- den Lunge durch den grössern Blutgehalt der letztern unter- scheiden kann, d. h. man wird hier, nach der Athmung, bei Einschnitten in die Lungensubstanz einen blutigen Schaum deut- lich wahrnehmen (vergl. §. 96.), während ein solcher ganz fehlt, wenn die fötale, also die noch wenig bhrthaltage Lunge nur künstlich aufgeblasen war. Denn durch das gelungene Einbla- sen bringt man wohl Luft, natürlich aber nicht einen Tropfen mehr Blut in die Lungen, als sie vor dem Aufblasen enthielten, und Einschnitte in aufgeblasene Lungen ergeben daher wohl ganz dasselbe zischende Geräusch, wie Einschnitte in Lungen nach der Athmung, weil in beiden Fällen Luft aus den zer- schnittenen Lungenzellen hervordrängt, aber kein schäumendes Blut. — Nicht immer ferner, weil es hier auf den Grad und die Stärke des Einblasens ankommt, aber oft lässt sich auch das Aufblasen vom Einathmen noch an einem andern Kenn- zeichen unterscheiden. Ist kräftig eingeblasen worden und drang die so eingeblasene Luft in raschem, starkem Strom in die Lunge, so bildet sich darin ein Zustand aus, den ich Hyper- aerie nennen möchte; es zerreissen viele Lungenzellchen und es bilden sich grössere Höhlen im Parenchym, die übermässig von Luft ausgedehnt werden. Man sieht dies unverkennbar deutlich an den grossen und grössern Luftblasen an der Ober- fläche der Lungen, die dadurch eine ganz ungleiche Fläche Itc- kommen und höckricht werden. Diese Hyperacrie, die ein künst- Hohes Emphysem ist, zeigt sich aber nur, wie bemerkt, wenn sehr stark eingeblasen wurde, und das Experiment vollständiggelang, namentlich also, wenn mit einem Tubulus und mit exenterirten Lungen experimentirt wurde. Zu erwähnen ist endlich noch, dass es ganz unrichtig ist, wenn man behauptet hat, dass sich die eingeblasene Luft aus den Lungen leicht ausdrücken lässt, nicht aber die eingeathmete, oder jene wenigstens leichter als diese. Beides ist grundfälsch, wie mich unzählige, in jedem Studiensemester immer wiederholte Experimente gelehrt haben. Die Luft in den Lungenzellen, mag sie auf jede der beiden Ar- ten hineingelangt sein, lässt sich auch durch den stärksten Druck, z. B. durch Treten mit dem ganzen Körper auf ein Stückchen Lunge u. s. w. nie wieder ausdrücken, und das gedrückte Stück schwimmt nach dem Druck genau so vollständig, wie vor dem- selben. Nur allein nach Zerstörung der Lungenzellen, am besten durch Zerquetschen und Zerreissen eines Lungenfragmentes mit der Hand, lässt sieh die Luft, aber wieder gleichviel, ob einge- blasen oder eingeathmet, entfernen, und das Fragment, das vor- her schwamm, sinkt nun zu Boden. — Wo also folgende Befunde sich ergeben: zischendes Geräusch ohne blutigen Schaum bei Einschnitten, Zerreissung von Lungenzellen mit Hyperaerie, hellzinnoberrot he Färbung der Lungen ohne Marmori- rung und wohl gar noch Luft im (mit aufgeblasenen) Ma- gen und Darmcanal, da kann man mit Sicherheit auf Statt gehabtes Lufteinblasen zurückschliessen. §. 93. Fortsetzung, ß) Emphysema pulmonum neonatorum. Wir haben oben die, nicht Entdeckung, sondern Erfindung Ploucquet's, seine Blutinngenprobe betreffend, als vollkom- men in der Luft stehend, erwiesen. Eine ähnliche Fabel tritt uns auf dem Gebiete der Athemprobe in der Annahme eines spontanen, krankhaften, angebornen Lungenemphysems der Neugebornen entgegen, das gleichfalls als Waffe gegen die Athemprobe und zwar gegen die Schwimmprobe benutzt wor- den ist, da ja „Lungen auch schwimmen können, die nie geath- met hatten, wenn sich ein krankhaftes Emphysem in ihnen ge- bildet hatte". Die erfahrensten Beobachter haben dies merk- würdige Emphysem angezweifelt und bestritten, und dennoch ist es noch nicht aus den Schriften der compilirenden Gerichts- ärzte verschwunden. Schon vor Jahren hatten wir die Frage aufgeworfen: wer wohl jemals das pathologische Lungenemphy- sem beim neugebornen Kinde gesehn habe?*) Doch wohl nicht Chaussier, oder W. Schmitt, oder Henke, oder Meyn, oder Michaelis? Chaussier berichtet von Kindern, die durch Wendung auf die Füsse todt geboren und deren Lei- chen frisch und vor den ersten Wirkungen der Fäulniss unter- sucht wurden, denen natürlich auch nicht etwa Luft eingeblasen worden war, und in deren Lungen er „zuweilen" in einzelnen Lungenstückchen Luft gefunden, die diese Fragmente schwimm- fähig gemacht hatten. In Folge der Quetschung, die die Lun- gen bei der Fussextraction erlitten, sei in solchen Fällen ein Blutaustritt in das Lungengewebe erfolgt, und durch Zersetzung dieses Blutes habe sich nun Luft (Emphysem) in den Lungen entwickelt! Abgesehn davon, wie weit auf diese Chaussier- sche Beobachtung die vortreffliche Bemerkung Krahmer's passt, die er in Betreff des spontanen Emphysems Neugeborner macht, dass „dasselbe ein Wahn sei, hervorgegangen aus der unvollständigen Kenntniss der natürlichen Verhältnisse der Fö- talentwicklung, und dass die Hypothese nur aufgestellt worden, um schlecht beobachtete Erscheinungen plausibel zu machen"**) — abgesehn davon, fragen wir, in welcher Beziehung diese Chaussier'sehen Fälle, in denen die schwersten und künst- liche Geburten vorlagen, zu der gerichtlichen Athemprobe stehn, die immer die grade entgegengesetzten Geburten voraus- setzt? — Was aber ferner Henke und seine drei „Fälle" be- *) Gerichtl. Leichenöffn. I. 3. Aufl. S. 98. trifft*), so ist ihm schon mehrfach eine literarische Versündi- gung der ärgsten Art nachgewiesen worden. Die einzige that- ODO O sächliche Beobachtung, die er anführt, ist die von W. Schmitt. Aber man lese dieselbe und man wird finden, dass sie ein Mäd- chen betrifft, das erweislich noch 24 Stunden nach der Geburt geathmet hatte!**) Es heisst wörtlich im Eingange des 32sten Versuchs: „ein reifes, starkes, gut genährtes Mädchen, das le- bensschwach geboren, durch vieles Bemühen wieder zum Leben erweckt, 24 Stunden nach der Geburt, ohne einen starken (sie!) Laut von sich gegeben zu haben, gemachsam verschied." Die Lungen, „ganz frisch und ohne alle Spur einer Faulung", schwammen mit und ohne Herz, „doch nicht vollkommen", und „am mittlem hobus der rechten Lunge bemerkte man zwei Rei- hen an einander hängender Luftblasen, die im Parenchym ihren Sitz hatten." Das also ist der Schmitt'sehe Fall! Das Kind war am 2. Mai (also schon in der Frühjahrs Witterung) geboren. Wie lange nach dem Tode die Section geschah, führt W. Schmitt nicht an! Aber der von ihm geschilderte Lungenbefund verhielt sich genau so, wie sich Fäulnissblasen zu verhalten pflegen, und wenn auch sonst noch „keine Spur einer Faulung" an die- ser Leiche zu finden war, so bemerke ich, dass es allerdings ganz richtig ist, wenn man in der grossen Mehrzahl der Fälle die Annahme einer Fäulniss in den Lungen ausschliessen muss, wenn dieselbe nicht bereits die ganze Leiche und alle andern Organe früher als die Lungen ergriffen hatte (vgl. §. 94.), dass jedoch Fälle von ausnahmsweisem, und unter noch nicht bekann- ten Bedingungen sehr vorzeitigem Eintritt von Fäulniss in den Lungen zwar sehr selten sind, aber doch vorkommen, wie die oben (allg. Thl. §. 22. S. 59) von uns mitgetheilten vier Fälle aus eigner Beobachtung unzweifelhaft beweisen (11., 12., 13. u. 14. Fall). — Zweitens citirt Henke nicht eine Beobachtung, son- *) Abhandl. a. d. Geb. der ger. Med. Bd. 2. Leipz. 1823. S. 154. **) Neue Versuche und Erfahrungen u. s. w. Wien 1806. S. 41. clern nur eine Meinung Alberti's. und drittens endlich citirt er die Edinburger Commcntarien mit einem angeblichen Fall, der gar nicht existirtü Wichtiger nun sind die Fälle von Mcyn und Michaelis, welche hauptsächlich diejenigen sind, die Mauch seiner Schrift „über das Emphysem in den Lungen neugeborner Kinder" (Hamburg 1841) zu Grunde gelegt hat. Im Meyn'sehen Falle verhielten sich die Lungen allerdings wie fötale Lungen, aber sie schwammen, und „auf der äussern Oberfläche zeigten sich kleine, nicht erhabne, weisslich gefärbte Stellen, die sich beim Drücken und Streichen auf der Ober- fläche mehr zu verlieren schienen, und ihre Entstehung in einer Auflockerung des Zellgewebes, welches die Pleura fuhfoomim mit der Lungensubstanz verband, und dadurch bedingten um- schriebnen Lösung der Pleura zu haben schienen; besonders häufig zeigten sich diese, in der Grösse variirende und wie kleine weisse Bläschen erscheinenden Puncte an den Rändern der verschiednen Lungenlappen." Wer diese Beschreibung liest, und jemals die anfangende Fäulnissentwicklung in den Lungen gesehn hat, wird nicht zweifelhaft darüber sein, dass hier wieder durchaus nichts anders, als diese Statt gefunden hatte. Diese Deutung einer „beginnenden Zersetzung" gab ihr auch der Physicus Götze, und mit grösstem Rechte. Die Leiche war erst zehn Tage nach dem Tode des Kindes (am 25. März) obducirt worden. Einen Theil dieser Zeit hatte sie in einem warmen Federbette, einen andern, und zwar den gröss- ten, im Wasser, und mehrere Tage der Luft im verschlossnen Räume ausgesetzt gelegen! Die Witterung war „die erste, sehr warme Frühlingswitterung mit starkem Sonnenschein"! Also die allergünstigsten Bedingungen zur Entwicklung der Fäulniss, wobei man sich nur darüber wundern kann, dass bei dem Kinde nur erst das grosse und kleine Gehirn so „breiartig erweicht waren, dass sie nicht mehr anatomisch untersucht werden konn- ten", und dass die Fäulniss nicht bereits viel grössere Fort- schritte gemacht hatte, was der Physicus seinerseits der Kälte und chemischen Beschaffenheit des Marschwassers zuschrieb. — Endlich der Fall von Michaelis.*) Er betraf ein vorzeitig heimlich gebornes Mädchen, das, nach Angabe der unverehe- lichten Mutter (welche Quelle!!) todt, und zwar unter Beihülfe der Hand der Mutter (!) geboren worden war. „Die linke Lunge ragte kaum bis zur Seite des Herzens, die rechte aber bis zur vordem Fläche desselben hervor. Sie waren beide im Allgemeinen hochroth von Farbe, und allenthalben, beson- ders aber nach hinten, blau gefleckt." (Das Gewicht Übergehn wir als nichts beweisend.) „Sie schwammen mit Herz und Thymus auf dem Wasser, ergaben beim Zerschneiden deutliches Knistern und auf der Schnittfläche erschien ein feiner Schaum" (blutiger?). „Alle Stücke schwammen im Wasser. Alle Or- gane der Brust" (folglich auch die Lungen) „enthielten Blut in grösserer Menge*" Und ein solcher Fall wird als Beweis eines „krankhaft spontan entwickelten Lungenemphysems" auf- geführt? Es wird wohl kein einziger Practiker daran zweifeln, dass dieses Kind geathmet, wenn auch die Mutter nach der heimlichen Entbindung das Gegentheil behauptet hatte!! Wenn man unter Umständen, wie die in diesem Falle vorliegenden, ein spontan in todtgebornen Lungen entwickeltes Lungenem- physem critiklos annehmen wollte, dann könnte man in der Hälfte aller gerichtlichen Obductionen Neugeborner ein solches behaupten! — Es scheint fast überflüssig, auch noch den Fall zu beleuchten, den Mau eh**) einem Anonymus nacherzählt, und der als gleichfalls thatsächlicher Beweis für unser Emphysem angeführt wird. Nach einer Geburtsarbeit von vier Tagen, die mit dem Tode der Kreissenden endigte, wurde das Kind zer- stückelt, der Kopf enthirnt und „Knochenstücke aus dem Kopf ausgerissen". Bei der Leiche fand man „den Kopf durch die angewandte Hülfe verdreht, die Nabelschnur fest um den *) Mauch a. a. 0. S. 82 !u. f. '*) a. a. 0. S. 34. Hals geschlungen, den einen Vorderarm ausgerissen, die Kno- chen des Schädels bis auf die Grundfläche zerbrochen, auch einen Theil davon ausgerissen, und der ganze Schädel zeigte sich voll von scharfen Knochen und Knochenrändern." Man braucht nichts weiter zu hören, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, dass auch dieser Fall von einem durch Kunsthülfe (!) so gewaltsam zertrümmerten Kinde gar nicht mehr in das Thema der heimlichen Geburten und der Athemprobe gehört! Aber wie nichtssagend ist die ganze Beobachtung! „Die Lungen hat- ten eine bläuliche" (auch marmorirte?) „Farbe, und zeigten an ihren Rändern deutlich Luft" (aber wie?) „und das Ansehn von Lungen, die schon geathmet haben, auch schwamm dieser Theil derselben, von der übrigen Masse getrennt, auf dem Wasser, und gab unter demselben zusammengepresst viele kleine Luft- bläschen und Blut von sich, er sank übrigens, auch nicht zu- sammengepresst, einige Zeit nachdem er in das "Wasser gewor- fen wurde, unter." Diese Angabe allein macht die ganze Er- zählung vollkommen unglaubwürdig. Nie und nimmermehr sinkt eine Lunge oder das kleinste Lungenfragment, das Anfangs schwamm, später ganz von selbst unter, der Luftgehalt darin mag aus irgend welcher Ursache herrühren. Der Ungenannte berichtet nun noch, dass die Lungen übrigens untersanken, dass aber das Herz schwamm, weil der Herzbeutel ganz emphysema- tisch und das Herz, sogar seine kleinen Gefässe auf der Ober- fläche mit Luft angefüllt waren." Dies Alles lässt wieder auf Verwesung schliessen, die das Herz früher und stärker, als die Lungen ergriffen hätte, aber man erfährt nichts über den Zu- stand der Verwesung an dem Leichnam überhaupt, nichts darüber, wann die Section nach dem Tode und ob sie bei -f- 20° oder bei — 15° R. gemacht wurde, ob bei der fürch- terlichen Misshandlung des Kindes nicht eine Rippe gebrochen, die die Lunge verletzt u. s. w., kurz diese, vor 43 Jahren von einem Ungenannten und Unbekannten njitgetheilte "Beobachtung" muss als vollkommen werthlos bei Seite gelegt werden. Es muss sonach, nach Allem, was hier ausgeführt worden, der Satz aufgestellt werden: dassbis jetzt noch kein einziger gut beobachteter und zweifelloser Fall von spontan in fötalen Lungen entwickeltem Emphysem bekannt, und dass es folglich in der forensischen Praxis nicht gestattet ist, die Schwimmfähigkeit der Lungen Neu- e-eborner dieser Ursache zuzuschreiben. ) *) In einem neuern „Lehrbuch der gerichtlichen Medicin von Dr. J. H. Schürmayer, Erlangen, 1850" zählt der Verfasser S. 305 nicht weniger als 25 Citate, betreffend das Emphysem in den Lungen Neugeborner auf. Diese Citate sind mit allen Irrthümern und Unrichtigkeiten aus Mauch's oben citirter Schrift abgeschrieben. Hätte der Verfasser die Quellen vergli- chen, so würde er Folgendes gefunden haben: an den 6 citirten Stellen bei Schlegel, Metzger, Büttner, Bernt, Mende und Beck (im von mir verglichnen englischen Original wenigstens) findet sich nicht Ein Wort über das besprochne Thema! Das Citat ans dem Dict. d. Sciences med. ist richtig, allein dort findet sich nur wieder Chaussier's Beobachtung citirt; eben so ist bei dem citirten Krügelstein wieder nur der schon bei Hufeland citirte Fall excerpirt, und bei Henke der bei Schmitt citirte Fall! Die beiden Citate von Meissner und Devergie sind Eines und dasselbe, indem Er- sterer nur der Uebersetzer des Letztern ist. Wenn ein Arzt, und wäre er auch Gerichtsarzt in einer kleinen Stadt, in welcher er, der Natur der Ver- hältnisse nach, keine Gelegenheit hat, irgend zahlreichere eigene Erfah- rungen und Beobachtungen in gerichtlich - medicinischen Dingen zu machen, sich gemüssigt sieht, ein „Lehrbuch" der gerichtlichen Medicin zu schrei- ben, so hat er im verdoppelten Maasse die Verpflichtung, den herbeigezog- nen literarischen Apparat, auf den allein er sich stützen kann, mit Critik, Treue und Sorgfalt zu benutzen, damit seiner Arbeit, in Ermanglung höhern Werthes, wenigstens der des compilatorrschen Fleisses gesichert bleibe. Im entgegengesetzten Falle kann er für seine Arbeiten kein Vertrauen fordern. Der leidige falsche Citatenprunk ist es, der es veranlasst hat, dass sich im Laufe der Zeiten so viel Irriges, so viele Tradition in der gerichtlichen Medicin festgesetzt hat. Deshalb habe ich es für Pflicht gehalten, bei Gele- genheit eines solchen Mährchens, wie da's spontane Emphys. pulmon. neonat., „das ja, wie die Citate in den Lehrbüchern beweisen, zweifellos existirt", mit dieser Anmerkung nicht zurück zu halten. §. 94. Fortsetzung, y) Fäulnis* der Lungen. Der letzte, gegen die Schwimmprobe erhobene Einwand ist der, dass auch fötale Lungen vollständig schwimmfähig wer- den können, wenn sie durch Entwicklung von Fäulnissgasen lufthaltig geworden waren. Es wird Niemandem einfallen, die Thatsache an sich bestreiten zu wollen. Allein ein sorgsamer Gerichtsarzt wird sich auch hier nicht täuschen lassen, und die Diagnose zwischen dem beiderseitigen Luftgehalt der Lungen, dem durch Athmung und dem durch Zersetzung erzeugten, ist nicht sehr schwierig. Denn zunächst bleibt es, auch nach mei- nen sehr zahlreichen Beobachtungen, wahr, dass die Lungen zu denjenigen Weichtheilen gehören, die am spätesten von der Ver- wesung ergriffen werden. Dies ist die grosse Regel, und die Fälle, in denen ein besondres frühes Eintreten des Verwesungs- processes in den Lungen, vor der allgemeinen Verwesung, beobachtet wird, gehören zu den sehr seltenen Ausnahmen (§. 93.). Schon allein aus diesem Grunde kann man daher mit Bestimmt- heit urtheilen, dass wenn Lungen aus einem noch frischen, aber auch aus einem, nur erst wenig in Fäulniss übergegangenen Leichnam schwimmen, dies Schwimmmen gewiss nicht von Fäul- nissgasen herrühre und die adjuvirenden übrigen Sectionsbe- funde, betreffend die Athemprobe, werden den Beweis vervoll- ständigen. Dazu kommt, dass das äussere Ansehn der Lungen bei einiger Vorsicht die Diagnose ergiebt. Ich habe bereits oben (§. 22. allg. Thl. S. 58) ausführlich das Ansehn von Lun- gen geschildert, die von der Verwesung ergriffen zu werden begonnen hatten, und verweise auf diese Schilderung. Einen Unterschied darin, ob die Lungen todtgeboren waren oder ge- athmet hatten, habe ich nicht wahrgenommen. Immer sind es die Hirsekorn-, oder Perlen-, oder Bohnengrossen Luftblasen unter der Pleura die entweder ziemlich alle in gleicher, oder in ganz verschiedener Grösse, entweder noch vereinzelt, oder gruppenweise und wie Perlenschnüre nebeneinander sitzend, aui der Olm Hache der Lungen, besonders gern auf ihrer Basis, oder in den Interstitiell der Lappen sehr deutlich sichtbar sind, und die auch sichtbar bleiben, auch wenn später die innern Zel- len des Parenchyms fäulnisslufthaltig werden, was man mit dem Auge nicht mehr erkennen kann. An jener äussern Beschaffen- heit aber erkennt man sogleich die Anwesenheit der Fäulniss- gase, als Fingerzeig für die Beurtheilung des Werthes der Schwiminprobe im vorliegenden Falle, auch wenn die Farbe der Lungen noch gar nicht verändert und resp. ganz fötal oder post- fötal wäre. Starkes und ganz gelungenes Lufteinblasen kann freilich ganz ähnliche, von den geschilderten Fäulnissblasen nicht zu unterscheidende Bläschen erzeugen; allein in gerichtlichen Fällen kann vom künstlichen Lufteinblasen in der Regel nicht die Rede sein (§. 92.). Im weitern Fortschritt der Verwesung vollends, wenn die Lungen den Glanz ihres serösen Ueberzuges verlieren, dunkelgrau, endlich schwarzgrau, breiigt und stinkend werden, ist eine Verwechselung der Ursache ihrer Schwimmfä- higkeit gar nicht mehr möglich. Ich bin weit entfernt in Ab- rede zu stellen, dass das Schwimmen der Lungen an sich noch etwas beweisen könne, wenn dieselben, wie der ganze Leichnam, bereits in diese hohen Verwesungsgrade übergegan- gen sind, besonders da ich kein Criterium kenne, wonach man ganz verfaulte fötale von ebenso verwesten, aber respirirt ha- benden Lungen unterscheiden könnte, wenn beide schwimmfähig sind. Allein selbst bei solchen Leichen kann die Schwimin- probe noch von praßtischen Werthe sein, dann nämlich, wenn sie ein negatives Ergebniss liefert, z. B. wenn die Lungen eines schon graugrünen Kinderleichnams untersinken, wie ich dies sehr häufig beobachtet habe (vergl. auch die Fälle 289—294). Die Verächter der Athemprobe haben solche Fälle entweder nicht gekannt, oder wenigstens nicht zu erwähnen für gut befunden. Mir ist diese negative Beweiskraft des Experi- mentes in zahlreichen Fällen sehr 7A\ Statten gekommen, in welchen ich dann, nach den Ergebnissen der Gesammtathem- probe, trotz der grössten allgemeinen Verwesung, noch mit mehr oder weniger Gewissheit urtheilen konnte, dass das Kind nicht gelebt hatte. Ich werde sogar zwei Fälle (292 und 293) mittheilen, betreffend sehr verweste Leichen Neugeborner, in welchen das faulende Herz und die Leber schwammen, die noch wohl erhaltenen Lungen aber untersanken. §. 95. Portsetzung. Sinken der Lungen nach der Athmung. Wir haben noch den entgegengesetzten, gegen die Schwimm- probe vorgebrachten Einwand zu prüfen, dass auch Lungen, die geathmet hatten, untersinken können, folglich auch nach die- ser Erfahrung die Lungenschwimmprobe ein „zweifelhaftes und ganz unzuverlässiges" Experiment sei. Die hier in Betracht kommenden Zustände sind: sogenannte Atelectase. suffocatori- sche Lungenhyperämie und Hepatisation (Splenisation) des Lun- gengewebes. Von diesen Zuständen ist bereits im §. 89. (S. 725) ausführlich die Rede gewesen. Dass sie, jeder für sich, die Lungen zum Sinken bringen können, ist unzweifelhaft. Vor Jahren habe ich vor den Augen vieler Zuhörer, und bloss zu deren Belehrung und um das Experiment der Athemprobe zu zeigen, die Leiche eines Kindes geöffnet, das notorisch acht Tage gelebt hatte und in der Charite verstorben war. Die Lungen hatten durchweg die braunrothe Farbe und compacte Consistenz fötaler Lungen und sanken bis in ihre kleinsten Par- cellen vollständig unter. Bei Einschnitten ergab sich die ver- muthete rothe Hepatisation und die diagnosticirte Pneumonie wurde durch das später eingesehene Krankenjournal bestätigt. Ganz ähnlich war ein Fall, ein zwei Tage altes Kind betreffend, das mit Pemphigus geboren und an einseitiger Pneumonie ge- storben war. Die linke bläulich - rosenrothe Lunge schwamm eben so vollständig, als die rechte, roth hepatisirte sank. Ein Fall von Untersinken einer, durch Erstickung hyperämisirten Lunge beim Schwimmen der andern ist bereits oben mitgetheilt (213. Fall), und ähnliche Fälle werden in der unten folgenden Casuistik vorgeführt werden (305 — 312. Fall). Aber was sol- len alle solche Fälle beweisen? Doch wohl nicht die Unzuver- jässigkeit der gesammten Athemprobe? Sagt doch selbst der eifrigste Vorfechter unter den neuem Verächtern dieses Expe- ri'mentes, Henke, dass Zustände, wie die hier zur Sprache kommenden, höchst selten sind (das sind sie nicht einmal, wie man nur allein aus meinen eigenen Beobachtungen hier ersieht), und dass sie nicht verkannt werden können. Und in der Tbat, wo solche Beschaffenheiten der Lunge, wie die hier bezüglichen, von einem Gerichtsarzte verkannt würden, und er deshalb al- lein, weil selbst beide Lungen untersanken, sich zu dem Ur- theil verleiten Hesse, dass keine Athmung Statt gehabt haben könne, da würde wohl die Insufficienz des „Sachverständigen", nicht aber die der Wissenschaft zu beklagen sein! Die Behaup- tung von der Unzuverlässigkeit, selbst nur der Schwimmprobe an und für sich im Allgemeinen und in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle, wegen der in diesem Paragraph besproche- nen Zustände der Lungen, ist demnach zurückzuweisen. §. 96. Fortsetzung, i) Einschnitte in die Lungensubstanz. Es ist ein nicht selten vorgebrachter Irrthum, wenn man von der Blutleere der fötalen Lungen spricht, da ihre ernähren- den Gefässe sie nothwendig mit Blut versorgen müssen. Aber eben so gewiss ist es, dass mit der Athmung, d. h. mit der Eröffnung der Bahnen des kleinen Kreislaufs, plötzlich eine grosse, neue Menge Blut in die Lungen einzuströmen beginnt, die in gar keinem Verhältniss zu der früher in ihnen vorhanden gewesenen Blutmenge steht. Leider! fehlt es uns bis jetzt an ledern Maassstab, um dies Verhältniss wissenschaftlich genauer zu bestimmen, denn dass es z. B. sich nicht verhält wie 2:1, dass die Lungen durch die Aufnahme des Blutes nach der Ath- mung nicht noch einmal so schwer werden, als sie im fötalen Zustande waren, haben wir oben bei Beleuchtung der Plouc- quet'schen Blutlungenprobe (§. 90.) bereits bewiesen. Die Caspcr, gerichtl. Medicin. 48 Thatsache an sich bleibt nichtsdestoweniger bestehn. Notwen- dig muss sich dieser grössere Blutgehalt sinnlich wahrnehmbar zeigen, wenn man in das Lungenparenchym Einschnitte macht, und dadurch die Gefässe trennt, und nothwendig wird, zumal bei gelindem Druck, das ausfliessende Blut, sich verbindend mit der eingeathmeten Luft, die aus den zerschnittnen Zellen dringt, wobei das bekannte geringe, zischende Geräusch gehört wird, als b 1 u t i g e r, meist dunkel-blutiger Schaum hervorquellen. Wel- cher diagnostischer Werth für die Athmungsfrage auf dies Zei- chen zu legen, wird leicht zu zeigen sein. Auch bei Einschnit- ten in fötale Lungen dringt hervor, und muss hervordringen, Blut, das oft mit etwas Schleim oder mit Fruchtwasser ver- mischt ist. Allein es bedarf eines verhältnissmässig starken Drucks auf die eingeschnittnen, ja nicht selten eines wirklichen Zusanimenpressens der zerschnittnen Theile, um das Blut her- vorquellen zu sehn, während bei Einschnitten in respirirt habende Lungen nicht gar selten, wenn die Organe grade stark bluthaltig, oder wohl gar wirklich hyperämisch sind, der blutige Schaum sich von selbst hervordrängt, oder auf den gelindesten Druck sich schon zeigt. Ferner fehlt grade die schaumige Beschaffen- heit des Blutes, eben so wie das zischende Geräusch bei den fötalen Lungen, eben weil die Ursache beider Erscheinungen, der Luftgehalt in ihnen fehlt. Endlich wird man aus demselben Grunde beim Drucke der eingeschnittnen postfötalen Lungentheile unter Wasser sehr deutlich die ausgedrückte Luft in Form von kl einen B läschen emporsteigen sehn, nichts dergleichen aber bei fötalen Lungen wahrnehmen und wahrnehmen können. Die Unterschiede zwischen beiden Arten von Lungen in diesen Be- ziehungen sind so erheblich und so in die Sinne fallend, dass, wie ich immer wiederholt erfahre, selbst junge Aerzte, die nur erst ein- oder einigemal fötale und postfötale Lungen auf diese Weise prüfen sahen, dann darüber nicht mehr in Zweifel sind. Irrthümer in Betreff dieses Experimentes und seiner Beurthei- lung sind bei einiger Sorgfalt nicht möglich. Zwar lassen — wenn doch einmal von dem für die Praxis werthlosen Einwand die Rede sein soll — auch künstlich aufgeblasene Lungen, eben so wie durch Verwesung lufthaltig gewordne, gleichfalls beim Druck der eingeschnittnen Stellen ein Zischen hören, und zei- gen, unter Wasser gedrückt, aufsteigende Luftbläschen; allein durch beide Bedingungen kann natürlich der Blutgehalt der Lungen nicht im Geringsten vermehrt werden, und deshalb wird man auch hier immer den wirklichen blutigen Schaum vermis- sen. Endlich ist zu bemerken, dass dieser, trotz vorangegang- ner Athmung fehlen, oder unscheinbar werden kann, wenn die Lungen schon von der Verwesung ergriffen, und durch dieselbe, wie der ganze Körper, anämisch geworden sind; oder wenn das Blut aus den geathmet habenden Lungen durch Verblutung, die das Kind tödtete, entfernt worden war. In beiden Fällen aber sind die übrigen diagnostischen Zeichen so in die Augen fal- lend, dass auch der weniger Geübte, bei Erwägung derselben, nicht getäuscht werden wird. Aus diesen Gründen muss die Erscheinung vom Hervorquellen blutigen Schaums, bei sanftem Druck auf eingeschnittne Lungentheile, als ein Zeichen von höchstem Werthe erklärt werden. §. 97. Der Knochenkern in der Oberschenkel -Epiphyse. Das Preussische Regulativ (S. 100) beschränkt. die in Be- treff des zweifelhaften Lebens des Kindes nach der Geburt vor- schriftsmässig anzustellenden Untersuchungen an der Leiche auf die bis hierher betrachteten, und verlangt mit grösstem Rechte nicht weiter von den Gerichtsärzten, dass sie auch noch den Zustand der Fötalgefässe und Canäle berücksichtigen, und den Inhalt der Harnblase oder des Mastdarms, welche Organe ohne- dies, wie in jedem Lebensalter, zu untersuchen sind, im Gut- achten als Criterium der Athemfrage erwägen sollen. Nichts- destoweniger geschieht dies aus althergebrachter Gewohnheit fortwährend von allen Physikern in der ganzen Monarchie, wie so manches Andre in der forensischen Praxis sich lediglich in 48* Folge der Tradition fortgepflanzt und erhalten hat. Dagegen erwähnt das Regulativ nicht zweier Untersuchungs-Objecte, die erst Ergebnisse neuster Forschung sind. Wir meinen zunächst den Knochenkern in der Epiphyse des Oberschenkels. Von diesem nicht mehr zu übersehenden Zeichen ist aber bereits ausführlich (§.. 80. spec. Thl. S. 692) die Rede gewesen, wo es als Zeichen der Reife gewürdigt worden ist. Als Ergebniss des bejm lebenden Kinde stetig und kräftig fortschreitenden Ossiiicationsprocesses hat dieser Knochenkern aber auch seinen relativen Werth zur Beurtheilung des zweifelhaften Kindeslebens nach der Geburt. Wir wiederholen den oben schon aufgestell- ten Satz: dass ein Knochenkern von mehr als drei Li- nien rh. im Durchmesser auf Leben des Kindes nach der Geburt schliessen lässt. Nur gilt dieser Satz nicht umgekehrt, denn ich habe bereits oben (S. 693,694) Beobachtungen mitgetheilt, Neugeborne betreffend, die notorisch nach der Ge- burt gelebt hatten, und bei denen der Knochenkern noch nicht den genannten Durchmesser erreicht hatte, wie dort auch be- reits die Umstände angedeutet sind, welche höchst wahrschein- lich in den einzelnen Fällen die Fortschritte des Ossiiications- processes hemmen. §. 98. Harnsaure Sedimente in den Bellini'schen Röhrchen. Cless hat zuerst in Deutschland auf die gleich zu schil- dernde Erscheinung des Vorkommens von harnsauren Salzen in den Nieren neugeborner und kleiner Kinder aufmerksam ge- macht, welche Salze sich in den Nierencanälchcn niederschlagen, und welche Sedimente man später etwas unpassend den Harn- säure-Infarct genannt hat.*) Wenn man Nieren, die diese Se- dimente enthalten, wie gewöhnlich bei der Section, von ihrer Wölbung nach dem Becken hinein vertical durchschneidet und die beiden Hälften auseinander legt, so sieht man mit dem un- *; Med. Corresp. Blatt des würtenib. firztl. Vereins 1841. II. S. 114. bewaffneten Auge das Sediment ganz deutlich in der Form hoehgelbrothcr Pimcte oder Streifeben, nämlich die mit demsel- ben angefüllten Canälehen der Pyramiden (s. die Abbildung Taf. YII. Fig. 21. u. 22.) Eine Verwechslung mit Fettkörper- chen wird, namentlich beim Gebrauch der Lupe, geschweige des Mieroscöps, nicht möglich sein, obgleich Fettpünctchen dem etwas kurzsichtigen Auge für den ersten Anblick diesen Sedi- menten allerdings etwas ähnlich sehn. Vielfache spätere Beob- achtungen von Engel, S chlossberger, Martin, Virchow, Hoogeweg, Hodann, so wie unsre eigenen, haben die Exi- stenz dieses Befundes an sich ausser allem Zweifel gesetzt. Seitdem aber Schlossberger *) die Behauptung aufgestellt, „dass die Niereninjection mit harnsauren Salzen sich nie in Kinderleichen finde, wenn die Kinder nicht geathmet hatten, man daher aus ihrem Befunde mit hinreichender Sicherheit auf vorangegangnes Leben des Kindes schliessen könne (aber nicht umgekehrt)", hat die Frage eine gerichtlich-medicinische Bedeutung gewonnen, um so mehr, als man immer noch viel- seitig nur zu geneigt ist, den bisher bekannten Zeichen der Athemprobe zu misstrauen. Die Meinung Schlossberger's theilen Virchow**) und E lsässer ***), während Martin f) und Web er ff) jenen Schluss für nicht gerechtfertigt halten, und Hoogeweg ff f) und Ho dann ff ff) der Erscheinung nur den Werth eines, die Athemprobe unterstützenden Beweises *) Archiv für physiol. Heilkunde. 1850. IX. S. 547. **) Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin. 1847. II. S. 170. ***) a. a. 0. S. 77. f) Jenaische Annalen für Phys. u. Med. 1850. S. 126. ff) Beiträge z. pathol. Anat. der Neugebornen. 1854. ftt) m. Vierteljahrsschrift VII. 1. S. 33 u. f. t+tt) Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur für das Jahr 1854. Breslau. (1856.) 4. S. 139 u. f. (Auch als Separatabdruck, Breslau 1856, erschienen.) Eine ganz erschöpfende Monographie über den Gegenstand mit einer Abbildung. vindiciren. Es muss für den forensischen Gesichtspunct schon als sehr bedenklich erscheinen, dass die bisherigen Forschungen an todtgebornen oder an Kindern, die bald nach der Geburt verstorben waren (denn nur solche können gerichtlich-medici- nisch von Interesse sein), noch nicht einmal die Frage ganz festgestellt haben: ob die harnsauren Sedimente eine normale, physiologische oder eine abnorme, pathologische Erscheinung seien? Für physiologisch und bedingt durch die grossen Um- wandlungen des vegetativen Kindeslebens nach seiner Ausschlies- sung aus dem Uterus, halten sie Engel*), Virchow, Mar- tin und Hodann (a. d. a. O.); für pathologisch v. Meckel**) und v. Faber***), während Schlossbergerf) die Frage un- entschieden lässt. Aus diesen Zweifeln geht schon hervor, wie oft dieser Befund in Leichen Neugeborner fehlen müsse, und die Thatsachen, auch unsre eigenen häufigen, wenn auch noch nicht grade massenhaften Beobachtungen an gerichtlichen Leichen wirk- lich neugeborner Kinder, haben dies vollkommen bestätigt (vgl. die Listen bei Schlossberger a. a. O.) Schon jetzt lässt sich daher mit Gewissheit annehmen, dass aus dem Fehlen des harnsauren S edimentes an sich auf Leben oder Todt- geburt des Kindes nicht geschlossen werden könne. Allein es sind auch bereits drei Fälle bekannt von vor und in der Geburt verstorbnen Kindern (Hoogeweg, Martin und Vir- chow a. d. a. O.), bei denen das Sediment gefunden worden. Es ergiebt sich hieraus von selbst, dass auch das Vorhan- densein des Befundes an sich im concreten Falle wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit gegen Todtgeburt zeugen würde, aber keinesfalls mit Gewissheit das Extrauterinleben würde feststellen lassen dürfen. Allerdings war das Verhältniss dieses Befundes als intrauterinen bis jetzt noch ein sehr gering- *) Oesterr. medic. Wochenschr. 1842. **) Annalen des Charite-Krankcnhauses. IV. 2. Berlin, 1853. ***) Anleitung zur gerichtl. Unters, neugeb. Kinder. Stuttg. 1855. S. 145. t) a. a. 0. S. 545. lügiges, und wo das Sediment gefunden worden, hatten die Kinder in einem überwiegenden Verhältniss aller Beobachtungen überhaupt (108 : 119) mindestens schon zwei, und bis zu 60 Ta- gen gelebt gehabt. *) Bei dieser Sachlage ist es gestattet, den Befund der harnsauren Sedimente in den Nierencanälchen als Hülfsbeweis für den Beweis der Gesammt-Athemprobe, dass das Kind nach der Geburt noch zwei Tage und länger gelebt habe, zu benutzen. Erwägt man aber, dass ein so lange nach der Geburt fortgesetztes Leben in der Regel und der überwie- genden Mehrzahl aller Fälle am gerichtlichen Sectionstisch zu Zweifeln gar nicht mehr Veranlassung geben kann, so zeigt es sieb, dass dies ganze Thema nur einen sehr untergeordneten Werth für die gerichtliche Medicin, einen bei weitem grössern aber für Physiologie und Pathologie hat, denen die weitere Er- forschung und Ausbeutung desselben überlassen werden muss. §. 99. Der Nabelschnurrest. Demarcationsring. Mumification. Abfall. Es ist bereits im §. 77. (S. 677) des Nabelschnurstranges Erwähnung geschehn, in so weit er zur Diagnose des Alters der Neugeborenheit zu benutzen ist. Was seine Bedeutung als Zeichen des Lebens nach der Geburt betrifft, so ist zunächst darauf aufmerksam zu machen, dass man bei noch frischen Lei- chen um die Wurzel (Insertion) des Nabelstranges herum einen etwa linienbreiten hochrothen Ring sieht, der nicht als Product der begonnenen Absetzung des Stranges, folglich als Zeichen einer lebendigen Reaction, betrachtet werden darf. Denn die- ser Hof bildet sich schon im Uterus und wird daher auch bei todtgebornen Kindern beobachtet. Seine Wahrnehmung aber ist bei Leichen unmöglich, die schon, wie grade bei denen der Neugebornen in der Gerichtspraxis so häufig, von Verwesung am Bauche grün gefärbt oder wohl gar schon schwarzgrün und von der Oberhaut entblösst sind. In diesen leider! sehr häufi- *) S. die Liste bei Ho dann a. a. 0. S. 150. gen Fällen entzieht sich der Beobachtung auch ein anderes, weit erheblicheres Zeichen, das mit dem eben genannten nicht zu verwechseln ist, und das einen unzweideutigen Beweis für das Extrauterinleben des Kindes abgiebt, die Erscheinung nämlichder begonnenenAbstossung desNabelschnurrestes. Es ist dies wieder ein, gewöhnlich an zwei Linien breiter ro- fcher Ring um die Wurzel, aber mit Aufwulstung, entzündlicher Anschwellung der betreffenden "Bauchhautstellen und leichter eitriger Absonderung aus dem Nabelringe. Diese Phänomene können sich schon am dritten Tage des Lebens zeigen. Die Eiterung aber kann, wie jeder Arzt aus der Praxis weiss, häufig und in verstärktem Maasse noch sogar 8 —14 Tage, ja länger, nach dem gänzlichen Abfall des Stranges fortdauern. *) Etwas früher, gewöhnlich gegen Ende des zweiten Tages des Lebens beginnt die Mumification des Stranges von der Trennungs- stelle ab nach der Wurzel fortschreitend, die sie am vierten bis fünften Tage erreicht. Man hat (Billard, Her vi eux u. A.) die Vertrocknimg der saftigen Schnur als Act der Vitalität, folglich als Beweis des Athmungslebens des Kindes, gedeutet. Nichts aber ist irriger, wie schon die Versuche von Günz, Elsässer und H. v. Meckel bewiesen haben, denen ich die meinigen sehr zahlreichen und in jedem Semester fortwährend fortgesetzten anschliessen kann. Sie wurden stets vergleichend mit natürlich mumificirten und abgefallnen Nabelschnurresten aus der Entbin- dungsanstalt und mit, von Leichen todtgeborner Kinder abge- schnittnen, noch frischen, saftigen Schnüren angestellt. Letztere wurden, und zwar derselbe Nabelstrang jedesmal in seinen bei- den Hälften, theils im Freien in der Sonne, theils in einem ge- wölbten, ganz trocknen, schattigen Keller getrocknet. Im Schat- ten wird etwa die Hälfte der Zeit mehr erfordert, als in der *) Das physiologisch-pathologische des Processes hat H. v. Meckel mit grosser Gründlichkeit geschildert: „die Eiterung beim Abfallen des Nabel- strangs" in den Annalen des Charite-Krankenhauses zu Berlin. 1853. IV. 2. S. 218 u. f. Coline, um die völlige Vcrtroeknung zu Stande zu bringen, wozu 3—6 Tage in der Sonne, 6—12 Tage im Schatten gehö- ren. Hält man nun drei Stücke von natürlich am lebendigen Leibe des Kindes mumificirten und von nach dem Tode künst- lich in der Sonne oder im Schatten eingetrockneten Nabelsträn- gen zusammen, so ist selbst mit der Loupe nicht der geringste Unterschied wahrnehmbar. In allen dreien dieselbe bandartige Fläche, dieselbe Neigung zur Windung um die Längenaxe, die- selbe allbekannte grauschwarze Färbung mit leichtem Durch- schimmern von rothen feinen Gefässen, dieselbe pergamentartige Consistenz und endlich dasselbe Verhalten beim Einweichen in kaltes und heisses Wasser. Schon nach einer Stunde erwei- chen sich die lederharten Stränge, sie schwellen etwas an, sind etwas gefügig beim Biegen und Manipuliren und werden schil- lernd grau weiss. Aber auch beim längern Liegen im Wasser stellt sich der frühere Character des Stranges in seiner Frische nicht wieder her, und derselbe bleibt grau-verwaschen aussehend und lederartig. Diese Versuche sindbei etwanigen vorkommenden Fällen von nach dem Tode mit schon mumificirter Nabelschnur ins Wasser gekommenen Kindern zu verwerthen. Denn da die noch frische Nabelschnur, da ferner auch eine nicht mehr frische, aber feucht-faulende Schnur, wenn sie ins Wasser kom- men, nicht mumificiren, sondern colliquesciren, so kann man bloss aus dem Befunde von Mumification der Nabelschnur an aus dem Wasser gezognen Kindesleichen schon schliessen, dass das Kind bereits, und zwar mehrere Tage wenigstens, todt ge- wesen sein musste, bevor es ins Wasser gekommen war. Eben so wenig mumificirt der Nabelstrang des todten Fötus im Fruchtwasser, und man wird deshalb niemals ein sogar todtfau- les Kind mit einer mumificirten Nabelschnur geboren werden sehn. Daher gestattet dieser Befund noch einen andern, prac- tisch wichtigen Schluss. Wenn nämlich die Untersuchung des Leichnams eisgäbe, dass das Kind todtgeboren worden, an dem sich ein eingetrockneter Nabelschnurrest befand, und weniu wie so häufig, die Zeit der Todtgeburt vom Richter in Frage ge- stellt wird, so kann man mit Sicherheit schon aus diesem Be- funde allein, und abgesehn von der Schätzung der Fortschritte der Verwesung, annehmen, dass das todtgeborne Kind vor dem Auffinden schon mehrere Tage an der Luft gelegen haben musste. — Um auf die Hauptfrage zurück zu kommen, so muss nach den oben geschilderten Versuchen als ganz unzweifelhaft festgestellt werden: dass die Mumification der Nabel- schnur nicht den geringsten Werth als Beweis des Extrauterin-Le bens hat. Anders natürlich der vollständige Abfall des Stranges. Er geschieht vom vierten Tage an bis zum sechsten und siebenten. Nur grosse Unwissenheit oder Flüchtigkeit würde in Betreff der abgefallnen Nabelschnur eine solche annehmen, wo vielleicht nur ein Ausreissen des Stranges aus dem Nabelringe Statt gefunden hatte; denn hier ist dieser in seinen Rändern zerfetzt und blutig, was selbst bei verwesten Leichen noch sehr leicht von einer wirklich vernarbten Nabel- grube zu unterscheiden ist. Dass aber der schon vernarbte Nabel ein untrügliches Zeichen des, und zwar mindestens schon vier bis fünf Tage fortgesetzt gewesenen Kindeslebens ist, be- darf keiner Erwähnung. §. 100. Obliteration der intrauterinen Circulations-Wege. Mit grösstem Recht fordert das Preussische „Regulativ" gar nicht von den Gerichtsärzten, dass sie das Offen- oder Ver- schlossensein des Foramen ovale, Ductus arteriosus Bot, der Na- belarterien und Vene, und des Ductus venosus als Criterien des Athmungslebens bei der Obduction Neugeborner beachten sol- len. Denn es versteht sich von selbst, dass diese Fötal-Circu- lations-Wege bei Neugebornen, auch wenn man diesem Be- griff die grösstmöglichste Ausdehnung geben und ihn z. B. bis zum gänzlichen Abgefallensein der Nabelschnur ausdehnen wollte, immer offen gefunden werden müssen, da sie sich erst so spät naeji der Geburt ganz verschlicssen, dass der Befund ihrer Obliteration gar keinen Werth mehr hat. Das eirunde Loch findet man völlig nicht vor dem zweiten bis dritten Monat ver- wachsen. Die genauen anatomischen Untersuchungen, nament- lich Elsiisser's *), über seine allmähliche Verschliessung ha- ben ein bedeutendes physiologisches, aber kein practisches ge- richtlich-mcdicinisches Interesse, da bis nach den ersten Tagen des Lebens noch gar kein Anfang des Obliterations-Processes in irgend auffallender Weise bemerkbar ist, aber eben nur diese ersten Stunden, höchstens ersten Tage des Neugebornen in Be- treff des zweifelhaften Lebens in Frage stehn. Ganz dasselbe gilt vom Duct. arteriosus, der in den ersten 3—4 Tagen noch weit offen ist, allmählig sich zu verengern beginnt, den man aber oft genug noch nach acht Wochen der feinen Sonde zugänglich findet. Die feinen Formveränderungen, welche Bernt in der fortschreitenden Metamorphose des Canals zum Ligament beobachtet haben und als Criterien mit benutzt wissen will, sind hiernach gleichfalls für den gerichtlichen Sectionstisch unerheblich. Am frühsten von allen Fötalcanälen schliessen sich die Nabelarterien, die sich schon nach acht bis zehn Stun- den nach der Geburt des lebenden Kindes zu verengern begin- nen, aber ihre Obliteration erfolgt in der Regel nicht vor fünf bis sechs Tagen, die derNabelvene noch später, während end- lich der Ductus venosus sehr häufig noch bei 1—2monatlichen Kindern ganz offen gefunden wird. Nach solchen, durch die allgemeine Erfahrung längst festgestellten und bekannten That- sachen ist es am gerathensten, den Zustand dieser Fötalcanäle am gerichtlichen Sectionstisch ganz und gar nicht in den Kreis der Untersuchungsbefunde zu ziehn, denn die amtliche Er- fahrung lehrt, dass durch Beachtung von Sectionsergebnissen, die nicht wesentlich zur Sache gehören, zumal von Subtilitäten an denselben, wie sie hier z. B. die von Bernt geschilderten Vorgänge im B otaIii'sehen Gang sind, das Urtheil der Ge- *) a. a. 0. S. 65 und Henke's Zeitschr. Bd. 64. S. 247 u. f. riohtsärzte leicht schwankend gemacht und dann „der Wald vor Bäumen" nicht gesehn wird. §. 101. Harnblasen- und Mastdarm-Probe. Die unbegründeten Zweifel gegen den Werth der Athem- probe und die eben so unbegründete Annahme, dass die Ent- leerung der Darm- und Blasen-Excremente lediglich respiratori- sche Acte seien — die bekannte Thatsache, dass Kindspech im Fruchtwasser des Eies gefunden wird, beweist schon das Ge- gentheil — haben zu der Einführung der Blasen- und Mast- darm-Probe in die Gerichts-Praxis Anlass gegeben. Eine volle Harnblase, ein mit Meconium angefüllter Mastdarm sollen bewei- sen, dass das Kind nicht, entleerte Blase und Rectum, dass das- selbe geathmet habe! Aber was beweist denn der gleich- zeitige Befund, wie wir ihn unzählige Male angetroffen haben, einer gefüllten Blase und eines leeren Mastdarms, oder um- gekehrt?! Es ist begreiflich, dass sich aller Orten in der ge- richtlichen Medicin im Laufe der Zeit Schlacken angesetzt ha- ben, da die Gelegenheit, medicinisch-forensische Erfahrungen in einiger Ausdehnung zu machen, so selten ist: unbegreiflich aber mag es genannt werden, dass Theorieen, wie die einer, Blasen- und Mastdarm-Probe sich haben einbürgern (und noch in den neusten Lehrbüchern bedingte Fürsprecher finden) kön- nen. Denn jede Hebamme weiss, dass das kräftigste, gesun- deste Neugeborne nicht immer gleich nach oder in den ersten Stunden nach seiner Gebut d e Windeln beschmutzt und allein mit dieser trivialsten aller ärztlichen Beobachtungen ist die Critik dieser „Probe" gegeben. Ein fragliches Kind wird also drei, sechs, zehn und mehr Stunden gelebt haben können, und dennoch bei der Obduction noch gefüllte Ausscheidungsorgane resp. eines von den beiden, zeigen. Oder es hatte bereits urinirt und die entleerte Blase war wieder gefüllt worden, und die Section zeigt sie voll. In andern Fällen rührt die Leere beider Organe oder Eines derselben, nicht von lebendiger Aus- Scheidung, sondern von mechanischem Druck her, den der Bauch irgendwie bei der Geburt oder durch Manipulationen nach dem Tode beim Entkleiden, Transport u. s. w. der Leiche erlitten, wie es denn namentlich bei weiblichen Leichen Neuge- borner gar nicht schwer ist, durch Druck auf die Blasengegend den Urin zu entleeren. Es kann hiernach nur gebilligt werden, dass das „Regulativ" dieses absurden Beweismittels mit keinem Worte erwähnt, und, setzen wir hinzu, der Gerichtsarzt möge dasselbe auch nicht einmal als Unterstützungs-Beweis für oder gegen das zweifelhafte Leben neben andern Beweisen benutzen, da ihm aller und jeder Grund und Boden fehlt, und Staatsan- walt oder Vertheidiger darin mit Recht nur Angriffspuncte ge- gen das Gutachten finden werden. — Dass eine Untersuchung des Zustandes der Blase und des Mastdarmes deshalb bei Neu- gebornen, wegen möglicher andrer Befunde, so wenig unterblei- ben darf, als in allen andern Lebensaltern, braucht nicht erwähnt zu werden. §. 102. Sngillationen. Die Beweiskraft der irgendwo an Neugebornen aufgefunde- nen Sugillationen für das extrauterine Kindesleben, die von den Aeltern sehr hoch gehalten wurde, aber auch noch von den Neuern keinesweges überall verworfen wird, stützt sich auf die Annahme, dass Blutaustritt aus den Gefässen Kreislauf, also Leben, voraussetze. Aber auch hier hat man unbegreiflich wie- der einem aprioristischen Satze zu Liebe die alltäglichsten Er- fahrungen, wie sie die blosse geburtshülfliche Praxis liefert, ganz aus den Augen gesetzt. Das Moment aber hat, ausser seiner Bedeutung für die Lebensfrage, noch eine zweite, nicht minder wichtige, insofern diese, einmal als Beweise Statt gehabten Le- bens nach der Geburt anerkannten Sugillationen (Ecchymosen), zumal wenn ihr Blut mehr oder weniger geronnen, dann mit eben so viel Sicherheit als Wirkungen einer äussern Gewalt an- erkannt wurden. Ein doppelter und folgenreicher Irrthum! Niclits beweist weniger das vorangegangene Athinungsleben, als ein Blutaustritt aus den Gefässen, den man irgendwo in der Leiche findet. Blosse Ausschwitzung aus den Wandungen, wohl auch schon vor sich gegangene Zerstörung kleinerer Gefässe durch den Verwesungsprocess mit dann folgendem Erguss ihres Inhaltes in die Nachbargebilde erklären die ungemein häufige Erscheinung von mehr oder weniger erheblichen, oft sehr aus- gedehnten Blutlachen, namentlich am Kopfe, bei todtfaul gebor- nen Kindern, bei Subjecten also, wo der intrauterine Tod gar nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Nicht weniger häufig wird eine Zerreissung von Gefässen durch den, auch nicht ein- mal nothwendig sehr erschwerten, Geburtsact Veranlassung zu wirklichen Ecchymosen, namentlich unter der Kopfhaut, das all- bekannte Caput succedaneum. Dass diese Kopfgeschwulst weit häufiger als man anzunehmen geneigt ist, nicht bloss einen öde- matösen Character, sondern wirklich in der Tiefe einen mehr oder weniger reichlichen Blutinhalt habe, der sich nur beim le- benbleibenden Kinde rasch resorbirt, möchte ich aus der unge- meinen Häufigkeit solcher Blutergüsse bei unsern gerichtlichen Sec- tionen schliessen, die man am allergewöhnlichsten im Zellgewebe der Galea, in Form einer blutigen Gallerte, bald auf, bald und in den seitnern Fällen unter dem Pericranio vorfindet. Eine genauere Schilderung dieser Blutergüsse ist unten in §. 109. gegeben. Es ist nicht dringend genug vor dem Irrthum zu warnen, der, wie mir amtlich wohl bekannt ist, gar nicht selten begangen wird, diese Befunde ohne Weiteres für Folgen einer dem Kinde zugefügt gewesenen Gewalt oder eines Sturzes mit dem Kopfe auf dem Boden bei der Geburt zu erklären. Ganz besonders leicht kommen Ungeübte dazu, wenn sie Gerinnungen in den Sugillationen finden, wie denn Blutgerinnungen in diesen subaponeurotischen Schädel-Sugillationen die gewöhnlichste Er- scheinung sind. Wir wiederholen nicht, was oben (§. 10. allg. Thl. S. 26) bereits zur Bekämpfung der irrigen Ansicht von der Unmöglichkeit der Blutgerinnung nach dem Tode angeführt und durch Thatsachen erhärtet worden ist (3. — 9. Fall). Dass aber diese Blutergüsse, flüssig wie coagulirt, auch bei ganz unzweifelhaft todtgebornen Kindern, und zwar ungemein häufig vorkommen, wird Niemandem entgangen sein, der auch nur einige dergleichen Leichen zu untersuchen gehabt hat. *) — Hierher gehören ferner die seltnen Fälle, in welchen sich bei mit Umschlingung der Nabelschnur Todtgebornen einzelne wirk- liche, durch Einschnitte als solche nachgewiesene Sugillations- stellen in der Strangrinne finden, wieder also Blutergüsse vor dem eingetretnen Athmungsleben, so wie endlich die früher (§. 40. spec. Thl. S. 464) geschilderten Capillar-Ecchymosen (Petechial-Sugillationen) unter der Lungenpleura und an Aorte, Herz und Herzbeutel bei unzweifelhaft vor der Geburt abge- storbnen Kindern. Nicht im Geringsten also beweisen Extravasate von Blut, selbst nicht von geronnenem, dass ein Athmungsleben des Kindes Statt gehabt ha tte. §. 103. Schlussatz über die Beweiskraft der Athemprobe. Der Gerichtsarzt ist berechtigt anzunehmen, und kann §ich in seinem Gewissen beruhigt halten, wenn er, unbekümmert um die Folgen seines Ausspruchs, mit Gewissheit annimmt, dass ein neugebornes Kind in und nach der Geburt geathmet habe: 1) wenn der Stand des Zwerchfells zwischen der fünften und sechsten Rippe ist; 2) wenn die Lungen die Brusthöhle mehr oder weniger ausfüllen, jedenfalls nicht erst durch künstliche Auseinanderwei- tung der durchschnittnen Wände aufgesucht zu werden brauchen; 3) wenn die Lungengrundfarbe durch inselartige Marmori- rungen unterbrochen ist; *) Auch El sä ss er (a. a. 0. S. 62) erzählt einen Fall, in dem sowohl ein geronnenes Extravasat unter der Galea, als ein flüssiges unter dem Pericranium neben einer Fissur des Schädels vorhanden, und wo die Zange erst nach dem entschiednen Tode des Kindes angelegt worden war. 4) wenn die Lungen, bei umsichtig angestelltem Experi- ment, sich schwimmfähig zeigen; 5) wenn ein blutiger Schaum bei sanftem Druck auf ein- geschnittne Lungenstellen hervorquillt. Wie sehr noch der Beweis durch andre Criterien möorli- cherweise vervollständigt werden kann, z. B. durch Nabel, Knochenkern u. s. w., wenngleich er durch die eben genannten als geführt zu erachten ist, wie in manchen Fällen die indivi- duelle Sachlage, z. B. Todesart, Verwesungsstand u. dgl., ein- zelne der obigen Zeichen alteriren kann und nach Umständen dann doch noch ein gewisses, in andern Fällen ein verschränk- teres Urtheil gestatten wird, dies Alles ist in den vorstehenden Paragraphen erwogen worden. Einzelne Fälle werden immer vorkommen, in denen Umsicht und Combinationsgabe Seitens des gerichtlichen Arztes den geschriebnen Lehrsätzen unter- stützend zur Seite stehn müssen. §. 104. Wann die Anstellung der Athemprobe überflüssig? Da die Athemprobe Antwort auf die Frage geben soll: ob das Kind nach der Geburt gelebt? so wird sich dem Arzte im- mer gleichzeitig die Vorfrage aufdrängen: ob dasselbe denn auch seiner Leibesverfassung nach habe leben, d. h. fortleben können? In Ländern, in denen, wie in Preussen, das Strafge- setzbuch eine Lebensfähigkeit, also auch eine Lebensunfähigkeit, gar nicht kennt, scheint es überflüssig, diese Vorfrage zu erhe- ben, da streng genommen hiernach jede Frucht als eine lebens- fähige vorausgesetzt werden müsste. Die Lächerlichkeit der Consequenzen dieses Schlusses braucht nicht hervorgehoben zu werden. In der That weichen aber auch selbst die individuel- len Ansichten der Richter über diesen Punct ab, wie ich in der Praxis bei den, bei den Obductionen anwesenden Gerichtsdepu- tirten häufig wahrzunehmen habe. Der Arzt wird deshalb im- mer abzuwarten haben, ob der Richter nach seiner, des Arztes, Erklärung, dass das fragliche Kind kein lebensfähiges gewesen, mit ihm einverstanden ist, dass es dann keiner Obduction (also auch keiner Athemprobe) bedürfe, oder ob der Richter, unbekümmert am die Lebensunfähigkeit, die Eröffnung fordert, in welchem Falle sie (vgl. S. 93) gesehehn nmss. Im erstem Falle würde die Athemprobe, wenn ihre vollständige Anstellung nicht überhaupt und ohnedies gradezu unmöglich ist, unterbleiben: 1) bei allen Früchten unter einem Fruchtalter von mindestens 180 Tagen (rhein. Bürger!'. Gesetzbuch Art. 312.), in den Ländern, in de- nen, wie im Preuss. Landrecht, der 210 te Tag als terminus a quo der Lebensfähigkeit gesetzlich gilt, bis zu diesem Alter der Frucht, so wie bei allen solchen Missgeburten, deren Fortleben durch die angeborne Missbildung absolut unmöglich gemacht war. 2) Ein Kind, dessen Nabelschnur bereits abgefallen und dessen Nabel vernarbt, ist kein Neugebornes mehr, und die Anstellung der Athemprobe an demselben natürlich vollkommen überflüssig. 3) Eben so überflüssig wäre das Experiment, wenn sich schon in der zuerst und vor der Brust zu eröffnenden und m eröffneten Bauchhöhle ein unzweideutiger Beweis des Statt ge- habten Lebens nach der Geburt vorfände, ich meine den Beweis einer schon in Wirksamkeit getreten gewesenen Verdauungs- function in dem Befunde einer halb oder ganz gekästen Milch im Magen. Man wird freilich in den eigentlich gerichtlichen Fällen diesen Befund aus nahe liegenden Gründen nur in den allerseltensten Fällen erheben ; es kommen indess Fälle vor von Kindern, die einen ganzen, auch wohl zwei Tage alt und be- reits ernährt geworden, dann eines natürlichen Todes gestorben und aus irgend welchem Grunde, oft nur, um die Beerdigungs- kosten zu ersparen, versteckt oder weggeworfen worden waren, wo dann der Magen allein den sichersten Aufschluss über das Statt gehabte Leben giebt. 4) Endlich bedarf es natürlich nicht der Anstellung der Athemprobe, wenn aus der Beschaffenheit des Leichnams es unzweifelhaft ist, dass das Kind schon längere Zeit in utero abgestorben gewesen, dass es todtfaul geboren worden war. Das todtfaul geborne Kind aber ist als Caspcr, gcrichll. Medicin. 49 solches gar nicht zu verkennen. Nicht Aufsehwellung der Cutis, nicht blasenartige Auftreibung- oder gänzliche Abschin- dung der Oberhaut, nicht graugrüne Färbung der Leiche, nicht die verfaulte Nabelschnur, der allbekannte Geruch u. s. w. bil- den die Diagnose, da auch jedes lebend geborne Kind zu sei- ner Zeit nach dem Tode alle diese Verwesungsphasen eingeht. Im Gegentheil zeigt das todtfaul geborne Kind die meisten die- ser Charactere gar nicht, und die Verwesung bei der Macera- tion im warmen Fruchtwasser ist in ihren Wirkungen von der Verwesung ausserhalb des Uterus so ungemein verschieden, dass das Product der erstem ein ganz speeifisches Ansehn erhält, das man gar nicht verkennen kann, wenn man es nur einige- mal gesehn. Zunächst ist es auffallend, dass das todtfaul ge- borne Kind zwar einen höchst durchdringenden, durch einen dünnen Sarg, Kisten u. dgl. gar nicht zu verbergenden und zurück zu drängenden Geruch verbreitet; allein so widerwärtig und unvertilgbar derselbe, so ist er doch gar nicht der gewöhn- liehe bekannte Geruch verwester Leichen, sondern er hat etwas Süssliches, Fades, Unbeschreibliches, das ihn noch unerträglicher macht. Noch auffallender ist zwischen beiden Leichen die allge- meine Farbe der Haut. Das todtfaul geborne Kind sieht nicht und in keiner Schattirung grün aus, sondern mehr kupferroth, stellenweise dazwischen rein fleischfarben. Nie fehlen Abschin- dungen der Ejndermis, aber neben frischern derartigen Stellen auf dem Körper zeigen sich ältere, in denen der Grund schon gedunkelt und erhärtet ist. Die exeoriirten Parthieen sind feucht, schmierig und schwitzen fortwährend ein stinkend blutig-wässri- ges Fluidum aus, das alle Umhüllungen der Leiche durchtränkt. Eben so auffallend als die Farbe ist die allgemeine Form dieser Leichen. Während jede hoch verweste Leiche immer noch lange die Ründung der Contoure des Körpers zeigt, wenn die Form auch durch Intumescenz entstellt und verunstaltet wird, muss es Jedem sogleich auffallen, wenn er das todtfaul geborne Kind vor sich hin legt, wie dieser Körper sich zu verflachen, auseinander zu gehn Neigung zeigt. Bauch und Brust verlie- ren ihre Rundung und ihre Contoure bilden eine Ellipse, indem die Weichbedeckunoen nach beiden Seiten hinaus sinken. Eben O so wird auch selbst der Kopf, dessen Knochen eben so gelöst und verschiebbar sind wie bei allen andern verwesten Kindes- leichen, flach und dadurch die Physiognomie widerwärtig ent- stellt, indem die Backen nach beiden Seiten auseinanderlaufen und die Nase ganz einsinkt. Es ist unmöglich, das Bild eines solchen Leichnams genau zu schildern, und würde es nicht loh- nen, eine wirkliche Abbildung nach der Natur hier anzufügen, denn die hier so getreu als möglich gegebne Skizze ist genü- gend, um das todtfaul geborne Kind als solches zu characteri- siren. Ein Leichnam, der sich so darstellt, zeigt ganz untrüg- lich, dass der Tod des Kindes schon intrauterin erfolgt war und macht folglich die Obduction, also auch die Athemprobe, ganz überflüssig. Dass dieselbe bei blosser gewöhnlicher Fäulniss des Kinderleichnams keinesweges wegen behaupteter Unzuver- lässigkeit zu unterlassen sei, ist bereits oben (§. 94. S. 751) gesagt worden. - §. 105. Wie lange lebte das Kind, und wie lange ist es todt? Diese beiden Fragen pflegt der Richter den Obducenten zur Vervollständigung des summarischen Gutachtens im Obduc- tionstermine vorzulegen, nachdem dieselben erklärt hatten, dass das Kind gelebt habe. Die Beantwortung der erstem Frage hat richterliches Interesse wegen der Einschränkung des gesetz- lichen Begriffs: Kindesmord als Tödtung des Kindes „in oder gleich nach der Geburt"; die der letztern Frage ist dem Richter bei unbekannten, aufgefundnen Kindesleichen (die die Mehrzahl unter den Leichen Neugeborner bilden,) namentlich deshalb wichtig, weil sie mit der Frage vom Niederkunftstermin der Mutter zusammenfällt, wenn das Kind nur eine ganz kurze Zeit gelebt hatte, und der Richter dann für seine öffentlichen Aufrufe, für die Vernehmung der etwa der Mutterschaft Ver- 49* dächtigen u. s. w. durch den Ausspruch der Obducenten einen Anhalt gewinnt. — Die Antwort auf beide Fragen wird durch die Unistände des concreten Falles hauptsächlich bedingt. Wenn das Kind lebensfähig, kräftig und gesund gewesen war und kein Grund zur Annahme einer besondern Behinderung der Athmung nach der Geburt vorliegt, dann wird sich die Respiration mit allen ihren, in der Leiche nachweisbaren Folgen, in kürzester Frist vollständig hergestellt haben, und es wird z. B. nicht möglich sein zu bestimmen: ob das Kind eine halbe Stunde oder zwei, drei Stunden gelebt habe. In criminalgerichtlicher Beziehung und wegen des: „gleich nach der Geburt-* hat aber nur eben eine solche ganz kurze Lebensfrist eine Bedeu- tung. Hätte das Kind länger, etwa bis zu zwei oder drei Ta- gen gelebt, dann würden zur Beantwortung der Frage die Zei- chen der Neugeborenheit zur Erwägung kommen, worüber wir schon im §. 77. S. 673 u. f. das Erforderliche mitgetheilt haben. Bei gehöriger Umsicht können hier wesentliche Irrthümer in der Abschätzung nicht vorkommen, da die ganze Zeitfrist der Neugeborenheit an sich zu kurz ist. In Betreff der zweiten Frage: wie lange das Kind schon verstorben? kommen alle die mannichfachen Momente in Erwägung, die überhaupt bei der schwierigen Frage von der Zeit des Todes und von den Fort- schritten der Verwesung zu berücksichtigen sind, welche we- sentlich beim Neugebornen dieselben sind, wie in allen andern Lebensaltern, und über die wir uns bereits in grosser Ausführ- lichkeit *) ausgesprochen haben, worauf zu verweisen ist. Er- leichtert wird den Obducenten ihr Urtheil, wenn sie erfahren, wo und wie die Kinderleiche aufgefunden worden, ob in Bet- ten? im warmen oder kalten Zimmer? im Keller? im Wasser? in der Erde? ob nackt? ob in Kisten u. dgl.? ferner wann und wie lange vor dem Obductionstermin die Leiche aufgefun- den und wo sie in dieser Zwischenzeit gelegen? u. s. w., Fra- ♦) Allg. Thl. Kap. 2. §§. 6—22. S. 15 u. f. geö, zu denen die. Obducenten vollkommen berechtigt sind, und deren Beantwortung kein Riehter verweigern wird. Wenn man hierzu dann die zur Zeit herrschende atmosphärische Tempera- tur, so wie die Todesart des Kindes in Erwägung zieht, und eine allgemeine Kenntniss der oben ausfuhrlieh geschilderten Umstände besitzt, so wird man eine allgemeine, wenigstens annähernd richtige Zeitabsehätzung ohne besondre Schwie- rigkeit liefern können, die freilich um so richtiger die Wahr- heit treffen wird, je mehr Uebung und Erfahrung den Obdu- centen zur Seite stehn. §. 106. Casuistik. 289. bis 304. Fall. Athemproben bei schon sehr vorgeschrittner Verwesung. Aus der sehr grossen Anzahl der von uns angestellten Athemproben an Leichen Neugeborner, die in Berlin alljährlich fast genau den vierten Theil aller vorkommenden gerichtlichen Obductionsfälle ausmachen, will ich zunächst eine kleine Auswahl von Fällen mittheilen, in denen wir die Section und das Experiment, unsern oben dargelegten Grundsätzen ge- mäss, ausführten unter Umständen, die gewöhnlich, aber mit grösstem Unrecht, als Contraindicationen der Athemprobe aufgestellt werden. Der Gerichtsarzt ist gar nicht berechtigt, ein Beweismittel zu verschmähen, weil es möglicherweise nichts mehr zur Aufstellung des Thatbestandes beitragen kann. Wir unsrerseits erzielten sehr häufig auch bei ganz ver- westen Kinderleichen noch ein Resultat für den Richter, das bei der un- gerechtfertigten Zweifelsucht gegen die Beweiskraft der Athemprobe nie- mals erreicht wird. 289) Eine reife, ganz verweste, und schon graugrün gefärbte Frucht war im Wasser gefunden worden. Alle Organe, auch die Lungen, waren mit Fäulnissblasen besetzt. Letztere waren dunkelbraun compact, zeigten bei Einschnitten keinen blutigen Schaum, und sanken ganz, wie zerschnit- ten, vollständig unter. 290) Ganz derselbe Fall bei einem weiblichen, gleichfalls im Wasser gefundnen Kinde. Die Leiche war grau, überall von der Epidermis entblösst, die Lungen zurückgezogen, dunkelbraun, unmarmorirt, compact. Sie sanken in allen ihren Parcellen vollständig unter. 291) Die vorgelegte Leiche eines, in einem Wasserfasse aufgefundnen männlichen Neugebornen war sehr verwest und emphysematisch aufgetrie- ben. Das Zwerchfell stand an der vierten Rippe, die Lungen waren dunkelbraun, lederhart, bedeckten den Herzbeutel noch gar nicht und sanken vollständig unter. 292 und 293) In folgenden beiden eclatanten Fällen verhielt sich die Sache noch anders. Eine reife, weibliche, im Wasser gefundne, 6chon ganz schwarzgrüne Leiche, zeigte ganz wohl erhaltne, feste, nicht knisternde dunkelbraune Lungen. Das mit Luftblasen reich besetzte Herz schwamm, die Leber stahlgrau und breiig verwest, schwamm, aber die Lungen, sanken in allen kleinsten Stücken. — Aehnlich war ein acht Monate altes männliches Kind, das mit der Placenta verbunden im heissen Som- mer in einem trocknen Graben gefunden worden war. Zunächst be- merke ich, dass die Nabelschnur in ihrer ganzen Länge mumiiicirt war! (vgl« §• 99- S. 759). Die Frucht war faul und fast schwarz. Die Lun- gen von hellröthlicher Farbe, aber ohne alle Marmorirung, sanken, wäh- rend sich das Herz schwimmend erhielt. In allen diesen Fällen nahmen wir keinen Anstand, mit Gewissheit Todtgeburt anzunehmen, da eine andre Erklärung nicht gerechtfertigt gewesen wäre. 294) Anders stellten sich die Befunde in folgendem, interessanten Falle dar, der ein so positives Urtheil nicht gestattete. Ein reifes männliches Kind war in einem, mit Mauersteinen beschwertem Beutel im Wasser ge- funden worden. Die Leiche war grünfaul. Die Lungen zeigten viele Fäulnissblasen; die linke lag ganz zurückgezogen, die rechte füllte die Hohle zur Hälfte aus. Bei Einschnitten hörte man kein Knistern und ein wenig faulig zersetztes Blut floss aus den Schnittflächen aus. Zu- sammen mit dem Herzen schwammen sie, aber der ganze untere Lappen der rechten Lunge und einzelne Stücke der linken sanken unter, während auch das Herz sank. Die Leber aber schwamm. Das Zwerchfell stand an der vierten Rippe. Die Luftröhre war verwesungsbraun und leer. Der Magen enthielt einen Theelöffel eines blutigen Schleims. Die Harnblase leer, der Mastdarm voll. Das theilweise Schwimmen der Lungen konnte wohl auf Rechnung der Fäulniss geschrieben werden, doch war die Mög- lichkeit einer kurz dauernden Respiration nicht von der Hand zu weisen, während andrerseits wichtige Zeichen auf Todtgeburt deuteten. Hiernach urtheilten wir, dass das Ki;id „ wahrscheinlich" nicht nach der Geburt gelebt gehabt hatte, sondern todtgeboren worden sei. Im Gegensatze zu diesen lasse ich eine Auswahl von Fällen folgen, j in denen die Lungen bei grosser allgemeiner Fäulniss schwammer und I wobei dies Schwimmen in Verbindung mit den concurrirenden übrigen wesentlichen Criterien doch eine Aeusserung vor dem Richter gestattete. 295) Auf der Strasse todt gefundnes, reifes männliches Neugebornes. Höchste Verwesung. Lungen rosenroth-blau - gefleckt, mit Fäulnissblasen reich besetzt. Sie füllen die Brusthöhle ganz aus und schwimmen voll- ständig. Aber auch Herz und Leber schwimmen bei ihrer weit vorge- schrittnen Verwesung. Trotz dessen wurde bei der Uebereinstimmung der Marmorirung der Lungen, ihrer Ausdehnung und Schwimmfähigkeit „mit höchster Wahrscheinlichkeit" angenommen, dass das Kind gelebt habe. 296) Das reife, weibliche Kind war im Wasser gefunden worden, und auch hier war die Verwesung bereits bis zur graugrünen Färbung der kleinen Leiche vorgeschritten. Die Farbe der rechten Lunge war eine rosenroth-marmorirte, die der linken eine braunrothe. Beide waren mit Fäulnissblasen besetzt, beide, auch die dunkle linke, schwammen ganz und zertheilt vollständig. Knisterndes Geräusch und schäumiges Blut waren bei Einschnitten nicht bemerkbar, letzteres aus dem hohen Ver- wesungsgrade wieder leicht zu erklären. In Luftröhre, Lunge und Ma- gen fand sich kein Wasser. Die Harnblase war leer, der Dick- und Mastdarm strotzend voll Kindspech. Es musste nach diesem interessan- ten und nicht gewöhnlichen Befunde angenommen werden, „ dass das Kind, wahrscheinlich eine kurze Zeit, geathmet gehabt hätte, dass aber über die Todesart nach den Resultaten der Obduction gar nichts bestimmt werden könne." 297) Das männliche, vollkommen verweste Kind, dessen Kopfknochen bereits zerplatzt waren, war in der Spree gefunden worden. Die Lun- gen waren aber ganz gut erhalten. Sie füllten die Höhle vollkommen aus, waren beide rosenroth-marmorirt, beide mit Fäulnissblasen stark be- setzt, und schwammen beide vollständig. Aber auch die Thymus schwamm, das (leere) Herz jedoch nicht. In diesem Falle machte sich bei Ein- schnitten in die Lungen noch knisterndes Geräusch und eine geringfügige Menge blutigen Schaumes bemerkbar. Wegen des bemerkbaren Verwe- sungsprocesses in den Lungen konnte auch in diesem Falle das Leben des Kindes nur als „höchst wahrscheinlich" angenommen werden, wäh- rend jede Bestimmung über die Todesart natürlich zurückgehalten wer- den musste. 298) Das weibliche, reife Kind war im Abtritt gefunden Avorden. Grau- grüne Verwesungsfarbe, Ablösung der Epidei'mis. Lungen braunroth mit vielen hellmarmorirten S teilen. Sie schwimmen vollständig. Zwerch- fell nnter der sechsten Rippe. Luft-, Speiseröhre und Magen ganz leer. Das Rera blutleer. Das Gehirn breii«»- faul. Das Leben des Kindes wurde anganöiiinjen, mit Wahrscheinlichkeit aber auch, dass es erst todt in die Abtrittsgvube gekommen, da sich keine Hpur von Erstickung durch Kotli gefunden hatte. Diese Wahrscheinlichkeil wurde später durch die ermittelteu Umstände zur Gewissheit. 299) Verwesungsgraues, reifes, weibliches Kind, das Zwerchfell hoch, zwischen #ei? 3ten und 4ten Hippe. Farbe der Lungen hellbraunroth, blau mnrmorirt. An rechter und linker Lunge finden sich Fäulniss- blasen von der Grösse einer halben Bohne, und hirsekorngrosse an den Rändern beider untern Lappen. Beide Lungen schwimmen vollständig, sie knistern nicht nur beim Einschneiden, son'dern zeigen sogar sehr viel blutigen Schaum, was bei solchem Verwesungsgrade der Leiche auffallen musste. Bedeutende Hirnhyperämie und ein liniendiekes Blutextravasat zwischen Pcru-rauium, und Knochen. Sinns stark gefüllt. Bei leerer Harnblase das Becktin strotzend voll. Es wurde, nächst der Reife, das Leben des Kindes nach der Geburt und Schlagfluss aus nicht zu ermit- telnder Arer;inlassung als Todesursache angenommen. 300) Sehr auffallend war bei der Inspection des reifen, männlichen, auf der Strasse to'dt aufgefundnen Kindes, dessen liuinpf wenigstens sehr grün war, ein 2 Linien breiter, flacher, weich zu schneidender, am rechten Scheitelbein braunrother, aber unsugillirter, im Uebrigen gans weicher Streifeu, der queer über den Kopf ging, vom Hinterkopf über beide Ohren und Ossa zygomatica, sich im (Besicht verlierend. Zwerch- fell zwischen 4 — 5ter Rippe. Lungen rothbraun, bläulich marmorirt; Fäulnissbläschen auf der hintern Fläche der rechten und am obern Rande der linken Lunge. Knistern und blutiger Schaum bei Einschnitt':!!. Voll- st ändige Schwimmfähigkeit beider Lungen. Das Herz leer; aber Hirn- hyperämie noch deutlich erkennbar. Wir nahmen Leben nach der Ge- burt und Apoplexie als Todesursache an, so wie ferner, dass eine ge- waltsame Veranlassung zu derselben aus der Obduetion sich nicht erge- ben habe, dass namentlich jener Streifen nicht mit dem Tode im Zusam- menhang stände und derselbe von einem Bändchen herrühre, das höchst- wahrscheinlich nach dem Tode umgelegt worden. 301) Ende Mai war ein reifes neugebornes Mädchen aus der Abtritts- grube gezogen Avorden. Die Leiche war schon graugrün, die Oberhaut abgelöst, der 2 Zoll lange, abgerissne, nicht unterbundne Nabelschnur- rest mumilicirt. Am Hinterkopf unter der Galect, wie so häufig, Erguss einer blutigen Sülze, offenbares Product des Geburtsactcs, nirgends eine Verletzung am Leichnam. Farbe der Lungen dunkelbraunroth, aber an vielen Stellen deutliche hellröthere Marmorirungen. Fäulnissbläschen von Hirsekorn- Iiis Holmeng i ns-c fanden sich hier und da auf beiden Lungen. Nicht nur Knistern, sondern auch Blutschauin waren bei wiederholten Einschnitten deutlich bemerkbar. Ihre Schwimmfähigkeit war durchweg vollkommen. Stand des Zwerchfells zwischen der fünften und sechsten Hippe. Wir nahmen Heben des Kindes nach der Geburt an, und urtheil- ten ferner, dass zur Annahme eines gewaltsamen Todes die Obduction keine Veranlassung gegeben hahe. 302) Ein nach Maass, Gewicht und sämmtlichen Durchmessern unzwei- felliaft vollkommen reifes, weibliches Kind, bei dem der Durchmesser des Knochenkerns jedoch nur eine Linie betrug, ward, mit einem lose um den Hals geschlungnen Bindfaden aus dem Wasser gezogen, zur Obduction vorgelegt. Graugrüne Verwesungsfarbe. Nabelschnur 16 Zoll lang, nicht unterbunden. Eine Reactionsspur vom Bindfaden war am Halse nicht zu linden Das Zwerchfell stand zwischen der fünften und sechsten Rippe. Die Farbe der Lungen, die die Höhle sichtlich anfüllten, war hellröthlich - bräunlich, und nur wenige, schwache Marmorirungen daran wahrnehmbar. Auch hier waren wieder viele Fäulnissbläschen auf der Peripherie beider Lungen, namentlich an der Basis. Sie knisterten wohl, aber ergaben keinen blutigen Schaum, wobei jedoch der hohe Verwesungs- grad in Erwägung kommen inusste. Die Lungen schwammen vollständig, aber auch Herz und Leber schwammen. Zu einem bestimmten Ausspruch war ein solcher Fall nicht angethan, eben so wenig aber auch zu einem gänzlichen Aufgeben des Urtheils. Unter Berücksichtigung des Zwerch- fellstandes, der Farbe und Ausdehnung der Lungen, wie ihrer Schwimm- fähigkeit einerseits, wie andrerseits aber auch der uuläugbaren Fäulniss- spuren in den Lungen und der Schwimmfähigkeit des Herzens und der Leber urtheilten wir: dass zwar nicht mit Gewissheit, aber doch mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass das Kind gelebt habe. Hinsichtlich des Bindfadens nahmen wir keinen Anstand zu erklären, dass derselbe erst nach dem Tode angelegt worden. Wir erfuhren spä- ter, dass die Leiche mit einein Stocke, an dem dieser Bindfaden be- festigt gewesen, aus dem Wasser gefischt worden war! 303) Sehr auffallende Farbe der Lungen und reines Schwimmen wegen Fäulniss fand sich in folgendem Falle. Die weibliche Frucht, aus dem Wasser gezogen, war nach allen Maassen u. s. w. acht Monate alt, hatte auch noch keinen Knochenkern. Die Verwesung war sehr weit vorge- schritten. Zwerchfell im Intercostalraum zwischen der 4ten und 5ten Kippe. Lungen ganz hellzinnoberroth, und zwar ohne Unterbrechungen durch bläuliche oder bräunliche Flecke. Sie liegen sehr zurückgezogen. Keine Spur von Blutschaum bei Einschnitten. Hirsekorngrosse Bläschen über die ganze Peripherie zerstreut. Die Lungen, die Thymus, das Herz und die Leber schwimmen vollständig. Wir mussten nach solchen Be- funden die Todtgeburt annehmen. 304) Fest in einen Sack eingenäht war im heissen Sommer ein neu- gebornes Mädchen in der Strasse todt aufgefunden worden. Die Reife war unzweifelhaft (20 Zoll Länge, ß\ Pfd. Schwere u. s. w.), der Kno- chenkern hatte jedoch nur 2 Linien Durchmesser. Körper graugrün, der Epidermis fast ganz entblösst. Zwerchfell an der 7ten Rippe. Die Leber schwarz mit grossen Fäulnissblasen besetzt, schwimmt. Milz und Nieren breiigt. Der Magen verwesungsbraunroth und leer. Harnblase leer, viel Mecoilium in Dick- und Mastdarm. Vena cuva leer. Die Lungen füllen die Brust aus, sind schmutzig-livide-roseuroth und marmo- rirt, und mit Fäulnissblasen stark besetzt. Sie knistern stark und erge- ben, bei allgemeiner Verwesungs-Anämie noch deutlich blutigen Schaum bei Einschnitten. Sie schwimmen vollständig. Caput succedaneum, nir- gends eine Spur einer Verletzung. Wir nahmen Leben an, konnten aber die richterliche Frage, wie lange das Kind gelebt habe, nicht und nur dahin, was nunmehr der Richter fragte, beantworten: dass das Kind nicht noch mehrere Tage nach der Geburt gelebt haben konnte, was nicht zu bezweifeln war. 305. bis 312. Fall. Theilweises Sinken und Schwimmen der Lungen. Die hier zusammengestellten sind einige von denjenigen, im Ganzen doch nur wenig vorgekommnen Fällen, in welchen sich Eine beider Lun- gen schwimmfähig zeigt, oder bedeutende Parthien sinken, während andere schwimmen. Wie ja aber überhaupt nicht das hydrostatische Experiment allein für das Urtheil über das zweifelhafte Leben maass- gebend ist, so müssen namentlich in solchen Fällen, wie die folgenden, die übrigen Verhältnisse des Leichenbefundes entscheiden. 305) Im Schifffahrtscanal war ein ganz verwestes weibliches Kind ge- funden worden. Es war 16 Zoll lang, und 3 Pfd. 15 Loth schwer und wurde von uns als eine achtmonatliche Frucht erklärt. Verletzungen waren nicht vorhanden. An der rechten Lunge fanden sich Fäulniss- bläschen, an der linken nicht; jene schwamm, diese sank. Zerschnitten schwammen aber nur vier Stückchen der rechten Lunge, während alle übrigen Stücke derselben gleichfalls untersanken. Knisterndes Geräusch und blutiger Schaum waren bei Einschnitten in die Substanz beider Lun- gen nicht wahrzunehmen. Die Farbe derselben war bräunlich-roth, ohne Marmorirung. Die allgemeine Blutleere im Körper war durch den hohen Verwesungsgrad leicht erklärlich. Es wurde angenommen, dass das Kind „höchst wahrscheinlich" nicht gelebt gehabt. 306) Es stand fest, dass der reife Knabe durch eine schwere Zangen- geburt geboren, und an Schlagfluss gleich darauf gestorben war. Die Spuren der Zange waren, wie gewöhnlich in solchen Fällen, sehr deut- lich an der Leiche wahrnehmbar. An der Stirn und an der Nasenwurzel fanden sieh abgeschundne, lederartig harte Hautstellen und auch auf der Hinterliaupts-Protuberanz ein ganz gleicher Fleck. Unter der Galea Ex- travasate, die Gefasse der pia mater sehr angefüllt, und die ganze Ba- sis Cranii, was selten genug ist, mit einer liniendicken Schicht dunklen dickflüssigen Blutes bedeckt. Die Farbe der Lungen war, und zwar die der rechten hellbraun mit röthlichen Flecken, die der linken dunkelbraun und ungefleckt. Die rechte Lunge zeigte bei Einschnitten ein schwaches Knistern und wenigen blutigen Schaum, die linke ergab nichts dergleichen. Die rechte schwamm bis auf drei kleine sinkende Stückchen vollkommen, und ergab wie gewöhnlich kleine Perlbläschen beim Ausdrücken unter Wasser; die linke sank vollständig. Offenbar hatte sonach nur die rechte Lunge allein zu athmcn angefangen. 307) Ein Fall von ungewöhnlichem Interesse für die Athemprobe. Ein reifes weibliches Kind (Knochenkern nur zwei Linien) war an einem Frühlingsabend auf einem Hausflur todt aufgefunden worden. Drei Tage später fanden wir die Leiche auf dem gerichtlichen Sectionstisch schon graugrün. Das Zwerchfell stand zwischen vierter und fünfter Rippe. Die Thymus hatte zerstreute Fäulnissblasen. Die Lungen lagen zurückgezo- gen. Die linke hatte eine ununterbrochen braune, die rechte eine hell- rosenrothe Farbe mit einzelnen bläulichen Marmorirungen. Als Herz und Lungen noch ungetrennt auf die Wasseroberfläche gelegt wurden, sanken sie ganz langsam unter, woraus sogleich auf eine später zu erwartende Schwimmfähigkeit einzelner Lungentheile zu schliessen war. Das Ge- wicht der rechten Lunge betrug 490, das der linken nur 390 Gran. Ein- zeln für sich schwamm die rechte Lunge, hob sich aber, unter das Wasser gedrückt, nur ungewöhnlich langsam wieder an die Fläche empor; die linke Lunge sank zu Boden. Weiter in ihren Lappen getrennt schwamm nur der obere Lappen der rechten Lunge vollständig, die beiden andern sanken langsam unter. Auch nur langsam sanken beide linke Lungen- lappeii. Endlich in kleine Stücke zerschnitten ergab sich, dass im Gan- zen etwa der vierte Theil der rechten Lunge schwimmfähig gewesen war, während nur drei Stückchen der linken Lunge sich auf dem Wasserspie- gel gehalten hatten. Kein andres Organ schwamm. Von Verwesung waren die Lungen noch niclit im Geringsten ergriffen, von denen ich noch be- merke, dass die rechte beim Einschneiden zischte und eine geringe Menge blutigen Schaum zeigte, die linke beides nicht. Offenbar hatte das Kind einige wenige Athemzüge gemacht, es war, wie gewöhnlich, zuerst Luft in die rechte, aber auch schon ein geringeres Quantum in die linke Lunge gedrungen, und ein Schlagfluss, der sich deutlich ergab, mu6ste unmittel- bar nach der Geburt dem Loben ein Ende gemacht haben. 308) Ein reifes weibliches Neugcbornes war mittelst eines Hakens, der in die Kopfschwarte eingedrungen war, im Juli aus dem Fluss gezogen Avordeu. Der hohe Verwesungsgrad Hess auf wochenlanges Verweilthaben im Wasser schliessen, denn der Kopf war schwarz und zerstört, der Rumpf grün und die Oberhaut zerstört. Das Zwerchfell stand unter der fünften Rippe. Die hellbrä'uulichen, hier und da schwach gofleckteu Lun- gen füllten das Cavum aus, waren aber mit. zahlreichen Fäulnissblasen besetzt. Kein Knistern, kein schaumiges Blut waren bei Einschnitten zu bemerken, letzteres aber leicht aus der hohen Verwesung erklärlich. Sie schwammen, bis auf vier Stückchen der linken und zwei der rechten Lunge, die untersanken. Kein andres Organ zeigte sich schwimmfähig. Bei die- ser Sachlage musste das Gutachten abgegeben werden: ,. dass das Kind wahrscheinlich eine kurze Zeit nach der Geburt gelebt gehabt"4, womit allein die sich theilweise widersprechenden Befunde vereinbar waren. Dass, wie in allen ähnlichen Fällen, über die Todesart Nichts, auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit, gesagt werden konnte, versteht sich von selbst. 309) Ein, dem vorigen ganz ähnlicher Fall. Am 1. November war in einem Strauch im Garten die Leiche eines männlichen Neugebornen gefunden worden, die uns am 5. bei dem kalten Herbstwetter noch sehr frisch vorgelegt wurde. Stand des Zwerchfells zwischen der 5ten und 6ten Rippe, Lungen braunroth; an der rechten einzelne helle In- seln, die an der linken fehlten. Die Lungen, mit dem Herzen verbun- den, sinken. Davon getrennt schwimmt die gauze rechte Lunge, die ganze linke sinkt. Die rechte ergiebt Knistern und Blutschaum, die linke nicht. Zerschnitten sinken nun wieder vier Stücke der rechten Lunge noch unter, so wie sämratliche Stücke der linken. Hiernach konnten wir ein „kurzes" Leben nach der Geburt mit Gewissheit annehmen. 310) Auch hier ein nur einseitiges Schwimmen, aber unter andern be- gleitenden Erscheinungen. Der neugeborne Knabe .war im Juni aus der Spree gezogen worden. Eine ächte, ganz faule, schwarzgrüne Wasser- leiche! Das Zwerchfell stand hoch zwischen dritter nnd vierter Rippe, die Lungen lagen ganz zurückgezogen, hatten eine Chocoladenfarbe ohne alle hellere Inseln und viele zerstreute Fäulnissblasen, namentlich sehr grosse und reichliche auf der rechten. Mit dem Herzen schwammen die Lungen, davon getrennt schwamm die rechte, die linke sank. In keiner Lunge Hess sich Knistern und Blutschaum beim Einschneiden wahrneh- men. Zerschnitten blieb die linke Lunge vollständig schwimmunfähig, während auch noch etwa die Hälfte der rechten Lunge nunmehr unter- sank. Es war nach diesen Befunden kein Zweifel, dass die geringe Schwimm- fähigkeit der rechten Lunge lediglich auf Rechnung des Fäulnissprocesses zu setzen war. Alle übrigen Befunde sprachen übereinstimmend für Todt. geburt, welche auch angenommen wurde. 311) Das Kind mit Nabelschnur und Placenla, war Ende August im Wasser gefunden worden. Der Leichnam war grau, die ganze Epider- mis abgetrennt. Von der Obduction genüge es, hier anzuführen, dass die leberfarbne rechte Lunge untersank, die linke,die eben so braun und un- raarmorirt, aber durchweg mit Fäulnissblasen besetzt war, schwamm. Aber auch Herz und Leber schwammen. Olfenbar war hier das einseitige Schwimmen nur ein Fäulnissergebniss, und deshalb wurde auch das Ur- theil über Leben und Tod des Kindes nach der Geburt ganz zurück- gehalten. *) 312) In diesem Falle bedingte Hepatisation ein theilweises Sinken der schwimmfähigen Lungen. Das Kind war erst am vierten Tage an Pneu- monie gestorben, also kein Neugebornes mehr. Es fand sich rothe He- patisation in beiden Lungen und alle hepatischen Stücke sanken unter Wasser (wie immer) unter, während die übrigen Lungenstücke zwar nicht knisterten, aber doch noch schwammen. **) 313. bis 315. Fall. Lufteinblasen bei gerichtlichen Fällen. Wir haben oben (S. 740) übereinstimmend mit der allgemeinen Er- fahrung behauptet, dass und warum in der forensischen Praxis der Ein- wand von künstlichem Aufblasen todtgeborner Lungen gar nicht Statt finden könne. Es müssen immer, wenn auch nur an die Möglichkeit ge- dacht werden soll, dass manche Erscheinungen, die auf das Geathmetha- ben deuten, von solchem Einblasen herrühren könnten, eigentümliche Umstände zusammentreffen. So war es der Fall in folgenden drei, den *) Vgl. den 342. Fall. **) Fälle vom Schwimmen Einer und Sinken der andern Lunge vgl. auch noch 213. und unten 342. Fall. einzigen Fällen, die uns, als in diese Rubrik gehörig vorgekommen sind, was schou die grosse Seltenheit derselben beweist. 313) Eine Dienstmagd hatte heimlich bei ihrer Herrschaft geboren, und war sofort nach der Geburt aus dem Hause gestossen worden! Sie trieb sich mit dem Kinde im nasskalteu Februarwetter obdachlos umher, bis sie in einem Krankenhause Aufnahme fand. Das Kind war todt, sie be- hauptete aber, es noch kurz zuvor schreien gehört zu haben. Es wur- den Wiederbelebungsversuche angestellt durch ein warmes Bad, durch Frottiren und Schwenken des Leichnams, aber nicht, wie polizei- lich deponirt worden war, durch Lufteinblasen. Bei der Section ergaben sich an hierher gehörigen Befunden: Stand des Zwerchfells zwischen vier- ter und fünfter Rippe; Magen und Harnblase leer, viel sehr dunkles Me- COnium; untere Hohlvene sehr gefüllt; die ausgedehnten Lungen rosen- roth, stark blau marmorirt; Zischen und blutiger Schaum bei Einschnit- ten; vollständigste Schwimmfähigkeit; Herz blutleer; Luftröhre Jeer; Hirn- hyperämie. Trotz der, unter den obwaltenden Umständen immer noch bestehenden Möglichkeit des dennoch geschehenen Lufteinblasens in die- sem Falle konnten wir, nach den im Texte ausführlich dargelegten Grund- sätzen, nicht anstehn, zu erklären, dass das Kind gelebt habe. Ausser- dem wurde Blutschlagfluss aus nicht zu ermittelnder Veranlassung als Todesursache des Kindes angenommen. 314) Ein höchst intricater Fall, der, wenn man sich nicht bei meinem Gutachten begnügt und denselben in die verschiednen technischen In- stanzen gebracht hätte, gewiss Anlass zu auseinandergehenden Urtheilen ge- geben haben würde, deren Berechtigung ich, unter so eigenthümlichen Ver- hältnissen, vollkommen anerkenne. Ein achtmonatliches weibliches Kind (noch ohne Knochenkern) war unehelich geboren worden. Nach Angabe der Mutter, die darüber anscheinend betrübt war, sollte dasselbe gar nicht geschrieen gehabt haben. Sehr bald nachher wurde ein (sehr un- bekannter) Arzt gerufen; er fand das Kind leblos und blies ihm, bei zugehaltner Nase, Mund auf Mund Luft ein. Dass dieselbe hier nicht in den Magen gedrungen war, bewies die Section, da derselbe leer und zusammengefallen wie gewöhnlich war. Das Zwerchfell stand zwischen vierter und fünfter Rippe. Leber und V. cava enthielten viel dickflüssi- ges Blut. Die rechte Lunge füllte die Brusthöhle aus, die linke lagzurm k- gezogen. Beide Lungen waren entschieden hellbraunroth, hier und da gefleckt, wogegen der mittlere Lappen der rechten Lunge auffallend durch helle Zinnoberröthe abstach, in welcher sich keine Spur von Marmorirung zeigte. Beide Lungen knisterten bei Einschnitten und ergaben sehr reich- lichen blutigen Schaum. Beide Lungen waren durchweg schwimmfähig Die Luftröhre leer und ganz normal. Im Schädel fand sich nicht nur eine sehr merkliche Hyperämie, sondern sogar kleine inselförmige Extra- vasate auf der Gehirnbase. Was sollte bei den bekannt gewordnen That- sachen und nach diesen Befunden geschlossen werden? Die so auffallend von der übrigen Lungenfarbe abstechende Zinnoberröthe des mittleren rechten Lungenlappens, ohne Marmorirung, eine Färbung, wie sie künst- lich aufgeblasene Lungen immer und ohne Ausnahme annehmen, deutete allerdings auf ein in so weit gelungenes Einblasen. Allein die licht- braune Farbe des übrigen Lungengewebes^ die, wenn auch hier nicht grade sehr zahlreichen, so doch vorhandnen Marmorirungen, die Schwimm- fähigkeit der wie die ganze Leiche sehr frischen Lungen in ihren klein- sten Theilen, bis wohin künstlich die Luft nicht hatte gelangen können, weil sonst die Färbung der Lungen nothwendig eine ganz andre gewesen wäre, eben deshalb ferner das Zischen der entweichenden Luft bei Ein- schnitten und hierzu endlich und ganz besonders die grosse Menge Blut, die die Lungen enthielten, und die niemals durch blosses Aufblasen hätte hineingelangen können, alle diese Gründe bestimmten mich zu der Erklärung: dass das Kind in und nach der Geburt gelebt habe (und an Apoplexie, aus einer Veranlassung, die dieSection nicht habe ermitteln lassen, gestorben sei) wobei die Möglichkeit, dass bei dem verstorbnen Kinde noch Luft künstlich in die Lungen gelangt gewesen sei, nicht ausgeschlossen wurde. 315) In diesem Falle geschah die Obduction wegen vermutheter Fahr- lässigkeit der Hebamme. In deren Wohnung und unter ihrer Pflege war ein Mädchen vou einem reifen Knaben (19^ Zoll, G Pfd., Knochenkern nur 2 Linien) entbunden worden. Die Entbindung sollte fünf Stunden gedauert haben, und das Kind, nach Aussage der angeschuldigten Heb- amme, todtgeboreu worden sein. Als ihr jedoch später unser Gutachten, das dieser Behauptung entgegenstand, vorgehalten wurde, und das der- selben im Uebrigen sehr günstig ausfiel, wodurch die sehr geängstigte Person ihre Ruhe wieder gewann, äusserte sie, ihre frühere Deposition beschränkend, wörtlich: „ob indessen das Kind wirklich einigemale auf- geathmet, kann ich mit Bestimmtheit nicht angeben, weil das Deckbett mich an der sofortigen Besichtigung des Kindes unmittelbar nach der Geburt verhinderte." Der Umstand, dass sie die Kreissende im entschei- denden Augenblicke verlassen haben sollte, so wie der, dass leichte Zer- kratzungen am Kopfe der Leiche gefunden worden, hatte die Einleitung der Voruntersuchung veranlasst. Bei s der Obduction gegenwärtig, hatte sie erklärt, dass das Kind, beim langen Einstehn in der vierten Geburts- lage, eine Kopfgeschwulst bekommen habe, und todtgeboren worden sei. Sie hätte nun versucht, die „ üblichen" Wiederbelebungsversuche vorzu- nehmen, „die namentlich darin bestanden, dass icli da« Kind erst auf den Hintern schlug, ein warmes Bad anwandte, eine Clysticrspritze mit Wasser auf dio Herzgrube des Kindes ausleerte und melirere Luftbäder gab, worauf ich dio nicht pulsirende Nabelschnur unterband*. Später änderte sie ihre Aussage dahin i dass sie erst die Nabelschnur besorgt und dann die Rettungsversuche angestellt habe, zu denen auch, „wie sie früher zu sagen vergessen-', der gehört habe, dass sie mit ihrem Mund in den Mund des Kindes Luft „einzuhauchen" versucht hätte. Der Fall ereignete sich Anfangs April und die vorgelegte Leiche war noch ganz frisch. Ich bemerke gleich hier, dass die angebliche Zerkratzung nichts war, als eine kleine, ganz unerhebliche Sugillation auf dem linken Scheitelbein, die wir als Resultat einer verzögerten Geburt ansprachen. Das Zwerchfell stand zwischen der fünften und sechsten Rippe. Leber, Milz und Hohl- ader sehr blutreich; Magen, Harnblase und Rectum leer. Die Lungen füllten die Höhle ziemlich aus und es erreichte auch die linke mit ihrem Rande die vordere Fläche des Herzbeutels. Ihre Farbe war zinnoberroth und zeigte, wenn auch nur „an wenigen einzelnen Stellen eine bläuliche Marmorirung". Sie schwammen mit und ohne Herz, einzeln und in Stücke zerschnitten vollständig und ergaben Knistern und vielen blutigen Schaum; die Luftröhre war leer; das rechte Herz blutleer, das linke enthielt nur einige Tropfen Blut. Die blutige Sülze der Kopfgeschwulst fehlte nicht; die Venen der pia maier und die sämmtlichen Sinus waren sehr gefüllt. Wir gaben aus denselben Gründen, wie im vorigen ähnlichen Falle, ein ähnliches und zwar, wie folgt, formulirtes Gutachten ab: dass al- lerdings anzunehmen, dass das Kind in und nach seiner Geburt ge- lebt gehabt habe, dass es an Blutschlagfluss verstorben sei, und dass aus den Resultaten der Obduction eine Schuld der Hebamme am Tode des Kindes in keiner Weise erhelle. — In beiden hier erzählten Fällen war Kindern, welche kurz nach der Geburt geathniet hatten und dann ver- storben waren, Luft von Technikern eingeblasen worden, und auch wirk- lich etwas Luft in die Lungen gedrungen. Aber alle diese hier mitge- theilten drei Fälle hatten iu ihrer Kigenthümliehkeit und bei den, natür- lich und sogleich bekannt gewordnen Umständen gar keine Beziehung zu der grossen Masse der gewöhnlichen Obductionen Neugeborner, die zur Anstellung der Athemprobe Veranlassung geben. 316. und 317. Fall. Zur Blasen- und Mastdarm-Probe. Obgleich wir oben (§. 101. S. 764) der sog. Blasen-und Mastdarm- Probe allen und jeden Werth, selbst den eines nur unterstützenden Be- weismittels absprechen mussten. obgleich die vorstehend erzählten Fälle schon Beweise genug für die Richtigkeit unsrer Behauptung geben, so mögen dennoch hier noch zwei ausgewählte Fälle deshalb Platz finden, weil Leben und Tod des Neugebornen in beiden Fällen vor der Obduc- tion durch Zeugen, die bei der Geburt anwesend gewesen, festgestellt waren, und die Section nur aus andern Gründen verfügt wurde, die Fälle aber sehr auffallend die Werthlosigkeit dieses angeblichen Criterii darthaten. 316) Ein reifes weibliches Kind wurde unter den Augen von Hausge- genossen todt geboren. Ein junger Arzt hatte die assistirende Heb- amme denunciirt und angegeben, dass dieselbe durch fahrlässiges, vor- zeitiges Verlassen der Kreissenden Veranlassung zur Todtgeburt gegeben habe. Das Zwerchfell des Kindes staud zwischen der dritten und vier- ten Rippe. Die leberbraunen, compacten Lungen ergaben weder Zischen noch blutigen Schaum bei Einschnitten, sanken vollkommen und in allen Stücken unter u. s. w., der Dickdarm war voll, aber die Harnblase ent- hielt nicht Einen Tropfen Urin. 317) Ein andres reifes weibliches Kind war gleichfalls unter den Augen der Verwandten, aber lebend geboren worden, hatte lebhaft geschrieen war aber bald, und wie sich bei der Section zeigte, an wirklicher Hirn- hämorrhagie (anderthalb Drachmen flüssiges Blut lagen auf dem Hirn- zelt ausgebreitet,) gestorben. Eine unbefugte, sog. Wickelfrau hatte die ganz natürliche Entbindung geleitet, und der Fall kam deshalb zur rich- terlichen Cognition. Die Athemprobe zeigte die Wirkungen der Statt gehabten Respiration auf das Glänzendste; aber Blase und Mastdarm waren strotzend voll! Ca i per, gerichtL Medicin. 50 Drittes Kapitel. Spccifiscke Todcsarteii der Neugebornen. §. 107. Allgemeines. Der neugeborne Mensch kann wie der in allen andern Le- bensaltern auf natürliche, wie auf jede denkbare gewaltsame Weise sterben, durch Verletzungen aller Art, durch Erdrosseln, Ertränken, Verbrennen, Vergiften u. s. w. Sämmtliche gewalt- same Todesarten aber sind jn den frühern Kapiteln bereits er- läutert, und es kann nicht die Absicht sein, dieselben noch ein- mal in Bezug auf Neugeborne zu besprechen, da sie in dieser Beziehung gar nichts Eigentümliches darbieten, und z. B. die Diagnose des Erdrosselungs- oder Verbrennungstodes u. s. w. beim Neugebornen wesentlich ganz dieselbe ist, als beim Er- wachsnen. Wohl aber interessiren den Gerichtsarzt und be- schäftigen ihn in der Praxis nicht selten solche Verletzungen und Todesarten, die ausschliesslich und der Natur der Sache nach nur allein beim Neugebornen vorkommen und vorkommen können, so wie die Leichenbefunde, die zu diagnostischen Irr- thümern und unrichtigen Gutachten in Betreff dieser Verletzun- gen und Todesarten Veranlassung geben können, und diese specifischen Verletzungen und Todesarten haben wir im Fol- genden zu betrachten. Wir fassen hierbei wieder vorzugsweise auf unsern eigenen Beobachtungen an fast achtzehn hundert Leichen von neugebornen, theils todtgebornen, theils bald nach der Geburt verstorbnen Kindern, die wir amtlich theils nur zu besichtigen, theils aber gerichtlich vollständig zu obduciren gehabt haben. Diese specifischen Verletzungen und Todesarten treffen das Kind entweder schon vor, oder in oder nach der Geburt. §. 108. Tod des Kindes vor der Geburt Verletzungen in Utero. „Vorsätzliche Tödtung*) der Frucht im Mutterleibe durch äussere (oder innere) Mittel" von Seiten der Mutter oder eines Dritten mit oder ohne Einwilligung oder Wissen und Willen der Schwangern, ist im Strafgesetzbuch (§§. 181. 182.) mit sehr harten Zuchthausstrafen bedroht. Es entsteht die Frage: ob denn überhaupt durch „äussere Mittel" in der weitesten Be- deutung des Wortes, also auch durch Stoss, Tritt, Wurf gegen den schwangern Leib, Fall u. s. w. die Frucht im Uterus ver- letzt und dadurch getödtet werden kann! Ein solcher Zwei- fel über die Entstehung von Verletzungen des Kindes im Mutterleib e auf gewaltthätige Weise scheint nicht gerechtfertigt, wenn man erwägt, dass alle, selbst die besten und neusten Lehrbücher über Geburtshülfe und gerichtliche Medicin einstim- mig jedes Bedenken, hergenommen von der Lage des Fötus im schützenden Fruchtwasser, mit der Versicherung zurückgewie- sen, „dass die Erfahrung darüber längst entschieden habe." Die Erwägung indess, dass uns niemals auch nur ein einziger Fall vorgekommen, in welchem nach der Sachlage der Gedanke an die Möglichkeit solcher intrauterinen Verletzungen hätte auf- kommen können, die Erwägung, dass es im Ganzen nur ver- hältnissmässig sehr wenige Fälle sind, die zur öffentlichen Kennt- niss gekommen und dass diese Fälle immer wieder als Beläge citirt werden, musste wohl zu einer Prüfung dieser sogenann- ten „Erfahrungen" auffordern. Das Ergebniss derselben mitzu- theilen ist, bei der hohen strafrechtlichen Wichtigkeit der Sache, hier ganz am Orte. Der älteste derartige Fall ist der von Va- lentin**) mitgetheilte. Eine Schwangere war von einem Manne in einem Handgemenge in die linke Seite getreten worden. *) oder Abtreibung, die wir, als nicht zum Thema dieses Buches gehö- rig, unerörtert lassen. **) Corp. jur. med. ley. constaus e Pandectis etc. Francof. 1722. Fol. Pars. I. Sect. II. Gas. 18. de coittusione abdominis in gruvidu, abortum caumnte. 50* Vierzehn Wochen darauf gebar sie einen gesunden Knaben und am folgenden Tage noch einen zweiten todten Knaben. „Gute a cranio separate, in omnibus capitis ossibus, v. g. osse fron- tisy osse syneipitis dextro et sinistro, osse oeeipitis, rubicundae quae- dam et sanguine suffusae maculae, grossi aut quartae Iniperialis partis magnitudine repertae fuerunt, quae tarnen omnino recentes cum sanguine videbantur. (? Und die Verletzung hatte ein Viertel- jahr vorher Statt gefunden?) Pariliter omnes suturae plus quam in recens natis observatur, distabant, ut ossa ad digiti latitudinem sibi invicem imponipotuermt" Die Frucht aber war — im höch- sten Grade verwest!! Denn die Leber war schwarz, weich, so dass sie digitis commmui potuerit, die Lungen waren, wenig- stens rechts, schwarz, ut partim putridi u. s. w. und brachium dextrum latusque dextirum fere nudum et cuticula destitutum vide- bantur, imo totum corpus ita pene constitutum erat! Der Fall hat, wie man hiernach sieht, gar keinen Werth und beweist im Geringsten nicht, was er beweisen soll, da jedes todtfaul ge- borne Kind mehr oder weniger dergleichen Erscheinungen zeigt. — Wenn man ferner Ploucquet citirt, so wird man im Ge- gentheil im Original finden *), dass er, indem er eine Beobach- tung von Gardner anführt und eine zweite von Glocken- giesser, vielmehr selbst Zweifel ausspricht und die Annahme einer solchen Einwirkung sehr beschränkt wissen will. Gard- ner's Fall betraf eine schwere Gebnrt, bei welcher das Kind mit einer Kopfgeschwulst und mit zerbrochnen Lendenfortsätzen des Rückgrats geboren wurde. „Es schien als wenn dieser Theil des Kindes wäre verletzt worden, welches, wie man aus dem Alter des Kindes und der Fäulniss schliessen konnte, wenigstens einen Monat vor der Entbindung musste geschehn sein. Als ich die Frau fragte, ob sie in ihrer Schwangerschaft einigen Schaden gelitten hätte, so gab sie zur Antwort, dass *) Abhandl. über die gewaltsamen Todesarten. 2. Aufl. Tübingen 1788. S. 281 u. f, sie vor ungefähr zwei Monaten einen heftigen Stoss auf den Unterleib bekommen, da sie auf den Rand eines grossen Wasch- korbes gefallen wäre." Also der Fall auf den Bauch zwei, die Ver- letzung Einen Monat alt! Eine schwere Geburtsarbeit und eine ver- weste Frucht! Wahrscheinlich waren die Wirbelbrüche erst im Gebäract erfolgt. Vom Glockengiesser'sehen Fall erfährt man nur, dass „der Hirnschädel in fünf Stücke zertheilt" gewe- sen, aber durchaus nichts weiter über Schwangerschaft und Ge- burt! — Auch der von Klein mitgetheilte Fall*) giebt zu Zweifeln Anlass. Das Kind, dessen Mutter in der 34sten Woche in ein Loch gestürzt war, wurde zwar natürlich, leicht und schnell geboren, brachte aber „eine kurze, missgebildete, linke Unter- extremität zur Welt, deren Schienbein in der Mitte gebrochen war." Ein hinzugerufener Wundarzt „überzeugte sich nicht von der Anwendbarkeit einer Cur" und nahm „eine monströse Bil- dung" an. Später fühlte zwar ein Gerichtsarzt „einen deutlichen Cattu8u, man sieht indess, dass es sehr zweifelhaft bleibt, ob überhaupt ursprünglich der nur von einer Landhebamme be- hauptete, nachher bestrittene Bruch wirklich vorhanden gewe- sen, und ob ein solcher nicht etwa einer Krankheit des missge- bildeten Knochens zuzuschreiben gewesen sei. Neuere „Erfah- rungen" sind nicht schlagender. In dem von Mende*) mitge- theilten Falle hat die Greifswalder Facultät in einem sehr gründ- lichen Gutachten bereits angenommen: „dass das Kind nicht vor Anfang der Geburt durch eine, dem Leibe der Mutter zu- gefügte äussere Gewalt tödtlich verletzt und davon in vier Ta- gen nach der Geburt gestorben sei, sondern dass vielmehr bei der Unvollkommenheit der Section und des höchst mangelhaften Berichts der Hebamme von dem Hergange der Entbindung zwar nicht mit vollkommner Gewissheit, doch mit Wahrscheinlich- keit anzunehmen sei, dass das Kind jene schwere Verletzungen, *) Kopp, Jahrb. der Staatsarzneikunde. X. S. 64. '*) Henke's Zeitschr. u. s. w. III. S. 277 u. f. nämlich die Sugillation am Kopfe und den Bruch des rechten Scheitelbeins unter der Geburt selbst erhalten habe." — Ohne Zweifel war dies auch der Fall bei dem von Hirt*) be- schriebnen Kinde, das todtgeboren wurde „mit ungewöhnlich grossem und ungewöhnlich stark verknöchertem Kopfe", dessen Mutter „ein zu enges Becken hatte" (sie) und „dessen rechtes Scheitelbein durch drei Fissuren zerbrochen, die Membranen, an mehrern Stellen zerrissen, und alle Knochen von ausgetre- tenem Blute roth waren." — Das Kind des Albert'schen Fal- les **), dessen Mutter zwei Tage vor der Entbindung mit dem Bauche auf einen Gränzstein gefallen war, kam todt zur Welt und zeigte das linke Scheitelbein aus seiner Verbindung ge- rissen und einen Bruch, durch welchen Gehirnmasse getreten war. Die Beschreibnng der Verletzung ist ganz unklar, die Hauptsache aber ist, dass man über den Verwesungsgrad der Leiche keine Silbe erfährt. — Der Fall von Becher***) be- trafeine Steissgeburt, die durch die Zange beendigt wurde: der von Hornf) ein Kind, das von seiner verehelichten Mut- ter ausserehelich empfangen und von dieser nach der Geburt verscharrt worden war! Unter solchen Umständen Kopfver- letzungen zu finden, gehört allerdings nicht zu den Seltenheiten; dieselben aber, während die Erklärung ihrer Entstehung so nahe liegt, auf Gewaltthätigkeiten in der Schwangerschaft zu- rück zu führen, verbietet die medicinische Logik. Es muss höchlich auffallen, dass, während roheste Behandlung von Schwangern aus der niedern Volksciasse, Stoss gegen harte Gegenstände, Fall u. dgl. so alltäglich, dennoch Fälle von Ein- wirkungen der hier besprochnen Art auf die Frucht so unge- mein selten sind. Und wenn man obenein sieht, wie sich jene *) de cranii neonator. .fissvris diss. Lips. 1815. Ich citire nach Metz- ger's System u. s. w. von Remer. 5. Aufl. Königsb. 1820. S. 417. **) Henke, Zeitschr. XVIII. S. 441. ***) Ebendas. XXVI. S. 239. t) Dessen Archiv u. s. \v. 1819. Sept.-, October-Heft. „Erfahrungen" zu der, ganz ungesuchten Critik verhalten, so erseheint es gerechtfertigt, anzunehmen: dass es noch keines- weges bewiesen ist, dass bei der Frucht Knocheneindrücke und Knochenbrüche intrauterin durch Gewaltthätig- koiten auf den Leib der Schwangern erzeugt werden können. Tödtliche Einwirkungen andrer Art, namentlich alle solche, die durch blosse Erschütterung des Uterus und der Frucht bedingt werden, können nicht bezweifelt werden. Dahin gehören Trennung der Placenta mit ihren Folgen, tödtliche Ge- hirnerschütterung bei der Frucht, so wie Gefäss- und selbst Organen-Rupturen und daraus resultirende Blutaustretungen. Wenn diese Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, so werden Befund und Umstände im concreten Falle, und nament- lich die Feststellung der Todtgeburt, das Urtheil des Gerichts- arztes leiten, wobei die Erwägung, dass immerhin dergleichen Fälle zu den grössten Seltenheiten gehören, vor übereilter Be- schönigung einer erst nach der Geburt entstandnen Tödtung des Kindes schützen wird. Weit häufiger als der gewaltsame ist der natürliche Tod der Frucht im Uterus, zumal bei denjenigen Geburten, die fast ausschliesslich den Gerichtsarzt beschäftigen, den unehelichen. In Berlin ist unter den ehelichen Geburten erst die 25ste, unter den unehelichen schon die 12te eine Todtgeburt.*) Die ge- wöhnlichsten, in der Leiche nachweisbaren Krankheiten, die den Fötus in Utero tödten, sind: abnorme Lage und Missbildungen von Organen, Hydropisieen, Pemphigus u. s. w., deren genauere Schilderung nicht hierher gehört. *) S. meine Beiträge zur medic. Statistik und Staatsarzneikunde. Ber- lin, 1825. S. 172. §. 109. Tod des Kindes in der Geburt a) Subcutane Blutergüsse. Cephalaematom. Der all erhäufigste, ja alltägliche Tod des Kindes in und während seiner Geburt ist der durch Hirnhyperämie. Sie stellt sich in der Leiche dar entweder nur als sichtliche Congestion in den blutführenden Hirnhäuten, dem Gehirn selbst und den Sinus, oder aber als wirkliche Häinorrhagie, entweder, was selt- ner, innerhalb der Schädelhöhle an den verschiedensten Stellen, oder, ungernein häufig, als Extravasat von wirklich geronnenem Blut, durch Bersten von überfüllten Capillaren oder Venen, in- tercellulär zwischen Galea und Pericrcmium, was die gewöhn- lichste Form, oder unter der Beinhaut, was viel seltner vor- kommt. Der Sitz dieser Sulzergüsse ist in der Regel das hin- tere Drittheil der Scheitelbeine bis zur Hälfte des Hinterhaupt- beins, sie kommen aber auch, je nach der Stellung des Kinds- kopfes in der Geburt, weiter nach vorn, selbst bis zum Stirn- bein, und seitlich auf den Scheitelbeinen vor. Die Kopfschwarte erscheint äusserlich dabei im Geringsten nicht verfärbt, und bei frischen Leichen oft gar nicht angeschwollen, zuweilen ist aber auch, selbst nach heimlichen, also präsumptiv rasch beendeten Geburten ein geringer und sichtlicher Grad von gewöhnlicher (ödematöser) Kopfgeschwulst vorhanden. Trennt man nun die Galea von den Knochen, so sieht man augenblicklich entweder die Blutsulze in den Zellen des Zellgewebes beutelartig hängen, oder, und zwar oft gleichzeitig, ein etwa liniendickes Extravasat von dunklem Blute auf dem Pericranium liegen. In einzelnen Fällen, die vollends fast alltäglich zu nennen siud, beobachtet man dergleichen Extravasate nur inselförmig neben einander lie- gend, in vielen andern sind ganze zusammenhängende Parthieen an den geschilderten Stellen am Kopfe damit bedeckt. Es ist von der äussersten Wichtigkeit, die ungemeine Häufigkeit des spontanen Vorkommens dieser subaponeurotischen Blutsulzextra- vasate zu beachten, um nicht, was bei mangelnder Erfahrung sehr verzeihlich, daraus sofort auf eine, dem Kinde angethanene Gewalt zu sehliess&i. Diese Ergüsse sind überhaupt an sich nicht die Todesursache, wie der Umstand beweist, dass sie un- gemein häufig bei Kindern gefunden werden, deren anderweiti- ger Tod ganz feststeht; ja ihre Entstehung ist durch den Pro- cess des Gebäractes, selbst bei schnellen (heimlichen) Geburten, so leicht erklärlich, und ihr Vorkommen, wie gesagt, so all- täglich, dass die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass der- gleichen Gefassrupturen ausserhalb der Schädelhöhle überhaupt bei Neugebornen auch unter den günstigsten Umständen in der Privatpraxis weit häufiger vorkommen, als gewöhnlich geglaubt wird, und dieselben sich nur der Beobachtung entziehn, weil sie sich beim leben bleibenden Kinde allmälig resorbiren (vgl. § 102.). Finden sie sich in der Leiche, so sind nicht sie, son- dern die gleichzeitig entstandne wirkliche Hirnhyperämie die Todesursache gewesen. Dass diese Hyperämie das Kind schon unmittelbar vor, so wie in und während der Geburt tödten kann, sieht man ungemein häufig bei ganz unzweifelhaft todtge- bornen Kindern, die diese subcutanen Ecchymosen in geringe- rer oder grösserer, oft in sehr grosser Ausdehnung zeigen kön- nen. Dass daher umgekehrt dieser Befund im Geringsten nicht das Leben des Kindes nach der Geburt beweist, darauf ist hier, nach dem, was bereits oben (§. 102. S. 765) darüber be- merkt, nicht zurückzukommen. *) An diese Erscheinung schliesst sich die bekannte des eigent- lichen Cephalämatoms, der Kopfblutgeschwulst. Aber diese, eigenthümliche Blutextravasation hat keinesweges die Bedeutung für die gerichtliche Medicin, welche ihr die bloss theoretischen Schriftsteller so häufig vindiciren. Sie kommt nämlich in der gerichtsärztlichen Praxis fast niemals, und zwar aus dem ein- fachen Grunde nicht, vor, weil diese es nur mit neugebornen Kindern zu thun hat, das Cephalämatom aber erst mehrere *) Vgl. über diesen Befund in diagnostischer Hinsicht noch §. 115. Tage nach der Geburt in die Erscheinung tritt. Selbst im et- wanigen vorkommenden Falle abör — der mir am gerichtlichen Sectionstisch noch niemals begegnet ist — würde die oft ge- hörte Warnung vor einer Verwechslung dieser Blutgeschwulst mit einer Sugillation durch äussere Gewalt bei einem Arzte, der nicht gradezu Anfänger, vollkommen überflüssig sein, da schon allein die eigenthümliche scharfe Begränzung des Cephalhäma- toms, die bekanntlich vermeintlich sogar eine runde Knochen- öffhung deutlich fühlen lässt, dasselbe auf die handgreiflichste Weise von einer Sugillation unterscheidet, die niemals scharf begränzt, sondern immer diffus und unregelmässig gestaltet und gerändert ist. §. 110. Fortsetzung, b) Kopfverletzungen. Ossificationsdefecte an den Schädelknochen. Dass in dem und durch den Gebäract die Schädelknochen des Kindes theils einknicken, theils brechen können, ist unzwei- felhaft und durch die geburtshülfliche Erfahrung und Literatur längst festgestellt. Wenn aber die gerichtsärztliche Praxis nur in seltnen Fällen sich mit Fissuren und Fracturen am Schädel Neugeborner, deren Entstehung, den Umständen nach, auf Rechnung des Gebäractes selbst zu schreiben, zu befassen hat, so wird auch dies wieder durch den Umstand leicht erklärt, dass diese Gewalttätigkeiten meistentheils durch erschwerten Geburtsact bedingt werden, sei derselbe vom Kinde oder vom mütterlichen Becken aus erschwert gewesen, während der Na- tur der Sache nach gewöhnlich nur die Früchte der heimlichen, also der schnell, folglich mehr oder weniger sehr leicht been- deten Geburt der richterlichen Cognition anheimfallen. *) Aus eben diesem Grunde kommen Brüche an den Extremitäten, Brüche des Rückgrats, Bersten des Schädels mit Hervorspritzen des Gehirns und ähnliche Wirkungen eines höchst erschwerten, *) Ueber Kopfverletzungen nach der Geburt vgl. §§. 114. 115. langsam verlaufenen, gewaltsamen Gebäractes in der gericht- liehen Praxis nicht vor. Eher noch wird ein blosses Einknik- ken, eine Impression der dünnen Kindskopfknochen, namentlich der Seitenwandbeine, beobachtet, welche auch bei verhältniss- mässia- leichtern Geburten schon durch den Druck eines stark hervortretenden Promontoriums hervorgebracht werden kann. Als Todesursache an sich ist eine solche Impression nicht zu erachten, da sie oft genug auch bei leben bleibenden Kindern in der Praxis gesehn wird. Eine schon bedeutendere Folge des Gebäractes sind Fissuren, die, bei der grossen Dünne der Schädelknochen des Neugebornen, zugleich Fracturen sind. Dieselben können, wie genaue Beobachtungen *) gezeigt haben, möglicherweise auch entstehn bei nicht besonders ver- langsamtem und erschwertem, vollends ohne Kunsthülfe beende- tem Gebäract, folglich auch bei Erst- und bei heimlich Gebärenden. Mit Unrecht hat man diese Fissuren und Frac- turen wohl „angeboren" genannt, als wenn sie schon beim Fö- tus vor der Geburt vorhanden gewesen wären, während sie doch erst in der Geburt entstehn. Sie tödten das Kind sofort oder nachdem es, wie später die Athemprobe lehrt, einigemale aufgeathmet hatte, oder das Leben wird selbst noch mehrere Tage erhalten, und erlischt dann unter den Zeichen des wach- senden Hirndrucks. Sie kommen fast ohne Ausnahme nur in den Scheitelbeinen vor, meist nur in Einem, bald und gewöhn- lich transversell von der Pfeilnath oder nach derselben hin sich erstreckend, bald oder seltner in der Richtung vom Stirnbein mehr oder weniger parallel mit der Pfeilnath verlaufend. In der Mehrzahl der Fälle ist nur Eine solche Fissur vorhanden, zuweilen aber auch mehrere. Bei genauer Untersuchung pflegt sich eine schwache Sugillation der feingezackten Ränder zu zei- *) Von CaruB, d'Outrepont, Höre und Mende; s. C. F. Hedin- ger, über die Knochenverletzungen bei Neugebornen in med. ger. Hinsicht. Leipzig 1833. gen. Ihre Diagnose von Fissuren und Fracturen, die erst nach der Geburt des Kindes durch irgend welche extrauterine Insul- tation des Kopfes entstanden, kann schwierig sein und wird be- sonders durch die jedesmaligen Umstände des concreten Falles festgestellt werden müssen. Spuren einer erlittenen Gewalt, die äusserlich an der Leiche wahrnehmbar sind, Sugillationen oder Verwundungen der Kopfschwarte, die bei den hier in Rede ste- henden, sogenannten „angebornen" Fissuren und Fracturen feh- len, anderweitige Verletzungen am Kindskörper, und innerlich namentlich erheblichere abnorme Befunde an den Hirnhäuten, dem Gehirn, den übrigen Schädelknochen, wohl gar der Schä- delbase, deuten auf Entstehung der Fissur nach der Geburt. Ein nicht allzu selten vorkommender Umstand datreuen lässt mit grösster Wahrscheinlichkeit, wenn nicht mit Gewissheit, auf Entstehung in der Geburt schliessen, mit AUem, was für die criminalrechtliche Behandlung des Falles daraus folgt. Ich meine den Befund eines Ossific ationsdefectes in den Schä- delknochen bei Neugebornen. Auflallend ist, dass dieses sehr wich- tigen , so leicht zu gefährlichen Täuschungen Veranlassung ge- benden Befundes bei den neuern Schriftstellern meist gar keine Erwähnung geschehn, während unter den Aeltern die wirklich erfahrnen Practiker seiner allerdings schon gedenken *), weil sie ihn in den Leichen gesehn hatten. Nicht bloss bei noch unrei- fen, sondern auch bei Kindern, die alle Zeichen der Reife auf das Vollständigste an sich tragen, eben so auch nicht etwa bloss bei allgemein schlecht genährten, sondern auch bei Kin- dern, die das durchschnittliche Gewicht reifer, gut genährter Früchte haben, kommt ein Zurückbleiben des Ossificationspro- *) Büttner, in seiner zwar veralteten, aber wegen der reichen Erfah- rung des Verfassers, die er als „Samländischer Creisphysicus" zu sammeln Gelegenheit hatte, höchst lehrreichen Schrift: „vollständige Anweisung wie u. s. w. ein verübter Kindermord auszumitteln sei", Königsberg 1771 S. 82 beschreibt diese Ossificationsdefecte ungemein naturgetreu. Auch Mende schildert sie, und, wie es scheint, aus eigner Beobachtung. cesses vor. Wie sich dies im Umfange des Knochenkerns in der Sehenkelepiphyse zeigt, ist schon oben (§. 80. S. 692 und §. 97. S. 755) angeführt worden. Eben so aber bleibt der Verknöcherungsprocess auch in den Schädelknochen zurück, und man sieht den Defect meist und vorzugsweise in beiden Scheitelbeinen, aber auch im Stirn-, am seltensten im Hinter- hauptsbein. Hält man den betreffenden Knochen gegen das Licht, so sieht man sogleich dasselbe durch die, mit dem Peri- cranio verschlossene Oeffnung durchscheinen. Der Ossifications- defect zeigt sich dann, wenn man die Beinhaut abpräparirt, in Form einer runden, oder unregelmässig rundlichen, nicht leicht mehr als drei Linien, oft aber auch weniger im Durchmesser haltenden Oeffnung, die mit unregelmässigen, zickzackigen, strah- lenförmigen Rändern versehn ist, die niemals, wie beiFrac- turen wohl, deprimirt, niemals, so wenig wie ihre Umgebung, auch nur im Geringsten sugillirt sind. Um endlich alle Ver- wechslung dieser Schädelöffnungen mit Fracturen unmöglich zu machen, beachte man an dem, gegen das Licht gehaltnen Kno- chen die Umgebung der Oeffnung, und man wird finden, dass dieselbe immer in geringerm oder grösserm Umfange noch weitere Defecte in der Knochenmasse, d. h. den Knochen in diesem Umfange noch papierdünn und durchscheinend zeigt. Bei sorgsamer Erwägung dieser Merkmale kann ich versichern, in zweifelhaften Fällen mich noch niemals getäuscht zu haben. Die Abbildungen Taf. VII. Fig. 20a. u. b. versinnlichen solche Ossificationsdefecte sehr naturgetreu, und zur weitern Erläute- rung dieses Befundes, dessen Beachtung von erheblichster prac- tischer Wichtigkeit ist, mag folgende Auswahl von Beobachtun- gen dienen. §. HL Casuisük. 318. Fall. Ossificationsdefecte mit Fissur im rech ten Sub ei telbe i n. Ein neugeborner Knabe war todt in der Strasse gefunden worden, j Die Leiche war (im Januar) noch ganz frisch. Korperlänge von 20 Zoll, Gewicht von 1\ Pfd., Kopfdurchmesser von resp. 2>\ Zoll, 4£ Zoll, und 5 Zoll u. s. w, bewiesen die vollständige Reife des Kindes, so wie das Leben nach der Geburt durch die übereinstimmenden Ergebnisse der Athemprobe ausser Zweifel gesetzt wurde. Im Gesicht, auf Hals, Brust, Rücken und Unterextremitäten zeigten sich deutliche Spuren von Fem- < phigus. Auf dem tuber des rechten Scheitelbeins fand sich eine andert- halb Linien, und eine Linie davon entfernt, zwei, zwei Linien im Durch- messer haltende unregelmässig-runde Oeffnungen im Knochen, welche letztere beide durch eine Fissur miteinander in Verbindung standen. Ihre Ränder waren sehr zackigt und strahlig, nicht sugillirt, und der Knochen im halbzollbreiten Umkreise dieser Oeffnungen papierdünn und dnrchscheinend. Die Reife und das Leben des Kindes wurden im Gut- achten , und ferner darin erklärt, dass die Knochenverletzungen keiner äussern Gewalt ihre Entstehung verdankten und mit dem Tode in keiner1 ursachlichen Zusammenhang gestanden hätten. 319. Fall. Ossificationsdefecte im linken Scheitelbein. Nach Aussage der Hebamme, die unmittelbar nach der Entbindung, zu der Dienstmagd, der Mutter dieses Kindes, das dieselbe so eben, heimlich geboren hatte, gerufen worden war, hatte sie dasselbe noch in den letzten Athemzügen gefunden. Das Kind, ein Knabe, war vollständig.! ausgetragen (7 Pfd., 20 Zoll, Kopf durchmesser 3£ Zoll, 4£ Zoll und I 5 Zoll u. s. w.). Die Lungen waren zinnoberroth, blau marmorirt, schäumten und knisterten bei Einschnitten, und schwammen vollständig. In der Mitte des linken Scheitelbeins fanden sich, ohne dass in diesem Falle der Knochen in der Umgegend auffallend durchscheinend gewesen wäre, zwei rundliche, drei Linien grosse, dicht aneinanderliegende Oeff- nungen, mit zackigen Rändern. Besonders interessant war, dass in der- Einen dieser Oeffnungen ein ganz schmales Knochenstreifchen wie ein Dianieter queer hindurchlief, wodurch jeder mögliche Zweifel an der Na-- tur dieser Oeffnungen als Ossificationsdefecte vollständig gehoben werden musste. Hirnhyperämie hatte das Kind getödtet. Nachdem wir die Na- tur der Knochenverletzung erklärt hatten, wurde der Fall nicht weiter richterlich verfolgt, als es die damalige Lage der Gesetzgebung gebot, die noch die blosse Verheimlichung der unehelichen Schwangerschaft und Geburt verpönte. 320. Fall. Ossificationsdefecte an beiden Scheitelbeinen. Trennung der Nabelschnur dicht am Nabel. Keine Verblutung. Das heimlich geborne, weibliche Kind sollte todtgeboren gewesen sein, es hatte aber, nach den Ergebnissen der Athemprobe, unzweifelhaft gelebt und war an Schlagfluss gestorben. Die Länge von 19 Zoll und das Gewicht von 6% Pfd. sprachen für die Reife, die etwas kleinen Kopf- durchmesser von 3 Zoll, 4 Zoll und 4% Zoll, so wie der Umstand, dass zugleich mit der Leiche die Placetlta (mit der ganzen Nabelschnur, die hart am Nabel abgeschnitten war,) vorlag, deuteten auf eine präcipitirte Geburt. Am linken Scheitelbein fanden sich zwei Ossificationsdefecte, der Eine von dreieckiger Form, der Andre silbergrosehengross. Beide hatten stark ausgezackte Ränder, so dass verhältnissmässig lange Knochen- zäckchen in die Oeffnungen hineinragten. Auch am rechten Scheitelbein fand sich ein silbersechsergrosser Defect derselben Art. An der, dem Wirbel entsprechenden Stelle fand sich auf der innern Fläche der Galea ein liniendickes, rundes Extravasat von geronnenem Blut, bei gänzlicher Abwesenheit jeder äussern Spur von Verletzung am Kopfe. Von der runden Oeffnung im linken Scheitelbein gingen zwei zackige kleine Fis- suren ab. Der Körper hatte die gewöhnliche Leichen-, keine Verblutnngs- farbe, die Lungen waren nicht bleich, sondern röthlich-blau gefleckt, die Leber sehr hyperämisch, und entschieden apoplectische Hirncongestion vor- handen. Das Kind hatte sich also unzweifelhaft aus der, am Nabel ge- trennten Nabelschnur nicht verblutet; ob dieselbe vielleicht erst nach gänzlichem Aufhören der Pulsation oder gar erst nach dem Tode des Kindes getrennt worden war, konnte natürlich' aus der blossen Obduction nicht ermittelt werden. Der Gesammtbefund sprach mit grosser Wahr- scheinlichkeit für apoplectische Tödtung des Kindes durch Sturz mit dem Kopfe bei präcipitirter Geburt, welche Wahrscheinlichkeit auch im Gut- achten angenommen wurde. »21. »all. Ossificationsdefecte in beiden Scheitelbeinen. Zweifelbafter Ertrinkungstod. Die Leiche des derben, reifen neugebornen Knaben war dicht am Ufer im Wasser gefunden worden, bei einer Lufttemperatur (im Septem- ber) von -+- 5 — 8" R. Sie war, namentlich auch die Nabelschnur, noch sehr frisch, und wir konnten deshalb auf die vorgelegte Frage antwor- ten : dass das Kind vor drei bis vier Tagen geboren und gestorben sei. Das Leben nach der Geburt konnte nicht zweifelhaft sein. Der Stand des Zwerchfells unter der sechsten Rippe, die vollkommne, ja über- mässige Ausdehnung der Lungen, die, wie bei Ertrunknen, hart an den Rippen anlagen, die sehr hellrothe, stark marmorirte Farbe derselben, ihr Gehalt an Blut und Luft und ihre vollständige Schwimmfähigkeit sprachen dafür. Die Luftröhre war bleich und leer, eben so der Magen. Das Herz enthielt fast kein Blut. Der Unterleib bot nichts Auffallendes, wohl aber die Schädelhöhle apoplectische Hyperämie. Auf dem Wirbel und dem rechten Stirnbein fanden sich unter der Galea kleine, punct- förmige Extravasate, und beide Scheitelbeine zeigten genau diejenigen Ossificationsdefecte, die auf der Abbildung Taf. VH. Fig. 20a. zu sehn sind. Es war dies zugleich ein Fall von gleichzeitigem Zurückgeblieben- sein des Verknöcherungsprocesses auch im Schenkelknochenkern, denn dieser hatte ganz genau nur zwei Linien im Durchmesser, obgleich das Kind unzweifelhaft den zehnten Fruchtinonat vollendet gehabt hatte: denn es war 20 Zoll lang, wog 7 Pfund, hatte Kopfdurchmesser von 3£, 4 und 5 Zoll, einen Schulterdurchmesser von 4% Zoll u. s. w. Ausser der obigen Erklärung über die Zeit der Geburt und des Todes des Kindes beantworteten wir die anderweit vorgelegten Fragen noch dahin: dass dasselbe reif gewesen sei und gelebt habe, dass es an Blutschlagfluss verstorben, dass es nicht unmöglich, dass das Kind im Wasser seinen Tod gefunden habe, dass es aber jedenfalls nur äusserst kurze Zeit im Wasser gelegen haben könne, was unzweifelhaft war, da sich an Händen und Füssen noch keine Spur von Maceration gezeigt hatte. *) *) Vgl. noch 325. Fall. 322. Fall. Ossificationsdefecte in beiden Scheitelbeinen mit Fissuren. Athmen im verschlossnen Kasten. Vielfach interessant war der nachfolgende Fall. Ein unverehelichtes Dienstmädchen hatte vor Jahren schon einmal geboren, und die diesma- lige Schwangerschaft bis zum Ende verheimlicht; sie kam im April um 7 Uhr Morgens heimlich nieder und hielt angeblich das Kind für todt, wofür sie die gewöhnlichen Behauptungen aufstellte. Gewiss ist, dass sie dasselbe in eine Commode legte und dieselbe verschloss. Nach zwei Stunden hörten die Mitmagd und eine Näherin, die in dem Zimmer beschäftigt waren, zu ihrer grössten Ueberraschung aus dieser Commode die Stimme eines Kindes, und entdeckten dasselbe sofort darin frisch und gesund. Es wurde zu einer Verwandten zur Pflege gebracht, wo es aber bereits an demselben Abend 7 Uhr, genau nach zwölfstündigem Le- ben „ruhig" starb. Die Obduction ergab zunächst die vollständige Reife des Kindes, das ein sehr kräftiges war, 21 Zoll maass, 8£ Pfund wog und dieser Ausbildung entsprechende Kopfdurchmesser hatte. Die Bauch- höhle ergab keine bemerkenswerthen Befunde, es sei denn der, dass sich im Magen zwei Theelölfel voll einer dicklich - schleimigten, bräunlichen, etwas blutigen und gährenden Flüssigkeit fanden, die wie ein, dem Kinde gereichtes Säftchen erschien. Die Harnblase war ganz leer und der Dickdarm hatte nur eine geringe Menge Kindspech. Als Todesursache ergab die Brusthöhle eine sehr ausgesprochne Lungenapoplexie. Die Lungen waren blutroth, leicht rosenroth marmorirt, knisterten und erga- ben bei Einschnitten eine ausserordentliche Masse eines dunkelblutrothen Schaums. Dabei hatten sie das sehr erhebliche Gewicht von 1\ Loth; ihre Schwimmfähigkeit war eine vollständige. Kehlkopf und Luftröhre ganz leer und durchaus normal und das Herz blutleer. Höchst interes- sant war der Befund in der Kopfhöhle. Am Hinterhaupt zeigte sich eine sehr leichte, gewöhnliche Kopfgeschwulst, auf dem linken Scheitelbein drei, zolllange, 2 Linien breite und etwa eine halbe Linie dicke sulzige Blutergüsse. Nach Entfernung desselben zeigte sich die harte Hirnhaut in der Mitte des Knochens taschenförmig abgelöst und erhoben und in dieser Tasche lag ein halber Theelöffel dunklen und sehr flüssigen Blu- Ns. Nach Beseitigung der Membran und des Pericranium fanden wir nun an dieser Stelle des Knochens drei etwa erbsengrosse Oeffnungen mit den hier gewöhnlichen, feinzackigen, durchaus unsugillirten Rändern und die Umgebung derselben zeigte sich, gegen das Licht gehalten, wie im- Ca »per, gerichtl. Mcdicin. 51 mer in diesen Fällen, hier in diesem Falle auf etwa einen Viertel Zoll breit, ganz durchsichtig. Vom unterster: Loch erstreckte sich ein ganz grader, feiner, kaum schwach gezahnter, unsugillirter Spalt nach der Pfeilnath verlaufend und ein zweiter vom obersten Loch mit dem ersten parallel bis in die dritte Oeffhung hinein (s. die Abbil- dung des Präparates Taf. VII. Fig. 20&.). Durchaus derselbe Befund ergab sich in der Wölbung des rechten Scheitelbeins, nur dass hier nur zwei Knochenöffnungen gefunden wurden. Bemerkenswerth ist, dass Schädelhöhle und Gehirn keine Spur einer Hyperämie zeigten, wie ich denn auch noch hervorheben muss, dass bei der mangelhaften Verknö ch erung dieser beiden Schädelknochen der Knochenkern in der Sclienkel- epiphyse doch 3| Linien Durchmesser hatte. Das Gutachten in diesem nicht gewöhnlichen Falle ging dahin: dass das Kind ein reifes gewesen sei, gelebt habe, an Lungenschlagfluss gestorben sei, dass aber eine ge- waltsame Veranlassung zu diesem Tode nicht anzunehmen, und dass na- mentlich die Schädelverletzungen als solche Veranlassung eben so wenig gelten könnten, als das Einsehliessen des Kindes während zweier Stun- den in die Commode. §. 112. Fortsetzung, c) Compression und Umschlingung der Nabel- schnur. Die Strangulationsmarke. Die Compression des Nabelstranges durch Vorfall wird eben so leicht während der Andauer des Gebäractes Veranlas- sung zum Tode des Kindes, als es die Umschlingung selten wird, wie jeder geburtshülfliehe Practiker weiss. Hohl*) hat unter 200 Geburten 181 Mal Umschlingungen der Nabelschnur vor sich gehabt; 163 lebende und 18 todte Kinder wurden da- bei geboren, und unter diesen achtzehn waren sieben Fälle, in denen die Umschlingung nachgewiesenermaassen gar nicht, und die übrigen elf, in denen dieselbe nicht erweislich die alleinige Ursache des Todes war. Mayer berichtet sogar aus der Nä- gele'sehen Clinik von 685 mit Nabelschnurumschlingung ge- bornen Kindern, von denen nur 18 erweislich dadurch ihren Tod gefunden hatten.**) Dagegen wurden bei 743 von Scan- *) a. a. O. S. 456. **) S. Heck er in der (§. 40. spec. Tbl. S. 465) citirten Abhandlung S. 30. zoni zusammengestellten Nabelschnurvorfällen 408 Mal die Kinder todt geboren *), also fast 55 von Hundert. Die physio- logische Entstehung dieses Todes ist bereits beim Erstickungs- tode im §. 40. S. 465 erörtert worden. In dem Umstände, dass derselbe durch Behinderung des Einströmens von in der Placenta verändertem Blute in den Fötus entsteht, wodurch der- selbe genöthigt wird, instinctive Athembewegungen zu machen, und dabei erstickt, ist auch die Erklärung gegeben, warum auch die vorzeitige Lösung des Mutterkuchens und der Tod der Mutter im Gebäracte dieselbe Wirkung, Er- stickungstod des Kindes, zur Folge haben. Nach den vortreff- lichen Arbeiten Krahmer's und namentlich Hecker's, der zahlreiche und genaue Beobachtungen dafür beibringt, und alle neuern Vorarbeiten sorgfältig gesammelt hat (a. a. O.), kann dieser Hergang beim Tode des Kindes in der Geburt unter den genannten Umständen nicht mehr bezweifelt werden. Alle altern Ansichten, namentlich die, dass Erkältung der Nabel- schnur beim Vorfall den Tod herbeiführe, sind hiermit als be- seitigt anzusehn. Für die gerichtliche Medicin haben diese Er- gebnisse insofern einen bedeutenden Werth, als jetzt festgestellt ist, dass durch solche spontane Geburtsvorgänge allein der Er- stickungstod des Kindes noch in der Geburt erfolgen, und sich in der Leiche durch die exquisitesten Befunde, namentlich durch die oben (S. 464) besprochenen Petechial - Sugillationen (capil- laren Ecchymosen) documentiren kann, der Gerichtsarzt folglich wegen dieser Befunde allein im Geringsten nicht berechtigt ist, eine verbrecherische Handlung irgend eines Menschen anzunehmen. Dass also die Halsumschlingung der Nabelschnur, wenn sie tödtet, auf diesem Wege, dem der unterbrochnen Placentarcir- culation, tödten könne, dass man also in diesen Fällen, in der Leiche den Erstickungstod nachweisen, ja diesen Tod in den ci n Ii du fitsten fin den werde, ist gleichfalls *) Lehrbuch der Geburtshülfe, 3. Aufl. Wien 1855. S. 682. 51 * durch gute Beobachtungen erwiesen. Aber der Erstickungstod ist nicht der einzige und ausschliesslich zu erwartende Befund, und wir können nicht zugeben, dass, wie behauptet worden, niemals durch Umschlingung der Nabelschnur um den Hais der Tod durch Hirnhyperämie entstehn könne oder entstehe; eine Beobachtung, in welcher sogar wirkliche Hirnhämorrhagie als Folge der Umschlingung um den Hals von uns gefunden wurde (342. Fall), beweist das Gegentheil, und hat als positiver Be- fund entscheidenden Werth gegen zahlreiche negative. Auch Scanzoni hat unter zwölf Fällen von tödtlichein Vorfall der Nabelschnur viermal Hirnhyperämie gefunden. *) Nach seinen sinnreichen Experimenten nimmt derselbe an, dass bei beiden Ereignissen, Vorfall und Halsumschlingung der Nabelschnur, die Art des Todes bedingt werde durch den verschiednen Druck, den, bald stärker, bald schwächer, alle oder bloss einzelne Ge- fässe der Nabelschnur erleiden, dass es hiervon also abhänge^ ob die Communication zwischen dem mütterlichen und fötalen Blute, und somit die Function der Placenta als Respirationsor- gan des Fötus vollständig aufgehoben wird, oder ob es durch das Offenbleiben Einer oder beider Arterien zur Anämie, oder durch ihre Verschliessung und die Durchgängigkeit der Vene zur Hyperämie und Apoplexie einzelner Organe kommt. Diese Ansicht erklärt die Verschiedenheit der Befunde in solchen Fäl- len auf eine einleuchtende Weise. Von grosser Wichtigkeit ist es, die verbrecherische Stran- gulation von der spontanen, durch die umschlungene Nabel- schnur bewirkten, zu unterscheiden. Die Strangrinne der um den Hals geschlungenenNabelschnur aber läuft ohne Unter- brechung um den ganzen Hals herum, was man wohl bei Erdros- selung,, selten oder nie aber beim Erhängen findet. Die Nabel- strangmarke ferner ist breit, der Breite der Schnur entspre- chend, rund ausgehöhlt, rinnenförmig, überall ganz weich, an *) a. a. 0. S. 682. keiner Stelle excoriirt, wie letzteres bei Strangmarken von Stricken und andern harten, strangulirenden Werkzeugen so gewöhnlich ist. Sehr getheilt sind die Meinungen in Betreff der Sugillationen im subcutanen Zellgewebe der Nabelschnurstrang- marke. Entschieden stellen dieselbe in Abrede, als nicht von ihnen beobachtet, Klein*) und Elsässer**), während Löff- ler***), Carus****), Schwarzf), Albert ff), Marcfff), Hohlffff) u.A. Sugillationen beobachtet haben. Sie entstehn allerdings nicht in allen Fällen und wahrscheinlich dann nicht, wenn der Tod des Kindes so momentan erfolgt, dass sie sich gar nicht ausbilden können. Dass sich aber ächte Sugillatio- nen, wirklicher Blutaustritt in das Unterhaut-Zellgewebe, nicht nur durch die blaurothe Farbe, sondern auch durch Einschnitte nachgewiesen, bilden können, habe ich selbst mehrfach beobach- tet (vgl. u. A. den 278. Fall), während die ächte Sugillation beim gewaltsamen Strangulationstode fast niemals vorkommt. Höchst selten ist aber auch bei der Nabelschnurmarke die ganze Rinne blutrünstig, meist sind es nur einzelne Stellen in dersel- ben. Gewöhnlich ist ferner, da die Halsumschlingung keine einfache zu sein pflegt, sondern eine doppelte, dreifache, auch die Marke von derselben am Halse eine mehrfache. Eine mu- mificirte, pergamentartige, unsugillirte Rinne deutet auf Stran- gulation durch einen härtern Körper. Die Erwägung aller die- ser Umstände im concreten Falle wird zur Feststellung der Diagnose fuhren. — Bei dieser Gelegenheit will ich auf einen Irrthum aufmerksam machen, den ich nicht selten von Unerfahr- *) Hufeland's Journal 1815. **) Schmidt's Jahrbücher VII. S. 204. ***) Hufeland's Journal Bd. 21. S. 69. **♦*) Leipziger Literat. Zeitung 1821. S. 583. f) Henke's Zeitschr. Bd. 7. S. 129. u. f. ff) Ebendas. Bd. 21. S. 183 und Bd. 42. S. 207. tft) und vier seiner Collegen in einem gemeinschaftlich begutachteten Falle, 8. Devergie a. a. 0. S. 622. tftt) a. a. O. S. 457. ncn, wie Zuhörern oder Examen-Candidaten u. s. w., habe be- gehn sehn, die etwas bei dem neugebornen Leichnam für eine Strangrinne halten, was keine ist. Man untersuche nämlich nur eine Anzahl recht fetter und noch frischer Kindesleichen, zumal im Winter, so wird man sehn, dass dieser Irrthum wohl mög- lich ist, wenn man nämlich die Hautfurchen am Halse, die durch die Biegungen des Kopfs entstehn, und im er- kalteten Fette stehn bleiben, und welche bei kurzem Halse noch deutlicher hervortreten, ohne weitere Berücksichti- gung der übrigen Criterien einer Strangmarke, für eine solche hält. Die Berücksichtigung eben dieser Criterien aber wird sehr bald das Richtige erkennen lassen. §. 113. Fortsetzung, d) Strictur der Gebärmutter. Dieselben Wirkungen wie die Umschlingung der Nabel- schnur um den Hals des Kindes kann eine krampfhafte Ein- schnürung der Gebärmutter um den Hals haben und das Kind auch auf diese Weise in der Geburt getödtet werden, wenn auch Mende u. A. diese Möglichkeit in Abrede stellen. Böcker berichtet zwei solcher Fälle aus eigner Beobachtung. *) In dem einen, nicht weiter beschriebnen, war das Kind durch die Strictur der Gebärmutter strangulirt und nach dem Tode der Mutter der Kaiserschnitt gemacht worden. In dem andern requirirte die Hebamme nach 24 stündiger fruchtloser Geburts- arbeit der mehrgebärenden Mutter einen Geburtshelfer, der das Geburtshinderniss in einer Strictur der Gebärmutter erkannte. Nach viertägigen Geburtsquaalen machte Böcker den Kaiser- schnitt, und fand „die Strictur der Gebärmutter den Hals des längst abgestorbnen Kindes so fest umschliessend, dass der Kindskopf erst herausgehoben werden konnte, nachdem die Strictur mit dem Messer durchschnitten und die. zusammenge- zogenen Gebärmutterfasern mit einem Geräusch, wie wenn man *) Memoranda der ger. Medicin. Erste Hälfte. Iserlohn 1853. S. 140. eine gespannte Achillessehne durchschneidet, auseinander gewi- chen waren. Der Hals des todten Kindes hatte eine Strangu- lationsrinne, das Gesicht war Manroth." Ganz ähnliche Kind tödtende Wirkungen solcher spastischer Uterinstricturen be- schreiben Löffler und Hohl.*) Diese eigentümliche, und wohl nur äusserst selten vorkommende Todesart des Kindes in der Geburt hat indess kaum ein gerichtlich - medicinisches In- teresse, da sie eine schwere und lange dauernde Geburt vor- aussetzt, die nicht ohne Zeugen und Sachverständige beendet werden kann, welche dann dem Richter über den Vorgang bei der Geburt hinlängliche Aufklärung geben werden. §. 114. Tod des Kindes nach der Geburt, a) Sturz des Kopfes auf den Boden. Seit drittehalbhundert Jahren (Zittmann) haben alle ge- burtshülflichen und gerichtlich - medicinischen Schriftsteller die Möglichkeit angenommen, dass ein Neugebornes bei einer na- türlichen, aber präcipitirten Geburt rasch mit dem Kopfe voran aus den Geburtstheilen stürzend, sich beschädigen und tödtlich verletzen könne. Das Bedenkliche dieser Annahme vom straf- rechtlichen Gesichtspunct, die Möglichkeit, dass ein wirklich verübter Kindermord mit dieser Angabe der Angeschuldigten verdunkelt werden könne, ist nie verkannt worden. Vor vier- zig Jahren aber trat Klein mit der Behauptung auf**), dass dieser Sturz keinesweges die gefährlichen Folgen habe, die man ihm so allgemein zugeschrieben. Er stützte sich hierbei auf die aus dem ganzen Lande (Würtemberg) eingeforderten und eingesehenen Berichte von Geburtshelfern, Hebammen, Geist- lichen u. s. w. und glaubte hierin im Ganzen nur mehr nega- tive Resultate gefunden zu haben. Kl ein's Schrift beweist *) a. a. O. S. 633. **) Hufeland's Journal 1815. November. S. 105. — Bemerkungen über die bisher angenommenen Folgen des Sturzes der Kinder auf den Boden bei schnellen Geburten. Stuttgart 1817. über nur, wie bedenklich es ist, Thatsachen vom Standpunct einer vorausgefassten Ansicht aus zu beurtheilen, und wie un- genügend, die Thatsachen nicht durch eigene Beobachtung fest- zustellen, sondern sie durch die Augen Andrer zu betrachten. Er nahm keinen Anstand, auch die Berichte von Hebammen nicht nur, sondern sogar von Ortsgeistlichen und Wickelfrauen in Betracht zu ziehn, obgleich kein Unbefangener solchen Per- sonen die genügende Sachkenntniss in dieser sehr schwierigen wissenschaftlichen Frage beimessen wird; er nahm keinen An- stand, auch Berichte von Geburtshelfern zu berücksichtigen, welche sich vor Jahren, ja Jahrzehnten ereignet, und welche die Berichterstatter rein aus dem Gedächtniss angemeldet hat- ten, und fand kein Bedenken, auf solcher Unterlage seine Cri- tik zu gründen. Das Haltlose derselben ausführlich hier zu beweisen, finden wir deshalb und um so mehr ganz überflüssig, als dies bereits durch Henke*) u. A. längst und zur Genüge geschehn ist. Im Uebrigen kommt selbst Klein dennoch schliesslich zu dem Endergebniss: dass der Sturz schädliche und tödtliche Folgen haben könne, aber nicht müsse, wel- ches Letztere auch niemals vorher oder später behauptet wor- den ist. Klein hat keine Nachfolger gehabt, bis in der aller- neusten Zeit Hohl auftrat, und mit entschiednem Scepticismus die ganze Lehre vom tödtlichen Beschädigtwerden des Kindes bei der präcipitirten Geburt, namentlich auch bei der Entbin- dung im Stehen, wieder zu erschüttern versuchte. **) Vollkom- men einverstanden sind wir, nach unsern eigenen, so zahlrei- chen Versuchen an Leichen überhaupt, mit ihm in seiner Critik der Versuche von Lecieux ***), deren Oberflächlichkeit an sich *) Abhandl. aus d. Geb. der ger. Med. 2. Aufl. Bd. III. Leipz. 1824 S. 3 u. f. **) a. a. O. S. 573 u. 819. ***) Lecieux, Renard, Laisne et Rieux, Medecine leyale ou conside- rations sur Vinfanticide etc. Paris 1819. S. 64. Die hierhergehörigen Versuche waren folgende: man Hess Äl) fünfzehn einige Zeit nach der Geburt gestor- (s. unten) sie schon fast werthlos macht. „Bei diesen Versu- chen", bemerkt Hohl, „fehlt der Einfluss, den nicht nur der Durchgang des Rumpfes durch die Schaamspalte und Nabel- schnur, sondern auch die Placenta hemmend auf die Kraft des Sturzes ausübt. Dabei ist auch in Hinsicht der ausstossenden Kraft zu bemerken, dass das Kind, mit dem Kopfe geboren, grösstenteils aus dem Bereiche des Uterus getreten, und daher die Kraft desselben gar nicht in Anschlag zu bringen ist. Nur die Hülfskräfte, die allein von der Gebärenden ausgehn, sind es, welche vorzugsweise die Ausstossung des Rumpfes bewir- ken , die aber in der Regel nach der Geburt des Kopfes mo- mentan erschöpft sind, und zu deren Anwendung die Kreissende meist angetrieben werden muss, soll die Ausstossung des Rum- pfes aus irgend einem Grunde beschleunigt werden. Diese Kräfte sind beim Stehen aber auch gering anzuschlagen. Soll aber ein solcher Sturz vorkommen, so muss die Gebärende ste- hen, sitzen oder kauern. Die Entfernung in einer knieenden oder kauernden Stellung scheint uns zu gering für das Zu- standekommen von Knochenbrüchen, und in ganz aufrechter Stellung bleibt nimmermehr eine Kreissende im letzten Moment der Geburt des Kindes." An einer andern Stelle (S. 574) er- klärt Hohl, gestützt auf seine Erfahrungen in der Entbindungs- bene Kinder mit dem Kopfe 18 Zoll hoch perpendiculär auf einen gepfla- sterten Steinfussboden (aol carrele, wie sie überall in Frankreich in den Häusern üblich) herabfallen; zwölf bekamen eine longitudinale oder wink- lige Fractur Eines oder „zuweilen" beider Scheitelbeine. 2) Eben so Hess man fünfzehn Kinder 36 Zoll hoch herabfallen, und bemerkte danach bei zwölf einen Bruch in den Scheitelbeinen, der bei „Einigen" sich bis ins Stirnbein fortsetzte. Liess man das Kind noch höher herabfallen, so fand man die häutigen Verbindungen der Schädelknochen erschlafft, selbst an einigen Stellen zerrissen; „oft" war die Gestalt des Gehirns verändert, und in einigen Fällen fand man unter der Hirnhaut (? meninge), oder in der Substanz derselben (? epaisseur de la meninge) eine Ecchymose vom Riss eini- ger Gefässe, und nur bei den Kindern mit weichen und sehr biegsamen Schädelknochen fand man keine Fracturen." — Dies ist die wörtliche Ueber- setzung der betreffenden Stelle im Original. anstalt und auf Gründe, wie den, dass gar nicht einzusehn sei, warum eine heimlich Gebärende sich der Quaal des Gebärens im Stehen aussetzen sollte, da sie immer im letzten Momente noch Zeit genug behielte, sich zu legen oder zu kauern — die Angabe der Inquisitin, dass sie in aufrechter Stellung geboren habe, müsse „als eine reine Lüge" betrachtet werden. Ein wichtiger Satz für die Staatsanwaltschaft, und ein Satz, der, wenn er begründet wäre, die ganze Lehre vom Sturze des Kindes in sich zerfallen Hesse! Aber offenbar ist die Thesis nur eine Frucht der wissenscbaftlich-geburtshülfliehen Theorie, nicht der Erfahrung in gerichtlich - medicinischen Angelegenheiten. Wie verschieden ist die Lage der Kreissenden in einer öffent- lichen Entbindungsanstalt oder in der privaten Praxis von jener der einsam und hülflos Gebärenden, die, nachdem sie ihre Schwangerschaft bis zum letzten Augenblick mühevoll und sorg- samst verheimlicht hatte, nun plötzlich von der Geburt beider Arbeit, oder Nachts in ihrer Kammer, im Keller u. s. w. überrascht wird, die die ersten Wehenschmerzen noch muthig bekämpft, weil sie noch beobachtet ist, dann, sobald die Umstände es gestatten, einen einsamen Ort aufsucht, in einer Gemüthsstimmung und Nervenerregung, an die man nur mit Mitleid denken kann, die nun erst in diesem Augenblicke oft genug das ganz Hoffnungs- lose ihrer Zukunft klar vor sich ausgebreitet sieht, die weiss, dass sie aus dem Hause gestossen werden wird, dass sie von ihrem Schwängerer Nichts zu erwarten hat u. s. w., und bei der sich nun, bei allgemeiner krampfhafter Aufregung ein wirk- licher Uterintetanus einstellt, wie ihn Wiegand annimmt und treffend als „Ueberstürzen des Uterus" bezeichnet. Wir sind nicht Freund einer zu weit gehenden Philanthropie in gericht- lich-medicinischen Dingen, womit so viel Missbrauch von Aerz- ten getrieben wird, aber unter solchen Umständen, wie die eben geschilderten und die sich täglich im practischen Leben ereignen, würde es die Humanität gebieten, die Möglichkeit eines Ueberraschtwerdens von dem letzten Augenblick der Ge- burt, dann natürlich in jeder denkbaren Lage und Stellung, an- zunehmen, wenn auch nur in einzelnen, wenigen Fällen die Er- fahrung das wirkliche Vorkommen solcher Fälle kennen gelehrt hätte. In der That aber liegen dergleichen, und gar nicht in sehr geringer Anzahl vor, und können, namentlich auch Fälle von plötzlichem Gebären in aufrechter Stellung, nicht sämmtlich als „reine Lügen" abgewiesen werden. In dem unten anzufüh- renden (326.) Falle wurde die heimlich geschwängerte Dienst- magd, die mit einem schweren Korbe beladen zur Seite ihrer Dienstfrau auf der hart gefrornen Strasse ging, Angesichts derselben von der Geburt überrascht, und das Kind schoss von ihr. In dem 325. Falle geschah ebenfalls die Entbindung in aufrechter Stellung vor einer Zeugin. In einem andern Falle, den ich bei einem fremden Schwurgerichte als requirirter Ob- mann zu entscheiden hatte, wurde es bewiesen, dass die Ange- schuldigte das Kind gleichsam in der Luft schwebend geboren hatte; ihr Bett hatte seinen gewöhnlichen Stand auf einer Er- höhung, zu der sie nur gelangen konnte, wenn sie zuvor auf einem Schemel stieg. Nachdem sie längere Zeit die Wehen- schmerzen unterdrückt hatte, und endlich sich ins Bett legen wollte, um die Entbindung abzuwarten, nachdem sie mit Einem Fusse auf dem Schemel stehend, mit dem andern den Bettrand berührte, schoss das Kind von ihr und verletzte sich tödtlich. Alle Umstände des Falles, die Localrecherche, die Untersuchung des Kindes und der Mutter, die von den Gerichtsärzten sehr sorgsam ausgeführt war, endlich die uns nicht berührenden subjectiven Verhältnisse sprachen für die Wahrheit der Angabe der Angeschuldigten, die auch, namentlich auf Grund unsers Gutachtens, für nichtschuldig erklärt wurde. Dieser Fall zeigt zugleich, wie die bloss theoretischen Gründe in Betreff' der Einwirkung des Sturzes, hergenommen von der Messung oder Schätzung der Fallhöhe beim Stehen der Mutter auf dem Fussboden oder beim Knieen u. s. w. nicht ausreichend sind. Dasselbe bewies ein andrer Fall, in welchem das Kind auf dem Abtritt geboren wurde, und in die Grube, welche hart ge- frornen Koth enthielt, von hoch herabschoss. *) Vor mehicni Jahren kam mir als Gefängnissarzt der Fall vor, dass eine Cri- minalgefangne unter den Augen ihrer Mitgefangnen vorzeitig in der Zelle, während sie stehend sich auskleidete, von einem Kinde entbunden wurde, das ihr hervorschoss, bevor noch der im Hause wohnende Hauschirurg herbeikommen konnte, und unvergesslich bleibt mir ein Fall aus früher Zeit meiner Privat- praxis, in welchem eine verheirathete Dame, die nach Berlin zu ihrer Mutter gekommen war, um bei derselben ihre dritte Ent- bindung abzuwarten, am Ofen stehend und in Gegenwart dar Mutter von der Geburt des Kindes überrascht wurde, das auf den Teppich stürzte, ohne sich zu beschädigen. Nach solchen Erfahrungen wird es gerechfertigt sein, wenn wir die allgemeine Annahme theilen, dass in jeder Stellung, auch in der auf- rechten, die Kreissende von dem letzten Acte der Geburt überrascht werden, dass das Kind dabei aus ihren Geschlechtstheilen hervorstürzen, und sich, namentlich am Kopfe, beschädigen, ja selbst tödt- lich verletzen kann. Eine nothwendige Todtung des Kin- des auf diesem Wege ist, wie schon bemerkt, niemals behaup- tet worden, und kann auch nicht behauptet werden. Nach Lage der Preussischen Strafgesetzgebung, die glücklicherweise Letha- litätsgrade nicht mehr annimmt (S. 263), wäre es auch ganz überflüssig, hierauf weiter einzugehn. *) Die Umstände dieses Falles gaben in andrer Beziehung zu Bedenken Anlass, und ich habe ihn deshalb nicht unter die Fälle von „Sturz" aufge- nommen. Er zeigt indess nur mit Bezug auf die Höhe, aus welcher das Kind herabkommen kann, abermals, wie häufig die Combinationen des wirk- lichen Lebens der blossen Theorie spotten. §. 115. Portsetzung. Folgen des Sturzes und deren Diagnose. Die möglichen Folgen des Kindessturzes sind: Reissen der Nabelschnur, welches aber keinesweges immer eintritt, vorzeitige Lösung- der Placenta mit ihren Wirkungen, ferner Hirnerschüt- terung und namentlich Hyperämie am und im Schädel und wirkliche Hirn-Hämorrhagie, erstere namentlich unter der Galea und auf, oder auch seltner unter dem Perioranium, letztere an den verschiedensten Stellen, selbst an der Basis; Luxationen der Halswirbel (? Ploucquet) und endlich und namentlich Brüche der Schädelknochen. Vorzugsweise und fast ausschliess- lich betreffen sie die Scheitelbeine, Eines oder Beide, in der Wirbelgegend, keinesweges aber immer nur das linke, wie man a priori behauptet hat, wegen Annahme einer Drehung des Kindes beim Durchgang der Schultern seitwärts und zwar meist mit dem Gesicht nach dem rechten Schenkel der Mutter. Dass sich die Practuren, einmal gegeben, von der Stossstelle am Wirbel ab bis zum Stirnbein, Schuppentheil oder Hinterhaupts- bein herab erstrecken können, versteht sich von selbst und zeigt die Beobachtung. Immer aber wird man hier ein gewisses Ausstrahlen der Fracturen von Einem Centrum wahrneh- men können. Mehrfache Fracturirungen verschiedner Schä- delknochen, die gleichzeitig vorgefunden werden, z. B. beider Scheitelbeine, des Stirn und des Hinterhauptbeins, lassen die Annahme eines zufälligen Kindessturzes um so weniger zu, als blosser Contrecoup bei der Nachgiebigkeit des Schädels des Neugebornen nicht Statt finden kann. Natürlich setzt der Kindessturz eine präcipitirte Geburt voraus. Diese kommt aber auch bei heimlich Gebärenden, von denen ein grosser Theil gewiss zugleich Erstgebärende sind, vor. Den Beweis giebt die grosse Anzahl von, in einer Stadt wie Berlin, mit fast einer halben Million Seelen, fortwährend todt aufgefundnen Kindern, den Früchten heimlicher Geburten, die eben deshalb als sehr rasch, wenn nicht wirklich präcipitirt verlaufen angenommen werden müssen, weil im entgegengesetz- ten Falle die Geburt nicht hatte verheimlicht bleiben können. Die Erfahrung hat mir aber auch noch einen andern Beweis dafür an die Hand gegeben. Verhältnissmässig sehr häufig nämlich, wenn gleich ich leider! versäumt habe, darüber ge- nauere Zahlennotizen zu machen, wird uns auf dem gerichtlichen Sectionstisch mit der aufgefundnen Leiche des Neugebornen zugleich die noch damit zusammenhängende Placenia vorgelegt. Es kann nach solchen Erfahrungen keinem Zweifel unterli.-.-n. dass auch heimlich (resp. Erst-) Gebärende auf pm- cipitirte Weise entbunden werden können, und die be- treffende Angabe einer solchen Person auf der Anklagebank ist daher nicht als lügenhaftes Vorgeben abzuweisen. Wenn nun in einem solchen Falle Verletzungen, die die Obduction an der Leiche des Neugebornen festgestellt hat, als vom Kindessturz bei der raschen Geburt entstanden ausgegeben sind, so kann die Diagnose sehr schwierig werden. Blosse Ecchymosen und sulzige Blutergüsse unter der Galea beweisen noch keinesweges eine Insultation des Kopfes auf diese Weise, denn es ist schon (§. 109. S. 793) angeführt worden, wie all- täglich dieser Befund unter allen Umständen der Geburt bei Leichen Neugeborner angetroffen wird. Sehr zu warnen ist hierbei davor, dass man nicht Extravasate und Ausschwitzun- gen von Blut ins Zellgewebe der Kopfschwarte oder unter die- selbe, die lediglich vom Fäulnissprocess bedingt sind, für Folgen mechanischer Gewalt, namentlich auch nicht vom Kinds- sturz auf den harten Boden herrührend, erkläre, wodurch be- klagenswerthe Missgriffe entstehn würden. So nahm selbst ein so treuer und erfahrner Beobachter wie Büttner (Fall I. a. a. O.) nicht den, von der Angeschuldigten behaupteten Kindessturz, sondern Gewaltthätigkeit, die den Kopf des Kindes getroffen, als Ursachen jener Ecchymosen an, während diese wohl nur Producte des Verwesungsprocesses — die vor 80 Jahren nochji nicht so genau gekannt und gewürdigt waren — gewesen, wie! man, bei der nicht genauen Schilderung wenigstens mit höch- ster Wahrscheinlichkeit annehmen muss. *) Ein derartiger Missgriff wird aber unschwer zu vermeiden sein, wenn man er- wägt, dass solche Fäulnisscolliquation von zersetztem Blut un- ter der Kopfschwarte nur erst bei schon allgemein sehr in Ver- wesung vorgeschrittenen Leichen vorkommt, in welchem Falle, wenn sonst anderweitige Befund-Indicien nicht vorliegen, man besser mit dem Urtheile: ob Sturz oder anderweitige Insulta- tion? zurückhalten wird. — Aeusserst schwer sind bedeutendere Ecchymosen oder Hirn-Hämorrhagieen, so wie namentlich auch Fissuren und Fracturen der Scheitelbeine, die angeblich vom Kindessturz entstanden, von solchen zu unterscheiden, die das Kind in der Geburt erlitten, da der reine Obductionsbefund an sich in beiden Fällen ganz derselbe ist. Hülfsbeweise können hier zuweilen noch Aufschluss geben, z. B. der Befund von Sägespänen, Kies, Gips, Kalk und ähnlichen Stoffen in den Haaren und am Kopfe des Kindes, wenn dasselbe auf einen, mit jenen Stoffen bedeckten Boden gestürzt sein sollte. In zweifelhaften Fällen empfehlen wir auch hier wieder die vor- sichtige, mehr negative Fassung des Gutachtens, wie z. B. die: „dass die Obduction keine Gegenbeweise gegen die Behauptung, dass das Kind in der Geburt* — in andern Fällen: „dass das- selbe durch einen Sturz bei der Geburt auf die geschilderte Weise am Kopfe beschädigt worden, geliefert habe", womit die Wahrheit eben so ausgesprochen, als, wie mich die Erfahrung gelehrt hat, dem richterlichen Zwecke hinreichend genügt ist. — In Betreff der wichtigsten Frage in jedem concreten derar- tigen Falle: ob die dem Kindessturz zugeschriebnen Beschädi- gungen am Kopfe des Kindes nicht vielmehr die Folgen einer demselben nach der Geburt zugefügten absichtlichen Gewaltthä- *) Die Brust, der Unterleib und Rücken der Leiche waren „äusserlich grünblau angelaufen"; die Kopfbedeckungen „schon etwas von der Luft an- gelaufen"; beide Gehirne hatten „schon eine ganz flüssige Beschaffenheit". tigkeit gewesen? hat uns die Erfahrung folgende Richtschnur gegeben. Einfache Befunde, wie Sugillationen, reine einfache Fissur (Fractur) Eines oder beider Scheitelbeine, ohne Verlet- zung der Kopfschwarte und ohne sonstige Spuren von Verlet- zungen am Kindesleichnam, sprechen mit hoher Wahrscheinlich- keit für die Wahrheit der Angabe der Angeschuldigten betref- fend den Kindssturz bei der Geburt, die selbst zur Gewissheit werden kann, wenn noch andre Umstände im concreten Falle ermittelt werden, die jene Angabe unterstützen. Denn die Er- fahrung zeigt, dass wirkliche Kindermorde, absichtliche Todtun- gen des Kindes gleich nach der Geburt, immer mit grosser Rohheit und Gewalttätigkeit verübt werden, eine That- sache, die in der Stimmung der Mutter und dem Bestreben, das Ziel mit Sicherheit zu erreichen, ihre einfache Erklärung findet. Hat sich demnach die Gewaltthätigkeit gegen den Kopf des Kindes gerichtet (was nicht einmal das Gewöhnlichste ist, da vielmehr Erstickung, Erwürgung und Verletzung mit ste- chenden und schneidenden Instrumenten weit häufiger als To- desursachen bei Kindermorden vorkommen), so wird man viel schwerere und complicirtere Kopfverletzungen, als die oben ge- nannten und beim Sturz gewöhnlichen, finden, wie Zerschmet- terungen und Brüche mehrerer, versehiedner Kopfknochen, Zer- reissungen der Galea und der Hirnhäute, Gehirnwunden u. dgl., und in der Regel noch anderweitig am Körper Sugillationen, Zerkratzungen u. dgl. (S. 813.) Mit grossem Rechte empfehlen alle Schriftsteller zur Fest- stellung des Thatbestandes in zweifelhaften Fällen von Tödtung durch Kindessturz zu beachten und in Erwägung zu ziehn: die Durchmesser des Kopfs und der Schultern des Kindes, die Weite und Neigung des mütterlichen Beckens, die Stellung der Scheide, die Beschaffenheit des Mittelfleisches, den ganzen Her- gang beim Gebäract, namentlich in Betreff der Stellung der Kreissenden und der Höhe, aus welcher das Kind angeblich gestürzt war, so wie endlich die Beschaffenheit des Bodens, aufweichen dasselbe fiel und ob dieser Boden von harter oder von nachgiebigerer, vielleicht gar von breiiger Consistenz gewesen? Unstreitig sind alle diese Momente ohne Ausnahme von der grössten Wichtigkeit für den Gerichtsarzt, der sich glücklich preisen kann, wenn sie ihm so zugänglich gemacht werden kön- nen, dass er sie seinem Gutachten wirklich zu Grunde legen kann. In kleinen Bevölkerungen, einem Dorf, einer kleinen Stadt, wo das Leben jedes Einzelnen fortwährend gleichsam der Controlle aller Mitbewohner unterliegt, wird dies auch oft g< schelm können; Gerichtsärzte aber in irgend grössern Städ- ten mögen nur in der Mehrzahl der Fälle auf alle diese Hülfs- beweise verzichten! Man hat bei diesen sehr guten Lehren ver- gessen, dass man ein mütterliches Becken nur untersuchen kann, wenn man — die Mutter vor sich hat; den Boden nur, wenn man weiss, wo die Geburt vor sich ging u. s. w. In grossen Bevölkerungen aber stellen sich diese Fälle im wirklichen Le- ben ganz anders. Die Leiche wird irgendwo gefunden und zur Untersuchung vorgelegt. Kein Mensch ahnt ihren Ursprung; öffentliche Bekanntmachungen des Untersuchungsrichters werden erlassen, um die Mutter zu ermitteln, und diese bleiben in der grossen Mehrzahl der Fälle fruchtlos! Ganz Aehnliches gilt in Betreff der Nabelschnur. Man solle, sagt man, auf ihre Länge und darauf achten, ob und wie sie getrennt gewesen. Aber abgesehn davon, dass diese Momente nicht von besondrer Er- heblichkeit sind — denn wir werden Fälle von sehr langer und sehr kurzer, von zerrissener und ungetrennter Nabelschnur mit- theilen — so ist wieder anzuführen, dass man über die Nabel- schnur sehr oft gar nichts Genaueres feststellen kann, wenn sie z. B. ganz aus dem Nabelringe ausgerissen ist, oder wenn man nur den Kiudestheil, nicht aber den Piacentartheil vor sich hat, wofür die folgenden Fälle Beläge liefern. So bleibt denn der Gcrichtsarzt in der wirklichen Praxis meist nur auf die Leichen- befunde am Kinde beschränkt, und wie diese in Betreff der Frage zu würdigen, ist im Vorstehenden erörtert worden. Nach- Casper, gcriclill. McJiciii. K*) stehende Fälle konnten, unsern Ansichten nach, eine andre Be- gutachtung nicht erfahren, als die von uns gegebene. §. 116. Casuistik. 323. Fall. Verblutungstod, Ertrinkungstod oder Kindessturz? Die Leiche eines männlichen Kindes war im Wasser gefunden wor- den. Seine Länge betrug 20 Zoll, sein Gewicht 7 Pfund. Die Durch- messer (am Kopfe: 3^, 4j und 5 Zoll, der Schultern b\ Zoll und der Hüften 3£ Zoll) waren nichts weniger als klein und auch alle übrigen Zeichen machten die Reife zweifellos. Eben so unzweifelhaft war das Leben des Kindes. Aeusserlich fand sich nirgends, namentlich nicht am Kopfe, eine Verletzung. Aber unter der Galea war die ganze Wirbel- gegend mit einem liniendicken Extravasate bedeckt, und das rechte Schei- telbein zeigte queer von der Pfeilnath abgehend eine gradlinigt verlau- fende, \\ Zoll lange, mit scharfen, nicht sugillirten Rändern versehene Fractur. Das Gehirn war in der, noch ziemlich frischen Leiche zwar schon in einen schmutzigrothen Brei verwandelt, deutlich liess sich aber noch an seiner Oberfläche und Basis eine bedeutende Hyperämie erken- nen. Die Nabelschnur zeigte sich völlig aus dem Nabelring ausgerissen. Was aber den Verblutungstod betrifft, so fand sich, ausser der Hyper- ämie im Schädel, sehr viel Blut in der Leber, massige Anfiillung der V. caoa und eine schön rosenrothe, blaumarmorirte Farbe der Lungen. Letztere boten übrigens kein Zeichen des Wassertodes dar, auch die Luftröhre war (wie der Magen) vollkommen leer, bleich und das Herz ganz blutleer. Hiernach musste der Verblutungs- wie der Ertrinkungs- tod ausser Frage bleiben, und es wurde geurtheilt, dass das Kind an Blutschlagfluss gestorben, „dessen Entstehung mit hoher Wahrscheinlich- keit einem Sturze desselben bei der Geburt zuzuschreiben sei.-4 Die Mutter ist nicht ermittelt worden. 324. Fall. K i n d e s s t u r z. Mitte März war die Leiche eines weiblichen Neugebornen mit der Placenta noch verbunden auf der Strasse gefunden worden. Auch die Reife dieses Kindes (bei dem erheblichen Gewicht von S% Pfund und der Länge von 19 Zoll) war nicht zweifelhaft. Der Kopf war nicht klein, ohue der Schwere des Kindes angemessen zu sein; seine Durchmesser betitigen resp. 8, 4 und 5 Zoll, die der Schultern 5*, der Hüften 4 Zoll. Die, wie gesagt, unzertrennte Nabelschnur war 32 Zoll lang. Das Kind hatte, wie die Athemprobe ergab, unzweifelhaft gelebt und seine Todes- art war festzustellen. Aeusserlich fand sich an der noch sehr frischen Leiche keine Spur einer Verletzung, namentlich nicht am ganzen Kopfe. Dicht neben einander liegend zeigten sich am linken Os bregtn. und am linken Stirnbein zwei Zweigroschenstückgrosse, liniendicke Extravasate von halb geronnenem Blute unter dem Pericranium, ein ähnliches klei- neres auf dem Hinterhauptsbein. Die Knochen waren unverletzt. Die blutführenden Hirnhäute und die Sinus waren sehr blutreich, im Uebri- gen ergab die Obduction gar nichts Bemerkenswerthes. Hiernach war der Tod durch Hirnhyperämie erfolgt, und das summarische Gutachten er- klärte — nächst der Reife und dem Gelebthaben des Kindes — dass der Tod dnrch Blutschiagfluss erfolgt, und dass, was die Veranlassung zu demselben betreffe, „keine andre Annahme eine grössere Wahrschein- lichkeit darbiete, als die, dass der Schlagfluss erfolgt sei durch Hinab- stürzen des Kindes bei der Geburt, welche (bei der gleichzeitig mitge- bornen Placeilla) als eine sehr beschleunigte angenommen werden müsse." Auch in diesem Falle ist die Mutter nie bekannt geworden. 325. Fall. Entbindung in aufrechter Stellung. Kindessturz. Hier geschah der Sturz vor einer Zeugin. Die Erstgebärende, eine uneheliche Fabrikarbeiterin, hatte stehend im Zimmer bei der Ar- beit Kind und Mutterkuchen zugleich geboren. Die Mitarbeiterin holte sogleich noch andre weibliche Personen herbei und man fand das Kind todt. Es war 7 Pfund schwer, 19 Zoll lang und bot auch sämmtliche übrige Zeichen der Reife dar. Es musste, wie die Athemprobe erwies, geathmet gehabt haben. Unter der Schädelhaube fand sich auf dem Wir- bel ein liniendickes Extravasat von geronnenem Blute, aber auch hier keine Knochenverletzung, wohl aber, wie im vorigen Falle, apoplectische Gehirnhyperämie. Ob die Nabelschnur bei der Geburt oder nachher ge- trennt worden, haben wir nicht erfahren; bei der Obduction lag sie nicht unterbunden und abgerissen vor. Wir erklärten, dass die Obduction den angeblichen Hergang bei der Entbindung vollkommen bestätigt habe. Eine weitre Untersuchung wegen Kindermordes unterblieb hiernach, und auch die Mutter ist uns zur Untersuchung nicht vorgestellt worden. 52 * 326. Fall. Entbindung in aufrechter Stellung. Kindessturz auf die Strasse. Ganz ähnlich, dem vorigen war dieser Fall, insofern auch hier eine ganz unverdächtige Zeugin die präcipitirte Geburt, beobachtete. Die un- verehelichte Dienstmagd L. hatte zu Ende ihrer verheimlichten Schwan- gerschaft ihre Dienstfrau Abends auf den Weihnachts-Jahrmarkt begleitet, und folgte derselben, am Arm einen, mit Einkäufen schwer belasteten Korb tragend, nach Hause. Auf diesem Wege wurde sie von der Ge- burt plötzlich überrascht, nachdem sie seit einer halben Stunde Wehen gefühlt und dieselben unterdrückt hatte, und das Kind „plautzte", wie sie später aussagte, mit Einemmale heraus. Es lag viel hart gefrorner Schnee auf den Strassen, und auf diesen fiel das Kind mit dem Kopfe, wobei die Nabelschnur gerissen sein sollte, was sich durch deren Ränder allerdings bestätigte. Die L. sank ohnmächtig zusammen, kam aber in kurzer Zeit wieder zu sich, und fand nun, wie die Dienstfrau, die be- stürzt nach naher ärztlicher Hülfe fortgelaufen war, nach ihrer Rückkehr das Kind todt. Es hatte allerdings nach der Geburt geathmet und war an Hirnhämorrhagie gestorben, denn ausser verbreitetem Blutreichthum im Gehirn fanden wir eine Drachme Extravasat auf der Basis Cra/iü. Sehr interessant war auch bei diesem Kinde wieder ein Ossificationsde- fect im rechten Scheitelbein (vgl. §. 110.), au welchem eine achtgroschen- stückgrosse Stelle durchsichtig dünn, und in deren Mitte eine schwach gezahnte, linienbreite und sugillirte Spalte sichtbar war. Es wurde ge- urtheilt, dass das Kind reif gewesen, gelebt habe, an Blutschlagfluss ge- storben sei, und „dass dieser Blutschlagfluss mit höchster Wahrschein- lichkeit durch den Vorgang bei der Geburt des Kindes erzeugt worden, und weder Obduction noch Acten berechtigten, mit gleicher Wahrschein- lichkeit eine andre Todesart anzunehmen." 327. Fall. Präcipitirte Geburt. Kindessturz. Tod der Mutter. In diesem Falle waren die Sectionsergebnisse ungemein auffallend. Uuter weder mir noch einem Andern bekannt gewordnen Umständen hatte eine 24jährige Erstgebärende heimlich geboren und war unmittel- bar nach der Geburt gestorben und zwar, wie die gerichtliche Obduction prgab, an Verblutung. Die Leiche war uns zwar eingehüllt in ein Bett- tuch, in welchem eine schon verweste Placcnla lag, vorgelegt worden; ob Denala aber im Bette geboren hatte, was nach dem Befunde am Kinde nicht wahrscheinlich war, oder noch Zeit vor dem Tode gehabt hatte, sich ins Bett zu legen, oder als Leiche von Andern hineingelegt worden war, blieb unbestimmt. Wichtig war der Befund eines, Einen Zoll langen Dammrisses, und der, fünf Zoll von der Placenta abgeris- senen Nabelschnur, deren Ränder mit denen der kindlichen Nabelschnur genau übereinstimmten, und eine Nabelschnur von nur dreizehn und einem halben Zoll Länge im Ganzen bildeten. Der Kindeskörper hatte 20 Zoll, war 6| Pfund schwer, zeigte aber einen nur kleinen Kopf mit resp 3£, 3% und 4£ Zoll langen Durchmessern. Der Schulterdurchmesser betrug nur 4j, der Hüftendurchmesser 3£ Zoll. Unter der Schädelhaube lag eine liniendicke Schicht dunklen, geronnenen Blutes. Das rechte Schei- telbein zeigte einen Queerbruch von 3 Zoll und der rechte Schuppen- theil einen eben solchen Bruch von 1 Zoll Länge. Das ganze Gehirn war in diesem Falle merkwürdig genug eingehüllt in einer Schicht sehr dunklen, coagulirten Blutes. Aeusserlich fand sich weder am Kopfe, noch am Halse, noch an irgend einer Stelle des Körpers eine Spur einer Verletzung. Die Athemprobe erwies das Leben des Kindes nach der Geburt. Der sehr auffallende, vom gewöhnlichen in diesen Fällen so abweichende Obductionsbefund gebot Vorsicht. Wir glaubten nicht weiter gehn zu dürfen, als in folgender Erklärung: „dass der tödtliehe Blutschlagßuss durch äussere Gewalt entstanden sei; dass die Art dieser Gewalttätig- keit aus der Obduction nicht erhelle; dass es aber möglich sei, dass das Kind bei einer präcipitirten Geburt durch Stnrz mit dem Kopfe auf den Boden getödtet worden." Da die Mutter verstorben war, so wurde der Fall gar nicht weiter verfolgt, und wir haben auch das Local der Ent- bindung gar nicht zu untersuchen gehabt. 328. Fall. Kindessturz oder Kindermord? Der nachfolgende war wieder einer von denjenigen Fällen, die dem Gerichtsarzt, wenn er unter zweifelhaften Umständen genöthigt ist, ein folgenreiches Urtheil abzugeben,' eine grosse Beruhigung gewähren, wenn spätere Geständnisse des Angeschuldigten sein Gutachten rechtfertigen und bestätigen. Ein neugebornes Mädchen war als Leiche in einem Aschenhaufen in deir Küche versteckt gefunden worden. Die Mutter, nach der Obduction entdeckt, war die Dienstmagd des Hauses, welche vor vier Jahren schon ein reifes, noch lebendes Kind geboren hatte. Die ganz mit Asche bedeckte Leiche war die eines nahezu reifen Kindes, 17$ Zoll lang, 6 Pfund schwer, mit angemessen kleinen, die Annahme einer präcipitirten Geburt sehr wohl zuwenden Durchmessern, am Kopfe nämlich 3*, 4 und 4% Zoll, an den Schultern 4 Zoll und an den Hüften 3 Zoll. Die 9^ Zoll lange Nabelschnur war, nach der Beschaffenheit der Ränder, abgerissen, und die Placenta, die schon früher als das Kind aufgefunden, war wahrscheinlich gleich mit geboren worden. Auch hier fanden sich wieder äusserlich keine Spuren von Verletzungen, namentlich nicht am Kopfe. Das Kind hatte unzweifelhaft gelebt. Die ganze rechte Hälfte der innern Fläche der Galea war mit einer liniendicken Blutsulze bedeckt. Ein eben solches Extravasat von Viergroschengrosse lag auf dem Pericranium in der Wirbelgegend. Das rechte Scheitelbein war längs und queer, das rechte Stirnbein queer, das linke Scheitelbein an zwei verschiednen Stellen der Länge nach, und ausserdem noch queer und endlich noch das Hinterhauptsbein in seiner ganzen Höhe durchge- brochen und gespalten. Das ganze Gehirn war in allen seinen Theilen hyperämisch und in den Gruben der Schädelgrundflache fanden wir zer- streute, inselförmige, liniendicke Extravasate von dunklem, geronnenem Blute. Alter, Leben und Todesursache des Kindes waren leicht zu be- stimmen. Von den Grundsätzen aber ausgehend, die wir oben dargelegt haben, nahmen wir keinen Anstand nach der Obduction im summarischen Gutachten zu erklären: dass diese tödtlichen Kopfverletzungen nicht von einem Sturze des Kindes bei der Geburt, sondern von Misshandlnn- gen herrührten, welche den Kopf des Kindes nach der Geburt getroffen haben mussten. Die bald darauf entdeckte Mutter legte nun, nach an- fänglichem Läugnen, in wiederholten Verhören das Geständniss ab: dass sie (fünf Tage vor der Obduction) am Heerde stehend, dessen Fussboden mit Steinen gepflastert war, von der Geburt überrascht worden sei. Plötzlich sei ihr das Kind hervorgestürzt und mit dem Kopf auf die Steine gefallen. Nach kurzer Ohnmacht wieder zu sich gekommen und in der Absicht, sich und dem Kinde das Leben zu nehmen, habe sie das- selbe nun ergriffen „und mehreremale mit dem Kopfe auf die Steine des Heerdes geschlagen", worauf sie die Leiche versteckte. Sie wurde Schwurgerichtshofe zu sechsjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. vom 329. fall. Aus dem Abtritt gezogne Frucht. Kindessturz. Auch hier wieder ein Fall von Geburt mit Placenta, aber in andrer Combination als die vorstehenden Fälle. Ein neugebornes Mädchen war in Lumpen gehüllt im Abtritt gefunden worden, und zwar lotlirecht nn- ter der Brille. Das Kind wog ohne Placetita 8£ Pfund, war 20 Zoll lang und hatte Kopfdurchmcsser von 3£, 4£ und 5 Zoll und der Scliul- terdurohmesser zeigte sogar die erhebliche Breite von h\ Zoll. Auch alle übrigen Zeichen sprachen für die Reife des Kindes, das auch nach der Geburt geathmet haben inusste. Unter der Galea fanden wir am linken Schlafbein bis zum Stirnbein eine liniendicke Blutsulze, und unter dem Periost an diesen Stellen einzelne, inselartige Sugillationen. Die Knochen waren sämmtlic'i unverletzt. Die Gehirnvenen und Sinus aber zeigten eine bedeutende Hyperämie, die als einzige Todesursache des Kindes anerkannt wurde. Schon die Umhüllung des Kindes bewies, dass das Kind nicht über dem Abtritt geboren sein konnte, sondern nach der Geburt hineingeworfen worden sein musste, und es wurde, in Erwägung dieses, so wie namentlich des Umstandes der gleichzeitig mitgebornen Placenla, der auf präcipitirte Geburt schliessen liess, so wie der Befunde an und in der Kindesleiche „mit höchster Wahrscheinlichkeit" angenom- men, dass die tödtliche Aploplexie durch Sturz des Kindes auf eine harte Unterlage bei seiner Geburt veranlasst worden sei. Die Nachforschungen zur Ermittlung der Mutter sind vergeblich geblieben. Noch drei andre Fälle von präcipitirter Geburt, und zwar in Excre- mente s. 337., 338. und 340. Fall.*) §. 117. Fortsetzung, b) Verblutung aus der Nabelschnur. Kann das neugeborne Kind eine tödtliche Verblutung ans den Nabelschnurgefässen erleiden? Viel zu weit gin- gen die Aeltern, wenn sie aus dein blossen Befunde des nach der Geburt Statt gehabten Lebens und dem einer nicht unter- bunden gefundnen Nabelschnur an der Leiche den auf diesem Wege erfolgten Verblutungstod annahmen. Aber eben so unge- rechtfertigt weit ist man gegangen, wenn man aus den bekann- ten theoretischen Gründen vom Eintreten des kleinen Kreislaufs beim lebenden Kinde nach der Geburt umgekehrt die Unmög- lichkeit dieses Verblutungstodes behauptete. Die unbefangene Beobachtung zeigt vielmehr, dass derselbe eintreten kann, dass er aber ganz ungemein selten eintritt, selbst unter den ihm gün- stigst scheinenden Bedingungen. In langer und gewiss selten *) Vgl. auch den 320. Fall. reicher gerichtsärztlicher Erfahrung ist mir selbst z. B. auch nicht ein einziger derartiger Fall vorgekommen, obgleich ich nicht weniger als vier Fälle beobachtet habe, in welchen wir den Nabelstrang hart am Nabel des Kindes getrennt gefunden hatten, und vollends Fälle von, an der Leiche ununterbunden vorgefundnen 1, 1^, zweizölligen, theils abgeschnittnen, theils abgerissenen Nabelschnurresten, entschieden ohne erfolgten Ver- blutungstod, zu unsern alltäglichsten Beobachtungen gehören. Sehr natürlich, da das Nichtunterbinden bei heimlichen'Gebur- ten die Regel ist und jeder Gerichtsarzt, in Betreff von Obdue- tionen Neugeborner, fast in allen Fällen es mit heimlich gebor- nen Früchten zu thun hat. Da die Frage im concreten Falle: ob ein Kind sich aus der Nabelschnur verblutet hatte, wich- tiger für den Richter ist, als die, ob es sich auf diese Weise verbluten konnte, so muss natürlich schon aus logischen Grün- den in allen Fällen zuvörderst der Thatbestand des Verblutungs- todes selbst festgestellt werden. Derselbe bietet aber beim Neu- gebornen in keiner Beziehung andre diagnostische Merkmale dar, als in allen übrigen Lebensaltern, und kann ich deshalb auf §. 21. spec. Thl. (S. 347) verweisen. Auch beim, gleich- viel ob aus der Nabelschnur oder aus Verletzungen verbluteten Neugebornen ist die allgemeine Anämie der wesentliche Befund; aber auch beim Neugebornen nehmen an dieser Blutlosigkeit die Hirnvenen wegen Hypostase keinen Theil, wie man auch bei verbluteten Kindern (wie Erwachsenen) äussere Hypostasen (Todtenflecke), so wie noch andre innere Hypostasen findet, na- mentlich noch der Lungen, die übrigens auf ihrer nach oben liegen- den Fläche so äusserst characteristisch bleichgrau, schwarzbläu- lich gefleckt, und bei Einschnitten wirklich anscheinend nur luft-, gar nicht bluthaltig erscheinen, wenn Verblutungstod vor- liegt (s. oben a. a. O.). Aber grade in Betreff von Neugebor- nen, die leichter als Leichen Erwachsner beseitigt werden kön- nen, und dann oft so sehr lange liegen bleiben, bis ein Zufall ihre Entdeckung herbeiführt, wiederhole ich die Warnung, die .-ich beim Lesen der altern Schriftsteller sehr ernst aufdrängt, dass man nicht die blosse Anämie, die Produet des Verwesungs- proeesses ist, für Blutleere von tödtlicher Verblutung halten solle. In zweifelhaften Fällen wird, bei so vorgeschrittner Verwesung, dass die Färbung der Haut und innern Organe gar nicht mehr zu prüfen und die vorgefundne Blutleere auf Rech- nung der Blutverdunstung zu schreiben ist, der Gerichtsarzt deshalb sein Urtheil über den Thatbestand des Verblutungstodes ganz zurückzuhalten haben. — Der Irrthum der Aeltern, die bei Verblutung aus der Nabelschnur Erstickung und Verblutung annahmen, bedarf keiner Widerlegung. In allen dafür citirten Fällen wird man bei der einfachsten Critik erkennen, dass die Kinder sich eben gar nicht aus der Nabelschnur verblutet hatten. §. 118. Fortsetzung. Diagnose. Ist im concreten Falle der Verblutungstod an sich festge- stellt, so entsteht die Aufgabe, auszumitteln, ob derselbe aus der Nabelschnur erfolgt war. Die Wahrscheinlichkeit wird eine an Gewissheit gränzende werden, wenn keine andre Verletzung an der Leiche, auch nicht die kleinste, vorgefunden wird; doch wird man selbst in solchem Falle an die Möglichkeit einer Ver- blutung aus innern, pathologischen Ursachen denken müssen, die ich selbst zweimal durch Blutungen aus dem Mastdarm be- obachtet habe. Es wird folglich zu untersuchen sein: ob sich die Bedingungen an der Leiche vorfinden, die erfahrungsgemass die Nabelschnurverblutung begünstigen oder erschweren. Blos- ses Beschmutztsein der Leiche, oder der Umhüllungen, in de- nen sie gefunden wurde, mit angetrocknetem Blute kann natür- lich an sich Nichts beweisen, da dasselbe namentlich von der Entbindung, aber auch selbst von einer Nabelblutung, die nicht tödtlich gewesen war, herrühren konnte, im Uebrigen auch um- gekehrt wirkliche Blutbeschmutzung der Leiche abgewaschen oder im Wasser, in welches sie geworfen worden war, abgespült worden sein konnte. Ueber jene Bedingungen aber lassen die < übereinstimmenden allgemeinen Erfahrungen keinen Zweifel. 1) Die Nabelschnur muss zwischen Nabel und Placenta getrennt sein. Mende's Ansicht*), dass kein Grund für diese Not- wendigkeit abzusehn, da die Länge des Nabelstranges das Durchfliessen nicht hindere und die Gefässe des Mutterkuchens das hinfliessende Blut immerfort aufnehmen, wie Einspritzung Q es beweisen, ist durch keine Erfahrung nachgewiesen, und auch theoretisch sehr anzuzweifeln. 2) Das NichtunterbundenM in der Trennungsstelle an der Leiche kann wohl eine Wahrschein- lichkeit begründen, an sich aber natürlich gar nichts beweisen (immer hier vorausgesetzt, dass der Verblutungstod feststeht). Denn die früher vorhanden gewesene Ligatur konnte beim Transport oder Entkleiden der Leiche u. dgl. abgestreift, oder im Wasser abgespült worden sein, wie es denn auch unter Um- ständen denkbar, wenn auch unwahrscheinlich ist, dass erst nach dem Tode des Kindes aus irgend welchen Gründen eine Ligatur, die früher nicht geschehn, umgelegt worden ist. 3) Je kürzer nach eingetretnem Respirationsleben die Trennung der ununterbunden gebliebnen Nabelschnur geschah, desto leichter wird die Verblutung aus den Nabelarterien erfolgen können und umgekehrt. Die Obduction wird freilich nur unter besondern Verhältnissen im Stande sein, die Dauer des eingetreten gewe- senen Respirationslebens zu bestimmen, da die Athemprobe auch schon ein ganz kurzes Leben nachweist. Dass übrigens auch selbst nach viele Stunden fortgesetztem Leben noch eine tödt- liehe Nabelschnurverblutung eintreten kann, dafür liefert eine Beobachtung Hohl's einen sehr beinerkenswerthen Beweis.**) Vor seinen Augen unterband gegen Mittag eine Hebamme eine stark sulzige Nabelschnur fest und gut, hatte nach ihrer An- gabe am Abend Alles in Ordnung gefunden, ja die Mutter hatte das Kind nach Mitternacht trocken gelegt und Nichts bemerkt. •) Handb. der ger. Med. III. S. 279. '*) a. a. O. S. 588. und gegen Morgen des folgenden Tages fand man das Kind todt und bei der Section blutleer und gesund. 4) Die Tren- nung des kindlichen Restes muss möglichst kurz vom Nabel er- folgt sein. Je kürzer, desto leichter entsteht Verblutung, je länger, desto mehr wird durch Retraction der Arterien die tödt- liche Blutung verhindert. Deshalb ist bei gänzlicher Trennung der Nabelschnur glatt am Nabel die Gefahr der Verblutung am allcrgrössten. Nichtsdestoweniger habe ich vier derartige Fälle (320. 323. 331. 332.) ohne tödtliche Blutung beobachtet. 5) Die Art der g-eschehnen Trennung ist nicht ohne Einfluss auf die Gefahr der Verblutung, wie ich, auch ohne eigne Erfahrung, aus den an sich richtigen, allgemein angenommenen theoretischen Gründen, annehmen muss. Die Gefahr ist hiernach grösser, wenn die Nabelschnur mit einem scharfen Werkzeug getrennt, zerschnitten, als wenn sie zerrissen worden war, in welchem letztern Falle nothwendig eine Compression der Arterien be- dingt wird. In Bezug auf die Frage: ob denn überhaupt die Nabelschnur spontan (bei der Geburt) zerreissen könne, oder ob derartige Angaben von Angeschuldigten nicht zurück- zuweisen seien? hat Negrier in Angers (später auch noch Speth) Versuche angestellt, in welchem er die Widerstands- fähigkeit des Nabelstranges durch angehängte Gewichte prüfte. *) Diese Versuche aber beweisen Nichts, denn es fand hier eine allmählige Dehnung der Gewebe des Stranges Statt, während der Riss bei der Geburt in Einem Ruck geschieht; sie beweisen Nichts, weil die Fallkraft des Kindes dabei nicht in Anschlag gebracht ist; hauptsächlich aber beweisen sie Nichts, weil sie an todten Nabelschnüren angestellt wurden, die Widerstands- fähigkeit der todten Organe aber eine ganz andre ist, als die der lebenden. Ich habe meine beweisenden Versuche bereits (§. 6. spec. Thl. S. 272.) mitgetheilt, und ergänze dieselben hier *) Annales d'Hygi'ene publ. Bd. XXV S. 126, übersetzt in Henke's Zeitschr. Bd. 43. S. 182 u. f. durch die Ergebnisse sehr zahlreich angestellter Versuche an frischen Nabelschnüren. Wenn m&D eine solche ganz einfach in die Hände nimmt, um sie zu zerreissen, so gelingt dies schon deshalb oft nicht, weil die Hände an der glatten schleimig-fet- ten Schnur abgleiten, leicht kann man dies durch Umwickeln der Schnur um seine Hände, oder durch das Medium eines trocknen Tuches verhindern, in welches man die Enden der Nabelschnur legt: aber ich kann versichern, dass es äusserst schwer hält, auch nach solchen Vorbereitungen und auch bei starkem, plötzlich ausgeübtem Ruck eine Nabelschnur zum Zer- reissen zu bringen, und dass dies nur durch rasch hintereinander wiederholt vollzognen heftigen Ruck möglich wird. An der ersten besten vorliegenden frischen Nabelschnur kann Jeder diesen Versuch (und er wird es mit demselben Erfolg) wiederholen. Aber die Stränge, mit denen wir experimentirten, waren todte und durch- schnittlich mindestens zwei bis drei Tage lang abgestorben; der bei der Geburt reissende Strang ist ein lebender, und die Widerstandsfähigkeit lebender Organe ist, worüber alle unsre Versuche gar keinen Zweifel gelassen, eine sehr bedeutend ge- ringere, als die der todten. — Da nun die Wahrscheinlichkeit der tödtlichen Verblutung grösser ist, wenn die Nabelschnur zerschnitten, als wenn sie bei der Geburt, sei es spontan oder absichtlich zerrissen wurde, so fragt es sich: ob man an der Leiche des verbluteten Kindes die Art der geschehnen Tren- nung erkennen und daraus Rückschlüsse machen könne? Wie ungemein wichtig die Entscheidung der Frage Seitens der Ob- ducenten werden kann: ob die Nabelschnur zerrissen oder zer- schnitten worden, ja wie sogar das Leben einer Angoschuldig- ten von der Beantwortung dieser Frage abhängen kann, hat der folgende strafrechtlich mehr als gerichtsärztlich ungemein inter- essante Fall bewiesen, der sich noch unter der Herrschaft des frühern Strafgesetzes ereignete, welches das Verbrechen des Rinderm oril es mit der Todesstrafe bedrohte. 330. Fall. Verletzung der Carotin und des Rückenmarkes des Neugebor- nen. Zweifelhafte Art der Trennung der Nabelschnur. Eine uneheliche zum zweiten Male geschwängerte Dienstmagd hatte in der Nacht im Keller heimlich geboren und das Kind zuerst durch mehrfache Stiche mit einem Tischmesser getödtet, und dann noch das eben Sterbende mit einem Spaten, mit dem sie es im Sande verscharrte, äusserlich vielfach verletzt. Die rechte Carotis war in der Brusthohle durch Einen Stich angestochen worden. Ein andrer hatte die Wirbel- sä'ule zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel vollständig getrennt, und auch das Rückenmark an dieser Stelle vollständig zerschnitten. Die gerichtsärztliche Beurtheilung des Falles war folglich leicht. Dagegen zeigte folgender Umstand, wie wichtig es ist, bei einer Legalsection mit höchster Aufmerksamkeit zu verfahren. Die Angeschuldigte gab an, dass sie, nachdem sie das Kind geboren und dieses noch durch die Nabel- schnur mit ihr verbunden gewesen, nach der nahen Küche gegangen sei und ein Tischmesser geholt habe, um mit demselben die Nabelschnur zu durchschneiden, und dass sie dann erst, da sie einmal das Messer in der Hand gehabt und von Schreck und Angst übermannt, plötzlich den Gedanken gefasst und ausgeführt habe, ihr Kind zu tödten. Sonach wäre ihre That für den Strafrichter nur ein „Todtschlag" gewesen. Nun war aber natürlich gleich bei der Legalinspection, wo man die spätem Aussagen noch nicht ahnen konnte, von uns genau auf die Beschaffenheit der Ränder des Nabelschnurrestes geachtet worden, und es hatte sich dabei ganz unzweifelhaft durch deren ganz ungleiche, gezackte, gezahnte Ränder ergeben, dass der Nabelstrang nicht mit eiuem scharfen Instru- mente, sondern durch Reissen getrennt worden sein musste. Das von der Thäterin später recognoscirte Mordinstrument war nun vollends ein sehr scharfes gewesen, das sie selbst, mit den andern Tischmessern des Hauses, erst am Tage vorher geschärft gehabt hatte, und um so mehr mussten wir, trotz ihrer Angabe, bei unsrer ursprünglichen Behauptung stehn bleiben. So gestaltete sich denn ihr Verbrechen als „Mordu, denn es war zweifellos, dass sie das Messer nicht geholt hatte, um die Nabel- schnur zu trennen, sondern um das Kind, nachdem der Strang bereits getrennt gewesen, zu tödten, wobei also die Prämeditation vom Richter angenommen werden musste. Inculpatin wurde übrigens, wegen nicht ganz zweifelsfreien Gemütszustandes, nur ausserordentlich mit einer viel- jährigen Freiheitsstrafe belegt. Die allgemeine Angabe dass die Ränder einer abgeschnitt- nen Nabelschnur scharf und glatt und die einer abgerissnen zackig, ungleich, gezahnt, unregehnässig sind, ist vollkommen richtig. Aber wenn ein stumpfes Messer zum Trennen gebraucht worden, und die Nabelschnur gleichsam durchsäbelt, halb zer- rissen worden war, dann kann es bei derObduction sehr schwie- rig werden, über die Art der Trennung zu entscheiden, und ich bitte auf gewissenhafte Gerichtsärzte nicht den Stein zu werfen, wenn sie etwa in einem Falle dieser Art gar keine Gewisslx it geben, wie ich andrerseits noch weniger erfahrne Gerichtsärzte durch diese Bemerkungen aufmerksam gemacht haben möchte. Bei schon mumificirter Nabelschnur bedarf es nur des Einwei- chens der Nabelschnurränder in kaltem oder (besser und rascher zum Ziele führend) in warmem Wasser, um deren Beschaffen- heit prüfen zu können. 6) Auch die Constitution des Kindes ist nicht ohne Einfluss auf die grössere oder geringere Gefahr der Verblutung; caeteris paribus verbluten sich vollsaftige, kräf- tige Kinder leichter, als an sich anämische, die schon bei ge- ringem Blutverluste syncopisch werden, und dann noch Zeit zur Rettung lassen, wenn eine solche Hülfe nach den Umstän- den des Falles möglich war. 7) Was endlich die Beschaffen- heit der Nabelschnur selbst betrifft, so citire ich die Behaup- tung Hohl's, als eines erfahrnen Geburtshelfers, dass die Ver- blutung aus dicken Nabelschnüren leichter erfolge, als aus dün- nen und magern. *) Eigene Erfahrung darüber habe ich nicht. Wahre und fälsche Knoten der Nabelschnur geben kein absolu- tes Hinderniss für die Möglichkeit der Verblutung. §. 119. Casuistik. 331. Fall. Hart am Nabel getrennte Nabelschnur. Keine Verblutung. Eine unverehelichte Dienstmagd, die Schwangerschaft und Geburt verheimlicht hatte, war am 5. Mai 18— sehr rasch niedergekommen. Sie gab an, besinnungslos gewesen zu sein, und das Kind todt gefunden zu haben. Zwei Tage später erst war die Leiche in einem Eimer versteckt gefunden worden. Das Kiud war unzweifelhaft reif und hatte eben so unzweifelhaft geathmet. Als hier nur von den Ergebnissen der Athem- probe interessant, führen wir an, dass die Lungen nicht bleich, sondern schon fleischroth waren, und deutlich blutigen Schaum bei Einschnitten zeigten. Die Nabelschnur war glatt vom Nabel weggeschnitten, so dass es bei oberflächlichem Hinblick den Anschein hatte, als wenn der Nabel schon verheilt gewesen wäre. Im Unterleibe faud sich, namentlich in Leber, Milz und Hohlvene ein mässiger Blutgehalt; die Harnblase leer, die Dickdärme strotzend gefüllt. Das Herz blutleer. Im Kopfe aber sehr deutliche Hyperämie (nicht Hypostase), die Schädelknochen sehr tin- girt, die Venen der pia mater und die Sinus augenscheinlich sehr, wenn auch nicht übermässig, gefüllt. Im Uebrigen keine Abnormität. Der Mangel jeglicher Kopfgeschwulst und die mit vorgelegte Piacenta liessen übrigens auf präcipitirte Geburt schliessen. 332. Fall. Nabelschnur aus dem Nabel ausgerissen. Keine Verblutung. Der Körper des reifen neugebornen Knaben war (im Juli) zwar schon sehr stark von der Fäulniss ergriffen und mit Maden bedeckt, doch war die Athemprobe noch möglich und die Verwesung hinderte nicht zu er- kennen, dass kein Verblutungstod vorlag. Die Nabelschnur war völlig aus dem Nabel ausgerissen. Dennoch enthielten nicht nur die braunröth- lichen Lungen viel blutigen Schaum und die V. cava viel Blut, sondern auch hier fanden wir entschiedne Hyperämie in der Kopf höhle, so dass wir den Tod des Kindes aus Schlagfluss annehmen mussten und auf Be- fragen erklären konnten : dass das Ausreisseu der Nabelschnur aus dem Nabel in keinem Zusammenhang mit dem Tode gestanden habe. *) 333. Fall. Am Nabel abgeschnittne Schnur. Todtgeburt. Die Athemprobe ergab, dass das reif geborne Mädchen, das man in einem Hausflur gefunden hatte, todtgeboren worden war. Die Nabelschnur *) Zwei andre Fälle von hart am Nabel abgeschnittner und ausgerissner Nabelschnur ohne Verblutung, vielmehr mit apoplectischem Tode sind be- reits oben mitgetheilt (320. und 323. Fall). war glatt vom Nabel weg abgeschnitten gewesen. Nachdem aber die Todtgeburt festgestellt war, konnte dieser Befund weiter kein Interesse haben. 334. Fall. Nicht u n t e r b u n d n e Nabelschnur. Keine Verblutung. Auch dieses (reife) Kind hatte sich aus der, durch Zerreissen ge- trennten und am Leibe noch fünf Zoll langen Nabelschnur nicht verblutet, sondern war gleichfalls, nachdem es geathmet hatte, an Hirnhyperämie gestorben. Die Leiche war sorgfältig eingewickelt und in eine Kiste ver- packt aufgefunden worden, mit ihr in der Kiste auch hier wieder die Placenta, ihrerseits mit einem 15^ Zoll langen Nabelschnurrest, die ein Pfund wog, das durchschnittliche Gewicht des Mutterkuchens bei reifen Kindern. Die Lungen waren braunröthlich, marmorirt, schwam- men u. s. w. Den Blutgehalt im Unterleibe habe ich zu notiren verges- sen; dagegen finde ich in meinen Manual - Acten die Notiz: „deutliche apoplectische Hyperämie" und das abgegebne summarische Gutachten: dass das reife Kind nach der Geburt noch gelebt habe, und an Schlag- fluss gestorben sei, der ohne wahrnehmbare äussere Veranlassung erfolgt wäre. Diesen Fall von fünfzölligem Nabelschnurrest ohne Verblutung führe ich nur als Probe an. Denn dergleichen Fälle sind uns fortwährend, wie schon oben angeführt, als ganz alltägliche vorgekommen, und könnten wir die Mehrzahl sämmtlicher verrichteter Obductionen Neugeborner als Be- weise anführen, was eben so ermüdend als überflüssig wäre. §. 120. Schuld oder Nichtschuld der Mutter. Ausser den verschiednen speeifischen Todesarten des Kin- des in und gleich nach der Geburt kann das Neugeborne nach kurzem Leben noch auf mannigfache andre Weise durch soge- nannten unnatürlichen Tod sterben (§. 107.). Namentlich inter- essiren uns diejenigen Todesarten, bei denen, wie bei den bisher geschilderten, die Schuld der Matter in Frage kommen kann, die bei andern Todesarten, wie z. B. bei Schnittwunden, Vergiftung mit Schwefelsäure, Ertränken, Vollstopfen des Mundes mit frem- den Körpern u. dgl. nicht zweifelhaft sein kann, vorausgesetzt, dass kein Dritter implicirt. Fraglich aber kann die schuldvolle Absicht der, mit dem neugebornen Kinde allein gewesenen Mut- ter werden, wenn es sieh durch die Obduction ergiebt, dass das Kind an einer der geschilderten specifischen Todesarten gestor- ben, oder dass es im Bette, oder zwischen den Schenkeln der Mutter, oder dass es in Excrementen geboren und darin erstickt, oder dass es in der Killte liegen geblieben und den Erfrierungs- tod gestorben, oder sonst aus Mangel an der ersten und not- wendigen Pflege untergegangen war. Die gerichtsärztlich-cri- minalistische Erfahrung lehrt, dass in dieser Beziehung von den Anoeschuldigten, eben so erklärlich als verzeihlich, die kecksten Lü'»en vorgebracht werden, um sich schuldlos darzustellen, und dass selbst den einfältigsten Dirnen die Logik nicht fern liegt, dass, weil sie wissen, dass kein Zeuge gegen sie auftreten kann, sie mit consequentem Läugnen sich vielleicht retten können. Allein wie einerseits hier, wie überall, der Gerichtsarzt der blossen Humanität nicht nachgeben darf, so darf er andrerseits dem, was die Erfahrung unzweideutig gelehrt hat, sein Ohr nicht verschliessen. In dieser Beziehung ist bereits in den vo- rigen Paragraphen durch Erfahrungstatsachen, die auch als solche, wie andre Beobachter sie seit Jahrhunderten überliefert haben, von der Allgemeinheit gegen sehr vereinzelte Gegner längst erkannt sind, nachgewiesen worden, dass eine präoi- pirte Geburt, und zwar auch bei einsam und-zum Ersten- male Gebärenden, und zwar in jeder, auch der aufrechten Stel- lung möglich und sehr oft vorgekommen ist. Hieraus folgt schon die Möglichkeit, dass ohne vorher in der Schwangerschaft gehegte, noch ohne augenblicklich im Momente des Kreissens gefasste verbrecherische Absicht, in der überraschenden und rasch beendeten Geburt das Kind sich am Kopfe verletzen, durch die Umschlingung der Nabelschnur ersticken, durch die Zerreissung derselben möglicherweise verbluten kann. Eben so unzweifelhaft und durch die unverdächtigsten Erfahrungen, selbst an Ehefrauen, bewiesen ist es, dass der Drang zur Stuhl- und Urinentleerung zur Zeit der letzten Wehen die Schwau- Casper, gerichtl. Mcdicin. 53 gere bona fide auf den Abtritt, Nachtstuhl u. dgl. treiben, und hier dann plötzlich das Kind in die Excremente geboren wer- den und darin sterben kann. Nicht weniger anerkannt, und jedem altern Arzte, so gut als uns, in einzelnen Fällen vorge- kommen, ist die Geburt in bewusstlosem Zustande, mit Allem, was für Leben und Tod des Kindes daraus folgen kann. In der Wirkung auf dasselbe hiermit zusammen fallend, ist eine gänzliche Unkenntniss der Gebärenden in Betreff des Geburts- actes und der nothwendigen Hülfe für das Neugeborne. Kein Entlastungs-Motiv freilich wird auf der Anklagebank häufiger vorgebracht, als dieses, das man im Allgemeinen nur bei sehr jugendlichen, sittlich noch ziemlich unverdorbnen Erstgebären- den gelten lassen kann. Hieran schliesst sich ein andres Ent- lastungs-Moment, dessen Würdigung leichter ist, als die des eben genannten, weil dieselbe auf Obductionsbefunde gegrün- det werden kann, ich meine die angebliche Selbsthülfe der Kreissenden beim Gebäract. Diese kommt in gar nicht allzu seltnen Fällen vor, und besteht namentlich in einem Ergreifen des Kopfes so wie des Halses, und Ziehen daran, wenn nach gebornem Kopfe die Geburt noch zögert. Die sichtliche Wir- kung dieser Selbstentbindung an Kindesleichen besteht in leicht erkennbaren Nägelzerkratzungen im Gesichte oder am Halse, wie sie Jeder aus dem alltäglichen Leben kennt. Grössere Be- schädigungen des Kindes, namentlich Brüche des Kehlkopfes oder der Schädelknochen kommen dabei nicht vor, da sie eine viel grössere Gewalt zu ihrer Entstehung bedingen, als hier ausgeübt werden kann. Dagegen kann die Möglichkeit ei- ner Luxation der Halswirbel durch diese Selbstentbindung bei heftiger Manipulation des Halses in der aufgeregten Stimmung und bei den heftigsten Schmerzen der Kreissenden nicht in Alf- rede gestellt werden, wenn gleich mir weder ein derartiger Fall vorgekommen, noch sonst bekannt ist. Eben so wenig kann eine Erwürgung des Kindes auf diesem Wege der SelbsthüH'c und ohne verbrecherische Absicht geläugnet werden, wenn gleich diese Fälle äusserst selten vorkommen. Die Entschei düng kann hier ungemein schwierig werden, da die Befunde am Leichnam bei hona fide Selbsthülfe ganz dieselben sind, als bei Schuld und Absicht, und der concrete Fall mit seinen Einzelheiten wird die Data für das Urtheil liefern müssen. So wird man z. B. nicht irren, wenn man den Befund von Nägelzerkratzungen an Kopf, Gesicht oder Hals der Kindesleiche, ohne den irgend anderer Verletzungen oder einer gewaltsamen Todesart, auf Rechnung einer Selbsthülfe schreibt, während derselbe Befund beim Auffinden unzweifelhafter anderweitiger Beweise einer gewaltthätigen Behandlung und da- durch bewirkten Tödtung des Neugebornen diese nur um so mehr beweisen wird (335. Fall). — Was aber an der Leiche vorgefundene Verletzungen betrifft, so muss bei der Geneigt- heit, grade bei todt aufgefundnen Neugebornen ein Verbrechen zu wittern, das gar nicht begangen worden, und um durch das gerichtsärztliche Gutachten auch nicht einmal die Verhaftung und blosse Einleitung der Voruntersuchung gegen eine vielleicht ganz Unschuldige zu veranlassen, an einige Punkte erinnert wer- den, die bereits an frühern Stellen unsres Werkes besprochen worden sind. Hierhin gehört die Wiederholung der Warnung (§. 109. S. 798), das alltägliche subaponeurotische Blutsulz-Extra- vasat am Kopfe, das blosse Folge des Gebäractes, nicht für An- deutung einer dem Kinde angethanen Gewalt zu erklären; hier- hin die Verwechslung jener, zumal im Winter und bei sehr fet- ten Kindern oft genug vorkommenden, oben (§. 112. S. 806) genauer beschriebnen ganz natürlichen Pseudo-Strangrinue mit einer, von gewaltsamer Strangulation herrührenden wirklichen Strangmarke; hierhin gehören ferner die Verletzungen, die jeder Körper, so auch der des Neugebornen, im Augenblicke des Sterbens und selbst nach dem Tode durch Fall, Stoss, Anstrei- fen, Hin- and Hersehleifen u. s. w. erhalten kann, und die ganz sichtliche Spuren an der Leiche zurücklassen (§. 33 ällg. Tbl. mb 2 und 4 S. 127), eben so wie die Wirkungen von stumpfen, wie spitzen Instrumenten, die zum Aufheben, Auffischen, Heraus- 53* holen clor Leiche gebraucht worden waren, welche Wirkungen man namentlich bei Leichen Nougeborner findet, die so häufig in Löcher, Winkel, Gruben aller Art versteckt werden, aus denen sie nur mit Instrumenten hervorgeholt weiden können. Endlich kommen auch namentlich bei Neugebornen, weil sie in andern Fällen in Düngergruben, Abtritten, im Wasser u. s. w. versteckt worden waren, jene schon oben (§. 51. und 57. spec. Tbl. sub 2 S. 582) erwähnten Beschädigungen, Benagungen und Zerfressungen von Wasserratten, Schweinen, Hunden u. s. w. vor, wodurch oft ganze Theile der Leiche verstümmelt oder defect gefunden werden. Zwar ist die Beantwortung der Frage von der Schuld oder Nichtschuld (hier der angeschuldigten Mutter) der Gesehwor- nen, nicht des Gerichtsarztes Aufgabe: allein dieser hat die Verpflichtung, durch sachkundige Entwicklung des vorliegenden Falles, das Urtheil der Geschwornen aufzuklären, und, so weit der objective Thatbestand in Frage steht, ihre Ueberzeugmm zu begründen. Eine genaue und sorgfältige Würdigung aller hier nach der Erfahrung vorgetragnen Momente, beim eben so vorsichtigen Fernhalten jeder übel verstandnen und falschen Humanität einer-, wie jeder Verbreehenriecherei andererseits, wird den Gerichtsarzt zum Ziele führen. Andre allgemein- gültige Regeln lassen sich nicht aufstellen. Die besondern Um- stände des besondern Falles in ihrer Gesammtheit müssen ent- scheiden, wie eine Auswahl von unten folgenden Beispielen zei- gen mag. Ich habe darunter sehr absichtlich auch einige (339. 340. 341. 342. 344. Fall) aufgenommen, in denen eben diese be- sondern Umstände die Ueberzeugung aufdrängen mussten, dass die Beseitigung der Leibesfrucht lediglich aus oeconomischen Rücksichten geschehn . war, nämlich zur Ersparung der theuern Beerdigungskosten, was in Berlin ungemein oft vorkommt, oder um die Verheimlichung der unehelichen Geburt, die im kurzen Leben des Kindes geglückt war, vollends nach dem Tode dessel- j ben durchzuführen. Es bedarf nicht der Bemerkung, dass die Frage von der Schuld oder Unschuld der *Mutter, oder von den mildernden Umständen bei letzterer noch wesentlich abhängt von der Stim- mung der Kreissenden und von ihrer Zurechnungsfähigkeit im Allgemeinen; allein die Erörterung dieser wichtigen Frage ge- hört nicht zu derjenigen Aufgabe, die wir uns bei Abfassung dieses Werkes gestellt hatten. §. 121. Casuistik. 335. Fall. AngeblicheSelbstentbindung. Annahme eines Kindermordes. Am 11. November wurde die zum zweiten Male schwangere Dienst- magd H., welche behauptete, erst im Augenblicke der herannahenden Ge- burt von ihrer Schwangerschaft Kenntniss gehabt zu haben (!), von der Entbindung überrascht. Sie entband sich selbst, sich allein in ihrer Kammer befindend, von einem Mädchen, das sie, angeblich ohne zu be- merken, ob das Kind lebe oder nicht, mit der gleich darauf folgenden Nachgeburt im Bette, in welches sie sich gelegt hatte, liegen Hess. Die sofort gerufne Hebamme nahm das todte Kind hervor, unterband die Nabel- schnur und badete dasselbe, wobei sie bemerkte, dass das Kind am Halse Eindrücke, wie von Nägeln hatte. Die Kopfknochen waren auch ,.so weich, als ob sie gedrückt wären." Dass die Mutter bei der Gehurt sich viel zu schaffen gemacht haben musste, bewiesen der Hebamme auch die mit Blut besudelten Arme und Hände derselben. Bei der am 13. No- vember verrichteten Obduction fanden wir die Leiche 18 Zoll lang, 1\ Pfd. schwer, noch sehr frisch, die Kopfdurchmesser resp. von 3^, 4£ und 5 Zoll, den Schulterdurchmcsscr von £$, den Hüftendurchmesser von 3^ Zoll und alle übrigen Zeichen der Reife. An der rechten Seite des Halses zeigten sich in dreieckiger Form über einander stehend, drei zin- noberrothe kleine Flecke, von der Grösse einer Linse, weich zu schneiden mit Hautabschürfung, unsugillirt, und sich deutlich als Nägelzerkratzun- gen characterisirend. Am Kopfe, wie sonst, äusserlich keine Spur einer Verletzung. Von den Befunden in der Bauchhöhle erwähnen wir nur den Stand des Zwerchfells unter der fünften Rippe, eine starke Blut- anfüllung der Leber, Nieren und V. caoa, und die Leere der Harnblase bei strotzender Anfüllung der Dickdärme. Die Zeichen der Athemprobe bewiesen fibereinstimmend und mit überzeugender Sicherheit, dass das Kind golebt haben mussto. An den Halswirbeln, am Kehlkopf keine Spur einer Verletzung. Wichtig waren nur die Befunde am Kopfe. Das ganze rechte Scheitelbein war mit einer liniendicken, dunklen blutigen Sülze überzogen. Auch auf dem untern Theil des linken Scheitelbeins befand sich eine ähnliche, rundliche Ausschwitzung von \ Zoll Durch- messer. Das rechte Scheitelbein war genau in seiner Mitte durch einen halbmondförmigen Bruch in zwei Theile getheilt, die Bruchränder waren gezackt, aber nicht sugillirt. Auf beiden Gehirnhemisphären zeigte sich in der Scheitelgegend ein liniendickes Extravasat von dunklem geronne- nem Blute von 2 Zoll Durchmesser. Die Gefässe der pia maier waren ziemlich leer, die Sinus aber noch blutgefüllt, und die Schädelgrund- fläche unverletzt. Im Obductkmsberichte bewiesen wir zunächst, was hier keiner weitern Ausführung mehr bedarf, die Reife, das Athuiungs- leben des Kindes und den Tod durch Blutschlagfluss. Eine solche To- desart könne, hiess es weiter, bei Neugebornen wohl auch aus Innern Ursachen entstehn, wenn gleich eine S um m e von Befunden, wie die vor- liegenden, als Folge eines natürlichen Todes, zu den grössten Seltenhei- ten gehören würde; dass aber eine solche blosse Möglichkeit hier nicht angenommen werden könne und vielmehr behauptet werden müsse, dass eine gewaltsame und unnatürliche Behandlung des Kindes den genannten Tod veranlasst habe, dafür lägen beweisende Leichenbefunde vor. „Wir zählen dahin die blutig-sulzige Ausschwitzung auf beiden Scheitelbeinen, die nicht das blosse Product einer schweren Entbindung sein kann, die auch actenmässig gar nicht, vielmehr eine sehr rasch beendete Geburt, Statt gehabt hat, und ganz besonders den Bruch des rechten Scheitel- beins, das dadurch in zwei Theile getheilt war. Solehe Befunde lassen mit Sicherheit auf eine gewaltthätige Behandlung des Kopfes schliessen, und zwar auf eine stumpf quetschende Gewalt, z. B. sehr starken Druck mit den Händen, oder Anschlagen des Kopfes an einen harten Gegen- stand u. dgl. Dass äusserlich am Kopfe keine Spuren einer solchen (.'<<>- walt gefunden worden, kann nicht als Gegengrund aufgeführt werden, da, wie die Erfahrung uns selbst, namentlich in einer sehr grossen Anzahl der allerverschiedensten Fälle, gelehrt hat, die allererheblichsten innern Folgen von tödtlichen Misshandlungen sehr häufig gefunden werden, ohne dass die äussere Besichtigung der Leichen sie hätte ahnen lassen kön- nen. Ein bclehrend-warnender Beweis der Unzulänglichkeit der Leiehen- besichtigungen von Nichtärzten. Es haben sich ferner noch am Leichnam des Kindes an der rechten Seite des Halses drei zinnoberrothe Flecke gefunden, die nicht von selbst und etwa durch den blossen Act der Ge- burt entstanden sein konnten, vielmehr auf Finger- (Nägel-) Eindrücke deuten, die hier eingewirkt haben mussten, und einen Beweis mehr für unsere obige Behauptung abgeben." Wir standen hiernach nicht an, zu erklären, dass der Tod des Kindes durch gewaltthätige Behandlung ver- anlasst worden sei. Die Geschwornen sprachen hiernach ihrerseits das „Schuldig-' aus, und die Angeschuldigte wurde zu der gesetzlichen langjährigen Zuchthausstrafe verurtheilt. Drei Jahre später kam der oben mitgetheilte ganz ähnliche Fall vor, (s. 32S. Fall), in welchem das spätere Geständniss der Angeschuldigten unsre Annahme einer gewalttätigen Behandlung bestätigte. 336. Fall. Wasserleiche. Nicht zu ermittelnde Schuld der Mutter. Die Leiche eines neugebornen Knaben war Ende März aus dem Wasser gezogen worden. Von sehr vorgeschrittner Fäulniss war der Körper graugrün, aufgeschwollen und ohne Epidermis. Um den Hals war ein Bändchen fest geschlungen, woran ein Beutelchen hing, das einen Stein enthielt. Die Lungen waren braunröthlich, füllten die Brusthöhle aus, waren überall mit Fäulnissbläschen besetzt und schwammen in allen ihren Theilen. Aber auch das Herz schwamm, nicht aber die verweste Leber. Einschnitte in die Lungen ergaben zwar zischend entweichende Luft, aber (bei diesem hohen Verwesungsgrade erklärlich) nicht mehr blutigen Schaum. Das Herz war blutleer. Wasser- und schaumleer war auch die Luftröhre, und leer der Magen. Das Zwerchfell stand zwischen der fünften und sechsten Rippe. Am ganz grünen Halse hatte sich eine ringsum laufende Vertiefung gezeigt, die aber ganz weich zu schneiden und ohne Spur von Sugillation war. Unser Gutachten ging dahin: dass das Kind ein reifes gewesen, dass mit Sicherheit nicht mehr über sein Leben nach der Geburt entschieden werden könne, dass jedoch Gründe der Wahrscheinlichkeit für ein solches Leben sprächen (Stand des Zwerchfells, Farbe und grosse Ausdehnung, so wie die vollständige Schwimmfähigkeit der Lungen), dass aber jedes Urtheil über die Todes- art des Kindes (folglich über die Schuld der Mutter) zurückgehalten werden müsse. 337. Kall. Geburt in Excremente. Eine Uneheliche, die ihre Schwangerschaft, wie so häufig, bis zum letzten Augenblicke verheimlicht hatte, fühlte Drang zum Stuhl, und kauerte über einem hölzernen, etwa anderthalb Fuss hohen Schöpfbottich nieder. Sie Hess eine bedeutende Masse Koth und Urin hinein, und gleich darauf schoss, ihrer Angabe nach, das Kind von ihr. Die uns zwei Tage später vorgelegte Leiche war stark mit Koth besudelt. Das Zwerchfell stand verhältnissmässig tief, zwischen der fünften und sechsten Rippe. Die Luft- und Speiseröhre, wie der Magen waren ganz leer und normal. Die braunrothen, völlig ungefleckten Lungen lagen beide nach hinten stark zurückgezogen, knisterten nicht beim Einschneiden, noch zeigten sie Blutschaum, und waren vollkommen schwimmunfähig. Wie- der war auch hier die Harnblase leer und der Mastdarm voll. Mit Recht, wie wir glauben, alle Subtilitäten vollkommen unbeachtet lassend, welche Henke und seine Schule an Fälle, wie dieser, knüpfen, um den Werth der Athemprobe anzuzweifeln, erklärten wir ganz einfach: dass (das Kind im achten Monat geboren worden, dass) dasselbe todtgeboren worden, und dass die Schuld eines Dritten an der Todtgeburt durch die Obduc- tion nicht erhelle, dem Untersuchungsrichter, wie billig, es überlassend, zu ermitteln, ob die übrigen Umstände etwa eine Schuld der Mutter in Betreff des Herganges bei der Geburt ergeben würden. Es kam weder eine Rückfrage, noch wurde später der Obductionsbericht gefordert, ein Beweis, dass der Fall nach unserm summarischen Gutachten nicht weiter verfolgt worden ist. Complicirter war der folgende 338. Fall. Aus dem Abtritt gezognes Kind. Nicht zu ermittelnde Schuld. Am 9. März hörte ein Mann, als er eben auf den Abtritt gehn wollte, aus der Grube herauf das Geschrei eines Kindes, und fand nun auch die Abtrittsbrille rund herum mit frischem Blute besudelt, und Blutspuren, die sich auf dem Hofe bis zur Kellerwohnung der unverehe- lichten K. verfolgen Hessen. Von den zur Rettung des Kindes herbei- gerufnen Zeugen deponirte der Hauswirth, der das Kind lebeud und anscheinend gesund aus der Grube heraufholte, dass der Abtritt am Tage vorher ausgeräumt worden war, und dass das Kind auf einer wei- chen und nicht flüssigen Substanz, und zwar auf dem Rücken gelegen habe, so dass es nicht ertrinken konnte. Ein andrer Zeuge nannte die Masse „Koth mit Stroh untermischt, fest, nicht flüssig", und sagt, das Kind sei „voller Blnt,£ gewesen. Die als Mutter sofort ermittelte K. de- ponirte, sie sei von der Geburt, die sie noch entfernter geglaubt, insofern überrascht worden, als sie einen Stuhl- und Urindrang gefühlt, und auf dem Abtritt sitzend, sei mit der Nothdurft das Kind „hervorgeplatzt'', wobei die Nabelschnur zerrissen und das Kind in den Abtritt gefallen sei. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Brille 10 Zoll im Durch- messer hatte, und so gross war, dass allerdings ein Kind durchschiessen konnte. Das Kind starb zwei Tage später in der Charite, ohne dass uns über die Krankheit etwas bekannt geworden wäre. Das Kind ergab sich bei der gerichtlichen Obduction als ein reifes männliches, bei dem es jedoch nicht unerheblich war, wahrzunehmen, dass der Kopf etwas klei- ner als gewöhnlich war, indem der grade Durchmesser nur 4, der queere nur 3 und der diagonale nur 4| Zoll maassen. Von Verletzungen fand sich keine Spur. Als Todesursache ergab sich ganz unzweifelhaft apo- plectische Hyperämie. Was die Entstehung des Schlagflusses betrifft, so äusserten wir, mit Rücksicht auf die Fragen des Staatsanwalts: „eine Verbindung zwischen dem Tode des Kindes und den Umständen, welche dessen Geburt begleitet haben, ist weder aus den Ergebnissen der Lei- chenöffnung, noch aus den actenmässigen Ermittelungen nachzuweisen. Denn wenn der Fall oder das Werfen des Kindes in den Abtritt die Ur- sache seines Todes, oder doch von Einfluss auf denselben gewesen wäre, was an sich, zumal bei der Kälte, die am Tage seiner Geburt herrschte, nicht unmöglich war, so hätte 1) sich eine äussere Spur dieses Falles oder Wurfes, namentlich am Kopfe des Kindes, erwarten lassen, welche indess nicht vorgefunden worden, wobei indess zu berücksichtigen, dass das Kind ziemlich weich fiel, und 2) und hauptsächlich würde der Tod des Kindes grade durch den schnell tödtlichen Blutschlagfluss, nicht, wie geschehn, erst zwei Tage später, während welcher Zeit das Kind fort- während unter ärztlicher Aufsicht war, erfolgt sein." Betreffend die An- gabe der Mutter über den Hergang der Geburt, mussten wir natürlich annehmen, was hier keiner weitern Ausführung bedarf, dass dieselbe nach der allgemeinen ärztlichen Erfahrung in allen ihren Theilen um so mehr als glaubwürdig zu erachten sei, als die K. eine Mehrgebärende, und der Kopf des Kindes kleiner als gewöhnlich gewesen war. (Das mütterliche Becken haben wir nicht zu untersuchen gehabt.) Für die Annahme aber, dass das Kind bei der Geburt nicht in den Abtritt ge- fallen, sondern erst nach derselben in die Grube geworfen worden sei, lügen ärztlicherseits gar keine Gründe vor. Hiernach lautete, mit Rück- sicht auf die vorgelegten Fragen, der tenor unsers Gutachtens dahin: 1) dass das Kind qu, ein reifes und lebensfähiges gewesen; 2) dass das- selbe an Blutschlagfluss gestorben sei; 3) dass aus den Resultaten der Obduction eine äussere und gewaltsame Veranlassung zu der tödtlichen Krankheit nicht erhelle; 4) dass eine Verbindung zwischen dem Tode des Kindes und den Umständen, welche dessen Geburt begleitet haben, nicht nachzuweisen; 5) dass nicht anzunehmen, dass der Fall oder das Werfen des Kindes in den Abtritt die Ursache seines Todes gewesen; 6) dass der von der K. geschilderte Hergang bei der Geburt überhaupt und nach Lage der Acten, so wie mit Rücksicht auf die Localität des Abtritts und die Lage und Beschaffenheit, in welcher das Kind vorgefun- den wurde, wahrscheinlich sei, und 7) dass Gründe für die Annahme nicht vorhanden, dass das Kind nicht bei der Geburt in den Abtritt ge- fallen, sondern erst nach derselben in die Grube geworfen worden sei. Es wurde hierauf kein weiteres Verfahren gegen die K. wegen Kinder- mordes eingeleitet. 339. »all. Aus dem Nachtstuhl gezognes Kind. Oeconomische Veranlas- sung der Beseitigung? Die Leiche eines reifen neugebornen Knaben von 6j Pfund Gewicht und 18 Zoll Länge, aber von kleinen Kopf- und Schulterdurchmessern (3, 4, 4| Zoll und Schultern A\ Zoll) war in einem Nachtstuhl gefunden worden, dazu eine 22 Loth schwere Placenta. Der vierzehn Zoll lanse kindliche Nabelschnurrest war zackig zerrissen und ununterbunden. Un- ter dem Pericratlium am linken Scheitelbein zeigten sich inselartige Su- gillationen, sonst nirgend weder äusserlich noch innerlich Spuren von Verletzung an der noch frischen Leiche. Die Todesart ergab sich als Hirnhyperämie, nicht Erstickung. Das Athmungsleben war zweifellos. Für eine präcipitirte Geburt sprachen übereinstimmend die mit vorge- fundne Placenta, die abgerissene Nabelschnur, die kleinen Kopf- und Schulterdurchmesser, die heimliche Entbindung; dafür, dass ein Kinds- sturz auf den Kopf dabei Statt gehabt, die Sugillationen auf dem Schei- telbein. Der Sturz konnte aber diese Wirkung nicht gehabt haben, wenn die Geburt auf demrNachtstuhl vor sich gegangen und das Kind auf die (im Mai) weich-flüssigen Excremente gefallen war, in welchem Fall auch Erstickung, nicht Hirnhyperämie als Todesursache erfolgt sein würde. Hiernach war anzunehmen, dass das lebensfähige, lebend gewesene, Kind durch Sturz auf irgend einen festen Boden an Gehirnschlag bald nach der Geburt verstorben, und todt, vermuthlich nur, um die Geburt vol- lends zu verheimlichen und die Beerdigungskosten zu ersparen, in den Nachtstuhl geworfen worden war. Der Sache wurde hiernach keine rich- terliche Folge gegeben. 340. Fall. Ein ähnlicher Fall. Noch wahrscheinlicher wurden die eben genannten Beweggründe in folgendem Fall. Das Kind musste als ein nur achtmonatliches abge- schätzt werden; denn es wog nur 4 Pfund 9 Loth, war nur 16 Zoll lang, der Queerdurchmesser des Kopfes betrug nur 2%, der grade nur 3'j, der diagonale nur 4 Zoll und der Hüftendurchmesser nur 2| Zoll. Es war noch mit der Placeilta verbunden, welche 23 Loth wog. Es war, wie die Athemprobe ergab (leere Harnblase!) eine Todtgeburt gewesen. Das Kind konnte möglicherweise allerdings auch auf dem Nachtstuhle geboren worden sein, mit der Erklärung aber, dass es in und nach der Geburt nicht gelebt gehabt habe, sondern todtgeboren gewesen sei, horte das richterliche Interesse an der Sache auf. *) 341. Fall. Aus dem Wasser gezognes Kind. Beseitigt aus öconomischen Gründen? Der reife, lebensfähige neugeborne Knabe, der aus einem der klei- nen Seen im Thiergarten gezogen worden, war entschieden todtgeboren gewesen, wie die Athemprobe unzweifelhaft ergab. Das Kind war folg- lich todt ins Wasser gekommen, verhielt sich aber bei der äussern Be- sichtigung ganz wie jede Wasserleiche. Denn während Bauch und Ge- schlechtstheile noch die gewöhnliche Leichenfarbe hatten, war der Kopf schon grau, die Brust grün von Verwesung. Interessant war aber für die Aufklärung des Falles der Befund der, mit einem hänfenen Bande (Bindfaden) unterbundenen Nabelschnur. Wer hatte diese Ligatur ange- ♦) Vgl. den 329. Fall. legt? Die Mutter (die ganz unbekannt geblieben ist), wenn sie heimlich und unehelich geboren hatte? Aber zu welchem Zwecke? Oder eine Hel- ferin bei der Entbindung, eine Hebamme oder auch nur eine sogenannte Wickelfrau? Aber eine solche, geschweige ein Arzt, nimmt nicht eine solche Schnur zur Ligatur. Vermutlich also war das Kind gar dicht heimlich, sondern vor einer oder mehrern Zeuginnen geboren, vermut- lich rasch und leicht geboren worden, und eine anwesende bewanderte Weibsperson hatte geglaubt, die Nabelschnur unterbinden zu müssen. Und als man sich überzeugte, dass das Kind todt, war es höchstwahr- scheinlich, zur Ersparung aller Weiterungen, namentlich der polizeilichen Anmeldung und der Beerdigungskosten, ins Wasser vor das Thor getra- gen worden. 342. Fall. Wasserleiche eines Neugebornen mit abgesägtem Schädel. Oeconomische Veranlassung der Beseitigung. Die öconomische Veranlassung war hier unzweifelhaft, und der Fall zu eigentümlich, um ihn hier nicht mit aufzunehmen. Diagnostisch hatte er freilich gar kein Interesse. Es war ein reifes männliches Kind, das aus dem Wasser gezogen und schon (im October) in so hohem Grade verwest war, dass es nur äusserlich besichtigt wurde. Aber es ergab sich dabei — dass die obere Schädeldecke kunstgemäss abgesägt und die Kopfhaut wieder eben so zugenäht worden war. Beim Oeffnen dersel- ben fand sich die Schädelhöhle ganz leer. Offenbar also war das Kind von einem Privatarzte der Diagnose wegen geöffnet, und danach von den Angehörigen, Statt der Beerdigung, ins Wasser geworfen worden! 343. Fall. Umschlingung der Nabelschnur, Schlagfluss. Selbsthülfe. Ein reifes männliches Kind lag (im Januar) vor, noch ganz frisch, mit vierfacher Umschlingung der frischen Nabelschnur, die dreiund- dreissig Zoll lang, ununterbunden und mit zackig-ungleichen Rändern versehn (abgerissen) war. Die Mutter war weder zur Zeit bekannt, noch ist sie später ermittelt worden. Die Leiche war 1\ Pfund schwer und 20'r Zoll lang. Sie hatte grosse Kopfdurchmesser von resp. 3j, \\ und 5j Zoll, eben so einen Schulterdurchmesser von 5£ Zoll. Am Kopfe fand sich keine Spur einer Verletzung. Am Halse war von einer Pinne gar Nichts, und nur am Nacken ein zwei Zoll langer, weisslicher, drei Linien breiter, nicht eingefurchter, weich zu schneidender, nicht sugillir- ter Streiten zu bemerken. An der rechten Seite des Ealses fanden sich nebeneinander sechs erbsengrosse, hellrotlie, weich zu schneidende Flecke mit Hautabschürfung, deutliche Nägelzerkratzungen; am linken Unterkie- ferwinkel eine groscheugrosse, blaue, wirklich sugillirte Stelle, und auf der linken Backe noch eine kleine Abschilferung, wie die geschilderten. Die Bauchhöhle bot nichts Besonderes dar; die Harnblase war leer, aber der Dickdarm voll und der After mit Kindspech beschmutzt. Die rechte Lunge war gleichförmig leberbraun, zurückgezogen und sank bis in ihren kleinsten Stückchen im Wasser unter. Die linke dagegen bedeckte den Herzbeutel fast, war hellrosenroth, bläulich marmorirt, ergab knisterndes Geräusch und Blutschaum bei Einschnitten, was bei der rechten nicht der Fall gewesen, und schwamm ganz vollständig. Im Gehirn ergab sich nicht nur eine sehr sichtliche Hyperämie, sondern auch im Kopfe noch der bemerkenswerte Befund eines Extravasats von dunklem, dicklichem Blute auf der Basis ClCltlii. Eine andre Veranlassung, namentlich eine äussere, gewaltsame zu dieser Apoplexie, als die Umschlingung, lag nicht vor, und war nicht anzunehmen. Bei der starken Entwicklung des gan- zen Kindskörpers konnte eine etwas zögernde Geburt wohl angenommen werden, und es erschien gerechtfertigt, die geschilderten äussern Verlet- zungen an Hals und Gesicht als Resultate der Selbsthülfe der Kreissen- den anzusprechen. 344. Fall. Aus dem Kamin gezognes Ne u gebor n es. Oeconomische Ver- anlassung zur Beseitigung. Der Fall war insofern interessant, als diesmal wieder unser Urtheil später vollständig durch das Geständniss bestätigt wurde. Die Athem- probe ergab das Leben der Geburt ganz unzweifelhaft*), das deshalb, wie die Todesart durch Hiinschlagfluss, die einzige in der Leiche nachge- wiesene, und zwar als aus innern Ursachen entstanden, angenommen wurde. Den Fundort der Leiche betreffend, ein ungeheitzter, mit einer Thüre verschlossner Kamin (im April), in welchem das in Lappen und Wäsche gehüllte Kind gelegen hatte, wurde ausgesprochen, dass das Kind erst als Leiche dahin gekommen und wohl anzunehmen sei, dass nur eine wohlfeilere Beseitigung, als die Beerdigung beabsichtigt gewesen sein *) Die Lungen des Kindes s. in der Abbildung Taf. VI. Fig. 16. dürfe. In der Mutter wurde eine mit ihrer Herrschaft liier durchreisende Russin ermittelt. Sie gestand ganz offrn, dass sie das Kind heimlich geboren, dass es eine kurze Zeit gelebt habe und dann todt gewesen sei, und dass sie, fremd und mit den Gebräuchen des Landes unkundig und zu- arm, um weitere Schritte für die Beerdigung der Leiche zu thun, dieselbe in den Kamin versteckt gehabt habe, da ihre Abreise bevorstand. *) *) Vgl. noch als hierhergehörige Fälle die unter den Nummern 142., 201., 236., 248., 273., 274., 276. mitgetheilten. Register (Die Zahlen beziehen sieh auf die Seiten.) -Abortus, gerichtl.-medicinisch 681. Abtritt, Ertrinken darin, lange Er- haltung der Gebärmutter (Fall) 62. Adipocire s. Fettwachsbildung. Aerztliche Hülfe, Anschuldigung we- gen verweigerter (Fall) 641. Aether als Anaestheticum 608. Aethyloxyd, salpetersaures, als An- aestheticum 608. Aetzgifte 383. 389. 393. Alcohol, Krankheitserscheinungen u. Leichenbefund 407. — Vergiftungsfälle 452. 453. Alcoholvergiftung bedingt langsame Verwesung 36. Aldehyd, Oxydation des Alcohols in dasselbe 407. — als Anaestheticum 608. Alter, sein Einfluss auf den Verwe- sungsprocess 35. — dessen Abschätzung bei Leichen 104. Anaesthetica, Tod durch 608. Antimonsalze, chemische Ermittelung derselben 652. Aorta, Schuss in dieselbe (Fall) 304. Aortenbogen, Stich in denselben (Fall) 132. Arsenige Säure; Krankheitserschei- nungen u. Leichenbefund 396. Ver- giftungsfälle 415. 418. 419. 444. Chemische Ermittelung ders. 416. Arsenikvergiftung, dadurch veran- lasste Ausgrabung (Fälle) 81. 88. Arteria axillaris, Schusswunde in die- selbe (Fall) 75. — cruralis, Schusswunde in dieselbe (Fall) 305. — illiaca ext., Verletzung ders. (Fall) 351. — interossea, Verletzung derselben (Fall) 187. Arzt, der, dem Strafgesetz gegenüber 629. 635. — Zurechnung seines Heilverfahrens 643. Atelectase, Würdigung derselben 725. 727. 752. Athemprobe, Critik ders. 711. Le- berprobe 711. Wölbung der Brust 713. Stand des Zwerchfells 720. Ausdehnung der Lungen 721. Farbe ders. 722. Consistenz ders. 725. Gewicht ders. 728. Schwimmfähig- keit ders. 736. Sinken der Lungen im Wasser 752. Einschnitte in die Lungensubstanz 753. Knochenkern 755. Harnsaure Sedimente in den Nierencanälchen 756. Zeichen an dem Nabelschnurrest 759. Oblite- ration derFötal-Circulat.-Wege 762. Harnblasen- u. Mastdarmprobe 764. Sugillationen 765. Schlusssatz über die Athemprobe 767. Wann die- selbe überflüssig? 768. (Fälle) 773. — wie sie anzustellen 100. — bei schon sehr vorgeschrittener Verwesung (Fälle) 773. Athnien eines Neugebornen im ver- schlossenen Kasten (Fall) 801. Athmung und Leben, beim Neuge- bornen identisch 701. Athmung vor der Geburt 706. Atropin, chemische Ermittelung dess. 455. Augapfel, Weichwerden desselben als Todeszeichen 21. Augäpfel, ihr Hervortreten bei Stran- gulirten 493. Augen, Farbe derselben bei der In- spection zu berücksichtigen 107. Ausgrabung von Leichen u. Leichen- fragmenten 77. (Fälle) 80—91. — einer Kindesleiche nach zwölf Tagen (Fall) 376. Bajonettstiche, angeblich tödtlich (Fälle) 184. 185. Barruels Blutdiagnose unzuverlässig 154. Bauchhöhle, Verfahren bei Eröffnung derselben 226. Bauchorgane, Hyperämie ders. bei Erstickten 467. bei Ertrunkenen 569. Bauchspeicheldrüse, Zeit ihres Ver- wesens 60. Belladonna, angeblicher Vergiftungs- fall durch dieselbe 459. Benzoe, als Anaestheticum 608. Besichtigung, äussere, s. Inspection. Biostatisches Experiment, s. Athem- probe. Bittermandelöl, s. Cyanwasserstoff- säure. Blässe der Leiche, als Zeichen des Ertrinkungstodes 557. Blausäure, s. Cyanwasserstoffsäure. Blutansschwitzungen am Kopfe Neu- geborner als Fäulnissproducte nicht für traumatische zu halten 814. Blut, Blausäure nach einer Vergiftung darin nachgewiesen 434. Blut, gerinnt auch nach dem Tode 20. 210. (Fälle) 283. 305. — Unterscheidung von Menschen- und Vogelblut (Fall) 156, von Men- sch en- u. Kuhblut (Fall) 167, von Menschen- u. Rinder- oder Ham- melblut (Fall) 159. — merkwürdige Veränderung dess. nach Phosphorvergiftung 402. 441. — Versuche mit tödtlichen Gasen in ihrer Einwirkung auf dasselbe 488. — seine Beschaffenheit bei Erstick- ten 463, seine Flüssigkeit bei Er- trunkenen 566, seine Beschaffen- heit nach Chloroformtod 615. 617. Blutergüsse, subcutane, am Kopfe Neugeborner 792. Blutextravasate im Schädel, wann be- weisend für äussere Gewalt 350. Blutflecke auf einem Messer festge- stellt (Fall) 187. Ermittelung der- selben auf Stoffen 215,. auf brau- nem Tuch (Fall) 217. — zweifelhafte auf Werkzeugen 152, ehem. Untersuchung derselben 160. Blutgefässe, Zeit ihresVerwesens 61, noch sehr spät erkennbar 62—64. Blutkörperchen, Zerstörung derselben durch tödtliche Gase (Fall) 487. Blutlungenprobe, Ploucquet's, gewür- digt 728. Brandblasen im Leben und nach dem Tode entstanden, wie zu unter- scheiden? 325. S. Verbrennung. Brucin, Vergiftungsfälle dadurch 444, chemische Ermittelung dess. 447. Brust, Wölbung derselb. als Zeichen der Athemprobe 713. 719. Brustbein, Durchbohrung dess. (Fall) 132, Bruch dess. ohne äussere Spu- ren (Fälle) 125. 126. Brustdurchmesser von 206 reifen Neu- gebornen 715. Brusthöhle, kunstgemässe Eröffnung derselben 224. Brustwirbelbruch (Fälle) 280. 286. Brustwunde; tödtiiohe, durch Sensen- hieb (Fall) 182. Carotidenhäute, Ruptur derselben bei Erhängten 507. Carotis, Riss ders. (Fall) 320. Ver- letzung ders. (Fälle) 351. 364. 366. 367. 829. Cephalhämatom bei Neugebornen 793. Chemische Ermittelung von arseniger Säure 416 ; von Schwefelsäure 423. 429; von Blausäure 436; von Phos- phor 440; von Brucin 447; von Meconsäure (Opium), Morphium, Atropin, Coniin, Nicotin 455. Chloräther als Anaestheticum 608. Chlorgas, Einwirkung dess. auf das Blut 489. Chloroformiren, tödtliches, bei einer Zahnextraction (Fall) 655. Chloroformtod 608. Versuche anThie- ren 610. Diagnose 613. Ob che- misch zu ermitteln? 620. Aeussere Bedingungen dess. 625. (Fall) 655. Chloroform-Vergiftung, die chroni- sche 621. (Fälle) 622. 623. Circulationswege, fötale 762. Cloakengas 488. Colchicum u. Colchicin; Krankheits- erscheinungen und Leichenbefund 402. (Vergiftungsfälle) 449. Combuslio spontanea, s. Selbstverbren- nung. Compression der Nabelschnur als To- • desursache 802. Condyli des Oberschenkels, Abbruch ders. (Fall) 283. Coniin, ehem. Ermittelung dess. 455. Cyanwasserstofl'säurc; Krankheitser- scheinungen u. Leichenbefund 405. Vergiftungsfälle 431. 432. 433. 434. Im Blute nach Vergiftung nachge- wiesen 434. — chemische Ermittelung ders. 436. Casper, sfriclitl. Medicin. Darm, Ruptur dess. 146. Darmhypostase 31. Darmcanal, Zeit seines Verwescns 55. Darm-Schusswunde (Fall) 299. Demarcationsring der Nabelschnur 759. Dornfortsatz, Bruch Eines, ohne äus- sere Spuren (Fall) i22. Ductus arteriosus Botalli 763. — venosus 763. Ecchymosen, capillare, in den Brust- organen bei Erstickten 464. — s. Sugillationen. Eisenbahnwagen, Tödtung durch die- selben (Fälle) 276. Elaylchlorür, als Anaestheticum 608. Ellenbogengelenk, Hiebwunde in das- selbe mit tödtlichem Ausgang (Fall) 356. Emphysema pulmonum neonatorum, nicht anzunehmen 743. Entbindung, tödtliche Verblutung da- nach (Fall) 354. Erdrosseln, Tod durch 491; Diagnose 493. S. Selbsterdrosselung. Erection des Gliedes fehlt bei Stran- gulirten 494. Erfrieren, Tod durch 600. Diagnose 601. Erfrierungstod (Fälle) 604. 606. 607. Erhängen, Tod durch 491; Diagnose 493. — Selbstmord dadurch (Fälle) 511. 512. 513. 514. 515. 516. Zweifel- hafter Selbstmord durch Erhängen (Fälle) 524. 527. 536. 538. 539. 540. — der Leiche (Fall) 546. Erhängte, auf beiden Füssen stehend gefunden (Fälle) 538. 539. Erhungern, Tod durch 369. Fall von zehntägigem Hungern ohne Tod 370. S. Hungertod. Erschiessen, Tod durch 290. 54 Erschöpfung, über den Tod durch dies. 351; in'Folge von Amputa- tion nach Verletzungen (Fälle) 356; von Gehirneiterung nach Verletzun- gen (Fälle) 358.359. 361; von Ver- eiterung der Lunge nach Verletzung (Fall) 360. Erstickung, Allgenieines u. Diagnose 460. — durch Einsturz eines Gebäudes (Fall) 471, einer Zimmerdecke (Fall) 472; eines Neugebornen durch Torf (Fall) 472; durch einen Lutschbeu- tel (Fall) 476; im Bette der Mutter (Fälle) 478; in Kohlenoxydgas (Fälle) 482; in kohlensaurem und Schwefelwasserstoffgase (Fall) 485; aus innern Ursachen (Fall) 489. Erstickungstod der Neugebornen in Beziehung auf Athemprobe 727. 752. Ertrinken, Tod durch 55'0; in war- mem Chamillenthee (Fall) 579; im Abtritt (Fall) 62. Ertrinkungstod (Fälle) 235. 251. 570. 572. 575. 576. 590. 591. 592. 594. 595. 596. 597. 598. — zweifelhafter, eines Neugebornen (Fall) 800. Erwürgen, Tod durch 491; Diagnose 493; Mord (Fall) 530. Fahrlässigkeit, ärztliche, wie zu be- urtheilen? 636. 643. Fäulniss der Leiche, wann sie die Obduction noch gestattet 73. — der Lungen, als Hinderniss der Athemprobe 750. — 8. Verwesungsprocess. Farbe des Leichnams, deren Berück- sichtigung bei der Inspection 111. — marmorirte, der Lungen, als Be- weis des Geathmethabens 723. S. Lungen. Fcttwachsbildung im Leichnam 47. (Fälle) 48. 62. 63. 87. Feuchtigkeit, als Bedingung zur Ver- wesung 39. Figsurpn in der Schädelgrundfiäche, ihr Ansehn 144. — der Schädelknocben in der Ge- burt 795. Fötalcirculationswege 677. Foramen ovale 762. Fracturen der Schädelknochen in der Geburt 795. Frucht u. neugeb. Kind, Definition669. Fruchtalter, Zeichen dess. nach Mo- naten 682. Fruchtwasser, reagirt sauer nach Schwefelsäure-Vergiftungen 431. Füsse, die Beschaffenheit ders. bei Wasserleichen 558. Fusstritte als angebliche Todesursache (Fälle) 167. 171. Gränsehaut, als Zeichen des Ertrin- kungstodes 557. Gasarten, erstickende, die in der Praxis vorkommenden 470. Gebärende, angeblich fahrlässige Töd- tung derselben durch die Hebamme (Fall) 655. Gebärmutter, Zeit ihres Verwesens 61. — Brand ders., Anschuldigung ge- gen einen Arzt (Fall) 664. Gebärmutterriss 146; tödtlicher, bei der Entbindung, angeschuldigt (Fall) 659. Geburt in bewusstlosem Zustande möglich 834. — im Stehen, über dies. 809. S33. (Fälle) 811. 819. 820. — präcipitirte, kommt auch bei Erst- gebärenden vor 814; in aufrechter Stellung möglich 833. — Selbsthülfe der Kreissenden wäh- rend derselben 834; ihre sichtliche Wirkung an der Kindesleiche 834.| Gefahr, dringende, bei einem KranH ken, wann sie anzunehmen? 641. Gehirn, Gewicht desselben bei Er- wachsenen 553. — der Neugebornen, Zeit seines Verwesens 53; desgl. bei Erwach- senen 57. — Rupturen desselben 145; ohne äussere Spuren (Fälle) 124. 597. Gehirneiterung, tödtliche, nach Kopf- verletzungen (Fälle) 359; nach Ue- berfahren (Fall) 361. Gehirnhämorrhagie (Fälle) 278. 284. Gehirnhyperämie bei Ertrunkenen 561. Gehirnhypostase 24. Gehirnvenen, bei Verbluteten, nicht anämisch 348. 354. 364. 365. 366. 367. 368. Gekröse, Zeit seines Verwesens 56. Genitalien, männliche, nicht erigirt bei Strangulirten 494. Gerinnung des Blutes nach dem Tode, s. Blut. Geschlecht, dessen Einfluss auf den Verwesungsprocess 35. — wie noch bei zerstörten Leichen erkennbar 46. — bei der Inspection zu berück- sichtigen 103. Geschlechtstheile, deren Berücksich- tigung bei der Inspection 111. — Beschaffenheit ders. bei Strangu- lirten 494; des Penis bei Ertrun- kenen 560. — äussere weibliche, beim reifen Neugebornen 696. Gesicht, blaurothes, bei Strangulir- ten, fehlt meistens 493. — das, der Erstickten 468; der Er- hängten und Erdrosselten 493; der Ertrunkenen 557. Gewicht und Maasse von 215 reifen Neugebornen 687. Gewichtsverhältniss von Lungen zum Körper bei 60 Neugebornen 731. Gift, Begriff und Eiutheilungen 380. Aetzgifte 383. 389. 393; hyperämi- sirende 384. 390. 393; neuropara- lysirende 384. 390; tabificirende 384.390; septische 385.390. Fest- stellung des Thatbestandes 386. 412. Krankheitserscheinungen 387. Lei- chenbefund 390. Chemischer Be- fund 393. Combination der beson- dern Umstände 408. Vgl. die ein- zelnen Gifte und: Vergiftung. Glied, männliches, s. Geschlechts- theile. Grubengas 488. Gutachten, das summarische 231; das motivirte schriftliche 243; das mündliche vor Gericht 253; in den höhern technischen Instanzen 255. Haare, bei der Inspection zu berück- sichtigen 105. — über ihr Ausgehn nach Vergif- tungen 406. Kann Arsenik in die Haare Übergehn? 419. Hände, deren Berücksichtigung bei der Inspection 110. — bei Erschossenen, als Zeichen für Selbstmord 310. die Beschaffenheit derselben bei Wasserleichen 558. Hals, dessen Berücksichtigung bei der Inspection 109; kunstgemässe Er- öffnung dess. 224. Halsmuskeln, Zerreissung derselben bei Erhängten 507. Halsschnittwunden, über ihre Rich- tung zur Diagnose des Selbstmor- des 363. Tödtliche Fälle 354. 368. S. Verblutung. Carotis. Jugularis. Halswirbel, Bruch ders. (Fall) 279. Bruch und Luxation ders. bei Er- hängten 507. Bruch Eines, ohne äussere Spuren (Fall) 125. Halswirbelligamente, Zerreissung der- selben bei Erhängten 507. Harnblase, Zeit ihres Verwesens 60. 24* Harnblase, Ruptur derselben HG. — ihre Anfüllung bei Ertrunkenen 569. Harnblasenprobe 764; Unwerth ders. (Fall) 785. Harnsaure Sedimente in den Nieren Neugeborner 756. Haut des Neugebornen 673; des rei- fen Kindes 686. Hebamme, Anschuldigung gegen die- selbe (Fälle) 654. 655. Heilverfahren, Tod durch kunstwi- driges 629. (Fälle) 652. 654. 655. 659. 661. 662. 664. Hepatisation der Lungen Neugebor- ner in Beziehung auf Athemprobe 727. 752. Herz, abgerissenes, ohne äussere Spu- ren (Fall) 122. — seine Beschaffenheit nach dem Chlbroformtode 619. — sein Gewicht bei Neugebornen 728. 731. — Ruptur dess. 145. (Fall) 28. Schusswunden (Fälle) 28. 303. 305. 316. 318. 319. 320. — Verletzung desselben (Fall) 352: durch Messerstich (Fall) 210. — Zeit seines Verwesens 57. Herzbeutel, Ruptur dess. ohne äus- sere Spuren (Fall) 124. Ruptur dess. 145. Verletzung dess. (Fälle) 352. 536. Herzerschütterung (Fall) 280. Herzhyperämie bei Ertrunkenen 565. Hiebwunden, ihr Ansehn 139. 143. Hoden im Scroto, beim Neugebornen 696. Höhlen, natürliche, deren Berücksich- tigung bei der Inspcction 109. Homöopathische Pfuscherei (Fall) 662. Hungertod, wirklicher (Fall) 374; an- geblicher (Fälle) 376. 377. S. Er- hungern. Hyperämisirende Gifte 384. 390. 393. Hypostasen als Todeszeichen 21; im Gehirn 24; in den Lungen 25; in den Därmen 31; in den Nieren 31. Identitäts - Feststellung , veranlasst eine dreimalige Ausgrabung der Leiche (Fall) 90. Individualität des Verletzten als Maassstab der Tödtlichkeit 268. Inspcction der Leiche 102. Instrumente, s. Werkzeuge. Jugularis, Verletzung ders. (Fälle) 364. 366. Mtälte der Leiche, als Zeichen des Ertrinkungstodes 556. Kehldeckel, Offenstehn dess. bei Er- trunkenen 561. Kehlkopf, s. Luftröhre. Kehlkopfsbrüche, schwer an Leichen zu bewirken 274; ob bei Erhäng- ten? 507. Kindermord, zweifelhafter (Fälle) 839. 840. 842. 843. 844. 845. — zweifelhafter, durch Erdrosseln (Fall) 527; durch Verletzungen (Fall) 829. Kindessturz auf den Boden bei der Geburt 807. 813. S. Sturz. Kindspech, als Zeichen der Neuge- borenheit 677. Kleesäure, Krankheitserscheinungen u. Leichenbefund 404. Kleesalz, s. Kleesäure. Kleidungsstücke, Besichtigung ders. 213. Knistern, hörbares, bei Einschnitten in die Lungen, als Zeichen der Athemprobe 754. Knochen, ausgegrabene, wann u. wie lange sie Aufschlüsse geben kön- nen 79. (Fülle) 86. 87. 88. — die Dimensionen ders. beim rei- Knochenbrüehe, bei Leichen schwer zu bewerkstelligen 273. Knocheneindrücke u. Brüche, intrau- terine 791; in der Geburt 794. Knochenkern, in der Oberschenkel- Epiphyse beim Neugebornen 692. 755. Knorpel der Ohren und Nase als Zeichen der Reife 691. Knoten des Stricks bei Erhängten 151. Körpergrösse, bei der Inspection zu berücksichtigen 104. Kohlenoxyd - Gas, Erstickung darin (Fälle) 482. Kohlensaures Gas, Erstickung darin (Fall) 485; Einwirkung dess. auf das Blut 490. Kopfblutgeschwulst bei Neugebornen 793. Kopfhiebwunden (Fälle) 359. S. Stich- wunden. Kopfhöhle, kunstgemässe Eröffnung derselben 222. Kopfverletzung in einer bereits secir- ten Leiche (Fälle) 74. 76. — Schädelzertrümmerung (Fall) 199- (desgl.) 205. (desgl.) 208. (desgl.) 209. Kopfverletzungen, tödtliche, angeb- lich durch Schläge mit der flachen Hand (Fall) 173. Ob durch einen Stock oder Tischblatt veranlasst? (Fall) 176; ob durch Fall oder Fuss- tritte? (Fall) 183; durchdringende tödtliche durch Säbelhieb (Fall) 179. (desgl.) 181; durch Hammerschläge (Fall) 191; durch Schusswunden (Fälle) 299. 300. 301. 302.315. 316. 317; seltene (Fälle) 277. 282. 283. 285. 286. 287; der Frucht im Utero .787, in der Geburt 794; nachdem Tode 29. S. Gehirnhämorrhagie. Kothabgang bei Erhängten 496. Kothflecke, Ermittelung ders. 218. Krähenaugen, s. Brucin. Krankheitspro'ducte, deren Berück- sichtigung bei der Inspection 112. Kugel, in der Leiche Erschossener nicht leicht zu finden 290. S. Spitz- kugeln. Kupfersalze, chemische Ermittelung derselben 652. Kupfervergiftung durch Speisen 653. I>atrinengas 488. Leben, das, des Kindes in und nach der Geburt 701; wie lange es im concreten Falle gedauert? 771. Lebensfähigkeit, Definition u. gesetz- liche Bestimmungen 10; Termin ders. 12; über dieselbe 681. 682. Leber, Zeit ihres Verwesens 56. Leberprobe 711. Leberriss 145. (Fälle) 146. 281; ohne äussere Spuren (Fälle) 121. 122. 124. 125. 126. Leber-Schusswunde (Fall) 298. Leberwunde, tödtliche, durch Säbel- hieb (Fall) 184. Leberwurst, angeblicher Vergiftungs- fall durch dieselbe 457. Leibesbeschaffenheit, ihr Einfluss auf den Verwesungsprocess 35. Leibesfrucht, Alter ders. nach den ausgegrabenen Knochen bestimmt (Fall) 87. — s. Frucht und Mole. Leiche, Lage der Leiche Erschossener^ ob sie auf Selbstmord deutet? 308. Leichen, Versuche an denselben mit Verletzungen 272. Leichenblässe, nicht immer am gan- zen Leichnam 19. Leichenfett, s. Fettwachsbildung. Leichenstarre 31; auch bei Erstick- ten vorkommend 463. Leichnam, Definition 6. Lethalitätsgrade, beseitigt 263. Lorbeerkirschwasser (Vergiftungsfall) 431. S. Cyanwasserstoffsäure. Luft, atmosphärische, als Bedingung zur Verwesung 38. Lufteiublasen, bei Leichen Neugebor- ner 738. (Fülle) 781. Luftröhre, ihre Beschaffenheit bei Er- stickten 466; Schaum darin bei Ertrunkenen 562. — Verletzung ders. (Fall) 368. — Ruptur ders. 145. (Fall) 279. — Zeit ihres Verwesens 51. Lungen, ihre Ausdehnung als Zeichen der Athemprobe 721; ihre Farbe desgl. 722; ihre Consistenz desgl. 725; ihr Gewicht desgl. 728; ihre Schwimmfähigkeit desgleichen 736; Farbe der künstlich aufgeblasenen 723. 739; Farbe der faulen 724; Fäulniss der Lungen 750; Farbe der verbluteten 724; Einschnitte in dies, als Zeichen der Athem- probe 753. — frühes Eintreten der Verwesung in ders. (vier Fälle) 59. — ihr Hypervolumen bei Ertrunke- nen 564. 566. — Ruptur derselben 145 ; ohne äus- sere Spur (Fall) 122; durch Com- motion (Fall) 320. — Schwimmen der Einen, Sinken der Andern (Fälle) 481. 778. 781. — Zeit ihres Verwesens 58. Dia- gnose der Lungenfäulniss 58. Lungenarterie, ihre Beschaffenheit bei Ertrunkenen 566. Lungenhypostase 25. Lungenprobe, s. Athemprobe. Lungen - Schusswunden (Fälle) 135. 298. 303. 304. 305. 313. 318. 320. Lungen-Stichwunde, tödtliche (Fall) 360. Lungenwunden (Fälle) 132. 133. 134. 135. 352. Lutschbeutel, erstickt ein neugebor- nes Kind (Fall) 476. IWCagen. Zeit seines Verwesens 54. — der, des Neugebornen 675. — Ruptur dess. 146. (Fall) 281. — Stichwunde (Fall) 353. — Wasser in denis. bei Ertrunkenen 566. • • Mastdarmprobe 764; Unwerth ders (Fälle) 785. Meconsäure, ehem. Ermittelung ders. 455. Medicinalpersonen, ihr Wirken dem Strafgesetz gegenüber 629. 635. Medicinal - Pfuscherei, Beurtheilung ders. 651. Messer, Untersuchung eines auf Blut- flecke (Fall) 187. Messerstich in die Lunge (Fall) 133. Milz, Ruptur ders. 146; ohne äussere Spuren (Fall) 124. (Fälle) 279. 281. 285. — Schusswunde (Fälle) 314. 316. — Zeit ihres Verwesens 56. Missgeburt, gesetzliche Bestimmungen 10; Definition 13; gehirnlose (Fall) 14; angeborner Zwerchfellbruch (Fall) 14. Mittelfleich, Berstung desselben durch Ueberfahren (Fall) 278. Mole, ist dies, eine Frucht im straf- gesetzl. Sinne ? . 670. Morphium , ehem. Ermittelung dess. 455. S. Opium. Mumification, ihre Bedingungen 50. — der Nabelschnur 759. — als diagnostisches Zeichen der Arsenikvergiftung 397. Mutterkuchen, sein Durchschnittsge- wicht bei reifen Kindern 832; vor- zeitige Lösung dess. als Todesur- sache des Kindes 803. UTabel und Nabelschnur als Zeichen der Neugeborenheit 674.677; beim reifen Kinde 696. Nabelarterien, Verengerung derselben nach der Geburt 675. 677. 763. Nabelschnur, kann dieselbe spontan zerreissen? 827; betreffende Ver- suche 828. — Trennung ders. dicht am Nabel (Fall) 799; Umschlingung u. Com- pression ders. alsTodesursache 802; Umschlingung ders., anscheinender Kindermord (Fall) 84-4. — Verblutung aus derselben 823. (Fälle) 830. 831. 832. Nabelschnurränder, Wichtigkeit der Berücksichtigung derselben (Fall) S29. Nabelschnurrest, als Zeichen des Ge- lebthabens 759. Nabelvene, ihre VerSchliessung nach der Geburt 763. Nachtstuhl u. Abtritt, Neugeborne aus denselben gezogen (Fälle) 840. 842. 843. Nägel, als Zeichen der Reife 691. — Sand unter denselben bei Was- serleichen 560. Narbe der frühern Schusswunde, kein zuverlässiges Zeichen 296. Narben, ob dieselben am Leichnam verschwunden sein können? 113. — Bestimmung des Alters derselben 115. S. Tätowirungsmarken. Narcotisch Vergiftete verwesen rasch 36. Netze, Ruptur ders. 146. (Fall) 281. — Zeit ihres Verwesens 56. Netz-Schusswnnde (Fall) 299. Neugeborenheit, Zeichen ders. 673; ob das Kind ein Neugeborenes? (Fall) 678. Neugeborne, angeblich fahrlässige Tödtung dess. durch die Hebamme (Fall) 654. — Verfahren bei der Obduction der Leichen ders. 100. — die specifischen Todesarten ders. 786; Tod des Kindes vor der Ge- burt 787, in der Geburt 792. S. auch Leibesfrucht. Neugebornes Kind, Definition 669. Neuroparalysirende Gifte 384. 390. Nicotin, chemische Ermittelung dess. 455. Nieren der Neugebornen, harnsaure Sedimente darin 757. — sehr hyperämisch bei Erstickten 467. — Ruptur ders. 146. — Zeit ihres Verwesens 60. Nothzucht u. Mord durch Strangula- tion (Fall) 534. Obduction, Ursprung des Wortes 3; Zweck derselben 9; gesetzliche Be- stimmungen über das Verfahren da- bei 92; Zeit ders., gesetzliche Be- stimmungen 71; gerichtliche, nach einer privatärztlichen (Fälle) 74-76. Obductionen, späte, wegen Fäulniss des Leichnams 73. Obductionsbericht, Form dess. 101; gesetzliche Bestimmungen über den- selben 238; dessen Form u. Inhalt 240. Obductionsprotocoll, Form dess. 101; Inhalt 227. Oele, ätherische, Vergiftungsfall durch dieselben 434. Opium, chemische Ermittelung dess. 455. — Krankheitserscheinungen u. Lei- chenbefund 405; (Fall) 454. Organe, die verletzten, ein rein chi- rurgisches Thema 267. Todte Or- gane , ihre Widerstandsfähigkeit 272. Ossificationsdefecte in den Kopfkno- chen Neugeborner 796. (Fälle) 798. 799. 800. 801. Peitschenhiebe als angebliche Todes- ursache (Fall) tU. Petechial - Sugillationen, als Resultat der instinetiven intrauterinen Ath- mung 706. — bei einer Erwachsenen 544. S. Ecchymosen. Sugillationen. Pfuscherei, Medicinal-, Zurechnung ders. 651. (Fall) 662. Phosphor, Krankheitserscheinungen und Leichenbefund 400; Vergif- tungsfälle 439.442; chemische Er- mittelung dess. 440. Phosphorvergiftung bedingt keine rasche Verwesung 36. Pilze, giftige; Krankheitserscheinun- gen und Leichenbefund 403. An- gebliche Vergiftung durch dieselben 443. Placenta, ihr Durchschnittsgewicht bei reifen Kindern 832. S. Mutter- kuchen. — Verwachsung ders., Anschuldigung gegen eine Wickelfrau (Fall) 661. Ploucquet's Lungenprobe gewürdigt 728. Priorität des Todes, gesetzliche Be- stimmung 15; wie zu bestimmen 17. Pseudo-Sugillationen, über deren Ent- stehung 127. Pupillarmembran 696. Quecksilber, im ausgegrabenenLeich- nam nachgewiesen (Fall) 83. Regulativ für das Verfahren bei ger. Obductionen 96. Reife des Kindes, Zeichen ders. 685. (Fall) 698. Rippenbrüche bei Leichen bewirkt 274. — (Fälle) 280. 281. — ohne äussere Spuren (Fälle) 121. 123. 124. 125. 126. Rose'8 Methode zur Entdeckung von BluKlecken 160. Rückenmark, Ruptur dess. ohne äus- sere Spuren (Fall) 125. — Schusswunde (Fälle) 134. 298. — Verletzung dess. (Fall) 829. Ruptur des Gehirns (Fall) 597. — des Herzens 28. — der Leber in einer bereits secir- ten Leiche (Fall) 75. — der Leber (Fall) 165; ohne äus- sere Spur am Leichnam 75. Rupturen der Organe 144; des Ge- hirns, der Lungen, der Luft- und Speiseröhre, des Herzbeutels, des Herzens, der Leber 145; der Ge- bärmutter, der Milz, des Magens, des Darms, der Netze, der Harn- blase 146. Ruthenstreiche, wie dies, am Leich- nam zu erkennen 137. Saamenejaculation fehlt bei Strangu- lirten 495. Saamenflecke, Ermittelung ders. 219. Säbelhieb, durchdringender auf den Kopf (Fälle) 140. 179. 181; in die Leber (Fall) 184. Schaambein, Bruch dess. (Fall) 280. Schädel, durch Säbelhieb gespalten (Fall) 140. Schädelfractur ohne äussere Spuren (Fall) 124. Schädelhöhle, Hyperämie in ders. bei Erstickten 468. Schädelknochen, Brüche derselben in der Geburt 795; Ossificationsde- fecte in dens. bei Neugebornen 796. (Fälle) 798. 799. 800. 801. Schädelnäthe, deren Sprengung er- folgt nur bei erheblichster Gewalt 283. Schädelsprengung, in horizontaler Richtung selten (Fall) 301. Schaum, blutiger, bei Einschnitten in die Lungen, als Zeichen der Atheniprobe 754. — vor dem Munde bei Erstickten 469. Schenkel-Stichwunde, tödtliche, durch Messerstieb (Fall) 212. Schimraelbildung auf der Leiche, als diagnostisches Zeichen der Arse- nikvergiftung 398. Schnittwunden, ihr Ansehn 141. Schuld oder Nichtschuld der Mutter am Tode des Neugebornen 832. Schusswaffe, Auffinden ders. bei der Leiche 309. Schusswerkzeuge, ihre Besichtigung nach dem Schusse 147. Schnsswunde, ihre Diagnose 290; Ein- gang und Ausgang 291; Färbung der Wundränder 294; Richtung des Schusscanals 295. 312; Narbe der Schusswunde 296; Schusswunden an Leichen 297. — in das Herz 28; in die Art. axill. in einer bereits secirten Leiche (Fall) 75; in die Lunge (Fall) 135. Schwangere, Gewalttätigkeit gegen den Unterleib in ihrer Wirkung auf die Frucht 787. Schwangerschaft, noch erkennbar in ganz verwesten Leichen 62. Schwefelsäure; Krank heitserscheinun- gen und Leichenbefund 398; hin- dert die Verwesung 36. 400. (Ver- giftungsfälle) 421. 422. 425. 426. 427. 428. 429. — ihre Wirkung auf die Haut 325. — cHem. Ermittelung ders. 423. 429. Ermittelung ders. auf Stoffen 221. — Selbstmord damit, für Mord er- klärt (Fall) 108. Schwefelwasserstoff -Gas, Erstickung darin (Fall) 485. Einwirkung dess. auf das Blut 490. Schwimmen des Herzens u. der Leber und Sinken der Lungen bei Neu- gebornen (Fälle) 774. — der Lungen bei Neugebornen, theilweises (Fälle) 778. Schwimmfähigkeit der neugebornen Lungen 736. Sectiou, Technik ders. 222. Selbstentbindung, angebliche, als Kin- dermord erklärt (Fall) 837. Selbsterdrosselung (Fall) 544. Selbstmord, siebenmal versuchter 537. Selbsttödtung oder fremde Schuld? 288. 307; beim Erhängungstode 517; beim Erfrierungstode 603; beim Erschiessen 307; bei Erstik- kung 469; beim Ertrinkungstode 580; beim Verblutungstode 361; bei Vergiftungen 414. Selbstverbrennung, nicht bewiesen und nicht anzunehmen 330. Ver- such an einer Leiche (Fall) 335. Sensenhieb, in die Brust, tödtlicher (Fall) 182. Septische Gifte 385. 390. Sonde, ob bei Verletzungen am Leich- nam anwendbar? 137. Spätgeburt, fragliche (Fall) 699. Speiseröhre, Ruptur ders. 145. (Fälle) 279. 320. — Zeit ihres Verwesens 60. — Verletzung ders. (Fall) 368. Spiessruthen, ihre Einwirkung (Fall) 137. Spitzkugeln, deren Wirkung und Diagnose des Spitzkugel-Schusses 293. Spitzkugelschüsse (Fälle) 301. 302. 305. 316. Splenisation der Lungen Neugeborner in Beziehung auf Athemprobe 727. 752. Stichwunden, ihr Ansehn 142. — in Kopf und Schulter mit tödt- lichem Ausgang (Fall) 358. Stiletstieh in die Lunge (Kall) 134. Strangrinne, ihr Verhältniss zu den Strangwerkzeugen 150. — über dies. 496; Strangrinne nach dem Tode erzeugt, Versuche an Lei- chen 502; sie ist nicht characteri- stisch für den Erhängungstod 506. — die Pseudo-, bei fetten Kinder- leichen 806. — nach der Strangulation eines Sterbenden 206. — der umschlungenen Nabelschnur 804. — s. Erhängen, Erwürgen, Erdrosseln. Strangulation, Mord (Fall) 534. Strangulirte, horizontal liegend ge- funden (Fälle) 540. 544. 545. Strictur der Gebärmutter als Todes- ursache des Kindes 806. Sturz des Kindes auf den Boden bei der Geburt 807. 813. (Fälle) 678. 818. 819. 820. 821. 822. Sublimat; Krankheitserscheinungen und Leichenbefund 404. Sugillationen, als Criterium der Athemprobe 765. System, medicinisches, wie weit es den angeschuldigten Arzt rechtfer- tigt 645. 647. 648. Tabificirende Gifte 384. 390. Tätowirungsmarken, über dies. u. ihr mögliches Verschwinden 115. S. Narben. Thierblut, Unterscheidung von Men- schenblut, s. Blut. Thymusdrüse, noch in spätem Le- bensaltern beobachtet 439. Tod, Zeichen desselben 19. — der anämische 69; der dysämi- sche 69; der hyperämische 68; der inflammatorische 68; der mecha- nische 67 ; der neuroparalytische 6S. — Zeit des Todes des Neugcborncn 771. Todesart, ihr Einfluss auf den Ver- vosungsprocess 35. Todesarten, Eintheiluiig der gewalt- samen G7; specilische, der Neu- gebomen 786. Todesursache, Feststellung ders. 64. — des Kindes vor der Geburt 787; in der Geburt 792. — Tod der Mutter im Gebäract als Todesursache des Kindes 803. Todtenflecke 22. Todtfaul geborne Frucht, ihre Be- schaffenheit 769. Todtgeburt, Anschuldigung gegen einen Arzt (Fall) 661. Todtgeburten, geronnenes Blut in den- selben (Fälle) 30. Tödtlichkeit der Verletzungen 263. Torfpulver, erstickt ein neugebornes Kind (Fall) 472. Ueberfahren, tödtliches (Fälle) 276. 277. 278. 279. 280. 286. Ueberreife, fragliche, des Neugebor- nen (Fall) 699. Umschlingung der Nabelschnur als Todesursache 802 ; Strangmarke ders. 804. Unterschenkel, Bruch mit tödtlichem Ausgang (Fall) 356. Unzeitiges Kind 680. Urinabgang als Zeichen des Erhän- gungstodes 495. 496. Vagitits uterimis 706. Vena cava, Schuss in dies. (Fall) 303. 305. — poplitaea, Schusswunde in dies. (Fall) 303. — saphueiia, Verletzung ders. (Fall) 353. Verblutung, über den Tod durch dies. 347; durch Verletzung der Carotis (Fall) 351, der Art. iliuv. ext, (Fall) 351, der Lunge und des Herzbcu- tels (Fall) 352, des Herzens und Zwerchfells (Fall) 352; des Zwerch- fells, Magens und der Leber (Fall) 353, der Vena saphaena (Fall) 353; durch Entbindung (Fall) 354; durch Halsschnittwunde (Fall) 354; durch Verletzung der Carotin und Jugu- laris (Fälle) 364. 366, der Luftröhre und Carotis (Fälle) 367; der Luft- und Speiseröhre (Fälle) 368. Verblutung aus der Nabelschnur , s. Nabelschnur. Verbrennung, Diagnose 321; wie sie als tödtliche zu beurtheilen 323. Brandblasen nicht mit Fäulniss- blasen zu verwechseln 324; S. Brandblasen u. Selbstverbrennung. — im Schornstein (Fall) 336; bei einer Feuersbrunst ( Fall ) 336. Mord durch Verbrennen oder Er- drosseln? (Fall) 336. Verbrühen im Bade (Fall) 341. Verbrennen durch Flamme (Fälle) 342. 345; am Ofen (Fall) 342; zweier Kinder (Fälle) 343; durch heisses Metall (Fall) 344; durch siedenden Kaffee (Fall) 344. Vergiftung, gesetzliche Bestimmungen 378. S. Gift. — angeblich fahrlässige durch den Arzt (Fall) 652. — zweifelhafte, durch Ausgrabung zu ermitteln gewesen (Fälle) 80. 81. 88. Verletzung, Definition 263; Tödtlich- keit ders. 263; mechanisch töd- tende 271. Verletzungen, oft ohne alle äussere Spuren am Leichnam 120. — im Leben oder nach dem Tode zugefügt, ob immer zu unterschei- den? 129. — erhebliche, ohne äussere Spur (Fall) 281. Verletzungen, an Wasserleichen, wie zu würdigen? 581. _ der Frucht in utero 787; beider Geburt 794. — an Leichen Neugeborner vorsich- tig zu würdigen 835. Verseifung des Leichnams 47. Verwesung, Gang ders. bei Wasser- leichen 585. — der Frucht in utero, wie sie sich äussert 769. Verwesungsprocess, sein Vorschreiten und Verhalten 33; innere Bedin- gungen 34; äussere Bedingungen 38. Vergleichung desselben nach den Medien 42. Zeitfolge der Ver- wesungserscheinungen 43. 51. Vitalität, s. Lebensfähigkeit. "Wärme, als Bedingung zur Verwe- sung 40. Wasser in den Lungen bei Ertrunke- nen 564; im Magen 566. Wasserarzt, Anschuldigung geg. einen (Fall) 646. Wasserleichen, wie lange sie im Was- ser gelegen? 585; Gang der Ver- wesung bei denselben 585. S. Ver- letzungen. Wasserschierling, angeblicher Ver- giftungsfall durch dens. 459. Werkzeuge, Eintheilung ders. 138; scharfe 139; stumpfe 143; Schuss- werkzeuge 146; strangulirende 149. — die Art der Anwendung ders. bei Gewalttätigkeiten 163. — Blutflecke auf dens. 152. Wollhaare, im Meconium 675; beim Neugebornen 686. Wurstgift, s. Leberwurst. Xähne, bei der Inspection zu berück- sichtigen 107. Zäline, ausgegrabene, zur Feststel- lung der Identität (Fall) 90. Zahnarzt, Anschuldigung gegen dens. wegen fahrlässiger Tödtung (Fall) 655. Zeit der Obduction; gelegene und un- gelegene Zeit 71. — des Todes, wann zu bestim- men? 15. Zinksalze, chemische Ermittelung der- selben 652. Zitzenfortsatz, Abbruch dess. (Fall)277. Zunge, deren Berücksichtigung bei der Inspection 107. — ihre Verlagerung ein unbestän- diges Zeichen des Strangulations- todes 494; ihre Lage bei Strangu- lirten 494, bei Ertrunkenen 557; ihre Einklemmung nicht characte- ristisch bei Erstickten 468. Zunge, Zurückschlagen derselben als Ursache des Erstickungstodes 461. Zungenbein, Bruch dess. bei Erhäng- ten 507. Zungenbeinbrüche schwer an Leichen zu bewirken 274. Zurechnung eines kunstwidrigen Heil- verfahrens 643. Zwerchfell, Schuss in dass. (Fälle) 304. 306. 314. — Stand desselben als Zeichen der Athemprobe 720. — Verletzung desselben (Fälle) 352. 353. — Wölbung dess. bei Ertrunkenen 563. — Zeit seines Verwesens 61. Zwerchfellsbruch, angeborner (Fall) 14. Berichtigungen. Seite 52. Zeile 18 v. o. statt Taf. VII. lies: Taf. IX. — 121. statt 29. Fall und 30. Fall, lies „30. und 31. Fall." — 464. Zeile 19 v. o. vor: „Ich habe u. s. w." setze: 8) — 607. — 11 v. u. statt Q lies 9 (Scrupel). — 797. _ 5 v. u. statt 20 a. und b. lies: 20 und 20. a. — 800. — 14 v. u. statt 20 a. lies 20. — 802. — 6 v. o. statt 20 b. lies 20 a. Gedruokt bei Julius Sittenfold in neriin. VERZEICHNIS DES medicinischen und natümstorischen Verlages VON AUGUST HIRSCHWALD IN BERLIN, 69 DNTER DEN LINDEN, ECKE DER SCHADOW - STRASSE. HEH.LIN, 1856. * Albertilli, Prof. 11. F. Opuscula niedica (I. Animadversiones super quibusdam difficilis respirationis vitiis a laesa eordis et praecordiorum structura pendentibus. II. De cortice peruviano commentationes quaedam). Edi- dit atque praefatus est Dr. lll. II. Homberg. 8. 1828. 15 Sgr. AllweiSUDg zur zweckmässigen Behandlung und Heilung der Scheinlodlen oder durch plötz- liche Zufälle verunglückter Personen, herausgegeben auf Veranlassung des königl. Ministerii der geistlichen, Unterrichts - und Medicinal-Ange- legenheiten. 8. 1847. n. 1 Sgr. Al'cIlIV für Syphilis und Hautkrankheiten mit Einschluss der nicht-syphilitischen Ge- nital- Affectionen, in Verbindung mit Herrn Dr. II. A. Hacker in Leipzig, Dr. J. Rosenbaum in Halle und Dr. Fr. A. Simon in Hamburg herausgegeben von Dr. Fr. J. Behrend. 2 Bde. Mit Abbildungen, gr. 8. 1846, 47. Ladenpreis a Band von 3 Heften 2£ Thlr. Herabgesetzter Preis ä Bd. n. 20 Sgr. AllgUSlin, Gell. Med. - Rath etC. Dr. F. L, Die Königl. Preuss. Medicinal-Verfassung oder: Vollständige Darstellung aller, das Medicinalwesen und die medic. Po- lizei in den Königl. Preuss. Staaten betreffenden Gesetze etc. 7. Bd., die Verordnungen, Einrichtungen etc. vom Jahre 1838—1842 enthal- tend. 8. 1843. 2 Thlr. 26$ Sgr. Auswahl, neue, medicinisch - gerichtlicher Gutachten der Königl. wissenschaftlichen De- putation für das Medicinalwesen. I.Lieferung, A. u. d. T.: Zur gerichtlichen Gcburlshülfe. Eine Auswahl von Entscheidungen der Kö- nigl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal - Angelegenheiten, herausgegeben von Jos. Herrn. Schmidt, (ich. Med.-Rath, Prof., Dr. etc. gr. 8. 1851. 1 Thlr. 12 Sgr. — — Dasselbe H. Lieferung. A. u. d. T.: Zur gerichtlichen Psychologie. Eine Auswahl von Entscheidungen etc. Herausg. v. K. W. Ideler, (ich. ffed.-Halh, Prof. Dr. gr. 8. 1854. 1 Thlr. 12 Sgr. Barkow, Prof. Dr. II. (1. L, Der Wim» 'Schlaf nach seinen Erscheinungen im Thier- reiche, gr. 8. Mit 4 Steintafeln. 1846.' n. 3 Thlr. Barleis, Dr. A. Gh., De janis inversis ac de duplicitatfe generatim. 4. C. 2 tab aen. 1830. n. 20 Sgr. 1 Becker, Dr. F. G., De glandulis ihoracis lymphaticis atque tliymo specialen patholo- giouin. 4. C. 3 tab. aen. 1820. 17 Sgr. De historica medicinae explicaliono prolusio academica. 8. 1880. n. 74 Sgr. Behncke, G. A., Apotheker, Das Staats-Examen der Pharnwcenlen und die Ao*biMung derselben. Ein Wort an meine Collegen der Pliarmacie, besonders an die Jüngeren, gr. 8. 1851. n. 6 Sgr. BcIlt'CIld, Dl'., Archiv etc. siehe Archiv. — — liepcrlorium etc. siehe Rcpcrlorium. Bcllinghain, Tabellar. Ucbersicht, siehe Uebersicht. Bci'CIld, Dr. H. W., Bcrichlc über das gymnastisch - orthopädische Insliiui zu Berlin. I. Bericht. 4. Mit 1 Tafel. 1842. n. 10 Sgr. n. do. 4. „ 1 do. 1845. n. 5 „ TU. do. 4. 3 847. n. 5 Sgr. IV. do. 4. 1849. n. 5 „ V. do. 4. 1851. n. 7 „ BergSOÜ, J., Rccherches sur Taslhme. gr. 4. (Milano.) 1855. n. 2 Thlr. Bcrnhardi, Dr. !, siehe Zeitschrift. BieslvC, Dr., Kurze Darstellung des wahren Sachverhältnisses der durch Homöo- pathie schnell bewirkten Heilung einer scrophulösen Augenentzündung. 8. 1833. 2| Sgr. Bll'd, Dr. F., Notizen aus dem Gebiete der psychischen Heilkunde. 8. 1835. 20 Sgr. — — lieber Einrichtung und Zweck der Krankenhäuser für Geisteskranke, und die ärzt- liche Behandlung überhaupt, wie sie hier sein muss. 8. 1S35. 17A Sgr. Blüclicr, Prof. Dr. II. von, Chemische Untersuchung-der Soolquellen bei Sülz im Gross- herzogthum Mecklenburg-Schwerin, nebst einer Uebersicht der wich- tigsten Gebirgsverhältnisse Mecklenburgs und "Neu-Vorpommerns. Mit einer Ansicht und Charte, gr. S. 1829. n. 1 Thlr. Bind, Dr. Ii. J, Die Leistungen und Forlschrille der Medicin in Deutschland, Band I—UT., Jahrg. 1832 — 34. gr. 8. n. 4 Thlr. 25 Sgr. Böllltl, Dr. L, Die kranke Darmsohleimhaul in der asiatischen Cholera mikroskopisch untersucht. 8. Mit 2 Kupiert. 1838. n. 25 Sgr. fFrüher hei A. Duncker.) ßornemann, J. C. F., Grossli. Meckl. - Schwer. Saniliils-Ralli elc, Beobachtung und Relleclion im Gebiete der ffeilkuns't. 1. Heft. 12. 1843. 10 Sgr. Brandt, Prof. Dr. J. F. und Prof. Dr. J. T. C. Ratzeburg, Mcdicinischc Zoologie, oder getreue Darstellung und Beschreibung der in der Arzneimittellehre in Betracht kommenden Thiere in systemat. Folge. 2 Bde. (od. Idüfta) gr. 4. Mit G4 sauber color. Knpfertaf. 1828—1834. n. 17 Thlr. 10 Sgr. Brandl, Prof. Dr. J. F. und Prof. J. T. C. Ralzclmrg, Die Honigbiene. Mit 2 Kupfer- tafeln. (Separat-Abdruck aus d. medicinischen Zoologie.) 4. n. 1 Thlr. Dr. P. PllübllS und Prof. Dr. J. T. C. Ralzekrg, Abbildung und Beschreibung der in Deutsekland wildwachsenden und in Gärten und im Freien aus- dauernden^ iftge wachse, nach natürlichen Familien erläutert. Erste Abtheilung (die Phanerogamen). gr. 4. Mit 49 illumin. Kupfertafeln. 1S38. n. 5 Thlr. 20 Sgr. — — — Dasselbe. Zweite Abtheilung (die Cryptogamen). gr. 4. Mit 9 color. Tafeln. 1839. n. 3 Thlr. — — Tabellarische L'ebersicbl der oflicinellen Gewächse und der oflicinellen Tbiere. 3 Ta- bellen in gr. Royal-Folio. 1830. 15 Sgr. Bransel', II., Die Cholera-Epidemie des Jahres 1852 in Preussen. Statistische Zusam mensteliung aus den Acten des Königl. Ministeriums der etc. Medici- nal-Angelegenheiten. Mit einem Vorwort vom Geh. Med.-Halb. Dr. Barez. gr. 8. Mit 2 Tabellen und 1 Karte. 1854. n. 18 Sgr. Brefeld, Dr. Franz, Der Stockfisch - Leberlhran, in naturhistorisch - chemisch - pharina- ceutischer Hinsicht, besonders aber seine Heilwirkungen in rheumati- schen u. scrophul. Krankheitsformen. 8. (Hamm.) 1835. 1 Thlr. 5 Sgr. — — Denlilio diflicilis, oder das Zahnen als krankmachende Potenz, das ver- derblichste aller medic. Vorurtheile. 8. (Hamm.) 1840. 1 Thlr. 15 Sgr. Bruck, Dl'. M., Das Wesen und die Behandlung der asiatischen Cholera, oder wissenschaft- liche Lösung der Cholerafragen, besonders der von der Königl. Sani- täts - Commission zu Berlin aufgestellten. 8. 1841. n. 1 Thlr. 20 Sgr. Blldd, Prof. Dr. G. Die Krankheiten der Leber. Aus dem Englischen bearbeitet und mit Zusätzen versehen von Dr. E. Ilenoch. gr. 8. Mit 2 Steindruck- tafeln. 1846. 2 Thlr. Blick, Dr. H. W. Genera, species et synonima Caiidollcana alphabetico ordine dispo- sita, seu index generalis et specialis ad A. P. de Candolle prodro- mum systematis naturalis regni vegetabilis. Pars I. et n. 8. maj. 1840, 42. n. 4 Thlr. 20 Sgr. (Früher Verlag der Nauck'schen Buchhandlung.) Bfihring, Dr. Joll. Jlll., Die Heilung der Eierstock - Geschwülste, gr. 8. 1848. n. 20 Sgr. — — Die seitliche Rückgrats-Verkrümmung in ihren physiologischen und patholo- gischen Bedingungen und deren Heilung. Nebst erstem Jahresbericht aus dem orthopädischen Institut zu Berlin. Lex. 8. Mit 5 lith. Tafeln. 1851. n. 25 Sgr. Zur Pathologie und Therapie der Krankheiten des Hüftgelenks und ihrer Ausgänge. gr. 8. Mit 1 Steindrucktaf. 1852. n. 28 Sgr. ßlllllierinf(|, Dr. V., Leber den mineralischen Magnetismus und seine ärztliche Anwen- dung. Mit einer Vorrede vom Prof. Dr. Heinrich Steffens. 1835. 12^ Sgr. 1* BlirOW, DoCClll Dr. A., Beiträge zur Physiologie und Physik des menschlichen Auges. 8. Mit 24 litliogr. Figuren. 1842. n. 1 Thlr. Busch, Gell. Med.-Rüth etc. Prof. Dr. D. W. H., Lehrbuch der Geburtskunde. Ein Leitfaden bei akademiscben' Vorlesungen und bei dem Studium des Facbes. Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 11 Holzschnit- ten, gr. 8. 1849. 3 Thlr. 15 Sgr. (Früher Verlag der Nauck'schen Buchhandlung.) Atlas geburtshülflicher Abbildungen, mit Bezugnahme auf das Lehrbuch der Geburtskunde. 2te Ausgabe. 49 Steintafelu kl. 4. und Text, 1851. n. 2 Thlr. 20 Sgr. — — Die geburtshilfliche Klinik an der Friedrich - Wilhelms - Universität zu Berlin. Zweiter Bericht, umfassend die Jahre 1836 bis 1841. gr. 8. 1851. n. 20 Sgr. Die geburtshilfliche Klinik an der Friedrich - Wilhelms - Universität zu Berlin. Dritter Bericht, umfassend die Jahre 1842 bis 1847. gr. 8. 1854. n. 25 Sgr. (Der erste Bericht erschien bei Rück er und Püchler.) — — Zeitschrift für Geburtskunde, siehe Zeitschrift. Busch, Dr. Wllh., Beobachtungen über Anatomie und Entwicklung einiger wirbellosen See- tlliere. gr. 4. Mit 17Kupfert. 1851. n. 5 Thlr. Chirurgische Beobachtungen, gesammelt in der Königl. chirurgischen Uni- versitäts-Klinik zu Berlin, gr. 8. 1854. n. 1 Thlr. 20 Sgr. Caspary, R., lieber zwei- und dreierlei Früchte einiger Schimmelpilze (flyphomyceten). 8. Mit einer colorirten Tafel. 1855. n. 12 Sgr. Casper, Geh. Med.-Rath etc. Prof. Dr. J. L, Commentalionis de tempestalis vi ad va- letudinem particula prima. 4. maj. 1841. 7 Sgr. — — Der Entwurf des neuen Strafgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, vom ärztlichen Standpunkte erläutert, gr. 8. 1843. 10 Sgr. — — Gerichtliche Leichenöffnungen. Erstes Hundert. Dritte vermehrte und gänz- lich umgearbeitete Auflage, gr. 8. 1853. 27 Sgr. Dasselbe. Zweites Hundert, gr. 8. 1853. 1 Thh\ 3 Sgr. — — Mörder - Physiognomieeil. Studie aus der praktischen Psychologie nach eigenen Beobachtungen. (Separat-Ab druck aus der „Vierteljahrsschrift für gerichtliche und öffentliche Medicin.) 8. 1854. n. 12 Sgr. — — Vierteljahrssclirift, siehe Vierleljahrsschrifl. — — Wochenschrift, siehe Wochenschrift. Cred6, Dr. C. S. F., Klinische Vorträge über Gehurlshülfe. gr.8. 1854. n. 4 Thlr. 20 Sgr. — <— Die preussischen Hebammen, ihre Stellung zum Staate und zur Geburts- hülfe. gr. 8. 1855. n. 9 Sgr. CuYicr, GeorgCS, Lc regne animal distribue d'apres son Organisation pour servir de base ä l'histoire naturelle des animaux et d'introduction ä l'ana- tomie compareo. Nouvelle edition par Älrs. Audouin, Blanchard, Dcslia\cs. De Qualrefages, D'Orbigny, Duges, Duvcrnoy, Laurillard, Milnc - Edwards, Roulin et \a- 6 lencicnnes. Avec 993 planches. Neue Supscriptions- Ausgabe für Deutsch- land, in halbmonatlichen Doppellieferungen, gr. Lex. 8. Preis einer jeden Doppellieferung mit schwarzen Kupfertafeln 4£ Frcs. „ colorirten „ 10 „ Das ganze Werk umfasst folgende 10 Hauptabtheilungen: Zahl der PREIS Les Mammifercs et les Races Humaines avec Atlas, par Milne-Edwards, Laurillard et Roulin . . . Tafeln. rnlnrirt schwarz. 121 155 fr. 70fr. Les Oiseaui, avec Atlas, par A. d'Orbigny . . . 102 IOC 135 60 46 3fi ou Les Poissons, avec Atlas, par Valenciennes . . . 122 160 72 Les Molliisqiies, avec Atlas, par Deshayes .... 152 195 88 Les Insecles, avec Atlas, par Audouin, Blan- 202 275 124 Les Aracbnides, avec Atlas, par Duges et Milne- 31 45 20 Les Crustace's, avec Atlas, par Milne-Edwards . 87 115 52 Les Annelides, avec Atlas, par Milne-Edwards 30 40 18 Les Zoophyles, avec Atlas, par Milne-Edwards 100 125 56 Also das complette Werk . . . 993 1310 590 und wird jede Hauptabtheilung auch einzeln v erkauft. Den Franc berechne ich mit n. 9 Sgr. DailieiW, Gell. Med.-Rath, Prof. Dr. H., Zur Kritik des politischen und religiösen Walin- sinns. Aus der „Zeitschrift für Psychiatrie" besonders abgedruckt, gr. 8. 1851. n. 10 Sgr. — — Zeitschrift für Psychiatrie, siehe Zeitschrift. Delafond, 0., Prof. an der K. Thierarzneischule in Alforl elc. Die Blutkrankheit der Schafe und die derselben ähnlichen Krankheiten, als: die Karbunkel- krankheit, die Vergiftungskrankheiten von scharfen und giftigen Pflan- zen, und die enzootische Blutkrankheit in der Sologne. Aus dem Fran- zösischen bearbeitet von Dr. C. H. Ilerlwig, Prof. an der K. Thierarzneischule zu Berlin, gr. 8. 1844. 22| Sgr. Dießenbach, Prof. Dr. J. F., Der Aelher gegen den Schmerz. 8. 1847. n. 25 Sgr. Anleitung zur Krankcnwartung. gr. 12. 1833. 20 Sgr. — — Vortrage in der chirurgischen Klinik der Königl. Charite zu Berlin. Her- ausgegeb, von Dr. C. Th. Meier. 2 Liefgen. gr. 4. 1840. 2 Thlr. 1\ Sgr. (Früher Verlag von Alex. Duncker.) ( ) La ch irurgie de Mr. Dieffenbach par Charles Philipps. Ire partie. gr. 8. av. 4 planches. 1840. n. 1 Thlr. 10 Sgr. (Früher Verlag von Alex. Duncker.) Dielerichs, J. F. C, Königl. Ober-Thicrarzl und Professor elc, Beiträge zur Veteri- när-Chirurgie und Akiurgie, als Nachtrag zu den älteren Auflagen obiger Werke. Für die Besitzer derselben. Mit Abbildungen, gr. 8. 1844. 26* Sgr. Dissc, Dr. J. A., die Skrofelkrankheil, nach ihrem Wesen und einer darauf gegrün- deten bewährten Heilmethode. 8. 1840. 15 Sgr. Doubovilzki, Dr. IM. P., Reprodirclibn ödele des discussioas qui onl eu lieu sur la lilbo- Iripsie el Iii täfllei gr. 8. (Paris.) 1835. n. 25 Sgr. — — Tabulae analoin., siehe Tabulae. Dubois, E. Fr., üeber d as Wesen und die gründliche Heilung der Hypochondrie und Hysterie. Herausgegeben von K. W. Ideler. gr. 8. 1840. 2 Thlr. Edid, betreffend die Einführung einer neu revidirlen Taxe für die Medicinal-Personen, vom 21. Juni 1815. 4. n. 2i Sgr. Eichwald, Prof. Dr. Ed, In ovuui humanuni disquisitio physiologica. (Casani.) 1824. n. 22| Sgr. — — Inlroduclio in hisloriam naluralem Caspii maris. 8. (Casani.) 1824. n. 15 Sgr. — — deognoslico - zoologicae per Ingriam marisque Baltici provincias nec non de Trilobitis observationes. 4 maj. C. 5 tab. (Casani.) 1823. n. 1 Thlr. 15 Sgr. — — Nallll'hislorisclie Skizze von Lithauen, Volhynien und Podolien, in geo- gnostisch-mineralogischer, botanischer und zoologischer Hinsicht. 4. Mit 3 lith. Tafeln. (Wilna.) 1830. n. 3 Thlr. 15 Sgr. — — Planlarum novarum vel minus cognitarum quas in itiuere Caspio-Cau- casico observavit fasc. I. et II. Acced. 40 tabl. lith. Fol. (Vilnae.) 1831. 33. n. 8 Thlr. — — (Memoria clarissim. quondam apud Viluenses professoris Ludovici Henrici Bojani.) Cslalogus musaei zooloniici Iniperatoriae academicae medico- chirurgicae Vilnenis. 4 maj. (Vilna.) 1835. n. 2 Thlr. - — Discours sur les richesses miiierales de quelques provinces occidentales de la Russie, qui pourraient devenir un objet de commerce. 4. (Vilna.) 1835. n. 25 Sgr. — — Ueber das silurische Schichlensyslcui in Esthlaud. (St. Petersburg.) 1840. n. 1 Thlr. 2 Sgr. — — Fauna Caspio-CaUCasica nonnullis observationibus novis illustrata. Cum 40 tabul. (davon 34 col.) Fol. (Petropoli.) 1841. n. 15 Thlr. — — Die Urwelt RusslÄnds durch Abbildungen erläutert. 1. Heft. Mit 4 IJth. Taf. 4. (St. Petersburg.) 1840. n. 2 Thlr. Dasselbe. 2. Heft. Mit 3 lith. Tafeln. 4. (St. Petersburg.) 1S43. n. 3 Thlr. Dasselbe. 3. Heft. Mit 2 lith. Taf. 4. (Mose.) 1846. n. 1 Thlr. 15 Sgr. Dasselbe. 4. Heft. Mit 4 Kupfert. (Moscau.) 1848. n. 1 Thlr. 5 Sgr. — — Beitrag zur Infusorien-Kunde liusslaiids. 8. 1845. n. 1 Thlr. 5 Sgr. Dasselbe. Erster Nachtrag. 8. Mit 2 illum. Taf. 1847. n. 20 Sgr. Dasselbe. Zweiter Nachtrag. 8. Mit 1 illum. Taf. 1849. n. 20 Sgr. Dasselbe. Dritter Nachtrag. 8. Mit 1 Taf. und 1 Karte. 1852. n. 25 Sgr. ElllWIirf der Grundsätze einer neuen Medicinal-Ordnung, der General-Versammlung der Berliner Aerzte und Wundärzte vorgelegt von der dazu ernannten Kommission, gr. 8. 1840. n. 5 Sgr. BrdmaQOj Prof. Dr., üeber die Porlschritle der Natorwfssensdbaflcn unter der Regierung Sr. Majestät des Königs Friedrich Willielm IV. und ihren Einfluss auf die Industrie, Künste und Wissenschaften. Festrede, gr. S. 1856. Eschjricjlt, Prof. Dr. D. F., Anatomische Untersuchungen über die Clione Borealis. 4. Mit 3 Kupfert. 1S38. n. 25 Sgr. — — Das physische Leben, in populären Vorträgen dargestellt. Mit 208 in den Text "gedruckten Abbildungen, gr. 8. 1S52. n. 3 Thlr., elegant gebunden n. 3 Thlr. 10 Sgr. — — Wie lernen Kinder sprechen? Ein Vortrag, gehalten im wissenschaftlichen Vereine zu Berlin am 29. Jan. 1853. 12. 1S53. 1\ Sgr. EllICIlBerg, Dr., De lela elaslica. Adjecta tabula aenea. 4. 1836. n. 10 Sgr. Ellll'lll)lll'£, Dr. II., Die schwedische Heil-Gymnastik. Versuch einer wissenschaft- lichen Begründung derselben, gr. 8. 1853. n. 20 Sgr. Sitllieilungen ans dem (iebiele der schwedischen Heilgymnastik. 8. 1854. n. 6 Sgr. Everstliaiin, Prol. Dr. Ed., Fauna lepidoplerojogica Vojgo-Uralensis exhibens Lepidop- terorum species, quas per viginti quinque annos in provincÜ3 Volgam lluvium inier et montes Uralenses sitis observavit et descripsit. 8 maj. (Oasani.) 1S44. n. 4 Thlr. 15 Sgr. h'itllk, Pll., De COnteaclura et ancylosi articulationis gcnu et coxae iisdemquc B. Langenbeckii methodo violenta extensione sanandis. 4. cum 1 tab. 1853. n. 9 Sgr. Fnillkd, Dr. L, Handwörterbuch der Frauenkrankheiten mit Einschluss der Geburts- störungen. Nach den berühmtesten Gynäkologen Deutschlands, Frank- reichs und Englands, gr. 8. 1839. '3 Thlr. 10 Sgr. (Früher Verlag von Veit et Comp.) h'lL'llbtTg, Dr. E., Diagnostik der Kinderkrankheiten mit besonderer Rücksicht auf pathologische Anatomie. Nach den besten Quellcu bearbeitet, gr. 8. 1845. "l Thlr. 7 Sgr. h'IOllbci'^, Dr. II., Histologie des Blules, mit besonderer Rücksicht auf die foren- sische Diagnostik, gr. 8. Mit 2 Taf. 1852. n. 28 Sgr. Fritze, Dr. I, Miniaiiir-.-lnnameiilarium, oder Abbildungen der wichtigsten akior- gischen Intrumente. Mit eiuer Vorrede vom (ich. Halb clc. Prof. Dr. Dieffenbach. Zweite verbesserte Aufl. 12. 20 Tafeln und Text. 1843. n. 1 Thlr. — — Miniatur- Abbildungen der wichtigsten akiurgischcn Operationen. Mit einem er- klärenden Texte versehen. Eingeführt vom Prof. Dr. Dieffenbach. 12. 1838. n. 2 Thlr. 15 Sgr. — — 1111(1 Dr. 0. F. G. Rcicll. Die plastische Chirurgie in ihrem Aveitesten Um- fange dargestellt und durch Abbildungen erläutert. Mit 48 grössten- teils colorirten Kupfertaf. 4. cartonnirt. 1845. n. 12 Thlr. FlldlS, Plljsikus Dr. C. F., Medicinische Geographie. Mit 11 lithographirten Tafeln. Lex. S. 1853. 1 Thlr. 13 Sgr. (Früher V erlag von Alex. Dune Wer.) Fih'Steilbci'g, Dl'. M., Die Fettgeschwülsle und ihre Metamorphose. Aus dein „Magazin für Thierheilkunde •' besonders abgedruckt. 8. 1851. n. 15 Sgr. Gtirbe, G., Das Wesen der I'harmacie und die zeitgemässen Mittel zu dessen Ver- besserung, gr. 8. 1843. n. 1\ Sgr. Gedike, Med.-Rutil Dr. C. E., Handbuch der Krankenwartung. Zum Gebrauch für die Krankenwart-Schule der K. Berliner Charite-Heilanstalt, so wie zum Selbstunterricht. Dritte gänzlich umgearbeitete und vermehrte Auflage. 8. 1854. 22i Sgr. Gerlach, A. G., Lehrer a. d. K. Thierarzneischule, Lehrbuch der allgemeinen Therapie für Thierarzte, gr. 8. 1853. n. 2 Thlr. 24 Sgr. Und Leisering, Mittheilungen, siehe Miltheilungen. Gobbin, Dr. C, Joh. Christ. Radcmacher's Erfahrungsheillehre und die Anhänger der reinen Empirie. Eine kritische Denkschrift. Separat-Abdruck aus der „Zeitschrift für Erfahrungsheilkunst.'' gr. 8. 1852. n. 20 Sgr. Goeden, Med.-Rath Dr. A., Die Carbonisalion des Blutes als Heilmittel, gr. 8. 1853. n. 12 Sgr. Golds, Dr. L., Repelilorium der medicinischen und operativen Chirurgie, ein klinisches Hülfsbuch nach den Handbüchern und mündlichen Vorträgen von Che- lius, Dieffenbach, Dupuytren, v. Gräfe, Kluge, Rust, Schönlein, v. Wal- ther, Cooper, Blasius, Grossheim etc. gr. 12. 1834. 2 Thlr. 20 Sgr. Grandidier, Dr. C, Bad Nenndorf, physikalisch-chemisch und medicinisch dar- gestellt, gr. 8. 1851. n. 15 Sgr. Gl'aevell, Dr. F., Notizen für praktische Aerzte über die neuesten Beobachtungen in der Medicin, mit besonderer Berücksichtigung der Krankheitsbehand- lung. I. —VI. Band. Lex. 8. 1848 — 54. ä n. 5 Thlr. 20 Sgr. (Fortsetzung siehe Notizen.) — — Zwölf (iebole der Mcdicinal - Reform. (Besonderer Abdruck aus Graevell's Notizen für prakt. Aerzte. I.) 8. 1848. 3 Sgr. — — Die medicinischen Zustände der Gegenwart und das Mittel ihrer Hülfe, ein Wort an die Aerzte und Studirenden der Medicin. gr. 8. 1849. 15 Sgr. lind Dr. M. ß. Lessing, Entwurf einer Wahlordnung für den Behufs der Re- form der Medicinal-Verfassung beantragten Congress der preussischen Aerzte und Wundärzte. Dem Ministerium der Unterrichts- und Me- dicinal-Angelegenheiten überreicht, gr. 8. 1848. 4 Sgr. Grilber, Dr. A. G., Untersuchungen über die Atmosphäre des menschlichen hörpers. gr. 8. (St. Petersburg.) 1841. n. 15 Sgr. Gllislaiü, Jos., Klinische Vorträge über Geisteskrankheiten. Deutsch mitgetheilt von Dr. II. Laeur. Mit G Tafeln lithograph. Abbildungen, gr. 8. 1854. 3 Thlr. 24 Sgr. Glirll, Prüf. Dl'. E. F., Lehrbuch der vergleichenden Physiologie der Haus - Säugethiere. Zweite vermehrte Auflage. 8. Mit 3 Kupfert. 1847. 2 Thlr. 15 Sgr. — — Anatomie der Haus-Vögel. Mit 5 lith. Tafeln. (Besonderer Abdruck aus dem „Magazin für Thierheilkunde.") 8. 1848. 27 Sgr. _ Verzeichniss der Thierärzle Preussens. (Besonderer Abdruck aus dem „Ma- gazin für Thierheilkunde.") 8. 1849. n. 2% Sgr. lind Prof. Dr. C. H. Herlwig, Untersuchungen über die Haut des Menschen und der Haus-Säugethiere, und über die Krätz - oder Räudemilben. Zweite vermehrte Auflage der im Magazin für die gesammte Thier- heilkunde, Jahrgang 1835, abgedruckten Abhandlungen, gr. 8. Mit 2 Kupfert. 1844. 26£ Sgr. lind Prof. Dr. C. H. Herlwig, Magazin für Thierheilkunde, siehe Magazin. fiurlt, E., De ossium mulationibus rhachitide effectis. Dissertatio inaugur. 4. C. 1 tab. 1848. 15 Sgr. HtiaSC, Dr. C. A., Das Stottern, oder Darstellung und Beleuchtung der wich- tigsten Ansichten über Wesen, Ursache und Heilung desselben, nebst Abhandlung des Hieronymus Mercurialis „De Balbutie". Für Pädago- gen und Mediciner. gr. 8. 1846. n. 20 Sgr. Halinemaun, Dr. S., Sendschreiben über die Heilung der Cholera und Sicherung vor Ansteckung am Krankenbett. 8. 1831. 3% Sgr. Hannover, Dr. A., De carlilaginibus, musculis, nervis auris externae. 4. 1839. n. 15 Sgr. Häser, Prof. Dr. H., Die menschliche Stimme, ihre Organe, Ausbildung, Pflege und Erhaltung. Für Sänger, Lehrer und Freunde des Gesanges. 8. Mit 2 Tafeln lithograph. Abbildungen. 1839. 17£ Sgr. Haiipt, W., Ober-Thierarzt in Moskau, Ueber einige Seuchenkrankheiten der Hausthiere in Sibirien und im südlichen europäischen Russland, namentlich über die (auch bei Menschen vorkommende) Beulenseuche, die Rinderpest und das bösartige Fieber. Mit einem Vorworte vom Prof. Dr. E. F. Gurlt. gr. 8. 1845. 1 Thlr. 25 Sgr. Hebammenbuch, Preussisches: LTheil: Lehrbuch der Geburtskunde für die Heb- ammen in den Königl. Preussischen Staaten. Mit 29 Tafeln Abbild. 2te Aufl. gr. 8. 1850. Baarpreis n. 2 Thlr. 1\ Sgr. (Gekrönte Preisschrift des Geh. Med.-Raths Prof. Dr. i. H. Schmidt.) — — IT. Theil: Fragebuch der Geburtskunde für die Hebammen in den Konigl. Preuss. Staaten. Mit einem klin. Anhange. 2te Aufl. gr. 8. 1850. Baarpreis n. 22^ Sgr. (Von demselben Verfasser.) Krallken- und Geschäfts-Journal für praktische Aerzle. Fol. geb. n. 1 Thlr. 5 Sgr. Krappe, Dr. L, Die nervösen Erkrankungen der Frauenzimmer. Ein Beitrag zur Lehre von den Krankheiten des weiblichen Geschlechts. 8. 1851. n. 15 Sgr. — — Grundriss einer Diiilelik für das weibliche Geschlecht. Ein Lehrbuch für Frauen gebildeter Stände. 8. 1852. n. 20 Sgr. Kl'ailSS, Dr. G., Dr. Jules Guerin's und Dr. Bouvier's von der Pariser „Academie des Sciences" mit dem grossen chirurgischen Preise gekrönten Werke über Orthopädie, in ihren Ergebnissen betrachtet. 8. 1839. 10 Sgr. Kl'el)S, Dr. G., De Afiorum veneno sagiltario. 4. Mit 1 Tafel. 1832. 10 Sgr. Krüger, Dr. M. S., Synchronistische Tabellen zur Geschichte der Medicin. Ein Leitfaden zu akademischen Vorlesungen, so wie zum Privatgebrauche. 4. 1840. 17% Sgr. Landsberg, Dr. M., Pbarmacographia Euphorhiacearum. 8. 1831. n. 15 Sgr. Langenbeck, Prof. Dr. B. R. C, Commenlatio de contractura et ancylosi genii nova me- thodo violentae extensionis ope sanandis. gr. 4. 1850. n. 10 Sgr. Lehmann, Dr. E. A., De morborum febrilium diagnosi. Tentamen nosologicum. 4. 1833. n. 15 Sgr. Lehrbuch der Geburtskunde für die Heb ammen, siehe Ilebammenbuch. Lessing, Dr. M. B., Die Erkennlniss und Heilung der Gesch« üre. 3te verbesserte und vermehrte Auflage. Quer-Folio. 1843. n. 1 Thlr. — — Handbuch der Geschichte der Medicin. Nach den Quellen bearbeitet. I. Band, gr. 8. 1838. 2 Thlr. 22^ Sgr. — — Heber die Unsicherheit der Erkenntniss des erloschenen Lebens. Nebst Vorschlägen zur Abhülfe eines dringenden Bedürfnisses für Staat und Familie. 8. 1836. 17£ Sgr. Leubuscher, Dr. R., Die Pathologie und Therapie der Gehirnkrankheilen. Für Aerzte und Studirende. gr. 8. 1854. n. 2 Thlr. 15 Sgr. Lichlensteill, H. und W. Peters, Heber neue merkwürdige SäligWhiere des königlichen zoologischen Museums, gr. 4. Mit 3 color. Tafeln, n. 1 Thlr. 10 Sgr. Linderer, J., Die Erhaltung der eigenen Zähne in ihrem gesunden und kranken Zustande. 8. 1842. n. 10 Sgr. Löfller, Dr. F., Die deutsche Medicin. Vortrag zur Feier des 54. Stiftungstages des Königl. medicinisch - chirurgischen Friedrich - Wilhelms - Instituts am 2. August 1848 gehalten, gr. 8. 1848. n. 5 Sgr. — — siehe auch: Zeitschrift für Erfahrungsheilkunst. Lövcnstcin, Dr. J. S., De prosodia medica, sive de recta verborum in medicina usitatorum pronunciatione. 8. 1828. 10 Sgr. Löwenhardt, Dr. S. E., UntersuchuDgen im Gebiete der gerichtlichen Arzneiwissenschaft, für Aerzte und CriminaHsten. I.Band. gr..8. 1848. n. 1 Thlr. 25 Sgr. Masm/.itl für die gesammte Thierkeilkunde, herausgegeben von den Professoren Dr. Gurlt und Dr. Hertwig. Jahrgänge I —XXII., a 4 Hefte mit Tafeln, gr. 8. 1835—56. a Jahrgang n. 2 Thlr. 20 Sgr. (Yon den ersteren Jahrgängen fehlen einzelne Hefte.) Magnus, Dr. A., Ueber das Flusswasser und die Cloaken grösserer Städle. In medici- nisch-polizeilicher Hinsicht. 8. 1841. n. 10 Sgr. Maizier, Dr. C. G., De parlu post matris mortem spontaneo. 8. 1835. n. 10 Sgr. Mandl, Geh.-Ralt) Dr. M. W., Praktische Darstellung der wichtigsten ansteckenden Epidemien und Epizootien in ihrer Bedeutung für die medicinische Polizei. 8. 1828. 2 Thlr. Materialien zu einer neuen illedicinal - Verfassung Preussens. Aus den Acten des Mi- nisteriums herausgegeben von Dr. .11. Kaiisch. I. Heft: Der ärztliche Con- gress. gr. 8. 1849. 15 Sgr. H. Heft: Dringliche Reform-Gesuche, gr. 8. 1849. n. 12 Sgr. Matich, Dl'. W. J. T., Die asthmatischen Krankheilen der Kinder. Eine Monographie. Erster Theil: Vom Verhältnisse der Thymus beim Asthma, gr. 8. 1853. n. 1 Thlr. Mecklenburg, Kreis-PhysikllS Dr., Was vermag die Säniläts-Polizei gegen die Cholera? 8. 1854. n. 1\ Sgr. Und Apotheker Dr. J. F. Simon, Grundzüge der Chemie in Tabellen-Form. Zunächst als Repetitorium für angehende Aerzte und Pharmaceuten. gr. 4. 1835. n. 1 Thlr. 10 Sgr. Medicinal-Edict, Königlich Preussisches und Churfiirsllich Brandenburgisches allgemeines und neugeschärftes, auf Sr. Majestät allergnädigsten Befehl herausgegeben von Dero Ober-Collegio-Medico. 4. 1725. n. 12 Sgr. Medicinal-Kalender, für den Preussischen Slaat auf das Jahr 1856. Mit Genehmi- gung Sr. Excellenz des Herrn Ministers v. Raumer und mit Benutzung der Acten des Königl. Ministerium der geistlichen, Unterrichts - und Medicinal-Angelegenheiten. 8. geb. 1 Thlr. Mit Schreibpapier durch- schossen 1 Thlr. 5 Sgr. (Erscheint seit 18S0 alljährlich.) Mellenlieinier, Dr. C, Disquisilioncs anatomico - comparativae de membro piscium pec- torali institutae in museo regio Berolinensi. Cum 2 tab. gr. 4. 1847. n. 1 Thlr. Meyer, Dl'. G. II., Anatomische Beschreibung des Bauchfells des Menschen. Mit einem Anhang über das Verhalten des Bauchfells bei Brüchen. 8. Mit 3 lith. Tafeln. 1839. n. 10 Sgr. Meur, Dl'. Mor., Die Eleclrieiläl in ihrer An Wendling auf praclisebe Hediein. 8. Mil "Holzschnitten. 1854. n. 1 Thlr. Michaelis, Dl'., C. F. von Gräfe in .seinem dreissiyiihrigen Wirken für Staat und Wis- senschaft, gr. 8. 1840. n. l%\ Sgr. Ministerium, Das, der MedicinaN Angelegenheilen gegenüber dem ärztlichen Publikum. 8. 1S49. Ii Sgr. Milllieilllllgeil aus der ihierärzllichcn Praxis im Preussischen Staate. Zusammen- gestellt von tierlach und Leisering. I. Jahrg. (Bericht 1852/53.) 8. 1854. n. 18 Sgr. Rodler, Dr. Fr. W. VOIl, Bad Oeynhausen bei Rehme. Mit vorzüglicher Rücksicht auf die Methode kurz dargestellt, gr. 8. 1850. n. 20 Sgr. Monatsschrift für Geburlskunde und Frauenkranklieilen. Herausgegeben von den DDr. Busch, Crede, v. Ritgen-, v. Siehold. I. bis VIII. Band oder Jahrg. 1853—56. a Jahrgang von 12 Heften n. 5 Thlr. 10 Sgr. Moser, Dr. A., Lehrbuch der Geschlechtskr" ankheilen des Weibes, nebst einem Anhange, enthaltend die Regeln für die Untersuchung der weiblichen Geschlechts- teile. Nach den neuesten Quellen und eigener Erfahrung bearbeitet. 8. 1843. 3 Thlr. 10 Sgr. Müller, Prof. Dr. Joll., Ueher die Compensatio!! der physischen Kräfte am menschlichen Sliuim- ofgan. Mit Bemerkungen über die Stimme der Säugethiere, Vögel und Amphibien. Fortsetzung und Supplement der Untersuchungen über die Physiologie der Stimme, gr. 8. Mit 4 Kupfertafeln. 1839. 1 Thlr. Millller, Dr. J., Die Krankheiten der Kartoffeln, insbesondere die im Jahre 1845 pandemisch herrschende nasse Fäule. gr. 8. Mit 1 lithogr. Tafel. 1846. n. 24 Sgr. NäUDiaiin, Prof. Dr. M. E. A., Theorie der praktischen Heilkunde, ein pathologischer Versuch. 8. 1S27. 1 Thlr. Handbuch der allgemeinen Semiotik. 8. 1826. I Thlr. 20 Sgr. Nüisser, Dr. J., Diö acute Entzündung der serösen Haute des Gehirns und Rückenmarks. Nach eigenen Beobachtungen am Krankenbett geschrieben, gr. S. 1845. u. 2 Thlr. XeiUliaiin, Kreis-PhjsikllS Dr. A. C, Handbuch der gerichtlichen Anatomie für Etechts- gelehrte, Polizeibeamte und Studirende, die an den Universitäten me- dicina forensis hören, so wie überhaupt für Jeden, welcher den wichti- gen Bau des Menschen ohne Beihülfe von Leichen und anatomischen Abbildungen gründlich kennen lernen will. Nebst einem Wörterbuche, welches gegen 5000 der gebräuchlichsten anatomischen Ausdrücke er- klärt. 8. 1841. 1 Thlr. 15 Sgr. Neiimann, Dr. §., Die öffentliche Gesundheitspflege und das Eigenthup. Kritisches und Positives mit Bezug auf die Preussische Medicinalverfassungs- Frage. gr. 8. 1847. 15 Sgr. (Früher Verlng von A. Ricas.) Nicolai, Med.-Rath Dr. G. H., Handbuch der gerichtlichen Medicin nach dem gegen- wärtigen Standpunkte dieser Wissenschaft, für Aerzte und Crimina- listen. Nebst Formularen zu Obductions- Protokollen, so wie zu Ab- fassungen von Gutachten. 8. 1841. 2 Thlr. 10 Sgr. — — Erforschung der alleinigen Ursache des immer häufigem Erscheinens der Menschenblattern bei Geimpften, gr. 8. 1833. n. 1\ Sgr. — — Die Wander- oder PrQzessionsraupe (Bombyx processionea) in naturhisto- risch-landespolizeilich und medicinischer Hinsicht geschildert. Mit einer Steindrucktafel, gr. 8. 1833. n. 12% Sgr. i\ollZCIl für praktische Aerzle über die neuesten Beobachtungen in der Medicin mit beson- derer Berücksichtigung der Krankheitsbehandlung. Unter Mitwirkung des Dr. F. Grävell, zusammengestellt von Dr. S. Slrassmanu. VII. Band (das Jahr 1854). Lex. 8. 1855. n. 5 Thlr. 20 Sgr. (Jährlich erscheint 1 Band in 3 Abiheiinngen.) l\lillian, Dire'cL Dl'. A., Heber die Bremsenlarven, welche sich im Magen des Pfer- des aufhalten. Ans dem Holländischen frei übersetzt und mit Zusät- zen versehen vom Prof. Dr. Herlwig. gr. 8. Mit 2 illumin. Tafeln. 1838. n. 25 Sgr. Oellingen, 0. L. ab, Dr. IllCtl. in VarsOV., Observaliones ad palhologiam et tberapiam spec- tanles. gr. 8. 1846. 22^ Sgr. Ollenroth, Geh. Med. - Rath Dr., Instruktion zur Erkenntniss,, zur Vorbeugung des Ausbruchs und zur Heilung der asiatischen Cholera, wenn ein Arzt entweder gar nicht, oder nicht schnell genug zu erlangen sein sollte. Fünfte Auflage. (Bromberg.) 1847. n. 5 Sgr. Ordnung, Revidirte, nach welcher die Apotheker in den Königl. Preussischen Landen ihr Kunstgewerbe betreiben sollen. De dato Berlin, 11. Oc- tober 1801. 4. n. 8 Sgr. Oswald, Dr. H., Das Seebad Misdroy. Ein Leitfaden für Badegäste etc. gr. 8- n. 5 Sgr. PälSCh, Dr. A., Schinkel's letzte Krankheit und Leichenbefund. 8. 1841. n. 5 Sgr. Penlzlin, Dr. F., Molicrus rediviyus. Ein Sendschreiben an Dr. Krüger-Hansen in Güstrow, gr. 8. 183G. 10 Sgr. Petitpierre, C, Der Rathgeber für die Erhallung der Äugen. Gebildeten Nichtärzteh gewidmet. Mit einer Vorrede vom Geh. Halb etc. Dr. C. A. F. Kluge. Mit 3 Kupfertafeln, gr. 8. 1828. 20 Sgr. PllDger, Ed., Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere nebst einer neuen Lehre über die Leitungsgesetze der Reflectionen. gr. 8. 1853. n. 1 Thlr. Philipp, Dr. P. J., Die Lehre von der Erkennlniss und Behandlung der Lungen- und Herz- krankheiten. Mit vorzüglicher Hinsicht auf die Auscultation, Percussion und die andern physikalischen Explorationsmethoden. Zweite, gänz- lich umgearbeitete Auflage, gr. 8. 1838. 2 Thlr. 1\ Sgr. PIlöbus, Dr. P., Randbuch der Arznei-Verordnnngslehre. 2 Bde. 8. Aufl. 2 Ab- druck, gr. 8. 1842. 5 Thlr. (Fehlt.) — — Kurze Anleilung zur ersten Hülfsleistung bei acuten Vergiftungen. 3. verb. Ausgabe, gr. 12. 1840. 1\ Sgr. — ■— lieber den Leichenbefund bei der orientalischen Cholera, gr. 3. 1833. n. 1 Thlr 22* Sgr. — — fiiflcryplogamen siehe: Brandt, Phöbns und Ralzeborg. Posner, Dr. L., und Apotheker C. E. Simon, Handbuch der specialen Arzneiverordnungs-Lebre. Mit besonderer Berücksichtigung der neuesten Arzneimittel, sowie der sechsten Ausgabe der Preuss. und der fünften der Oesterr. Phar- macopoe. gr. 8. n. 3 Thlr. Posner, Dr. E. W., Heber Gemülhs- und Nen en-Krankheilen und ihre Behandlung. Er- ster Bericht über das Heil- und Pflege-Institut für Gemüths-, Krampf- und Nerven - Kranke seit seinem dreijährigen Bestehen, gr. 8. 1852. n. lk Sgr. Praxis, Die medicinische, der bewährtesten Aerzle unserer Zeit, systematisch darge- stellt. Dritte neu bearbeitete Auflage. 5 Bände. S. 1844, 45. Laden-Preis 12^ Thlr. Herabgesetzter Preis n. 6 Thlr. I. und n. Band auch unter dem Titel: Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie der acuten Krankheiten. 2 Bände. HI. bis V. Band auch unter dem Titel: Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie der chronischen Krankheiten. 3 Bände. Herabgesetzter Preis der einzelnen Bände ä Bd. n. 1 Tlür 1\ Sgr. (Früher Verlag von Veit u. Comp.) Priogsheim, Privat-Doceill Dr. N., Untersuchungen über den Bau und die Bildung der Pflan- zenzelle. Erste Abth.: Grundlinien einer Theorie der Pflanzenzelle, gr. 4. Mit 4 color. Tafeln. 1854. n. 2 Thlr. lieber die Befruchtung und Keimung der Algen und das Wesen des Zeugungs- actes. Mit 1 color. Tafel, gr. 8. n. 18 Sgr. Prolokolle der zur Beralhung der Medicinalreform auf Veranlassung Sr. Excellenz des Herrn Ministers von Ladenberg vom 1. bis 22. Juni 1849 in Ber- lin versammelten ärztlichen Conferenz. gr. 8. 1849. n. 1 Thlr. 10 Sgr. Ralzcblirg, Prof. Dr. J. T. C, Untersuchungen über Formen und Zahlenverhällnisse der üa- turkörper. gr. 4. Mit einer Kupfertafel. 1829. n. 20 Sgr. — — Lehre von den Kennzeichen und deren Benennung bei den Mineralien, tabellarisch angeordnet und für Vorlesungen zusammengestellt, gr. Ro- yal-Folio. 1830. n. 7 Sgr. — — Tabelle über die verschiedenen Cryslallisalionssyslemc. Nach Prof. Weiss für Vor lesungen zusammengestellt und durch Figuren erläutert, gr. Folio. 1830. n. 10 Sgr. — — Siehe auch: Brandl und Ralzcblirg. RaVOlh, Dr., Handbuch für die Heil-(iehülfen hauptsächlich für die des KSaigl. Preussischen Staates. Mit 51 Holzschnitten, gr. 8. cart. n. 25 Sgr. Regulativ für das Verfahren bei mediciniscji-gevichtlichen Untersuchungen menschlicher Leichname (Obductionen). Herausgegeben von der Königl. wissen- schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen. 8. 1844. n. 2£ Sgr. Reich, Prof. Dr. Cll. G., Das Strecklieber und seine Behandlung, im Umriss darge- stellt. 8. 1835. 12£ Sgr. Reich, Dr. G. F. 0., De membrana pupillari. 4. Cum tab. aen. 1835. n. 15 Sgr. Reichert, Dr. K. B., Das Entwickelungsieben im Wirbeltliier-Reich, gr. 4. Mit 5 Kupfer- tafeln. 1840. n. 4 Thlr. — — Beiträge zur Kennlniss des Zustandes der heutigen Entwickelungs - Ge- schichte, gr. 8. 1843. n. 25 Sgr. Remak, Dr. R., Die abnorme Natur des Menstrual-Blutflusses. 8. 1842. n. 10 Sgr. — — Diagnostische und pathogenetische Untersuchungen, in der Klinik des Herrn Geh.-Raths Dr. Schönlein auf dessen Veranlassung angestellt und mit Benutzung anderweitiger Beobachtungen veröffentlicht. Mit 1 Kupfer- tafel, gr. 8. 1845. n. 1 Thlr. 15 Sgr. Mer methodische Eleklrisirung gelähmter Muskeln. Zweite Auflage. Mit einem Anhang: Ueber Galvanisirung motorischer Nerven. 8. n. 8 Sgr. Repertol'lUIll, Allgemeines, der medicinisch-chirurgischen Journalistik des Auslandes, her- ausgegeben von Dr. F. J. Behrend, 5. und G. Jahrgang. 1834 und 1835. a Jahrgang von 12 Heften n. 6 Thlr. 7. und 8. Jahrgang. 1836 und 1837. ä n. 4 Thlr. 15 Sgr. (Die Jahrgänge 1 — 4 erschienen bei C. E. Kollmann in Leipzig.) Reveille, Pai'ise, J. H., Lebenskunst für geistig beschäftigte Menschen. Ein Handbuch für Gelehrte, Künstler, Staatsmänner, überhaupt alle, deren Beruf mit geistiger Thätigkeit verbunden ist. Eine von der Akademie gekrönte Preisschrift. Aus dem Französischen von Kaiisch. 2. Ausgabe. 8. 1840. 22^ Sgr. Richter, Dr. C. A. W., Dr. Schönlein und sein Verhällniss zur neuern Heilkunde mit Berücksichtigung seiner Gegner. 8. 1833. n. 25 Sgr. Ricord's, Prof. Dr. P., Neueste Vorlesungen über die Sypl lilis und die venerischen Schleim- flüsse, gesammelt und ins Deutsche übertragen von Dr. W. Gerhard, gr. 8. 1847. 27 Sgr. — — Briefe über Syphilis an Herrn Am. Latour, Redacteur der Union med. Deutsch bearbeitet von Dr. C. Linian. gr. 8. 1851. 1 Thlr. 24 Sgr. Riess, Prof. Dr. P. T., Die Lehre von der Reibungs-Elektricität. 2 Bände. Mit 12 Kupfertafeln, gr. 8. 1853. n. 8 Thlr. Robert, Dr. F., Ein durch mechanische Verletzung und ihre Folgen querverengtes Becken, gr. 4. Mit 6 Tafeln. 1853. n. 1 Thlr. 10 Sgr. Rolffs, Dr. J. C. F., Praktisches Handbuch zu gerichtlich - medicinischen Unter- suchungen und zur Abfassung gerichtlich-medicinischer Berichte, gr 8 1840. 2 Thlr. 25 Sgr. (Früher Verlag von Alex. Dunckcr.) 2 Roinlterg, Geh. Med.-Ralh, Prof, Dr. M. H., Lehrbuch der Nerveakrankbeiien des Men- schen. Dritte veränderte Auflagp. Erster Band. 1 u II AML gr. 8. 1853. 1855. n. 4 Thlr. (Die III. Abth. bcflndel sich im Druck.) Ncuralgiac nervi quioli specialen. Prolusio aeademioa. C. tabula aeri in- cisa. gr. 4. 1840. n. 10 Sgr. (Früher Verlag von Alex. Duncker.) De paralysi respiraloria. gr. 4. 1\ Sgr. (Früher Verlag von Alex. Duncker.) Bericht über die Cholera-Epidemie des Jahres 1837. (Separat-Abdruck aus Caspers Wochenschrift für Heilkunde.) gr. 8. 1848. 1\ Sgr. Sachs, Dr. A., Betrachtungen über die unterm 31. Januar 1832 erlassene Instruk- tion, durch Avelche das in Betreff der asiatischen Cholera im Preussi- schen Staate zu beobachtende Verfahren festgesetzt wird. gr. 4. 1832. SadlS, Dr. A., Medicinisclie Deiikwiirdigkcilen aus der Vergangenheit und Gegen- wart. I. Band. 6 Hefte, gr. 12. 1834. n. 1 Thlr. 22-^ Sgr. SadlS, Dr. J. J., Chr. Willi. Hufeland. Ein Rückblick auf sein siebzigjähriges Lehen und Wirken. 1832. 1\ Sgr. Samson, Dr. J., Qualis est B roussaei tbeoria? qui inde fruetus aut quae noxiae in theoriam medicam redundant? Commentatio praemio aureo ornata. gr. 8. 1826. 15 Sgr. Saulsohn, Dr. S., De urethrae stricluris. Cum tab. aen. gr. 4. 1833. n. 26£ Sgr. Scheller, ßalaillons-Arzl Dr. C. F., Die amtlichen Circulare, welche von dem Chef des Militair-Medicinalwesens der Königl. Preussischen Armee erlassen worden sind. Nach ihrem Inhalte alphabetisch geordnet. 8. 1842. 1 Thlr. 15 Sgr. Dasselbe. Zweiter Theil. 8. 1846. n. 2 Thlr. Schlemm, Prof. Dr. F., Observaliones neurologicae. Cum 3 tab. aen. 4 maj. 1834. n. 25 Sgr. Sclllllldl, Dr. E., De polyponim exslirpalionc, commentatio chirurgica. Acced. 15 ta- bul. lithogr. 4 maj. 1829. n. 1 Thlr. 25 Sgr. Schmitt, Gell. Med.-Ralh, Prof. Dr. Jos. flerm., lieber Anstellungen und Beförderungen im Medicinäl - Departement; gr. S. 1851. n. 12 Sgr. — — Lehrbuch der Geburlskunde, siehe Hebammenbuch. — — Zur gerichtlichen (ieburlshülfe, siehe Auswahl medic. ger. Gutachten. Sclimtge, Dr. J., Adömbrätio brevis morborum pilorum corporis humani. gr. 8. 1837. n. 10 Sgr. — — Das Seebad llcringsdorf. Kurze Anleitung zum zweckmässigen Gebrauch des Seebades für Kurgäste. 8. Mit einer Ansicht von Heriugsdorf. 1852. n. 1 Thlr. 6 Sgr. Scfcnilzer, Dr. A., Die Preussische UTeflicmal - Verfassung, eine im Auszuge bearbei- tete vollständige Zusammenstellung aller gegenwärtig geltenden Me- dicinal-Gesetze, Verordnungen, Rescripte etc. 8. 1832. 1 Tlilr. 15 Sgr. _ _ Erster Nachtrag dazu, enthaltend sämmtliche Medicinal-Gesetze, Ver- ordnungen etc. der Jahre 1832 bis 183G. 8. 1836. 22£ Sgr. Praktische Anleitung zur Anwendung des magnelo-elektrischen Rotations-Apparates in versrlinnlcnen Krankheiten. Zweite, mit einem Nachtrage verm. Auf- lage. 8. Mit 2 lithogr. Tafeln Abbild. 1850. n. 27^ Sgr. _ — Der magneto - elektrische Rotations-Apparat und seine Amvendung nach den neuesten Erfahrungen. 8. Mit 1 lithogr. Tafel. 1850. n. 10 Sgr. (Supplement zur ersten AufUge der „Prallt. Anleitung zum Gebrauch des Rotations - Appa- rates. ") St lirievor, Dr. C. W. A., Diagnostische Tabelle der Hantkrankheiten nach Biett's Sy- stem, mit beständiger Rücksicht auf Willan's Classification. 2. Auflage. Royal-Folio. 1843. n. 10 Sgr. Schliert, KreisphySlkllS Dr. A., Die allein wahre Methode, Krankheiten zu heilen. Ein Schreiben an den Herrn Dr. Bicking. 1844. 5 Sgr. SdlllllZ (-Schullzenslein), Prof. Dr. C. H., Die homöobiolische Mcdicin des Theophra- stus Paracelsus in ihrem Gegensatz gegen die Medicin der Alten, als Wendepunkt für die Entwickelung der neuern medicinischen Systeme, und als Quell der Homöopathie dargestellt. 8. 1831. 1 Thir. Z\ Sgr. — — Natürliches System des Pflanzenreichs nach seiner inneru Organisation nebst einer vergleichenden Darstellung der wichtigsten aller früheren künst- lichen und natürlichen Pflanzensysteme, gr. 8. Mit einer Kupfertafel. 1832. 2 Thir. 25 Sgr. — — Gmndriss der Physiologie. Ein organisirter Entwurf zu Vorlesungen, mit Ausführung der allgemeinen Physiologie, gr. 8. 1833. 20 Sgr. — — De alinicillorum COllCOCtione experimenta nova instituit, exposuit, cum adversa digestionis organorum valetudine comparavit. C. tab. aeri incisa. 4 maj. 1834. 1 Thir. 12i Sgr. — — Sur la circulalion et sur les vaisseaux laticiferes dans les plantes. Memoire, qui a remporte le grand prix de physique propose par l'Academie royale des sciences de Paris pour l'anne 1833. 4. Avec 23 planches. 1839. n. 3 Thir. 10 Sgr. — — Die Anaphylose oder Verjüngung der Pflanzen. Ein Schlüssel zur Erklärung des Wachsens, Blühens und Fruchttragens, mit praktischen Rücksichten auf die Kultur der Pflanzen, gr. 8. 1843. 1 Thir. 1\ Sgr. — — Die Entdeckung der Mahren Pflanzennahrung. Mit Aussicht zu einer Agri- culturphysiologie. gr. 8. 1844. 20 Sgr. — — Lehrbuch der allgemeinen Krankhcilslchre. 2 Bände, gr. 8. 1844. 45. 4 Thir. 15 Sgr. — — Die Heilwirkungen der Arzneien nach den Gesetzen der organischen Ver- jüngung. Allgemeiner Theil. Auch unter dem Titel: Natürliches Sy- stem der allgemeinen Pharmacologie nach dem Wirkungs-Organismus der Arzneien, gr. 8. 1846. 2 Thir. 1\ Sgr. 2* Schultz (-Schutastejn), Prof. Dr. C. II., Neues Skiern der Horpbologie der Pflan- zen nach den organischen Büdangsgesetzen, als Grundlage eines wissenschaftlichen Studiunis der Botanik, besonders auf Universitäten und Schulen. 8. Mit 1 Tafel. 1847. 1 Thlr. — — Ueber die Verjüngung des menschlichen Lebens und die Mittel und Wege zu ihrer Kultur. Nach physiologischen Untersuchungen in praktischer Anwendung dargestellt. Zweite vermehrte Auflage. Mit einem An- hange über die Philosophie der Verjüngung und die Organisation der Geistesbildung, gr. 8. 1850. 3 Thlr. 27 Sgr. .— .— Der organisirende Geist der Schöpfung als Vorbild organischer Naturstudien und Unterrichts-Methoden in ihrem Einfluss auf Civilisation und christ- liche Humanität, gr. 8. 1851. n. 10 Sgr. — — Die natürlichen Familien der Krankheiten und die diesen entsprechenden Heilmittel mit Rücksicht auf das natürliche Sjrstem der Pharmacologie und die allgemeine Krankheitslehre, gr. 8. 1851. 3 Sgr. — — Die Verjüngung im Pflanzenreich. Neue Aufklärungen und Beobachtungen, gr. 8. Mit 1 Tafel Abbild. 1851. 18 Sgr. Die Verjüngung im Thierreich als Schöpfungsplan der Thierformen nebst Mittheilung der Entdeckung einer sichtbaren Selbstbewegung der Mus- kelfasern, gr. 8. Mit 1 Tafel. 1854. n. 1 Thlr. Sgr. — — Die Bildung des menschlichen Geisles durch Kultur der Verjüngung seines Lehens in Hin- sicht auf Erziehung zur Humanität und Civilisation. gr. 8. n. 5 Thlr. SchuIlZC, A. G. R., Compendium der oflicinellen Gewächse nach natürlichen Familien geordnet. 8. 1840. 1 Thlr. 20 Sgr. Schlllz, Dr. H., Zoagria oder Rettung und Erhaltung des Lebens in jeder Art der Gefährdung desselben. Eine Aufforderung zu einer bessern Beachtung des Menschenlebens. 8. 1834. 1\ Sgr. SerifiS medicaminum. Verzeichniss sämmtl. Arzneimittel, welche bei Apotheken- Visitationen Gegenstand einer Revision werden können. Fol. n. 4 Sgr. Sichel, Dr. J., Allgemeine Grundsätze, die Augenheilkunde betreffend, nebst einer Ge- schichte der rheumatischen Augenentzündung. Uebersetzt und her- ausgegeben von Dr. P. I. Philipp, gr. 8. 1834. 71; Sgr. Siebold, Prof. Dr. C. TL y. und Prof. Dr. H. Slaimius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bände gr. 8. 1846. 48. (1% Thlr.) Herabges. Preis n. 2 Thlr. 20 Sgr. (Früher Verlag von Veil u. Comp.) Simon, Docent Dr. F., Beiträge zur physiologischen und pathologischen Chemie und Mikros- kopie in ihrer Anwendung auf die praktische Medicin unter Mitwir- kung der Mitglieder des Vereins für physiologische und pathologi- sche Chemie und anderer Gelehrten herausgegeben. I. Band. Mit Abbildungen. 8. 1843. n. 4 Thlr. — — Kurze Beleuchtung der Schrift des Herrn Professor Kranichfeld über die Notwendigkeit gründlicher pharmacologischer Kenntnisse zum Ueben einer glücklichen Praxis. 8. 1833. 1\ Sgr. SlIIIOIl Und Mecklenburg, 6rundzüge der Chemie, siehe: Mecklenburg. SinOgOWltZ, Dr. II. S., Das Kindbetlfeber, physiologisch und tlicrapeutisch erläu- tert, gr. 8. 184,5. 1 Thlr. Sobernheim, Dr. J. F., Praktische Diagnostik der innern Krankheiten mit vorzüglicher Rücksicht auf pathologische Anatomie, gr. 8. 1837. 1 Thlr. 22', Sgr. Spinola, Dr. W. T. J., Die Kraßheiten der Schweine. 8. 1842. 1 Thlr. V- Sgr. _ _ Millheiliitigen über die Iiimierpest. gesammelt auf einer, im Auftrag der Königlich Preussischen Staatsregieruug im Frühjahr 1845 nach Polen und Russland unternommenen Reise, gr. 8. 1846. n. 22% Sgr. — — Die Injluenza der Pferde in ihren verschiedenen Modilicationen darge- stellt. 2. Auflage, gr. 8. 1845). n. 25 Sgr. — — Sammlung von tbierärztlichen Guiachten, Berichten und Protokollen, nebst einer Anweisung der bei ihrer Anfertigung zu beobachtenden Formen und Regeln, in besonderer Beziehung auf die in den Königl. Preussi- schen Staaten geltenden Gesetze. Ein Handbuch zunächst für ange- hende Kreisthierärzte. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage, gr. 8. 1849. n. 1 Thlr. 10 Sgr. — — Handbuch der specialen Pathologie und Therapie für Thierärzle. Erste Abthei- lung (Fieber), gr. 8. 1855. n. 2 Thlr. 10 Sgr. (Erscheint in 3 Ablheiliingen.) Slanelll, Dr., Was ist der Chloroformlod und wie ist er zu verhüten? (Sep. Ab- druck aus .,der deutschen Klinik.") gr. 8. 1850. n. 5 Sgr. SlailtlillS, Prof. Dr. II., Sjmholae ad anatomiam piscium. 4 maj. 1840. n. 1\ Sgr. — — Erster Bericht von dem zootomisch-physiologischen Institute der Uni- versität Rostock. 1840. 1\ Sgr. Staudinger, 0., De sesiis agri Berolinensis. c. 2 tab. gr. 4. 1854. 20 Sgr. Steinllläl, Dr., Medicinische Analekten. Eine Auswahl mehrerer durch ihre Sel- tenheit oder durch ein besonderes pathologisches Interesse ausgezeich- neter Krankheitsfälle, gr. 8. Mit 2 color. Kupfertafeln. 1S43. 224 Sgr. Talllllae, analomicae. Parsl.-. Osteologia edita a studioso medicinae Universi- tatis Caesarea Mosquensis P. D.(oubovilzky-. 8. cart. (Mosquae.) 1832. n. 15 Sgr. Taxe für die lledicinal-Personen, siehe Edicl. TllOIIUtS, Dr. Fr. (]., Die Normaldosen der Arzneimittel mit Andeutung der Bereitung und Zusammensetzung wichtiger Priiparate, nebst einem ergänzenden Anhange. Mit besonderer Berücksichtigung der Pharmacopoea Borus- sia ed VI. Qu. 8. brosch. 1847. 12 Sgr. Tschetll'kin, R., Leber die Augenkrankheit, welche in der Kaiserlich Russischen activen Armee herrscht. Aus dem Russischen, gr. 8. 1835. n. 10 Sgr. liebersiclll, Tabellarische, der Diagnostik der Herzkrankheiten, durch die Auskultations- u. Perkussionsgeräusche, n. Bellinghaus 1 Tab. Roy.-Fol. 1842. n. 5 Sgr. Upiliailll, Physikum Dr., Diagnose, der Exantheme, gr. 8. 1855. 15 Sgr. Verhandlungen der ärztlichen Gonferenz, siehe l'.uiokdllc Vetter, Dr. A., Theoretisch- praktisches Handbuch der allgemeinen und specielleu Beilqoel* Icnlehre. Nach dem neuesten Standpunkte der physikalischen und phy- siologischen Wissenschaften, sowie nach eigenen ärztlichen Erfahrungen systematisch bearbeitet. Zweite verbesserte und stark vermehrte Auf- lage. 2 Bände, gr. 8. 1845. 6 Thlr. 20 Sgr. — — Kelter den Gebrauch und die Wirkungen künstlicher und natürlicher Mineralhrunnen. Ein Beitrag zur Begründung einer Pharmakodynamik der Mineralwässer. 8/ 1835. n. 25 Sgr. — — Annalen der Slruve'schen Brunnen-Anstalten. I. — III. Jahrgang, kl. 8. 1841 — 1843. ä n. 20 Sgr. VierteljahrSSchrift für gerichtliche und öffentliche Bledick Unter Mitwirkung der Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen im -Mi- nisterium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten herausgegeben von Johann Ludw. Casper. I. — X. Band oder Jahrgang 1852 — 56. gr. 8. ä Jahrgang von 4 Heften n. 3 Thlr. 20 Sgr. Wagner, Dr. A., Heber den Ileilungs-Prozess nach Beseclion und Exslirpalion der Knochen. Mit 4 Kupfertafeln, gr. 8. 1853. 1 Thlr. 6 Sgr. Weber, Dr. F. A., Die Verändei •ungeil der 5ten (1829 erschienenen) Pharmaco- poea borussica im Vergleich gegen die 3te und 4te; mit eingestreuten prakt. und kritischen Bemerkungen. Mit 2 Tab. 1829. n. 15 Sgr. Werner, Dr., Erster Bericht üb er die orthopädische Heilanstalt zu Königsberg, umfassend den 10jährigen Zeitraum vom 1. Oct. 1826 bis 1. Oct. 1836. 8. 1837. n. 15 Sgr. West, Dr. C, Pathologie und Therapie der Kinderkrankheiten. Deutsch bearbeitet von Dr. A. Wegner. gr. 8. 1853. 2 Thlr. 12 Sgr. Wildberg, Med.-Rath Dr. C. F. L, Entwurf einer Bromatologic und Pomalologie für Kranke oder kurze Anweisung zur Auswahl, Bereitung und Anwendung der Speisen und Getränke in Krankheiten. 8. 1834. 17£ Sgr. Wochenschrift für die gesammle Heilkunde, herausgegeben vom Geh. Rath etc. Dr. Casper, 19 Jahrgänge, gr. 8. 1833 bis 1851. k Jahrgang von 52 Nrn. mit Tafeln n. 3 Thlr. 20 Sgr. (35. u. 40. fehlt.) Wold, Dr. Pll. 11., Neue Melliode der Operation des Schielauges durch subcutane Te- notomie. 8. Mit 1 Tafel Abbildung. 1840. n. 10 Sgr. Wolllieilll, Dr. H., Versuch einer medicinisclien Topographie und Statistik von Berlin. Mit einem Vorworte vom Geh. Medicinal-Balhc Dr. Casper. gr. S. 1844. 2 Thlr. 26£ Sgr. Wörterbuch, medicinisch-chirurgisch-therapeutisches, oder Repertorium der vor«ugl. Kurarten, herausg. durch einen Verein v. Aerzten. Mit einem Vorwort d. Geh. Hed.-Batlis Prof. Dr. Barez. 3 Bde. Lex. 8. (15 Thlr.) n. 6 Thlr. 20 Sgr. (Früher Verlag von Alex. Duncker.) Willll, Dr. L C, Beiträge zur Medicin, Chirurgie und Ophthalmologie. 8. Mit 2 Taf. Abbild. 8. 1844. n. 20 Sgr. ceilSCOrifl, Allgemeine, für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medicin, herausgegeben von Deutschlands Irrenärzten s in Verbindung mit Gerichts ärzten und Criminalisten, unter der Redaction von Dameiw, Flemming und Roller. 1.—13. Bd. gr. 8. 1844— 1856. a Band von 4 Heften n. 4 Thlr. — — — l\auien und Sachregister zum 1. bis VII. Bande. 8. 1851. n. 15 Sgr. — — für BrfabruDgsheilkunst, herausgegeben von Dr. A. Bernhardi und Dr. F. Lüffler. gr. 8. I. Band (4 Hefte). 1847. n. 3 Thlr. 3 Sgr. H. Band (3 Hefte). 1848. 49. n. 2ThIr. 18 Sgr. in. Band (3 Hefte). 1850. n. 2 Thlr. 28 Sgr. IV. Band (3 Hefte). 1851. n. 3 Thlr. 16 Sgr. V. Band (4 Hefte). 1852. n. 4 Thlr. 10 Sgr. Fortsetzung davon: — — für wissenschaftliche Therapie, herausgegeben von Dr. A. liernhardi. I. Bd. 1853. Preis pro Jahrgang von 6 Heften n. 4 Thlr. — — Acne, für Geburtskunde, herausgegeben von Geh. Dalli etc. Dr. D. W. H. Dusch, Geh. Rath etc. Dr. F. L x. Hilgen und Bofralfa etc. Prof. Dr. E. C. I. v. Sie- bold. 10 —33. Band ä 3 Hefte mit Abbildungen. 1841 — 1852. a Bd. n. 2 Thlr. 20 Sgr. (Fortsetzung: siehe Monalsschrifl.) (Band 1 — 9 der Zeitschrift ist Verlag von Rücker und Puch ler.) Zllirck, 0. L, Preussens Apotheken-Verfassung und deren zu erwartende Reform, 8. 1S50. n. 20 Sgr. — — Die Preußische Arznei-Taxe, deren Wesen, Entwickelung und Folgen vom Gesichtspunkte des allgemeinen Interesses und nach amtlichen Quellen beurtheilt. gr, 8. 1853. 15 Sgr. II. PORTRÄiTS. Bllhring, Dl". Joll. Jul. Litüogr, v. WolfratD. Druck des Kgl. lithogr. Instituts. Fol. n. 1 Thlr. Casper, Joll. Ludw., (ich. Med,-Rath, Prof. Dr. etc. Lithogr. v. Engelbacb. Fol. n. '25 Sgr. Dieffcnbacll, Joll. Friedr., Geh. Med.-Rath, Prof. Dr. etc.; Lüh. v. Mitlag. kl. Folio. Chines. n. 15 Sgr. Weiss n. 10 Sgr. Erdmann, Dr. K. G. H., Professor an der König). Thierarzneiscliule zu Berlin. Gez. und lith. v. Meyer. Fol. Chines. 20 Sgr. Weiss 15 Sgr. Hedwig, Dl". G. H., Professor an der Königl. Thierarzneiscliule zu Beilin. kl. Folio, n. 10 Sgr. HIUliy, Dr. K., Professor etc., assistirt vom Prof. Dr. Rliele. 1 ßl. kl. Fol. 15 Sgr. Horn, Dr. W., Geb. Med.-Rath, Direktor etc. Gez. v. Engelbach. Druck des Kgl. lith. Instituts. Fol. Chines. n. 1 Thlr. 5 Sgr. Weiss n. 25 Sgr. Krukenberg, Dr. P., Geh. Med.-Rath, Prof. etc. Gez. v. Mittag. Druck des Kgl. lith. Instituts. 8. 1\ Sgr. Langenbek, Dr. ß., Geh. Med.-Rath, Professor etc. Gez. v. Hellwig. Lith. v. Lange. Druck des Kgl. lith. Instituts. Fol. Chines. 1 Thlr. 10 Sgr. Weise 1 Thlr. Müller, Dl'. JoliaiineS, Geh. Med.-Rath, Prof. etc. Fol. Tondr. n. 1 Thlr. 10 Sgr. Romberg, Dr. M. H., Geh. Med.-Rath., Professor etc. Gez. v. Krüger. Lithogr. v. Jenlzen. Druck des Königl. lithogr. Instit. Fol. n. 1 Thlr. 15 Sgr. Schmidt, Dr. Jos. Herill., Geh. Med.-Rath, Prof. etc. Nach einer Büste v. Frey- berg gez. und lith. v. Busse. Fol. Chines. n. 1 Thlr. 5 Sgr. Weiss n. 25 Sgr. Schultz (-ScIlllllzeilSlcin), Prof. Dr. C. H. Lithogr. v. E. Meyer. Fol. 1 Thlr. V. Siebold, Dr. A. E., Geh. Rath, Prof. etc. Fol. 15 Sgr. Spiliola, Dr. W. T. J., Lehrer an der Kgl. Thierarzneiscliule zu Berlin. Folio. Gez. und lith. v. E. Meyer. Chines. 20 Sgr. Weiss 15 Sgr. VirdlOW, Dr. !{., Prof. in Würzburg. Gez. und lith. v. Pielsch. Fol. 22!; Sgr. Mmialttrbildnisse berühmter Professoren der niedicinischen Fakultät zu Berlin. 3 Blatt 8. n. 1 Thlr. 10 Sgr. enth.: Husch, Casper, Dieffcnbacll, Jiingken, Kluge, Job. Müller, Bömberg, Schönlein. Ferner besitze ich eine Anzahl Portraits von: BeraeÜUS, Dl'. J. J., Prof. etc. Stahlstich, kl. Fol. 10 Sgr. Burdach, Dr. Carl Friedr. Stahlstich, ki. Fol. 10 Sgr. Jaeger, Dr. Friedr. Stahlstich, ki. Fol. 10 Sgr. V. Koni, Dr. ViüCenZ. Stahlstich, kl. Fol. 10 Sgr. iilSckrlich, Dr. Eilard, Prof. etc. Stahlstich, kl. Fol. 10 Sgr. v. Raimann, Dr. J. N. Stahlstich, ki. Fol. 10 sgr. Rehmann, Dr. Jos. Stahlstich, ki. Fol. 10 sgr. RllSl, Dr. Joh. iVep., Geh. Med.-Ralh, Professor der Med. etc. Gez. v. Tangermaiiö. Gest. v. Holl. Fol. 15 Sgr. Gez. v. Kröger. Gest. v. Boll. kl. Fol. 10 Sgr. Seiler, Dr. Burkii. Willi. Stahlstich, ki. Fol. 10 Sgr. Stieglitz, Dr. F. A. Stahlstich, kl. Fol. 10 Sgr. Neueste Verlags-Artikel Eilner, Dr., Neue Arnieii-Pliarmakopoe zum Gebraucli in der Lazareth- und Armcn- Praxis, in Gefangenen-, Waisen- u. ähnlichen Anstalten, kl. 8. S Sgr. Krdmanil, C. (i. II. und C. II. Hartwig, Thierarzllichc tteceflirTtungl und Pharmakopoe nebst einer Sammlung bewährter Heilformeln. 8. 1 Tblr. Etilen bürg, SaililälsraÜl Dr. M., Die Heilung de: chronischen Inlerlcibsbeschu erden durch schwedische Gymnastik, gr. 8. 25 Sgr. Hciiocll, Dr. E., Klinik der Cnlerleibskrankheilen. 2. Aufl. II. Bd. 1 Thlr. 25 Sgr. Hildesheini, Slabsarzl Dr. W., Die Normäl-Diät. Physiologisch-chemischer Ver- such zur Ermittelung des normalen Nahrungsbedürfnisses der Men- schen, behufs Aufstellung einer Normal-Diät, mit besonderer Rück- sicht auf das Diät-Regulativ des neuen Reglements für die Friedens- Garnison-Lazarethe und die Natural-Verpflegung der Soldaten, sowie auf die Verpflegung der Armen, imper. 8. 1 Thlr. Krämer, Sanilälsralh Dr. W., Die Ohrenheilkunde in den Jahren 1851—185;i. Ein Nachtrag zu der Erkenntniss und Heilung der Ohrenkrankheiten, gr. 8. 20 Sgr. Philipp, Dr. P. J., Die Kennlniss von den Krankheiten des Herzens im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Medizin, gr. 8. 20 Sgr. RaVOlll, Dr. F. W., Klinik der Knochen- und Gelenk-Krankheiten. I. Band: Lehrbuch der Fracturen, Luxationen und Bandagen. Mit 218 Holzschnitten, gr. 8. 4 Thlr. 10 Sgr. Scheller, Slabsarzl Dr. W., Die amtlichen Circulaire des Chefs des Militair-Medi- cicinal-Wesens der Kgl. Preuss. Armee, in. Theil. gr. 8. 3 Thlr. Siegerl, Sanilälsralh Dr. J. Chr., Medicinisch-therapeutisches Wörterbuch oder Reper- torium der vorzüglichsten Kurarten der letzten Decennien. Zugleich als Suppl. zum medicinisch-chirurg.-therapeut. Wörterbuch. Lex. 8. 4 Thlr. 20 Sgr. Sjlinola, Dr. W. T. J., Ilandbuch der speciellen Pathologie und Therapie für Thierärzte. Zweite Abtheilung (Entzündungen), gr. 8. 1 Thlr. 26 Sgr. Traube, Dr. L, Ueber den Zusammenhang von Herz- und Nierenkrankheilen. gr. S. 16 Sgr. Willmaack, Dl'. TL, Beiträge zur rationellen Therapie nebst Beleuchtung der Prager und Wiener Schule. Für praktische Acrzte. gr. 8. 1 Thlr. 16 Sgr. Gedruckt bei Julius Sittonfcld in Berlin.